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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.11.2009
Aktenzeichen: I-3 Wx 195/09
Rechtsgebiete: BGB, FamFG


Vorschriften:

BGB § 181 2. Fall
FamFG § 382 Abs. 4 Satz 1
Bei einer zur Eintragung ins Handelsregister anzumeldenden Befreiung vom Verbot der Mehrfachvertretung gegenüber Beteiligungsunternehmen nach der Vorschrift des § 181, 2. Fall BGB ist klarzustellen, gegenüber welcher Beteiligungsgesellschaft die Befreiung gelten soll.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 195/09

In der Handelsregistersache

betreffend die I. Aktiengesellschaft (I. AG), in Düsseldorf,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 7. Juli 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. sowie der Richter am Oberlandesgericht v. W. und D. am 30. November 2009

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Geschäftswert: 2.500,-- €

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin ist als Gesellschafterin an 14 weiteren Gesellschaften beteiligt. Ihre Satzung enthält in § 6 u.a. folgende Regelung:

"Ferner kann der Aufsichtsrat einzelnen Vorstandsmitgliedern gestatten, im Namen der Gesellschaft mit sich als Vertreter von Unternehmen, an denen die Gesellschaft beteiligt ist, Rechtsgeschäfte zu schließen."

Diese Bestimmung wurde nachträglich durch einen entsprechenden Beschluss der Hauptversammlung vom 5. März 2009 in die Satzung aufgenommen.

In seiner Sitzung gleichfalls vom 5. März 2009 fasste der Aufsichtsrat der Beschwerdeführerin u.a. folgenden Beschluss:

"Unter dem Vorbehalt, dass die Hauptversammlung der I. AG in ihrer Sitzung am 05.03.2009 der Änderung der Satzung der I. AG im § 6 Abs. 2 beschließt, gestattet der Aufsichtsrat dem Vorstand, Herrn Dr. P., im Namen der I. AG mit sich als Vertreter der Beteiligungsunternehmen der I. AG Rechtsgeschäfte zu schließen."

Unter dem 2. April 2009 hat die Beschwerdeführerin zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet:

"Das alleinige Vorstandsmitglied, Herr Dr.-Ing. Heinrich P., ..., ist berechtigt im Namen der Gesellschaft mit sich als Vertreter der Beteiligungsunternehmen der Gesellschaft, Rechtsgeschäfte abzuschließen."

Daraufhin hat das Registergericht mit Verfügung vom 14. April 2009 mitgeteilt, dem Antrag könne "in dieser Form nicht entsprochen werden". Zur Begründung hat es angeführt, für einen das Register Einsehenden wäre nicht ohne weitere Ermittlungen erkennbar, ob die Befreiung nun vorliege oder nicht; eine Eintragung könne aber auch nicht z.B. für eine einzelne Gesellschaft erfolgen, da die Feststellung oder Prüfung, ob tatsächlich ein Beteiligungsunternehmen vorliege, im Einzelfall nicht vom Handelsregister ohne größere Ermittlungen zu überprüfen sei. Abschließend hat das Registergericht die Beschwerdeführerin aufgefordert, ihren Antrag "zwecks Meidung einer kostenpflichtigen Zurückweisung" zurückzunehmen, und hierfür eine Frist von drei Wochen gesetzt.

Gegen diese Verfügung hat sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde gewandt. Dieser hat das Registergericht unter Bezugnahme auf eine Äußerung im Schrifttum nicht abgeholfen und sie dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Vor dem Landgericht ist das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin ohne Erfolg geblieben. Die Zurückweisung ihrer Beschwerde hat die Kammer im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Befreiung von § 181 BGB, dem Verbot des sogenannten Selbstkontrahierens, stelle eine eintragungspflichtige Tatsache dar, unabhängig davon, ob jene Befreiung generell erteilt werde oder ob sie sich auf bestimmte Arten von Geschäften der Gesellschaft oder auf die Vertretung der Gesellschaft gegenüber bestimmten Dritten beschränke. In jedem Falle habe die Eintragung die beschränkte sachliche oder persönliche Reichweite der Befreiung zu umfassen. Deshalb müsse sie in einer Weise erfolgen, dass sich ihre Voraussetzungen und ihr Eintritt allein dem Register entnehmen ließen, ohne dass es eines Rückgriffs auf außerhalb des Registers liegende Umstände bedürfe. Die erforderliche Rechtssicherheit werde nur dann herbeigeführt, wenn jeder, der in Geschäftsbeziehung zu der Gesellschaft trete, durch Einblick in das Handelsregister ohne Schwierigkeiten Kenntnis über die Vertretung der Gesellschaft und den Umfang der Gestattung des Selbstkontrahierens erlangen könne. Diese tragenden Gesichtspunkte verkenne die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführte, von der gefestigten Rechtsprechung abweichende Auffassung. Den dargestellten Anforderungen genüge, wie die Beschwerdeführerin selbst erkenne, ihr Antrag nicht.

