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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 13.09.2006
Aktenzeichen: I-3 Wx 81/06
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 8 Abs. 1
WEG § 43 Abs. 1
WEG § 43 Abs. 4
WEG § 45 Abs. 1
1. Wenn aufgrund des von den Tatsacheninstanzen festgestellten Sachverhalts davon auszugehen ist, dass eine notwendige Beteiligung am gerichtlichen Verfahren unterblieben ist, führt dies auf die weitere Beschwerde hin regelmäßig zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und Zurückverweisung der Sache.

2. Ersterwerber, die Mitglieder einer werdenden Eigentümergemeinschaft geworden sind, sind auch nachdem die Eigentümergemeinschaft in Vollzug gesetzt worden ist an Wohnungseigentumsverfahren zu beteiligen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 81/06

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 25. Januar 2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. L und des Richters am Oberlandesgericht B am 13. September 2006

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts vom 23. August 2005 werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die gesamten Kosten des Beschwerde- und des weiteren Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdegegenstands: 10.000,00 EUR.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 und 2 begehren die Feststellung, dass sie wie Miteigentümer der eingangs genannten Wohnungseigentümergemeinschaft zu behandeln, insbesondere zu den Eigentümerversammlungen einzuladen seien und dort Stimmrecht hätten; ferner beantragen sie, die auf der Eigentümerversammlung vom 31.01.2005 gefassten Beschlüsse für unwirksam zu erklären.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft entstand wie folgt:

In der Teilungserklärung vom 10.02.1999 teilte der damalige Eigentümer, Herr Z, das Eigentum an dem Grundstück, auf dem sich jetzt die Wohnungseigentumsanlage befindet, in Miteigentumsanteile gemäß § 8 WEG auf. Nach dieser Erklärung sollte auf dem Grundstück eine Eigentumswohnanlage bestehend aus 2 Mehrfamilienhäusern mit 11 Eigentumswohnungen, einer Tiefgarage mit 11 Stellplätzen und einer Garage errichtet werden. Die Wohnungsbau Z GmbH (Z GmbH) kaufte Wohnungs- und Teileigentum mit Kaufvertrag vom 12.10.1999 von dem teilenden Eigentümer; die Auflassung wurde erklärt, grundbuchrechtlich aber bis zum 10.12.1999 noch nicht vollzogen.

Durch notariellen Vertrag von diesem Tag kauften die Beteiligten zu 1 und 2 von der Z GmbH einen Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung im Erdgeschoss und an einem Tiefgaragenstellplatz. Die Z GmbH verpflichtete sich, das geplante Objekt zu errichten. Die Auflassung wurde erklärt und durch eine Vormerkung gesichert. Nach Errichtung der Gebäude bezogen die Beteiligten zu 1 und 2 das Wohnungseigentum. Wegen angeblicher Baumängel kam es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Bauträger und den Beteiligten zu 1 und 2. Letztere sind, weil sie den Kaufpreis wegen angeblicher Mängel teilweise zurückhalten, bis heute nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, ebenso wie die Wohnungserwerber und Vormerkungsberechtigten G, K, W und R. Eigentümerin dieser Miteigentumsanteile ist in Folge von Insolvenzen und rechtsgeschäftlichen Übertragungen die Beteiligte zu 11. Die Beteiligten zu 3 bis 10 sind als Miteigentümer eingetragen. Wann im einzelnen die Vormerkungen und Eigentumsumschreibungen eingetragen wurden, ist nicht geklärt.

Bis Ende Februar 2005 war die Beteiligte zu 13 Verwalterin der Anlage, seit dem ist dies die Beteiligte zu 12.

