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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.12.2004
Aktenzeichen: I-3 Wx 298/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14
WEG § 21 Abs. 3
WEG § 22 Abs. 1
Eine Maßnahme, wonach das an der Rückseite des Hauses vorhandene Fassadengrün (hier: wilder Wein) entfernt und zukünftig die Entstehung jeglichen Fassadengrüns sofort unterbunden werden soll, hat eine bauliche Veränderung zum Inhalt und kann daher nicht mit Stimmenmehrheit beschlossen werden.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 298/04

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft E. in Mülheim an der Ruhr,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den am 13.Oktober 2004 verkündeten Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G., der Richterin am Oberlandesgericht S-L. und des Richters am Oberlandesgericht von W-L.

am 17. Dezember 2004

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss der Kammer wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - teilweise geändert.

Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 7. März 2002 wird zu TOP 6 (Fassadenbegrünung) für ungültig erklärt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens werden den Antragsgegnern und dem Antragsteller je zur Hälfte auferlegt.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet in sämtlichen Instanzen nicht statt.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 8.000,00 €.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 4 sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft E. in Mülheim an der Ruhr; die Beteiligte zu 5 ist deren Verwalterin.

Am 7. März 2002 fasste die Wohnungseigentümergemeinschaft u. A. folgende Beschlüsse:

TOP 5:

"Die Eigentümer beschlossen mit zwei Jastimmen und einer Neinstimme, dass als nächste Maßnahme zu Lasten der Instandhaltungsrücklage die Sanierung und einfarbige Gestaltung der straßenseitigen Fassade durchgeführt wird.".

TOP 6:

"Die Eigentümer beschlossen mit zwei Jastimmen und einer Neinstimme, dass das vorhandene Fassadengrün (wilder Wein) an der Rückseite des Hauses entfernt werde und dass zukünftig die Entstehung jeglichen Fassadengrüns, im Hinblick auf den ungünstigen Kosten- und Nutzeneffekt und drohenden Streit mit den Nachbareigentümern, sofort unterbunden werden solle."

Der Beteiligte zu 1 hat beantragt,

die Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären.

Das Amtsgericht hat mit am 6. Dezember 2002 verkündetem Beschluss den Antrag abgelehnt, weil es sich bei dem Anstrich der straßenseitigen Fassade (TOP 5) und die Entfernung des vorhandenen und die Unterbindung des Wuchses künftigen Fassadengrüns (wilder Wein) an der Rückseite des Hauses um mit Mehrheit zu beschließende Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung handele.

Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht nach Beweisaufnahme mit am 13. Oktober 2004 verkündetem Beschluss zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Erstbeteiligte sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

Die Beteiligten zu 2 - 4 treten dem Rechtsmittel entgegen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist zum Teil begründet, denn die Entscheidung des Landgerichts ist nicht in allen Punkten rechtlich beanstandungsfrei, § 27 FGG.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, das Amtsgericht habe die Anträge auf Ungültigerklärung der Beschlüsse der Eigentümerversammlung zu TOP 5 und 6 vom 7. März 2002 zu Recht zurückgewiesen.

Die unter TOP 5 beschlossene Maßnahme habe wirksam mit Stimmenmehrheit beschlossen werden können; ein einstimmiger Beschluss bzw. eine Vereinbarung sei nicht notwendig.

Die Frage, ob eine Maßnahme noch als Instandsetzung oder Instandhaltung zu bewerten sei (und daher mit Mehrheit beschlossen werden könne) oder diese bereits eine darüber hinausgehende bauliche Veränderung oder Aufwendung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG darstelle (welche nur einstimmig beschlossen werden könnte), sei im Einzelfall unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien zu beurteilen. Dabei sei allgemein anerkannt, dass sich der Begriff der Instandhaltung bzw. Instandsetzung nicht bloß auf die Erneuerung bzw. das Auswechseln bereits vorhandener Bauteile oder Einrichtungen beschränke, sondern bei der Ersatzbeschaffung die technische Weiterentwicklung und den verbesserten Standard unter Berücksichtigung einer vernünftigen Kosten-Nutzen-Analyse umfasse. Auch eine über die bloße Reproduktion des bisherigen Zustands hinausgehende bauliche Veränderung, die eine technisch bessere und wirtschaftlich sinnvollere Lösung zur Behebung eines Mangels darstellt, sei eine ordnungsgemäße Instandsetzung [vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 79; Bärmann u.a. - Merle § 22 WEG Rn. 24]. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze habe die Gemeinschaft vorliegend eine Maßnahme der Instandsetzung der straßenseitigen Fassade des Gebäudes beschlossen. Soweit der Beteiligte zu 1 zunächst die technische Notwendigkeit einer lnstandsetzungsmaßnahme als solcher bestritten habe, habe er hieran im Verlauf des Beschwerdeverfahrens nicht mehr festgehalten. Im Übrigen habe der Sachverständige D. überzeugend dargestellt, inwieweit die Fassade sanierungsbedürftig sei.

