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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.07.2008
Aktenzeichen: I-4 Sch 4/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1032 Abs. 2
ZPO § 1038 Abs. 1
ZPO § 1038 Abs. 1 S. 1
ZPO § 1040 Abs. 2 S. 2
ZPO § 1042 Abs. 4 S. 2
ZPO § 1059
ZPO § 1060
ZPO § 1061
ZPO § 1062 Abs. 1
ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Der Antrag der Antragstellerin vom 06. Mai 2008 auf Abberufung des zum Obmann/Schiedsgerichtsvorsitzenden berufenen Herrn Rechtsanwalt und Notar H. T. und der Hilfsantrag, das Amt des vorbezeichneten Obmanns in dem Schiedsgerichtsverfahren der Parteien für beendet zu erklären, werden zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

III. Der Wert des Verfahrens wird auf € 85.068,44 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien unterzeichneten am 09. Februar/17. April 2007 einen Schiedsvertrag (Anlage Ast. 1), in der D.als Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens vorgesehen und nach der das angerufene Schiedsgericht mit Herrn Rechtsanwalt und Notar H. T., D. als Obmann besetzt ist.

Der genannte Obmann hatte sein Amt als Vorsitzender des Schiedsgerichts bereits mit Schreiben vom 25. Oktober 2005 angenommen.

Mit Schriftsatz vom 08. Dezember 2005 (Anlage Ast. 2) reichte die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin bei dem Schiedsgericht Schiedsklage auf Zahlung von € 53.749,49 ein. Gegenstand des Zahlungsverlangens war ein Restbetrag aus einer Teilschlussrechnung vom 04. Februar 2005 für die Durchführung von Erdarbeiten bei der Errichtung eines Rückhaltebeckens auf einer näher bezeichneten Baustelle in Duisburg. Der Restbetrag bestand im wesentlichen aus Behinderungs- und Stillstandskosten für mehrere Baufahrzeuge und -einsatzgeräte. Die Klageschrift umfasste 9 Seiten und 21 Anlagen.

Mit einem 13 Seiten umfassenden Schriftsatz vom 28. September 2006 (Anlage Ast. 3), dem 14 weitere Anlagen beigefügt waren, erweiterte die Antragstellerin ihre Klage auf € 127. 602,66, nachdem sie der Antragsgegnerin unter dem 16. Januar 2006 über ihre Arbeiten Schlussrechnung erteilt hatte. Zur Klageerweiterung führte sie weitere Behinderungskosten und zwei Nachträge für die Entfernung einer ausgehärteten Zementsuspension und die Entsorgung von zwischengelagertem, nicht mehr benötigten Aushubmaterial an.

Zur Klage und Klageerweiterung nahm die Antragsgegnerin mit 30-seitigem Schriftsatz vom 06. November 2006 (Anlage Ast. 4), dem 39 Anlagen zugehörten, Stellung. Hierin stellte sie das in der Schlussrechnung bezeichnete Flächen- und Mengenaufmass und das Stundenaufmass für von der Antragstellerin abgerechnete Stundenlohnarbeiten zum Teil streitig. Weiter bestritt sie die geltend gemachten Stillstands- und Behinderungskosten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Auch die Nachträge könne die Antragstellerin nicht bezahlt verlangen. Hilfsweise erklärte sie die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung in Höhe von € 151.781,22 .

Der Klageerwiderung - einschließlich der Hilfsaufrechnung - trat die Antragstellerin mit 22 Seiten umfassenden Schriftsatz vom 29. Januar 2007 (Anlage Ast. 5), dem 13 Anlagen beigefügt waren, entgegen.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2007 (Anlage Ast. 7) erinnerte die Antragstellerin den Obmann an eine Fortführung des Schiedsgerichtsverfahrens. In einem weiteren Schreiben vom 23. Oktober 2007 (Anlage Ast. 8) hielt sie ihm vor, dass er einen Termin für Ende September/Anfang Oktober 2007 angekündigt habe. Sie forderte um kurzfristige Bearbeitung der Sache und Anberaumung eines Termins auf.

Dieser Aufforderung leistete der Obmann keine Folge.

In einem Schreiben vom 7. April 2008 (Anlage Ast. 9) teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin auf eine entsprechende Anfrage mit, dass sie mit einer Abberufung des Obmanns nicht einverstanden sei.

Die Antragstellerin macht geltend, der Obmann habe seit dem Eingang ihrer Replik vom 29. Januar 2007 keinerlei Tätigkeit mehr ausgeübt. Weil er seinen Aufgaben nicht in angemessener Frist nachgekommen sei, habe das Gericht ihn abzuberufen.

