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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 13.05.2005
Aktenzeichen: I-4 U 146/04
Rechtsgebiete: ALB, VVG, DeckRV, AGBG, BGB, VAG, ZPO, RBerG, UKlaG


Vorschriften:

ALB § 5 Nr. 2
ALB § 6 Nr. 2
ALB § 17
VVG § 172
VVG § 172 Abs. 2
VVG § 176 Abs. 4
DeckRV § 4
AGBG § 9 Abs. 2 a.F.
BGB § 307 Abs. 2 n.F.
VAG § 65 Abs. 1 Nr. 2
VAG § 65 Nr. 2
ZPO § 348 a
RBerG § 1
RBerG § 3 Nr. 8
UKlaG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 14. Mai 2004 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 9.264,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins auf 1.169,74 EUR ab dem 1. Februar 2002, auf weitere 4.243,25 EUR ab dem 1. April 2003 und auf weitere 3.851,89 EUR ab dem 19. Juli 2002 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe: I. Der Kläger ist bundesweit als gemeinnütziger Verbraucherschutzverein auf dem Gebiet des Versicherungswesens tätig. Er hat die Beklagte in Prozessstandschaft für drei seiner Mitglieder, die ehemalige Versicherungsnehmer der Beklagten R... H..., A... P... und J... T..., auf Auszahlung der Rückkaufswerte aus bei ihr abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen in Anspruch genommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er sodann Abtretungserklärungen von H... und T... vorgelegt. Eine Abtretungserklärung von P... hat er mit (nicht nachgelassene) Schriftsatz vom 25. April 2005 nachgereicht. Den Verträgen mit der Beklagten lagen deren Versicherungsbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung zugrunde und zwar bei H... des Gewinnverbands FD (LC 4.96), P... des Gewinnverbands FD (LC 7.95) und T... des Gewinnverbands FD (LC 5.00). Die jeweiligen Klauseln § 5 Nr. 2, § 6 Nr. 2 und § 17 ALB, die die beitragsfreie Versicherung, die Kündigung und die Ausgleichung der Abschlusskosten betreffen, waren nach den (in Prozessen mit anderen Versicherern ergangenen) Urteilen des Bundesgerichtshofes vom 9. Mai 2001 (VersR 2001, 839 und 841) wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Deswegen wollte die Beklagte die Bestimmungen im Treuhänderverfahren nach § 172 Abs. 2 VVG durch inhaltsgleiche, aber leichter verständliche Bedingungen ergänzen bzw. ersetzen. Sie beauftragte einen Rechtsanwalt als Treuhänder mit der Überprüfung der von ihr neu konzipierten Regelungen. Dieser bestätigte ihr im August 2001 die Angemessenheit der verschiedenen Bedingungswerke. Darüber unterrichtete die Beklagte H... und T... unter dem 26. Oktober 2001, wobei aber für H... Bedingungen beigefügt waren, die nicht für zum Gewinnverband FD (LC 4.96) gehörende Verträge bestimmt sind. In der Folge haben P... (30. November 2001), T... (1. Mai 2002) und H... (9. Dezember 2002) ihre Versicherungsverträge gekündigt. P... hat behauptet, keine Benachrichtigung über die Neufassung der Bedingungen erhalten zu haben und ist deshalb von der Beklagten darüber (erst- oder nochmals) mit der Klageerwiderung unterrichtet worden (loser Hefter C 7). Ebenso hat die Beklagte dem Schriftsatz vom 28. Februar 2005 die für den Vertrag von H... gedachten neuen Bedingungen beigefügt. Bei der Berechnung der Rückkaufswerte, die die Beklagte außergerichtlich gezahlt hat (H...: 7.376,53 EUR, P...: 1.941,04 EUR und T...: 111,42 EUR, GA 94), hat sie - unter Berufung auf die neu gefassten Bestimmungen - die