Die Beteiligten zu 1 und 2 wurden zunächst ebenso wie die (Mehrzahl der) übrigen Vormerkungsberechtigten wie Miteigentümer behandelt, insbesondere nahmen sie mit Stimmrecht an den Eigentümerversammlungen teil. Sie wurden auch zu der Versammlung am 31.01.2005 geladen, jedoch dann daran gehindert, der Versammlung beizuwohnen und abzustimmen.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben geltend gemacht, sie seien Mitglieder einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft geworden und als solche berechtigt, an den Eigentümerversammlungen teilzunehmen und dort ihr Stimmrecht auszuüben. Hieran ändere sich nichts dadurch, dass zwischenzeitlich die Gemeinschaft in Vollzug gesetzt worden sei. Die als Mitglieder einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft erworbenen Rechte bestünden fort.

Die Beteiligten zu 3 bis 12 sind dem entgegengetreten und haben vorgetragen, allein die eingetragenen Miteigentümer seien berechtigt, an der Versammlung teilzunehmen und abzustimmen.

Dem ist das Amtsgericht gefolgt und hat das Begehren der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben sofortige Beschwerde eingelegt, der die Beteiligten zu 3 bis 12 entgegengetreten sind.

Das Landgericht hat der Beschwerde entsprochen und festgestellt, dass die Beteiligten zu 1 und 2 wie Miteigentümer zu behandeln seien; die auf der Eigentümerversammlung vom 31.01.2005 gefassten Beschlüsse hat die Kammer für ungültig erklärt.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 3 mit der sofortigen weiteren Beschwerde; sie macht geltend:

Die von der Rechtsprechung zur werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft entwickelten Grundsätze seien hier nicht anwendbar, weil die Beteiligten zu 1 und 2 nicht vom Erstveräußerer, Herrn Z, sondern der Zweiterwerberin, der Z GmbH erworben hätten. Im übrigen sei für das Teilnahme- und Stimmrecht auf der Eigentümerversammlung allein die Eintragung als Eigentümer im Grundbuch maßgebend. Die Ansicht, auch dem werdenden Eigentümer stünden schon Rechte als Miteigentümer zu, überzeuge nicht. Es sei nicht ersichtlich, warum der Erst- mehr Rechte als der Zweiterwerber haben sollte. Schließlich hätten, wenn man der Auffassung des Landgerichts folge, auch die übrigen Vormerkungsberechtigten am Verfahren beteiligt werden müssen. Dass dies nicht geschehen sei, stelle einen Verfahrensfehler dar.

Die Beteiligten zu 1 und 2 verteidigen die landgerichtliche Entscheidung und tragen vor:

Die Grundsätze der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft seien vorliegend anzuwenden, weil sie das Wohnungseigentum zu einem Zeitpunkt erworben hätten, zu dem die Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht in Vollzug gesetzt worden sei. Das ergebe sich schon daraus, dass das Wohnhaus zu diesem Zeitpunkt noch nicht errichtet gewesen sei. Ein Verfahrensfehler des Landgerichts liege nicht vor, weil an dem Verfahren gemäß § 43 Abs. 4 WEG nur die Wohnungseigentümer zu beteiligen seien. Die übrigen Vormerkungsberechtigten würden durch die Entscheidung auch nicht benachteiligt. Im übrigen hätte der angebliche Verfahrensfehler früher gerügt werden müssen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 45 Abs. 1 S. 1 WEG, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 hat in der Sache - jedenfalls vorläufig - Erfolg . Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des Amtsgerichts und die angegriffene Entscheidung auf einem Rechtsfehler beruhen, §§ 27 FGG, 546, 547 ZPO.