Weiterhin sei auch nicht zweifelhaft, dass der mit der Sanierung beschlossene Fassadenanstrich Bestandteil der Instandsetzung sei und keine gesonderte Maßnahme der Verschönerung darstelle, zumal die Gemeinschaft bislang eine konkrete Farbe nicht bestimmt habe. Insoweit habe bereits das Amtsgericht zutreffend festgestellt, dass ein Fassadenanstrich nicht nur der Verschönerung eines Gebäudes diene, sondern auch Schutzzwecke verfolge. Dies werde auch durch die weiteren Ausführungen des Sachverständigen bestätigt.

Entgegen der Behauptung des Antragstellers bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die beschlossene Maßnahme nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht bzw. unwirtschaftlich ist. Auch hierzu habe der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass die beschlossene Maßnahme sehr wohl dem erforderlichen technischen Standard entspreche, auch wenn sie nur das "absolute Minimum" des Erforderlichen beinhalte. Dabei könne insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass die Benutzung eines Silikonharzes etwaige Probleme bereite oder als unzureichend anzusehen sei. Auch in dieser Hinsicht habe der Sachverständige im Rahmen der ergänzenden schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen etwaige Zweifel ausgeräumt und sich dabei auch überzeugend mit den Einwendungen des Antragstellers auseinandergesetzt.

Im Übrigen bestünden auch keine denkmalschutzrechtlichen Bedenken gegen die Maßnahme. so dass eine Ungültigerklärung des Beschlusses zu TOP 5 auch nicht unter diesem Gesichtspunkt in Betracht komme. Der Einwand des Antragstellers, die Maßnahme verstoße gegen Denkmalschutzrecht, habe sich nicht bestätigt. Nach der Auskunft der Denkmalschutzbehörde sei davon auszugehen, dass der Fassadenüberarbeitung aus denkmalpflegerischer Sicht rechtlich nichts entgegenstehe und darüber hinaus eine Bindung der farblichen Gestaltung der Fassade an die Vorgartenmauer denkmalrechtlich nicht verlangt werden könne. Soweit die Behörde eine erforderliche Genehmigung von bestimmten Anforderungen abhängig mache, stehe dies der Zulässigkeit des Eigentümerbeschlusses nicht entgegen, weil dieser bisher keine konkrete Maßnahme verbindlich beschlossen habe, welche die Behörde bereits jetzt als unzulässig erachte und die gestellten Anforderungen in Einklang mit dem angegriffenen Beschluss immer noch eingehalten werden können.

Auch hinsichtlich der mehrheitlich beschlossenen Entfernung der Fassadenbegründung sei der Beschluss (TOP 6) als rechtmäßig zu beurteilen. Diese stelle keine bauliche Maßnahme im Sinne einer wesentlichen Veränderung des Gesamterscheinungsbildes dar. Wie aus den aussagekräftigen Lichtbildern hervorgehe, handele es sich bei dem wilden Wein noch nicht um eine Pflanze mit dichtem Wuchs. Zudem sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass er erst seit wenigen Jahren vorhanden sei und insofern noch nicht als dauerhaftes Charakteristikum des Hauses angesehen werden könne, Im Übrigen könne der Antragsteller auch deshalb keinen Bestandsschutz, oder Vertrauensschutz für sich beanspruchen, da er die Ranken selbst ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer angepflanzt habe. Wenn aber der Antragsteller eigenmächtig eine solche Anpflanzung vorgenommen habe, könne er sich nicht darauf berufen, dass eine Beseitigung der Bepflanzung eine bauliche Änderung wäre, da er diesen Zustand selbst unbefugt geschaffen habe. Zu seinen Gunsten könne insbesondere auch nicht berücksichtigt werden, dass vormals Fassadenbegrünung vorhanden war. Denn nach dessen selbst vorgetragener Beseitigung hätte es in jedem Fall auf Grund der weitreichenden Konsequenzen der erneuten Fassadenbegrünung eines gemeinschaftlichen Beschlusses bedurft. Im Übrigen könne die Maßnahme auch nicht deshalb als unzulässig angesehen werden, weil die Begrünung aus baulichen Gründen sinnvoll sei. Dies wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn die Vorteile einer Begrünung deren Nachteile weit überwiegen würden. Dies könne hier jedoch aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen ebenfalls nicht angenommen werden. Dieser habe vielmehr die zahlreichen von den Antragsgegnern vorgetragenen Nachteile der Begrünung bestätigt, wozu insbesondere die erhebliche Gefahr einer Beschädigung der Außenfassade zu zählen sei, weil die letzte Fassadenschicht auf Dauer nicht in der Lage sei, das Gewicht der Begrünung zu halten. Hinzu komme der Pflegeaufwand, um eine Beeinträchtigung der Dachrinne oder das Zurückbleiben von abgestorbenen Wurzelmaterial zu vermeiden. Dem stünden keine relevanten oder gar die Nachteile überwiegenden Vorteile einer Begrünung gegenüber. Auch in dieser Hinsicht habe sich der Sachverständige umfassend und überzeugend mit den Einwendungen des Antragstellers auseinandergesetzt.