Abschlusskosten nach § 4 DeckRV "gezillmert" und einen Stornoabzug nach § 176 Abs. 4 VVG vorgenommen. Das hält der Kläger nicht für gerechtfertigt, weil auch die neuen Bedingungen unwirksam seien. Abschlusskosten könne die Beklagte daher mangels wirksamer Vereinbarungen nur pro rata temporis verrechnen. Das Treuhänderverfahren sei nur für Risikolebensversicherungen vorgesehen und finde bei bereits gekündigten Versicherungsverträgen ohnehin keine Anwendung. Davon abgesehen verstoße § 172 Abs. 2 VVG gegen den im GG verankerten Grundsatz der Privatautonomie und gegen EG-Recht. Die von der Beklagten vorgenommene Abrechnung sei auch nicht durch ergänzende Vertragsauslegung zu rechtfertigen, da es dafür an einer Regelungslücke fehle. Schließlich seien auch die geänderten Bestimmungen (weiterhin) intransparent und unangemessen i.S. von § 9 Abs. 2 AGBG a.F. und § 307 Abs. 2 BGB n.F. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.264,89 EUR zzgl. Jahreszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 4.243,25 EUR seit dem 1. April 2003, aus 1.169,74 EUR seit dem 1. Februar 2002 und aus 3.851,89 EUR seit dem 19. Juli 2002 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die zunächst unwirksamen Klauseln seien durch hinreichend transparente und wirksame neue Bestimmungen ersetzt worden. Das Treuhänderverfahren finde in allen Sparten der Lebensversicherung Anwendung und sei auch noch im Stadium der Abwicklung eines Lebensversicherungsvertrages zulässig. Überdies entspreche die "Zillmerung" der Abschlusskosten dem hypothetischen Parteiwillen. Es handele sich dabei um ein seit langem praktiziertes und durch § 65 Abs. 1 Nr. 2 VAG und § 4 DeckRV gesetzlich legitimiertes Verfahren, das zu den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik gehöre. Dieser Auffassung hat sich das Landgericht angeschlossen und die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines Standpunktes mit der Berufung. Ergänzend rügt er, dass die Versicherungskammer des Landgerichts den Rechtsstreit trotz grundsätzlicher Bedeutung als obligatorische Einzelrichtersache i.S. von § 348 a ZPO behandelt habe. Er beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.264,89 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins auf 4.243,25 EUR ab dem 1. April 2003, auf 1.169,74 EUR ab dem 1. Februar 2002 und auf 3.851,89 EUR ab dem 19. Juli 2002 zu zahlen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte, die das angefochtene Urteil für richtig hält, bittet um Zurückweisung der Berufung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen. II. Die Berufung hat Erfolg. 1. Der Kläger ist zur Geltendmachung der Ansprüche von H..., P... und T... auf Auszahlung des (ungekürzten) Rückkaufswertes befugt. a) Im Falle von H... und T... ergibt sich diese Berechtigung aus den Abtretungserklärungen vom 13. April 2005 (GA 580, 581), durch die die Aktivlegitimation des Klägers begründet wird. (1) Die Abtretungserklärungen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2005 vorgelegt. Ihre Echtheit ist unbestritten. Dass der Kläger die Schriftstücke nicht mitunterzeichnet hat, ist unschädlich, da er seinen Annahmewillen durch deren Übergabe im Termin zum Ausdruck gebracht hat und es eines Zugangs der Annahmeerklärung unter den gegebenen Umständen nicht bedarf (§ 151 BGB). Unerheblich ist ferner, dass die