Die Antragstellerin beantragt,

den als Obmann/Schiedsgerichtsvorsitzenden Herrn Rechtsanwalt und Notar H. T., H. Weg, D. , in dem Schiedsgerichtsverfahren der Parteien abzuberufen;

hilfsweise,

das Amt des Herrn Rechtsanwalts und Notars H. T. als Obmann/Schiedsgerichtsvorsitzenden in dem Schiedsgerichtsverfahren der Parteien für beendet zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Haupt- und Hilfsantrag zurückzuweisen.

Sie wendet ein, der Obmann sei sehr wohl tätig geworden. So habe er im April 2007 den vorliegenden Schiedsvertrag vereinbart und eine Regelung zu den Vorauszahlungen getroffen. Unter dem 25. Mai 2007 habe er eine Ergänzung des Schiedsvertrages zur Geltung der Schiedsgerichtsordnung Bau überreicht.

Die rechtlichen Schwierigkeiten und die Komplexität der von der Antragstellerin eingereichten Schiedsklage machten große Bearbeitungszeiträume erforderlich. Eine bereits mehrere Seiten umfassende Stellungnahme zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 29. Januar 2007 sei in Arbeit.

Zum Hilfsantrag schließlich macht die Antragsgegnerin geltend, als Feststellungsantrag fehle ihm das gebotene Rechtsschutzinteresse.

II.

1.

Haupt- und Hilfsantrag sind einer Sachentscheidung zugänglich. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Hilfsantrag um einen Feststellungs- oder - was näher liegt - um einen Gestaltungsantrag handelt und ob dem Feststellungsantrag das gebotene Feststellungsinteresse fehlt. Weil das Bestehen eines Feststellungsinteresses nur Sachurteilsvoraussetzung für eine stattgebende Entscheidung ist, wäre nämlich eine bloße Abweisung als unzulässig sinnwidrig, wenn beide Anträge in der Sache unbegründet sind (BGH, Urteil vom 24. Februar 1954, II ZR 3/03, BGHZ 12, 308; BGH, Urteil vom 14. März 1978, VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031).

So liegt der Fall hier.

Denn das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt es nicht, den Obmann nach § 1038 Abs. 1 ZPO von seinem Amt abzuberufen. Aus dem gleichen Grund kommt ein Ausspruch, nach dem das betreffende Amt beendet ist, nicht in Betracht.

2.

Der Senat ist nach § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für die Entscheidung über die Beendigung des Schiedsrichteramtes sachlich zuständig. Seine örtliche Zuständigkeit folgt aus § 1062 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Ziffer VI.1. der von den Parteien getroffenen Schiedsvereinbarung, nach welcher der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens D. ist.

3.

Dem Antrag auf Beendigung des Schiedsrichteramtes kann nicht stattgegeben werden.

Nach § 1038 Abs. 1 S. 1 ZPO endet das Amt des Schiedsrichters, wenn er rechtlich oder tatsächlich außer Stande ist, seine Aufgaben zu erfüllen, oder er aus anderen Gründen seinen Aufgaben in angemessener Frist nicht nachkommt.

Keiner dieser 3 Alternativen ist hier erfüllt.

Dies steht zwischen den Parteien im Hinblick auf die ersten beiden Alternativen zutreffend außer Streit, so dass es hierzu keiner näheren Ausführungen bedarf.

Bei der Frage, ob der Schiedsrichter seinen Aufgaben in angemessener Frist nicht nachgekommen ist, handelt es sich um eine offene Wertungs- und Generalklausel, die ein Verschulden nicht voraussetzt, zumal sie ausschließlich das Parteiinteresse an einer zügigen Verfahrensdurchführung schützt. Entscheidend ist daher die Zumutbarkeit weiteren Abwartens, und zwar maßgeblich geprägt von dem jeweiligen Einzelfall. Das Schiedsgerichtsverfahren soll den Parteien dienen. Wird es derart verzögert, dass ihnen Nachteile entstehen, die bei der Verhandlung vor den staatlichen Gerichten fehlen würden, so greift § 1038 Abs. 1 ZPO ein (Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 10, Rdnr. 32).