Gegen die Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin nunmehr mit ihrem weiteren Rechtsmittel.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Das vorliegende Rechtsmittel unterliegt noch dem Verfahrensrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit in seiner bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung. Es ist nach §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1, 29 FGG als weitere Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache jedoch bleibt es ohne Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 546 ZPO beruht.

1.

In formeller Hinsicht ist zwar durchaus zweifelhaft, ob das Registergericht zulässigerweise in Form einer Zwischenverfügung entschieden hat. Denn nach seiner eigenen Sicht sollte mit der Verfügung vom 14. April 2009 möglicherweise lediglich eine Frist zur Antragsrücknahme gewährt werden. Auch spricht die Begründung des Amtsgerichts eher dafür, dass es von der Unbehebbarkeit des von ihm gesehenen Hindernisses ausgegangen ist. Eine Zwischenverfügung ist jedoch lediglich in Fällen eröffnet, in denen ein Eintragungsantrag unvollständig ist oder ihm ein anderes behebbares Hindernis entgegensteht (so für das neue Recht nunmehr auch § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG).

Auf der anderen Seite hat das Registergericht davon gesprochen, dem Eintragungsantrag könne "in dieser Form" (Verfügung vom 14. April 2009) bzw. "in der gewünschten Formulierung" (undatierte Nichtabhilfe- und Vorlageverfügung des Registergerichts) nicht entsprochen werden. Dies hat die Beschwerdeführerin selbst ausweislich ihrer Ausführungen zu Ziffer I. ihrer Beschwerdebegründung dahin verstanden, das Amtsgericht habe ihr im Wege der Zwischenverfügung aufgegeben, klarzustellen, ob eine gänzliche Befreiung von der Beschränkung des § 181, 2. Fall BGB gewünscht sei oder ob die Befreiung für ein bestimmtes Unternehmen erteilt werden solle. Dieses Verständnis der Verfügung des Registergerichts erscheint immerhin gleichfalls möglich. Ersichtlich ist es auch vom Beschwerdegericht geteilt worden, das sich zur Frage der formellen Zulässigkeit der Zwischenverfügung nicht geäußert hat.

Bei dieser Lage sieht der Senat davon ab, die Verfügung des Amtsgerichts vom 14. April 2009 allein aus formellen Gründen aufzuheben.

2.

In der Sache lassen die eigenen Ausführungen der Beschwerdeführerin erkennen, dass sie die maßgebliche Rechtslage weitestgehend nicht verkennt. Danach findet § 181, 2. Fall BGB auf das Handeln des Vorstandes einer Aktiengesellschaft Anwendung und kommt eine Freistellung von dieser Beschränkung nicht nur allgemein durch die Satzung, sondern auch im Wege einer Gestattung durch den Aufsichtsrat in Betracht, sofern die Satzung hierfür eine ausreichende Grundlage enthält. Die Befreiung vom Verbot der Mehrfachvertretung ist zum Handelsregister anzumelden. In all diesen Hinsichten bestehen im gegebenen Fall auch keine Probleme.

Sodann entspricht es, wie die Beschwerdeführerin gleichfalls erkennt, weitaus überwiegender Ansicht, dass im Falle einer Befreiung für Rechtsgeschäfte mit verbundenen Unternehmen - hier: "Beteiligungsunternehmen" - Anmeldung und Eintragung die betreffenden Unternehmen konkret zu bezeichnen haben; mit anderen Worten muss bei einer Befreiung vom Mehrfachvertretungsverbot gegenüber Konzerngesellschaften angemeldet und eingetragen werden, um welche Gesellschaften im Einzelnen es sich handelt. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen diese ganz herrschende Meinung wendet, vermag der Senat sich ihren Argumenten nicht anzuschließen.

Nach wie vor sind für die Eintragungspflichtigkeit einer Befreiung vom Verbot des Insichgeschäfts diejenigen Erwägungen ausschlaggebend (so auch OLG München NJW-RR 2006, S. 1042 f. - juris-Version Rdnr. 16), die der Bundesgerichtshof bereits 1983 angestellt hat (BGHZ 87, 59 ff.): § 181 BGB schützt nicht nur die Interessen der Gesellschaft, sondern auch den Rechtsverkehr und damit zugleich die Gläubiger der Gesellschaft. Die Eintragung im Handelsregister, § 181 BGB sei ausgeschlossen und damit die Vertretungsbefugnis des Organs um den Abschluss von Insichgeschäften erweitert, soll den Rechtsverkehr auf die Gefahr hinweisen, dass im Umfang der Befreiung Vermögen zwischen der Gesellschaft und anderen Unternehmen verlagert oder die rechtliche Zuordnung bewusst unklar gehalten werden kann. Hierdurch kann sich der Gläubiger auf diese Gefahr rechtzeitig einstellen und gegebenenfalls von Geschäften mit der Gesellschaft absehen. Im Punkte der solchermaßen geschaffenen Rechtssicherheit steht das nationale Recht in Übereinstimmung mit dem Anliegen seinerzeit geschaffenen Europarechts, das den Zweck verfolgte, die Rechtssicherheit in den Beziehungen zwischen Gesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten nach Schaffung des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten. Hierfür ist es ohne Belang, dass der hier in Rede stehende Teilaspekt der Rechtssicherheit nicht die Frage betrifft, ob ein Dritter, der beabsichtigt, mit der betroffenen Gesellschaft Geschäfte abzuschließen, durch die Einsicht in das Handelsregister ermitteln kann, ob das ihm gegenüber handelnde Organ zur Vertretung der Gesellschaft gerade bei dem konkret beabsichtigten Geschäft mit ihm berechtigt ist.

