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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 26.09.2006
Aktenzeichen: I-3 Wx 70/06
Rechtsgebiete: FGG, StGB, WEG


Vorschriften:

FGG § 27
StGB § 59
WEG § 10 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Entscheidungen des Amtsgerichts vom 15.04.2005 und die angefochtene Entscheidung werden abgeändert, soweit der Antrag bzw. die Beschwerde bzgl. der Beschlussanfechtung zu TOP 6 der Eigentümerversammlung vom 26.06.2004 zurückgewiesen worden ist.

Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 26.06.2004 zu TOP 6 wird für ungültig erklärt.

Die Antragsgegner zu 1. tragen die Gerichtskosten der drei Instanzen.

Wert der weiteren Beschwerde: 10.000 €.

Gründe:

I.

Die Verfahrensbeteiligten sind die Eigentümer der Wohnungseigentumsanlage A. 2 - 6 in B. und deren Verwalterin. Der Antragsteller ist Miteigentümer dieser Anlage und Sondereigentümer einiger Wohnungen.

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 26.06.2004 haben die Versammlungsteilnehmer unter TOP 6 die D. mit 238 Ja-Stimmen bei 4 Enthaltungen und 9 Gegenstimmen als Verwalterin für das gemeinschaftliche Eigentum wiedergewählt. In der Einladung zu der Versammlung war der TOP 6 wie folgt bezeichnet worden: "Wiederwahl der D. als Verwalter für das gemeinschaftliche Eigentum ab dem 01.07.2004 bis zum 30.06.2009 zu den Bedingungen des am 01.07.1996 zu TOP 4 geschlossenen Vertrages.". Im Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vom 26.06.2004 heißt es:

"TOP 6

Wiederwahl der D. als Verwalter für das gemeinschaftliche Eigentum ab dem 01.07.2004 bis zum 30.06.2009 zu den Bedingungen des am 01.07.1996 zu TOP 4 geschlossenen Vertrages.

- Diskussion und Beschlussfassung -

Im Anschluss an eine kurze Ansprache von Herrn E. wurde der Antrag gestellt,

die WEG möge die Wiederwahl der D. GmbH & Co. KG als Verwalter für das gemeinschaftliche Eigentum ab dem 01.07.2004 bis zum 30.06.2009 auf der Grundlage der derzeit relevanten Geschäftsbedingungen beschließen."

Dem Antrag entsprechend ist der Beschluss gefasst worden.

Unter anderem gegen diese Beschlussfassung hat sich der Antragsteller gewandt. Er hat erstinstanzlich u. a. beantragt,

den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 26.06.2004 zu TOP 6 für ungültig zu erklären.

Die Antragsgegner haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Das Amtsgericht hat den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist vom Landgericht zurückgewiesen worden.

Der Antragsteller hat sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 27 FGG.