Als Richtschnur für die Zumutbarkeit weiteren Abwartens können folgende Kriterien herangezogen werden:

Es ist danach zu fragen, welche Verfahrenshandlungen der Schiedsrichter im Hinblick auf die Schiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO) - ergänzend: Verfahrensabreden oder Verfahrensordnung (§ 1042 Abs. 3 ZPO) - in der konkreten Verfahrenssituation hätte vornehmen sollen. Hier fließen folglich abstrakte Vorgaben und konkrete Umstände ineinander. Hat alsdann der Schiedsrichter nichts unternommen, ist weiter zu prüfen, ob dies in Anbetracht der gegebenen Umstände und unter Berücksichtigung der technischen sowie rechtlichen Schwierigkeiten des Falles sich als schlechthin nicht hinnehmbar darstellt. Wie sich aus § 1042 Abs. 4 S. 2 ZPO erschließt, besteht in dieser Hinsicht ein breiter Freiraum nicht justiziabler Verhaltensweisen. Andernfalls wäre das Schiedsverfahren seines eigenen Sinnes beraubt. Aus den §§ 1032 Abs. 2, 1040 Abs. 2 S. 2 ZPO einerseits und zum anderen aus den §§ 1059-1061 ZPO lässt sich ersehen, dass dem staatlichen Gericht sowohl präventive als auch repressive Befugnisse zustehen, Kontrolle auf das Schiedsverfahren auszuüben. Es soll jedoch nicht, gleichsam durch die Hintertür, in den schiedsrichterlichen Verfahrensplan hineinregieren. Folgerichtig stehen nur offensichtlicher Missbrauch und Ausreißer einer Zumutbarkeit weiteren Abwartens entgegen. Für die so vorzunehmende Wertung ist ein Rückgriff auf § 1032 Abs. 2 ZPO a.F. statthaft und hilfreich. Anerkannter Maßstab für die dort genannte Ungebührlichkeit der Verzögerung ist ein Vergleich mit der durchschnittliche Verfahrensdauer vor dem staatlichen Gericht gewesen, bei insgesamt zwei Instanzen, aber versehen mit einem Abschlag, da die Parteien vom Schiedsgericht regelmäßig ein rascheres Prozedere erwarten dürfen (Münch in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 1038 ZPO, Rdnr. 10 und 11).

Ausgehend von diesen Wertungskriterien stellt das Zuwarten des Obmanns mit einer Terminierung (noch) keinen Ausreißer und erst Recht keinen Fall offensichtlichen Missbrauchs der ihm obliegenden Verfahrensleitung dar.

Wie sich aus den hierzu vorgelegten Schriftsätzen erschließt, hat die von der Antragstellerin erhobene Schiedsklage einen inhaltlich komplexen und streitigen Sachverhalt mit einer Vielzahl von Rechtsfragen zum Gegenstand, aus dem die Parteien wechselseitige Ansprüche herzuleiten versuchen. So hängen beispielsweise eine Berechtigung der von der Antragstellerin abgerechneten Behinderungs- und Stillstandskosten einerseits und auf der anderen Seite der von der Antragsgegnerin zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach davon ab, ob und gegebenenfalls welche Partei die bei Durchführung der Erdarbeiten aufgetretenen Hindernisse zu vertreten hat. Zudem sind die von den Parteien erhobenen Ansprüche weitgehend auch in der Höhe streitig. Die Beantwortung dieser Fragen setzt in tatsächlicher wie auch rechtlicher Hinsicht eine eingehende und umfassende Würdigung des wechselseitigen Parteivorbringens und erforderlichenfalls eine noch anzuordnende Sachverhaltsaufklärung voraus.

Der Vergleich mit dem Verfahren vor den staatlichen Gerichten zeigt, dass bei einer solchen Materie mit einer Entscheidung für beide Instanzen innerhalb eines Zeitraumes von weniger als zwei Jahren in der Regel nicht gerechnet werden kann. Vielmehr ist bereits für das schriftliche Vorverfahren ein erheblicher Zeitraum erforderlich, ehe die Sache ausgeschrieben ist.

Aus eben diesem Grund ist eine Terminsbestimmung im vom Obmann geleiteten Schiedsverfahren zumindest noch nicht zwingend. Denn die Antragsgegnerin hat auf den Schriftsatz vom 29. Januar 2007, mit dem die Antragstellerin ihren zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüchen erstmals entgegengetreten ist, noch nicht erwidert. Nach ihrem Vorbringen soll ein entsprechender Schriftsatz noch in der Vorbereitung sein. In dieser Hinsicht hat der Obmann ein - allerdings alsbald auszuübendes - Ermessen, wie er das Verfahren fördern und einer Verzögerung durch die Antragsgegnerin entgegenwirken will.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Den Streitwert hat der Senat mit 1/3 des Wertes für das Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren (§ 43 Abs. 3 GKG) festgesetzt ( so auch: OLG München, Beschluss vom 10. Januar 2007, 34 SchH 008/06, 34 SchH 8/06, OLGR München 2007, 189).

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 1065 Abs. 1 S. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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