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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 06.04.2004
Aktenzeichen: I-3 Wx 68/04
Rechtsgebiete: AsylVfG, FreihEntzG, FGG, AuslG


Vorschriften:

AsylVfG § 14 Abs. 4
FreihEntzG § 16 Abs. 1 Satz 1
FGG § 13 a
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1
1.

Ein aus der Abschiebungshaft heraus beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gestellter Asylantrag steht der Aufrechterhaltung der Abschiebungshaft entgegen, wenn der Betroffene sich in Sicherungshaft ausschließlich nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG befindet, sich nach der unerlaubten Einreise aber nicht länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten hat (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG).

2.

Wird die Inhaftierung eines zunächst zu Recht in Abschiebungshaft genommenen Betroffenen später unzulässig und beantragt die Behörde nicht sogleich deren Aufhebung, so sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen (hier: Erledigung des Verfahrens durch Haftentlassung) - insoweit gemäß § 13 a FGG aus Gründen der Billigkeit der Gebietskörperschaft, der die Behörde angehört, auch dann aufzuerlegen, wenn es für diese bei divergierenden Rechtsauffassungen verschiedener Gerichte zur Auslegung des § 14 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG nahe gelegen hätte, die Aufhebung des Haftantrages zu betreiben (Fortentwicklung des Senatsbeschlusses - 3 Wx 25/04 - vom 13. Februar 2004).


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 68/04

In dem Freiheitsentziehungsverfahren

(hier: Abschiebungshaft)

betreffend die Haft zur Sicherung der Abschiebung des moldauischen Staatsangehörigen F., geboren am xxx in M., ohne festen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 16. Februar 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G., der Richterin am Oberlandesgericht S-L. und des Richters am Oberlandesgericht W-L. am 6. April 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Hauptsache ist erledigt.

Der Betroffene trägt die Gerichtskosten der ersten Instanz.

Die Stadt Duisburg als Gebietskörperschaft der Antragstellerin hat dem Betroffenen die ihm in den Beschwerdeinstanzen notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Dem Betroffenen wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde bewilligt.

Die Beiordnung von Rechtsanwalt D. aus R. wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Betroffene, der nach eigenen Angaben am 27. Januar 2004 aus Polen kommend in die Bundesrepublik Deutschland einreiste, wurde am 28. Januar 2004 durch Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes im Bahnhof Duisburg festgenommen. Er wies sich mit seinem moldauischen Nationalpass aus; über ein Visum für das Bundesgebiet verfügte er nicht.

Der Betroffene wurde wegen des Verdachts des unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet vorläufig festgenommen. Bei seiner Anhörung gab er an, er sei auf der Durchreise in die Niederlande gewesen. Dort habe er eine Arbeit aufnehmen wollen; er habe kein Geld mehr. Ein Visum habe er wegen zu hoher Kosten nicht beantragt. Er wolle das Bundesgebiet nicht freiwillig verlassen, sondern einen Asylantrag stellen. Hierzu erklärte der Betroffene, er habe in seinem Heimatland keine Arbeit. Andere Gründe brachte er nicht vor.

Auf Gesuch der Antragstellerin ordnete das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen am 28. Januar 2004 Sicherungshaft für längstens drei Monate mit sofortiger Wirksamkeit an.

Der Betroffene hat hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt und vorgetragen, seine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland als Flüchtling, mit dem Ziel, Asyl zu beantragen, sei grundsätzlich legal. Die Beurteilung, ob ein Asylgesuch zutreffend formuliert oder inhaltlich begründet sei, obliege weder der Ausländerbehörde noch dem Haftrichter.

Zeitgleich hat der Betroffene einen Asylantrag gestellt, der am 5. Februar 2004 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFI) einging.

Das Landgericht hat am 16. Februar 2004 das Rechtsmittel zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Amtsgericht habe zu Recht die Abschiebungshaft gegen den Betroffenen angeordnet. Der Haftgrund ergebe sich aus § 57 Abs. 2 Nr. 1 AusIG. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig, weil er am 27. Januar 2004 über Polen ohne Visum für Deutschland, mithin unerlaubt (§ 58 Abs. 1 AuslG) in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist sei.