Zessionen der Beklagten nicht gesondert angezeigt worden sind (§ 15 Nr. 4 ALB), denn bei Vorlage der Erklärungen war sie sowohl durch ihren Prozessbevollmächtigten als auch durch ihren Justiziar vertreten. Dass beiden die Vollmacht zur Entgegennahme der dadurch zugleich bewirkten Anzeige fehlte, hat sie nicht vorgetragen. (2) Die zum Zwecke des Inkassos erfolgten Abtretungen sind auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG nichtig. (aa) Ob ein Verstoß gegen diese Vorschrift vorliegt, kann offen bleiben, wenn die Einziehung der abgetretenen Forderungen durch Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG legitimiert ist. Voraussetzung dafür ist indes, dass der Einzug durch einen Verbraucherverband erfolgt, der mit öffentlichen Mitteln gefördert wird. Das ist aber hier nicht der Fall. Eine Förderung mit öffentlichen Mitteln findet nur statt, wenn eine öffentlich-rechtliche Körperschaft Zuschüsse gewährt (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 64. Aufl., § 3 UKlaG Rn. 4). Dass der Kläger, wie er geltend macht, von der Körperschaftssteuer und teilweise auch von der Umsatzsteuer befreit ist (GA 533), genügt dafür nicht. Das bedarf aber keiner Vertiefung, weil ihm eine unerlaubte Rechtsbesorgung letztlich nicht vorgeworfen werden kann. (bb) Nach überkommener Rechtsprechung verstößt ein eingetragener Verein allerdings gegen Art. 1 § 1 RBerG, wenn er sich von Mitgliedern Ansprüche abtreten lässt, um diese auf eigenes Risiko gerichtlich geltend zu machen (BGH NJW 1995, 516). Daran festzuhalten, ist aber nicht mehr gerechtfertigt, da in jüngster Zeit ein Wandel in der Rechtsprechung zum RBerG eingetreten ist (BVerfG NJW 2002, 3531; 2004, 2662; BGH NJW 2003, 3046; BVerwG NJW 2003, 2767; vgl. ferner Kleine-Cosack, NJW 2003, 3009 m.w.N.). So fordert nunmehr das Bundesverfassungsgericht, den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen und bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass das RBerG - wie andere Gesetze auch - einem Alterungsprozess unterworfen ist (BVerfG NJW 2004, 2662). Es sei zu prüfen, ob die Schutzzwecke des RBerG beeinträchtigt werden. Wenn nein, sei eine einschränkende Auslegung angezeigt (BVerfG, a.a.O.). Daher muss zugunsten des Klägers gewertet werden, dass in seinem Fall der durch das RBerG bezweckte Schutz der Rechtsuchenden sowie einer geordneten Rechtspflege nicht gefährdet erscheint. Seinem Vorbringen, er verfüge über rd. 48.000 Mitglieder und sei bundesweit auf dem Gebiet des Versicherungswesens aktiv, ist die Beklagte ebenso wenig entgegengetreten wie der Behauptung, dass die Bundesregierung ihn schon seit Jahren zu den wesentlichen Gesetzesvorhaben, die das Versicherungsrecht betreffen, um Stellungnahme bitte (GA 3, 251). Unstreitig ist ferner, dass er zu den "qualifizierten Einrichtungen" i.S. von § 4 UKlaG gehört (GA 533). Die notwendige Sachkunde ist daher auf Seiten des Klägers gewährleistet. Außerdem macht er, wie sich aus seiner Anerkennung als gemeinnützige Einrichtung ergibt, die Forderungen seiner Mitglieder nicht aus Eigennutz, sondern aus altruistischen Motiven geltend. Hinzu kommt, dass er den Prozess mit Hilfe eines Rechtsanwalts führt, der über die Zulassung bei einem Oberlandesgericht verfügt (vgl. dazu Kleine-Cosack, NJW 2003, 3009, 3012). Dadurch ist eine kompetente Prozessführung gewährleistet; eine