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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 21.09.2007
Aktenzeichen: I-3 Wx 202/07
Rechtsgebiete: AufenthG, FEVG, FGG, StPO


Vorschriften:

AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 4
AufenthG § 106 Abs. 2 Satz 1
FEVG § 7 Abs. 1
FEVG § 7 Abs. 2 Satz 1
FGG § 27 Abs. 1
FGG § 29
StPO § 456 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 1. August 2007 gegen den Betroffenen Sicherungshaft für die Dauer von höchstens drei Monaten angeordnet, beginnend mit dem Ende der Ersatzfreiheitsstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen, durch das der Betroffene zu einer Geldstrafe von 900 € verurteilt worden ist.

Die vom Betroffenen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht durch den angegriffenen Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner - ohne Begründung gebliebenen - sofortigen weiteren Beschwerde, der der Antragsteller entgegentritt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Das gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, §§ 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 FEVG, §§ 27 Abs. 1, 29 FGG zulässige Rechtsmittel hat in der Sache in dem aus dem Beschlussausspruch ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts leidet an einem Rechtsfehler (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO), auf dem sie beruhen kann.

1.

Das Landgericht hat, teilweise unter Bezugnahme auf die Erwägungen des Amtsgerichts in dessen Beschluss vom 1. August 2007, ausgeführt:

Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Sein letzter Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung sei bereits 2003 bestandskräftig abgelehnt worden, verbunden mit einer Ausreisefrist von einem Monat, die ergebnislos verstrichen sei.

Es lägen die Haftgründe gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 5 AufenthG vor. Der Betroffene habe nach Ablauf der Ausreisefrist seinen Aufenthaltsort gewechselt, ohne der Ausländerbehörde seine Anschrift, unter der er erreichbar ist, anzugeben. Ferner bestehe der begründete Verdacht, dass er sich der Abschiebung entziehen wolle. Der Betroffene habe sich zumindest seit dem 5. April 2004 nicht mehr unter seiner letzten offiziellen Meldeanschrift aufgehalten und der Ausländerbehörde keine neue Erreichbarkeit mitgeteilt. Nach seinen eigenen Angaben habe er sich zwischen 2004 und dem 31. Juli 2007 illegal in Deutschland aufgehalten, ohne den Behörden seinen Aufenthaltsort mitzuteilen.

Die angeordnete Haftdauer sei auch unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach den Erfahrungen der Kammer erforderlich, um die Abschiebung des Betroffenen vorzubereiten und durchzuführen.

Eine persönliche Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren sei nicht veranlasst gewesen, weil das Amtsgericht ihn zeitnah persönlich angehört habe, er zudem anwaltlich vertreten und seine sofortige Beschwerde gleichwohl nicht begründet worden sei, so dass nicht zu erwarten stehe, dass eine erneute Anhörung zu weiteren, ihm günstigeren Erkenntnissen führen werde.

2.

Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkte nicht stand.

Zwar hat das Landgericht frei von Rechtsfehlern die Ausreisepflicht des Betroffenen, deren Vollziehbarkeit und das Vorliegen von Haftgründen bejaht und ebenso rechtsfehlerfrei von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen. Zu beanstanden ist indes seine Ausführung zur Verhältnismäßigkeit der angeordneten Haftdauer. Sie erschöpft sich in einer formelhaften Begründung und wird dem Umstand nicht gerecht, dass im gegebenen Fall nach der amtsgerichtlichen Anordnung die Abschiebungshaft erst mit dem Ende der vom Betroffenen zu verbüßenden Ersatzfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen in Sachen 28 Ls 174/03 beginnt.

Die Anordnung von Abschiebungshaft im Anschluss an eine zum Zeitpunkt der Entscheidung des Abschiebungshaftrichters bestehende anderweitige Haft ist grundsätzlich zulässig (BGHZ 129, 98 ff. sowie 383 ff.). Allerdings muss der Haftrichter in seine Beurteilung, ob die Abschiebungshaft erforderlich ist, die anderweitige Haft einbeziehen. Zum einen ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG vorliegen; hierbei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognose, ob die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate möglich erscheint, der Erlass der Haftanordnung, nicht der mutmaßliche Beginn des Vollzugs der Abschiebungshaft (OLG München, Beschlüsse vom 24. Mai 2005 in Sachen 34 Wx 52/05 sowie vom 25. Juli 2005 in Sachen 34 Wx 90/05). Besondere Bedeutung kann in diesem Zusammenhang die Frage gewinnen, ob ein Einverständnis der Vollstreckungsbehörde mit der Abschiebung gemäß § 456 a StPO erklärt ist, denn sofern sie auf einem Vollzug der Haftstrafe besteht, kann die Abschiebung aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, nicht binnen der Haftzeit, die möglicherweise drei Monate erreicht oder überschreitet, vollzogen werden (OLG München a.a.O.). Zum anderen ist es auch im Falle der Überhaft nicht zulässig, sie sozusagen auf Vorrat ungeachtet der Umstände des Einzelfalles anzuordnen. Vielmehr hat die Ausländerbehörde die Pflicht, die Abschiebung so beschleunigt wie möglich und geboten zu vollziehen, um unnötige Haftzeiten im Anschluss an die anderweitige Haft (hier: aufgrund Ersatzfreiheitsstrafe) zu vermeiden; sie hat insbesondere auch die Zeit zu nutzen, in der sich der Betroffene in der bereits angeordneten Haft befindet (OLG München a.a.O. m. w. Nachw.).

Das Landgericht hat weder Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG getroffen, noch dazu, aus welchen Gründen der Antragsteller über die zu vollstreckende Zeit der Ersatzfreiheitsstrafe hinaus weitere drei Monate benötigt, um die Abschiebung des Betroffenen zu organisieren. Immerhin nimmt er, sollte die Ersatzfreiheitsstrafe bis zu ihrem Ende am 27. Oktober 2007 vollzogen werden, damit insgesamt einen Zeitraum von knapp sechs Monaten zur Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung in Anspruch. Dies erschließt sich umso weniger auf den ersten Blick, als der Bürgermeister der Stadt Recklinghausen dem Antragsteller mit Schreiben vom 31. Juli 2007 mitgeteilt hat, ihm liege der "Originalpass" des Betroffenen vor; auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dieser nach Aktenlage - erst - am 31. Mai 2007 abgelaufen ist, dürfte die Existenz eines Passes erfahrungsgemäß die Beschaffung eines Passersatzpapiers erleichtern. Berücksichtigt man weiterhin das eigene Vorbringen des Antragstellers in seiner Erwiderung zur weiteren Beschwerde - was dem Landgericht naturgemäß noch nicht möglich gewesen ist -, erscheinen Feststellungen dazu, dass hier dem Beschleunigungsgebot Genüge getan wurde und wird, umso dringlicher; denn die dort geschilderten organisatorischen Schwierigkeiten mit den Zentralen Ausländerbehörden, die dazu geführt haben, dass bis jetzt die Passersatzpapierbeschaffung noch nicht einmal eingeleitet worden ist, können nicht zu Lasten des Betroffenen gehen.

Hätte das Landgericht die fehlenden Feststellungen getroffen, wäre es möglicherweise zu einer abweichenden Entscheidung über die Erstbeschwerde des Betroffenen gelangt. Jene Feststellungen sind dementsprechend nachzuholen. Zugleich wird, sofern nach dem Ergebnis der durchzuführenden Ermittlungen veranlasst, über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu befinden sein.

Ende der Entscheidung

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