Die Ausreisepflicht entfalle nicht nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsyIVfG, weil der Betroffene aus einem "sicheren Drittstaat" (vgl. Anl. 1 zu § 26 AsylVfG) eingereist sei. Damit setze die Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG einen förmlichen Asylantrag voraus, den der Betroffene jedoch erst aus der Haft heraus, eingehend am 5. Februar 2004 beim BAFI, gestellt habe. Dieser förmliche Asylantrag habe indes keine aufschiebende Wirkung und stehe der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen.

Hiergegen hat sich der Betroffene mit seiner am 27. Februar 2004 eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde gewandt.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat mit Bescheid vom 26. Februar 2004 den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und zugleich entschieden, dass der Betroffene nach Ablauf einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung aus der Haft heraus nach Moldawien oder in einen anderen zur Rückübernahme bereiten Staat abgeschoben werde. Für den Fall der Haftentlassung werde er aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland - zur Vermeidung der Abschiebung - innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen.

Da die Entscheidung des Bundesamtes dem Betroffenen nicht innerhalb der Frist nach § 14 Abs. 4 AsylVfG zugestellt werden konnte, ist der Betroffene auf Gesuch der Antragstellerin am 10. März 2004 aus der Haft entlassen worden.

Der Betroffene beschränkt nunmehr sein Rechtsmittel auf die Kosten und beantragt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt D..

Die Antragstellerin tritt dem Kostenantrag entgegen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1.

Durch die Haftentlassung am 10. März 2004 ist die Freiheitsentziehung des Betroffenen beendet worden. Das Verfahren ist nach Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde in der Hauptsache erledigt.

2.

Nachdem der Betroffene sein Rechtsmittel zulässigerweise auf die Kostenfrage beschränkt hat, ist nunmehr über die gesamten Verfahrenskosten zu befinden (vgl. BayObLGZ1985, 432/434; SchlHOLG FamRZ 1996, 1344).

a)

aa)

Der Betroffene hat die Gerichtskosten für die amtsgerichtliche Haftanordnung zu tragen, da sie der Sach- und Rechtslage entsprach (§ 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 15 Abs. 1 FreihEntzG). Nach den insoweit verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Vorinstanzen hatte der Betroffene den Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG verwirklicht. Umstände, welche die Anordnung von Abschiebungshaft gleichwohl gehindert hätten, lagen nicht vor.

bb)

Für das Verfahren der Erstbeschwerde hat der Betroffene Gerichtskosten nicht zu tragen. Sein aus der Abschiebungshaft heraus gestellter - am 5. Februar 2004 beim BAFI eingegangener und schließlich mit Bescheid vom 26. Februar 2004 als offensichtlich unbegründet abgelehnter - Asylantrag stand der Aufrechterhaltung der Abschiebungshaft zur Zeit der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts am 16. Februar 2004 entgegen, da die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG nicht vorlagen. Der Betroffene befand sich weder in Vorbereitungshaft nach § 57 Abs. 1 AuslG (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG) noch in Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG, weil er sich nach der unerlaubten Einreise (27. Januar 2004) nicht länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten hat (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG) noch in Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 5 AuslG (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG - vgl. OLG Düsseldorf - 26 Wx 4/00 - vom 21.01.2000, InfAuslR 2000, 236; OVG des Saarlandes vom 11.01.2001, InfAuslR 2001, 172; a.A. BayObLG vom 30.04.1999, InfAuslR 1999, 464; OLG Naumburg vom 26.01.2001 bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang.).

cc)

Für die dritte Instanz fallen Gerichtskosten dem Betroffenen nicht zur Last, da insoweit keiner der in § 14 Abs. 3 FreihEntzG vorgesehenen Gebührentatbestände (Verwerfung, Zurückweisung oder Rücknahme der Beschwerde) erfüllt ist.

b)

Darüber hinaus ist eine Überbürdung der dem Betroffenen in den Beschwerdeinstanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten auf die Gebietskörperschaft, der die Ausländerbehörde angehört, veranlasst.