Beeinträchtigung der Schutzzwecke des RBerG ist somit nicht feststellbar. Nach Auffassung des Senats ist die vorliegende Klage daher keine genehmigungsbedürftige geschäftsmäßige Rechtsbesorgung. (3) Ist der Kläger aufgrund der Inkassozessionen aktivlegitimiert, folgt daraus zugleich, dass er (auf prozessualer Ebene) als Inhaber der von ihm geltend gemachten Rechte prozessführungsbefugt ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., vor § 50 Rn. 18). Auch im übrigen begegnet die Rechtsverfolgung in den Fällen seiner Mitglieder H... und T... keinen Zulässigkeitsbedenken. Wenngleich er nunmehr eigene Rechte einklagt, zielt sein Berufungsangriff weiterhin auf die Beseitigung der im vorinstanzlichen Urteil enthaltenen Beschwer. Denn dadurch, dass er nun aus eigenem Recht statt als Prozessstandschafter vorgeht, tritt eine Änderung des Streitgegenstands nicht ein (BGH MDR 2003, 1054, 1055). b) Ebenso ist der Kläger befugt, den Anspruch seines Mitglieds P... auf Auszahlung des (ungekürzten) Rückkaufswertes geltend zu machen. In ihrem Fall kann er sich aber nicht mehr auf eine Abtretung berufen, weil die Beklagte diese in Abrede stellt (GA 626) und er eine Abtretungserklärung erst durch (nicht nachgelassenen) Schriftsatz vom 25. April 2005 (GA 624) zu den Akten gereicht hat. Das hindert ihn jedoch nicht, weiterhin als Prozessstandschafter zu klagen. Dass er das (hilfsweise) will, entnimmt der Senat der Erklärung seines Prozessbevollmächtigten in der Verhandlung, dass es dem Kläger und den hinter ihm stehenden Mitgliedern gleich sei, ob er deren Rechte aufgrund einer Inkassozession oder als Prozessstandschafter durchsetze (so auch GA 621). Die Voraussetzungen für eine Klage in gewillkürter Prozessstandschaft sind auch gegeben. (aa) Die notwendige Ermächtigung des Klägers entnimmt der Senat den Schreiben vom 2. April 2002 (GA 564) und 30. Juni 2003 (GA 323). Dass die ihm verliehene Berechtigung in der Überschrift des Schreibens vom 30. Juni 2003 fälschlich als Vollmacht bezeichnet wird, ist ohne Belang, da im Text des Schreibens ausdrücklich bestätigt wird, dass er den Zahlungsanspruch "im eigenen Namen geltend" machen soll. (bb) Das gleichfalls erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse des Klägers an der Geltendmachung des Anspruchs folgt schließlich daraus, dass es unstreitig zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört, die Interessen von Versicherungsnehmern im Sinne eines Verbraucherschutzvereins wahrzunehmen(GA 3; vgl. BGH NJW 1983, 1559, 1561). 2. Die Klage ist auch (im übrigen) materiell gerechtfertigt, weil die Beklagte die von ihr praktizierte Verrechnung der Abschlusskosten und einen Stornoabzug nicht vornehmen durfte. Die Verrechnung einmaliger Abschlusskosten ab Beginn des Vertragsverhältnisses mit Ansprüchen auf künftige Beiträge ("Zillmerung") wird zwar durch § 65 Nr. 2 VAG als grundsätzlich zulässig vorausgesetzt. Im Verhältnis zum Versicherungsnehmer hängt die diesbezügliche Berechtigung des Versicherers jedoch von einer wirksamen Vereinbarung ab (BGH VersR 2001, 841, 844 f.). Gleiches gilt für den Stornoabzug. Denn für diesen setzt schon das Gesetz eine wirksame Vereinbarung voraus (§ 176 Abs. 4 VVG). An der notwendigen Vertragsgrundlage fehlt es jedoch in allen drei Fällen. 