Das Amtsgericht und das Landgericht haben die weiteren Vormerkungsberechtigten G, K, W und R nicht an dem Verfahren beteiligt. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist zu davon auszugehen, dass diese Personen als werdende Eigentümer an dem Verfahren zu beteiligen waren und die vorangegangenen Entscheidungen auf deren verfahrensfehlerhafter Nichtbeteiligung beruhen. Es oblag dem Amtsgericht und nachfolgend dem Landgericht als Tatsacheninstanzen festzustellen, wer am Verfahren zu beteiligen ist. Das ist nicht geschehen. Feststellungen dazu, warum die weiteren Vormerkungsberechtigten nicht beteiligt worden sind, obwohl nach dem Vortrag der formell Beteiligten ihre Stellung identisch ist mit derjenigen der Beteiligten zu 1 und 2, enthält die angefochtene Entscheidung nicht, sie sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Es ist nicht sachgerecht, die hierzu notwendigen Ermittlungen im Verfahren der weiteren Beschwerde nachzuholen. Das ist vielmehr Sache des Amtsgerichts als Tatsacheninstanz, das anschließend entweder die weiteren Vormerkungsberechtigten zu beteiligen hat oder aber darlegen muss, warum dies nicht geschehen ist.

Im einzelnen ist festzustellen:

1.

Die genannten Vormerkungsberechtigten sind nicht beteiligt worden, insbesondere nicht dadurch, dass Zustellungen an die Beteiligte zu 12 als Verwalterin erfolgten.

Für eine formelle Beteiligung der (werdenden) Wohnungseigentümer genügt zwar grundsätzlich die Zustellung an den Verwalter, dies gilt aber nicht, wenn ein Interessenkonflikt zwischen Verwalter und den zu beteiligenden Wohnungseigentümern besteht (vgl. Staudinger/Wenzel (2005) vor §§ 43 ff. WEG Rn. 33, mN). Ein solcher Konflikt liegt hier offensichtlich vor, weil die Verwalterin davon ausgeht, dass die Vormerkungsberechtigten nicht zu beteiligen sind.

2.

Die Beteiligung der weiteren Vormerkungsberechtigten ist im Gegensatz zur Auffassung der Beteiligten zu 1 und 2 auch nicht von vornherein entbehrlich, weil ihnen (den Vormerkungsberechtigten) durch die Entscheidung keine Rechtsnachteile drohen. Das ist nicht zutreffend. Denn falls den Beteiligten zu 1 und 2 die von ihnen begehrten Rechte eines Miteigentümers eingeräumt werden, so sind die übrigen Vormerkungsberechtigten hiervon allein schon deshalb betroffen, weil die Beteiligten zu 1 und 2 dann über die Belange der Gemeinschaft, zu der - was hier zu unterstellen ist - die Vormerkungsberechtigten ebenfalls gehören, mit entscheiden.

3.

Wenn eine notwendige Beteiligung unterblieben ist, was von Amts wegen geprüft werden muss, so dass es auf die Rüge der Beteiligten zu 3 nicht ankommt, so hat dies im Rechtsbeschwerdeverfahren regelmäßig die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache zur Folge. Nur ausnahmsweise kann die unterlassene Beteiligung im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt werden, wenn eine weitere Sachaufklärung weder notwendig noch zu erwarten ist und nur rechtliches Gehör gewährt werden soll (Staudinger/Wenzel § 43 WEG Rn. 60; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. A., 3 43 Rn. 125; jew. m.w.N.). Angesichts der Tatsache, dass bisher nicht feststeht, ob und in welchem Umfang die Vormerkungsberechtigten zu beteiligen sind und welche Einwände sie gegebenenfalls erheben, kann letzteres hier nicht angenommen werden.

4.

Nach dem bisherigen Sachstand sind sämtliche Vormerkungsberechtigte als werdende Wohnungseigentümer am Verfahren zu beteiligen, so dass nicht erkennbar ist, warum dies unterblieben ist.

a)

Der Senat hat in dem von den Beteiligten zu 1 und 2 vorgelegten Beschluss vom 24.01.2006 - I-3 Wx 145/05 (veröffentlicht in juris) dargelegt, dass dem (Erst-) Erwerber eines Miteigentumsanteils einer noch nicht in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen ein Stimmrecht in der Eigentümerversammlung zukommt. Ein solches Mitglied einer werdender Wohnungseigentümergemeinschaft ist an einem Verfahren gemäß § 43 ff. WEG in gleicher Weise zu beteiligen wie ein eingetragener Miteigentümer.