2.

Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

a)

Den Eigentümerbeschluss zu TOP 5 hat die Kammer zu Recht für wirksam gehalten.

Dass die Fassade des Hauses instandsetzungsbedürftig ist, steht nicht in Frage. Soweit mit den in Aussicht genommenen Arbeiten (auch) eine Verschönerung verbunden ist - dies wird nicht selten bei modernisierenden Instandsetzungen der Fall sein - macht dies die Maßnahme nicht zu einer nur einstimmig zu beschließenden baulichen Veränderung. Dies gilt auch für die Verwendung eines einfarbigen Schutzanstrichs im Rahmen der beschlossenen einfarbigen Gestaltung. Abgesehen davon dass der Gemeinschaft bei der Wahl der Maßnahme ein gewisser Ermessensspielraum zuzugestehen ist, innerhalb dessen vertretbare Mehrheitsentscheidungen hinzunehmen sind (vgl. BayObLG WE 1996, 480; Senat WE 1991, 252; 3 Wx 132/04 vom 18.06.04 m. w. N.; vgl. auch Weitnauer-Lüke WEG 9. Auflage 2005 § 22 Rdz. 3), kämen vorliegend das Absehen von einem Anstrich überhaupt oder ein farbloser Anstrich nach notwendiger Ausbesserung von Fehlstellen als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung ohnehin kaum in Betracht, weil die alte Fassadenfläche und die ausgebesserten Stellen - jedenfalls mit vertretbarem wirtschaftlichen Aufwand - nicht zu einem einheitlichen Fassadenbild zu fügen wären.

b)

Der Eigentümerbeschluss zu TOP 6, dass das vorhandene Fassadengrün (wilder Wein) an der Rückseite des Hauses entfernt werde und dass zukünftig die Entstehung jeglichen Fassadengrüns im Hinblick auf den ungünstigen Kosten- und Nutzeneffekt und drohenden Streit mit den Nachbareigentümern, sofort unterbunden werden solle, hat allerdings - entgegen der Auffassung der Kammer - eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG zum Inhalt. Denn die Maßnahme geht - anders als die bloße Pflegemaßnahme des Rückschnitts des Weinlaubes (vgl. hierzu Saarländisches OLG, Beschluss vom 10.10.1997 - 5 W 60/97) - über eine ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinaus und erfordert deshalb Einstimmigkeit. Durch die endgültige Entfernung des Bewuchses würde - dies zeigen die Lichtbilder - die Ästhetik der gartenseitigen Fassade nachhaltig verändert. In diesem Zusammenhang ist nicht von Bedeutung, ob der Beschwerdeführer selbst es war, der seinerzeit die Ranke gepflanzt hat. Denn unstreitig haben die Wohnungseigentümer bis zu dem in Rede stehenden Eigentümerbeschluss die Fassadenbepflanzung akzeptiert und jahrelang als dem Gemeinschaftseigentum zugehörend behandelt, so dass es sich bei dem Fassadenbewuchs um einen rechtmäßigen Zustand handelt.

Die Entfernung der Fassadenbegrünung ist für den Beschwerdeführer mit einem Nachteil im Rechtssinne verbunden. Denn für die Beurteilung, ob der Widersprechende beeinträchtigt wird, ist darauf abzustellen, ob nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der betreffenden Lage sich verständigerweise beeinträchtigt fühlen kann (BayObLG WE 1987, 156; Weitnauer a.a.O. § 22 Rdz. 12). Letzteres ist zu bejahen, weil die Entfernung der Begrünung bei gleichzeitigem Verbot jeglichen Fassadengrüns für die Zukunft gegenüber dem früheren Zustand wenn nicht bauphysikalisch, so jedenfalls optisch als Beeinträchtigung empfunden werden kann.

Dies hat zur Folge, dass der Beschluss zu TOP 6 - zumal mit Blick auf das Verbot jeglichen Fassadengrüns für die Zukunft Einstimmigkeit erfordert hätte, was dazu führt, dass er als bloßer Mehrheitsbeschluss für ungültig zu erklären ist und die Entscheidungen der Vorinstanzen entsprechend zu ändern waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.

Der nach der Beratung der Sache eingegangene Schriftsatz des Antragstellers vom 14. Dezember 2004 ist auf die Entscheidung ohne Einfluss geblieben.

Ende der Entscheidung

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