3. Außer Streit steht, dass die §§ 5 Nr. 2 , 6 Nr. 2 und 17 ALB, die die "Zillmerung" und den Stornoabzug regeln, in ihren ursprünglichen Fassungen aus den vom Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 9. Mai 2001 (VersR 2001, 839 u. 841) dargelegten Gründen intransparent und damit unwirksam waren (§ 9 Abs. 2 AGBG). Die von der Beklagten vorgenommene Abrechnung wird auch nicht durch die im Treuhänderverfahren geänderten Bedingungen legitimiert. 4. Ob unwirksame Versicherungsbedingungen bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung überhaupt im Treuhänderverfahren ersetzt werden können, ist zweifelhaft. a) Nach der herrschenden Meinung ist diese Frage zu bejahen, da § 172 Abs. 2 VVG nicht nur bei Risikoversicherungen Anwendung finde (OLG Stuttgart VersR 2001, 1141, 1142, 1144; OLG München VersR 2003, 1024, 1025; OLG Braunschweig VersR 2003, 1520, 1521; LG Stuttgart VersR 2003, 313; LG Wiesbaden VersR 2003, 1292; LG Saarbrücken VersR 2003, 1291, 1292; LG Aachen VersR 2003, 1022, 1023; Kollhosser VersR 2003, 807, 811; Lorenz VersR 2001, 1146; Wandt VersR 2001, 1449, 1452; BK-Schwintowski, VVG, § 172 Rn. 23; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 172 Rn. 30; ebenso BAV NVersZ 2002, 9 f.). Zur Begründung wird auf den Regelungszweck abgestellt. Durch § 172 Abs. 2 VVG solle eine schnelle, einheitliche und klare Vertragsergänzung ermöglicht werden, weil es sich bei Lebensversicherungen um Verträge mit sehr langen Laufzeiten handele, die für den Versicherer regelmäßig nicht kündbar seien. Bei Unwirksamkeit von Versicherungsbedingungen komme als Alternative nur eine Lückenschließung im Wege ergänzender Vertragsauslegung in Betracht. Das sei jedoch bei Massenverträgen ein grundsätzlich ungeeignetes Verfahren, weil eine Vertragsergänzung nur in Individualprozessen, nicht aber im Verbandsklageverfahren gefunden werden könne. Darüber könnten Jahre vergehen, bis Klarheit über den Inhalt des Vertrages bestehe. Im übrigen sei nicht gewährleistet, dass die gerichtlichen Vertragsergänzungen in jeder Hinsicht übereinstimmten. Insofern bestehe zwischen risiko- und kapitalbildenden Lebensversicherungen keinerlei Unterschied. Deshalb sei eine weite Auslegung des § 172 Abs. 2 VVG geboten. b) Die Gegenauffassung (LG Dortmund, Urteil v. 23.11.01 - 8 O 354/01 -; LG Frankfurt, Urteile v. 18.4.02 - 2 O 79 und 80/01 -; Buchholz-Schuster NVersZ 2000, 207; Schünemann, NVersZ 2002, 232, 233; Römer, a.a.O., § 172 VVG Rn. 2, 11 ff.) tritt dem unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte der Norm, ihren Wortlaut und ihre systematische Stellung entgegen. Der Gesetzgeber habe durch § 172 VVG bewusst nur solche Lebensversicherungen erfasst, bei denen die Realisierung des versicherten Risikos bei Abschluss des Vertrages noch ungewiss sei. Das Treuhänderverfahren sei daher nur bei Pflege-, Dread-Disease-, Berufsunfähigkeits- und Risikolebensversicherungen anzuwenden. So finde sich auch die einzige Parallelvorschrift im Bereich der Krankenversicherung (§ 178 g VVG), bei der die Eintrittspflicht in gleicher Weise ungewiss sei. Wenn der Gesetzgeber die Ersetzung der Zustimmung der Versicherungsnehmer in allen Sparten der Lebensversicherung ermöglichen wollte, hätte es im übrigen auf der Hand gelegen, dies in einer selbständigen Gesetzesvorschrift zu tun, statt die Bestimmung einer Spezialregelung für nur einen Teil der Lebensversicherungen als Absatz 2 anzufügen. c) Ob diesen systematischen Erwägungen der Vorzug zu geben ist, kann der Senat offen lassen, weil es auf die Entscheidung dieser Streitfrage im vorliegenden Fall nicht ankommt. 