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Der Beschluss zu TOP 6 sei entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu unbestimmt. Aus der Einladung und auch aus dem Beschlusstext sei mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Wiederwahl der D. als Verwalterin auf der Grundlage des seinerzeit - am 01.07.1996 - abgeschlossenen Vertrages erfolgen sollte. Eine Vorlage des Vertragstextes, der allen Miteigentümern bekannt sein dürfte, sei nicht erforderlich gewesen. Dies würde nur unnötige Förmelei bedeuten. - Die Wiederwahl der D. widerspreche ferner nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Das wäre nur dann der Fall, wenn wichtige Gründe gegen eine erneute Bestellung der Verwalterin sprechen würden. Ein wichtiger Grund gegen die Bestellung liege entsprechend den für die Abberufung eines Verwalters geltenden Grundsätzen vor, wenn unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände nach Treu und Glauben eine Zusammenarbeit mit dem zu bestellenden Verwalter unzumutbar und das erforderliche Vertrauensverhältnis von Anfang an nicht zu erwarten sei. Das sei der Fall, wenn Umstände in der Person des Verwalters vorlägen, die ihn als unfähig oder ungeeignet für dieses Amt erscheinen ließen. Es seien bei dieser Beurteilung schärfere Maßstäbe als bei der Abberufung anzulegen, weil nicht ohne zwingenden Grund die Mehrheitsentscheidung der Wohnungseigentümer eingegriffen werden dürfe. Vor dem Hintergrund dieses Maßstabes liege im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung aller Umstände kein wichtiger Grund vor, der gegen die erneute Bestellung der Verwalterin spreche. Zwar könne ein wichtiger Grund vorliegen, wenn der Verwalter strafbare Handlungen, insbesondere Eigentums- oder Vermögensdelikte begehe. Hierbei seien jedoch immer auch die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Diese rechtfertigten im vorliegenden Fall nicht die Annahme eines wichtigen Grundes. Der wesentliche Hintergrund des Untreuevorwurfs gegen den Geschäftsführer der Verwalterin sei gewesen, dass dieser im Rahmen der Verwaltung einer großen Eigentümergemeinschaft mit der Stadt Köln eine Auseinandersetzung über die Höhe der Grundbesitzabgaben geführt und die Gebührenbescheide zunächst nicht beglichen habe. Dies habe zu Säumniszuschlägen und Mahngebühren geführt, wodurch der Gemeinschaft ein Schaden entstanden sei. Nachdem der Geschäftsführer gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt habe, sei er letztlich gemäß § 59 StGB unter Strafvorbehalt verwarnt worden. Die damaligen Vorfälle, die dieser Verwarnung zugrunde lägen, hätten einen einmaligen Charakter. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich der Geschäftsführer der Verwalterin seitdem oder im weiteren etwas habe zu Schulden kommen lassen. Abgesehen davon, dass die damaligen Handlungen nicht von der Absicht getragen gewesen seien, sich selbst einen Vermögensvorteil zu verschaffen oder der Eigentümergemeinschaft finanziellen Schaden zuzufügen, bestehe kein Grund zu der Annahme, dass die Verwalterin ihre Verwalterpflichten zukünftig nicht mit der gleichen Sorgfalt wie in der Vergangenheit erfüllen werde. Die Vorfälle, deretwegen der Geschäftsführer der Verwalterin zur Verantwortung gezogen worden sei, rechtfertigten nicht den Schluss, dass die Verwalterin ihrer Pflicht zur Verwaltung der gemeinschaftlichen Gelder nicht gewachsen sei oder sie entgegen ihrer Pflichten zum Schaden der Eigentümergemeinschaft handeln würde. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsbeirat über das Strafverfahren ständig unterrichtet worden sei und somit Kenntnis von den Vorwürfe gehabt habe. Dennoch sei darin keine Veranlassung gesehen worden, eine Störung der Vertrauensgrundlage anzunehmen und dementsprechende Konsequenzen zu ziehen. - Auch die weiteren vom Antragsteller vorgetragenen Argumente rechtfertigten nicht die Annahme eines wichtigen Grundes, der gegen eine erneute Bestellung der Verwalterin spreche. Soweit der Antragsteller beanstande, dass die Verwalterin trotz gerichtlicher Aufhebung der Jahresabrechnungen 1998 und 2000 diese bisher nicht erneut erstellt habe, hätten die Antragsgegner ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen eine erneute Erstellung der aufgehobenen Jahresabrechnungen zunächst nicht erfolgt sei. Dies beruhe auf dem Umstand, dass eine geänderte Heizkostenabrechnung erforderlich gewesen sei, die nur unter großen Schwierigkeiten zu erhalten gewesen sei. Daher sei eine zeitliche Verzögerung der Neuerstellung der Abrechnungen eingetreten. Es sei ferner darauf hinzuweisen, dass der Beschluss der Kammer, mit dem die Jahresabrechnungen beanstandet worden seien, erst seit Anfang März 2004 rechtskräftig sei. Die Jahresabrechnungen seien zwischenzeitlich neu erstellt und in der Eigentümerversammlung vom 20.06.2005 einstimmig genehmigt worden. Eine Pflichtverletzung der Verwalterin, die die Annahme eines wichtigen, gegen die Neubestellung sprechenden Grundes rechtfertigen könnte, sei daher nicht zu erkennen. - Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei eine Abrechnung über die Rechtskosten erfolgt. Diese würden entsprechend eines im Jahre 1995 von der Eigentümerversammlung gefassten Beschlusses über eine Sonderumlage im Rahmen der Jahresabrechnungen - die auch jeweils genehmigt worden sei - abgerechnet. Diese Handhabung entspreche dem ausdrücklichen Willen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Auch insoweit liege daher keine Pflichtverletzung der Verwalterin vor.

Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern. Der angefochtene Beschluss zu TOP 6 der Wohnungseigentümerversammlung vom 26.06.2004 ist zu unbestimmt. Dies ergibt die vom Senat vorgenommene Auslegung. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die von den Tatsachengerichten vorgenommene Auslegung von Wohnungseigentümerbeschlüssen grundsätzlich auf Rechtsfehler überprüfen, d. h. ob die Auslegung nach den Denkgesetzen und der feststehenden Erfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt (Keidel/Kuntze/Winkler, 15. Aufl., FGG § 27 Rdnr. 49). Darüber hinaus kann das Rechtsbeschwerdegericht die Auslegung unbeschränkt vornehmen, soweit es sich um Wohnungseigentümerbeschlüsse handelt, die in Abweichung von § 10 Abs. 3 WEG auch ohne Grundbucheintragung für Sondernachfolger gelten; denn die durch den Beschluss eingetretenen Rechtswirkungen sind seiner Formulierung selbst zu entnehmen, ohne dass äußere Umstände (soweit sie nicht für Jedermann erkennbar sind, insbesondere aus dem übrigen Versammlungsprotokoll) Berücksichtigung finden (BGH NJW 1998, 3713).

Um einen solchen Beschluss mit Dauerwirkung handelt es sich im vorliegenden Fall, da sein Gegenstand die Wiederwahl der Verwaltung für weitere 5 Jahre ist.

Der Wohnungseigentümerbeschluss, der auch für Sondernachfolger Gültigkeit haben soll, ist auszulegen wie eine Grundbucheintragung; denn es besteht ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Er muss "aus sich heraus" verständlich sein. Das ist vorliegend nicht der Fall. Welches die "derzeit relevanten Geschäftsbedingungen" sind, ist nicht klar und auch nicht durch den weiteren Inhalt des Versammlungsprotokolls bestimmbar. Jedenfalls sind nach unbefangenem Verständnis "derzeit" (also im Juni 2004) relevante Geschäftsbedingungen nicht gleichzusetzen mit den Bedingungen des Verwaltervertrages vom 01.07.1996. Mangels der erforderlichen Bestimmtheit ist der Wohnungseigentümerbeschluss zu TOP 6 daher ungültig.

Auf die weiteren zur Begründung der Beschlussanfechtung vom Antragsteller vorgetragenen Argumente kommt es mithin nicht mehr an. Bezüglich der Abrechnung von Rechtskosten sieht sich der Senat jedoch veranlasst, auf die in seiner Entscheidung vom 18.10.2002 (NZM 2003, 327) dargelegten Grundsätze hinzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Für die Anordnung einer Kostenerstattung besteht aus Billigkeitsgründen kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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