aa)

Zwar sind die Voraussetzungen des entsprechend anzuwendenden § 16 Abs. 1 Satz 1 FreihEntzG (vgl. BayObLG v. 06.02.2002 - 3Z BR 407/01 - bei Melchior (Internet- Kommentar zur Abschiebungshaft), Anhang; BayObLGZ 1997, 379/380) nicht gegeben. Denn das Verfahren hat nicht ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags auf Anordnung von Sicherungshaft nicht vorlag.

bb)

Auch wenn die Erstattung außergerichtlicher Auslagen im Freiheitsentziehungsverfahren in Abweichung von § 13 a FGG die Vorschrift des § 16 Abs. 1 FreihEntzG regelt (vgl. Thüringer OLG vom 24.01.2001 bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang), so deckt der Regelungsgehalt des § 16 Abs. 1 Satz 1 FreihEntzG aber im vorliegenden Fall den Verfahrensgegenstand insoweit nicht ab, als der seitens des Betroffenen beim BAFI gestellte Asylantrag - wie oben ausgeführt - der Aufrechterhaltung der Abschiebungshaft entgegen stand. Die Bedeutung des § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG tritt insoweit in den Vordergrund (vgl. Senatsbeschluss vom 13.02.2004 - 3 Wx 25/04).

Dies hat zur Folge, dass zu prüfen ist, ob Gründe der Billigkeit es gebieten, der Antragstellerin (Gebietskörperschaft) die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des Betroffenen aufzuerlegen.

Letzteres ist vorliegend der Fall. Die Antragstellerin hatte es in der Hand, mit Blick auf den am 5. Februar 2004 beim BAFI eingegangenen Asylantrag auf die Aufhebung der Haftanordnung hinzuwirken. Dass sie dies nicht getan hat kann ihr zwar nicht im Sinne eines Verschuldens vorgeworfen werden. Denn die Rechtsprechung zu § 14 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG ist durchaus nicht einheitlich. Einerseits wird unter Hinweis auf eine angeblich missverständliche Fassung des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVerfG die Auffassung vertreten, dass diese Norm nicht zwingend dazu führe, dass der aus der Haft gestellte Asylantrag eines Ausländers, der sich aufgrund § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG in Sicherungshaft befindet, die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft hindert, und dass es dabei nicht darauf ankomme, ob sich der Ausländer bereits länger als einen Monat ohne Genehmigung im Bundesgebiet aufgehalten hat (BayObLG vom 30.04.1999, InfAuslR 1999, 464; OLG Naumburg vom 26.01.2001 bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang). Die nunmehr von dem erkennenden Senat befürwortete Gegenmeinung vertreten das OVG des Saarlandes vom 11.01.2001 (InfAuslR 2001, 172) sowie das OLG Düsseldorf - 26 Wx 4/00 - vom 21.01.2000 (InfAuslR 2000, 236). Der BGH (Beschluss vom 10.02.2000, NVwZ 2000, 965, ergangen auf Vorlage des OLG Düsseldorf) hat diese Frage nicht entschieden, sondern ausdrücklich offen gelassen. Da der erkennende Senat eine Rechtsprechung zu dieser Frage bislang nicht entwickelt hat, lag eine Rechtswidrigkeit der Handhabung der Antragstellerin zwar nicht ohne weiteres auf der Hand.

Gleichwohl gebieten Billigkeitsgesichtspunkte die Anordnung der Erstattung deshalb, weil es für die Antragstellerin nahe gelegen hätte, bei Nachricht vom Eingang des Asylantrages des Betroffenen beim BAFI mit Blick auf die divergierenden Rechtsauffassungen im Zweifel die Aufhebung des Haftantrages zu betreiben, zumal die dies vertretende Rechtsmeinung unmittelbar aus dem Gesetz hergeleitet wird.

3.

Die Beiordnung von Rechtsanwalt D. in R. ist abzulehnen. Dieselbe erweist sich als nicht notwendig, weil der Betroffene bereits durch Rechtsanwalt S. aus M. vertreten war.

Ende der Entscheidung

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