5. Denn selbst wenn man bei Kapitallebensversicherungen die Änderung unwirksamer Bedingungen im Treuhänderverfahren für zulässig hält, gilt das jedenfalls nicht für Verträge, die bei Wirksamwerden der Änderungen bereits durch Kündigung beendet waren. a) Das wird zwar von der herrschenden Meinung anders gesehen (LG Stuttgart VersR 2003, 313; LG Wiesbaden VersR 2003, 1292; LG Saarbrücken VersR 2003, 1291, 1292; LG Aachen VersR 2003, 1022, 1023; Kollhosser VersR 2003, 807, 810; Wandt VersR 2001, 1449, 1459; Prölss/Martin, a.a.O., § 172 Rn. 28 f.). Zur Begründung wird angeführt, dass auch beendete Verträge noch der Abwicklung bedürften und es dabei entscheidend darauf ankomme, ob die Abrechnung der Abschlusskosten wie ursprünglich vorgesehen zu erfolgen habe oder ob eine Neuberechnung notwendig sei. b) Dem wird aber entgegengehalten (LG Hannover VersR 2003, 1289, 1290; Dörner LM, Anm. zu § 8 AGBG Nr. 47, Bl. 8), dass die Abwicklung eines Vertrages nicht mit dessen Fortführung gleich gesetzt werden könne, weil es dabei nur noch um eine geordnete Beendigung des Versicherungsverhältnisses gehe. c) Der Senat schließt sich dieser Mindermeinung an. Änderungen nach § 172 Abs. 2 VVG werden nämlich erst zwei Wochen nach Benachrichtigung des Versicherungsnehmers wirksam (§ 172 Abs. 3 S. 2 VVG). Für Ansprüche auf Auszahlung des Rückkaufswertes, die vor Wirksamwerden dieser Änderungen entstanden sind, gilt dann der allgemeine Grundsatz, dass sich ein Anspruch nach den Bestimmungen richtet, die zum Zeitpunkt seiner Entstehung in Kraft waren (vgl. Art. 170, Art. 229 § 5 u. Art. 232 § 1 EGBGB). Eine Abweichung davon kommt nur in Betracht, wenn entweder gesetzlich oder vertraglich (wirksam) ein anderes bestimmt ist. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Auch eine rückwirkende Anwendung der Änderungen kommt nicht in Betracht. Prämisse dafür wäre nach dem Wortlaut des § 172 Abs. 2 VVG, dass die Anwendung der neuen Bedingungen "zur Fortführung des Vertrages ... notwendig ist". Ob die Abwicklung noch als Fortführung des Versicherungsverhältnisses gewertet werden kann, ist bereits zweifelhaft. Das kann hier aber dahinstehen. Entscheidend ist, dass jedenfalls ein gekündigter Lebensversicherungsvertrag keiner wie auch immer gearteten Abwicklung bedarf. Anders als im Falle eines Rücktritts wird der Vertrag durch die Kündigung nämlich nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, sondern ex nunc beendet. Offen steht dann nur noch der Anspruch des Versicherungsnehmers auf den Rückkaufswert. Dieser gesetzliche Erstattungsanspruch (§ 176 VVG) lässt das Versicherungsverhältnis aber weder fortbestehen noch wieder aufleben. d) Die Unanwendbarkeit der neuen Versicherungsbedingungen auf Verträge, die beim Wirksamwerden der Änderung bereits beendet waren, hat im Streitfall zur Folge, dass die Beklagte sich in den Fällen der Mitglieder des Klägers P... und H... nicht auf ihre neu gefassten Klauseln berufen kann, weil sie nicht nachgewiesen hat, dass sie P... vor Ausspruch der Kündigung über die Bedingungsänderung unterrichtet hat, und weil außer Streit steht, dass sie H... vor der von ihm