Nach alledem geht es bei der Eintragung der Befreiung von § 181 BGB um Sicherheit im Rechtsverkehr durch Transparenz. Nicht hingegen soll die Eintragungspflichtigkeit der Befreiung dazu dienen, Unternehmen anzuhalten, ihren Organen die Befreiung möglichst vorzuenthalten oder auf den geringstmöglichen Kreis von Geschäften zu beschränken. Zugleich ergibt sich daraus ohne Weiteres, dass der gewünschte Zweck der Transparenz nur erreicht werden kann, wenn in Fällen einer eingeschränkten Befreiung die Eintragung nicht nur die beschränkte sachliche oder persönliche Reichweite der Befreiung "irgendwie" umfasst, sondern der Umfang der durch die eingeschränkte Befreiung vermittelten erweiterten Vertretungsbefugnis ohne Zuhilfenahme der Anmeldungsunterlagen und vor allem ohne Kenntnis sonstiger tatsächlicher Umstände allein aus dem Handelsregister der betroffenen Gesellschaft selbst ersichtlich ist. Praktische Nachteile infolge der Notwendigkeit, bei einer Veränderung des Kreises der Beteiligungsunternehmen eine ergänzende Handelsregistereintragung anzumelden, haben dabei zurückzutreten. Zum Einen ist der tatsächliche Aufwand in derartigen Fällen nicht relevant höher als etwa bei einem häufigen Wechsel der Zusammensetzung der die Gesellschaft vertretenden Organe. Zum Anderen gilt es gerade bei Gesellschaften mit rasch wechselnden Beteiligungen, dem Rechtsverkehr die oben beschriebene Gefahr vor Augen zu führen. Weitergehende Erschwernisse für die betroffene Gesellschaft in ihrem Verhältnis zum Handelsregister vermag der Senat nicht zu erkennen; dass zwischen Anmeldung und Eintragung einer Tatsache eine gewisse Zeit verstreicht, ist mit dem System des Handelsregisters notwendig verbunden.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat der Senat auch in seiner Entscheidung vom 1. Juli 1994 (NJW-RR 1995, S. 488 f.) keinen anderen Standpunkt vertreten. Die dortige Befreiung von § 181 BGB betraf die Geschäftsführer einer GmbH und war für verschiedene Fallgruppen gesondert gefasst; zur damaligen Entscheidung durch den Senat stand die Eintragung, die Geschäftsführer der Gesellschaft seien bei Geschäften mit vier namentlich im Einzelnen bezeichneten anderen Unternehmen vom Verbot des § 181 BGB befreit, die das Registergericht wegen Bedenken im Hinblick auf die Übersichtlichkeit der Registereintragungen nicht vornehmen wollte.

Schließlich geben die Überlegungen der Beschwerdeführerin zu möglichen Umgehungstatbeständen keinen Anlass, das gefundene Ergebnis zu ändern. Die abstrakte Möglichkeit, von der Eintragung einer Befreiung vom Mehrfachvertretungsverbot abzusehen und ein schwebend unwirksames Mehrfachvertretungsgeschäft des Vorstandes durch untergeordnete (vertretungsberechtigte?) Mitarbeiter der Gesellschaft genehmigen zu lassen, kann für die Gewährleistung der Rechtssicherheit im redlichen Geschäftsverkehr durch Handelsregistereintragungen keinen Maßstab bilden. Der weitere, von der Beschwerdeführerin angeführte Sachverhalt, ein Vorstand könne bei entsprechender Gestaltung der Satzung zunächst durch Aufsichtsratsbeschluss generell von § 181 BGB befreit und diese Befreiung ins Handelsregister eingetragen werden, hernach könne ein weiterer Aufsichtsratsbeschluss erfolgen, der dem Inhalt der hier in Rede stehenden Beschränkung der Befreiung entspreche, spricht nicht gegen die hier geteilte herrschende Meinung, denn in diesem Fall ist der Rechtsverkehr durch die im Register verlautbarte uneingeschränkte Befreiung gewarnt, und es geht zu Lasten der Gesellschaft, wenn die im Register eingetragene Befreiung und damit die Erweiterung der Vertretungsbefugnis des Vorstandes weiter gefasst ist als die "eigentlich" bestehende.

III.

Eine Kostenentscheidung für das vorliegende Verfahren ist nicht veranlasst. Bei der Festsetzung des Geschäftswertes schließt sich der Senat dem Beschwerdegericht an.

Ende der Entscheidung

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