Auf die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft finden die § 43 ff. entsprechend Anwendung (vgl. Staudinger/Wenzel § 43 WEG R. 8). Damit sind auch die Mitglieder einer solchen Gemeinschaft Beteiligte im Sinne des § 43 Abs. 4 WEG. Als Ersterwerber sind sie auch dann zu beteiligen, wenn die Eigentümergemeinschaft später in Vollzug gesetzt worden ist, weil sie ihre einmal erlangte Rechtsstellung durch das tatsächliche Entstehen einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht wieder verlieren (vgl. Senat a.a.O., mN; OLG Köln NZM 2006, 301). Im Gegensatz zur Auffassung der Beteiligten zu 3 erweist sich eine Differenzierung zwischen Erst- und Zweiterwerber als richtig, weil im ersten Fall eine Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht besteht, im zweiten Fall besteht sie jedoch, so dass ein eingetragener Eigentümer vorhanden ist, der seine Rechte und Pflichten in der Gemeinschaft wahrzunehmen hat.

b)

Dass die Beteiligten zu 1 und 2 und möglicherweise auch die übrigen Vormerkungsberechtigten ihr Wohnungseigentum nicht vom teilenden Eigentümer, sondern von der Z. GmbH gekauft haben, die ihrerseits das Eigentum vom teilenden Eigentümer erworben hatte, steht der Annahme, dass sie Mitglieder einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft geworden sind, nicht von vornherein entgegen. Entscheidend ist allein, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft zum Erwerbszeitpunkt schon in Vollzug gesetzt war. Voraussetzung hierfür ist, dass die Wohnungsgrundbücher angelegt und mindestens zwei Wohnungseigentümer eingetragen sind (vgl. Senat NJW-RR 2006, 881, mN). Fehlt es daran, so besteht nach wie vor nur eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft, auch wenn der veräußernde Alleineigentümer nicht auch der teilende Eigentümer war.

c)

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken (NJW-RR 2002, 1236) hindert den Senat nicht an einer eigenen Sachentscheidung im zuvor dargestellten Sinn. Eine Vorlage zum Bundesgerichtshofs gemäß § 28 Abs. 2 FGG kommt nicht in Betracht. Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat in der genannten Entscheidung zwar eine von der Auffassung des Senats und der ganz herrschenden Meinung abweichende Ansicht vertreten, jedoch ausdrücklich klargestellt, dass dies nicht entscheidungserheblich sei. Das schließt eine Vorlage gemäß § 28 Abs. 2 FGG aus.

5.

Wegen des dargestellten Verfahrensverstoßes schon durch das Amtsgericht ist hier ausnahmsweise eine Zurückverweisung an das Amtsgericht sachgerecht (vgl. Bärmann/Pick/Merle § 45 Rn. 67, mN).

Das Amtsgericht wird zu prüfen haben, bei welchen Vormerkungsberechtigten die zuvor dargestellten Voraussetzungen vorliegen und diese formell beteiligen müssen.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beteiligten zu 1 und 2 ist eine solche Prüfung nicht deshalb entbehrlich bzw. nur eingeschränkt erforderlich, weil die Vormerkungsberechtigten vor der Erstellung der Häuser eingetragen worden sind. Denn dass die Häuser noch nicht errichtet sind, schließt das Entstehen einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht aus. Die Teilung nach § 8 Abs. 1 WEG kann auch erfolgen, wenn auf dem Grundstück eine Gebäude erst errichtet werden soll. Auch dann entsteht die Wohnungseigentümergemeinschaft schon, wenn die zweite Person im Wohnungsgrundbuch eingetragen ist (vgl. Staudinger/Rapp § 8 WEG Rn. 24 und § 3 Rn. 33).

Ende der Entscheidung

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