erklärten Kündigung nicht die zutreffenden neuen Bedingungen mitgeteilt hat. Als belanglos können die Abweichungen zwischen den Bedingungswerken im zweiten Fall nicht angesehen werden, weil die "Zillmerung" der Abschlusskosten in dem ursprünglich übermittelten § 17 der neuen Bedingungen auf 3,5 % der Versicherungssumme beschränkt war, während der tatsächlich für den Vertrag maßgebende neue § 17 eine Beschränkung auf 4 % vorsieht (vgl. GA 101, 530). Ob die Beklagte die notwendige Benachrichtigung nach Rechtshängigkeit ordnungsgemäß nachgeholt hat und ob die nachgereichten Mitteilungen P... und H... zugegangen sind, kann somit dahinstehen. 6. Die Berechtigung der Beklagten zur "Zillmerung" der Abschlusskosten und zum Stornoabzug ist den Versicherungsverträgen mit H... und P... auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu entnehmen. Entscheidend ist insofern, ob die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klauseln eine angemessene und den berechtigten Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung darstellt (BGH NJW 2000, 1110, 1114). Das wird in Rechtsprechung und Literatur ebenfalls kontrovers beurteilt. a) Überwiegend wird angenommen, dass die "Zillmerung" der Abschlusskosten und der Stornokostenabzug dem hypothetischen Willen beider Parteien entspreche und daher zumutbar sei, weil es sich insbesondere bei der Verrechnung der Beiträge nach dem Zillmerverfahren um eine verbreitete und anerkannte Berechnungsmethode handele (OLG München, VersR 2003, 1024, 1026; OLG Braunschweig VersR 2003, 1520, 1522 f.; LG Stuttgart VersR 2003, 313; LG Saarbrücken VersR 2003, 1291, 1292; LG Aachen VersR 2003, 1022, 1024; Wandt VersR 2001, 1449, 1454 f.; Kollhosser VersR 2003, 807, 810). Wenn eine Versicherungsbedingung nur wegen Intransparenz unwirksam sei, sei im übrigen davon auszugehen, dass die Parteien bei Abschluss des Vertrages eine Klausel gleichen Inhalts in transparenter Fassung gewählt hätten, sofern ihnen die Unwirksamkeit bewusst geworden wäre. Das gelte auch dann, wenn - wie vom Bundesgerichtshof angenommen - die intransparenten Bedingungen Einfluss auf die Entscheidung des Versicherungsnehmers zum Abschluss einer Kapitallebensversicherung gehabt haben könnten. Bei Versicherungsverträgen lasse sich die Folge der Produktwahl - anders als bei Schuldverträgen im allgemeinen - nämlich nicht dadurch beseitigen, dass dem Kunden als Kompensation für die Intransparenz ein Rücktrittsrecht eingeräumt werde. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung müsse in Rechnung gestellt werden, dass dem Versicherungsnehmer bereits Versicherungsschutz gewährt worden sei und er seine Entscheidung zwischen einem Festhalten am Vertrag und seiner Rückabwicklung davon abhängig machen werde, ob zwischenzeitlich ein Versicherungsfall eingetreten ist oder nicht. b) Das hält die Gegenauffassung (LG Frankfurt v. 18.4.02 2 O 79 u. 80/01; - LG Hannover VersR 2003, 1289, 1290) für nicht vertretbar, da der Bundesgerichtshof in den Urteilen vom 9. Mai 2001 maßgeblich darauf abgestellt habe, dass die Lebensversicherung im Wettbewerb mit anderen Kapitalanlagen stehe und der Versicherungsnehmer deswegen vor Vertragsschluss auf Informationen angewiesen sei, die eine sachgerechte Entscheidung durch einen Vergleich der unterschiedlichen Anlagemöglichkeiten zulasse. Diese Informationen seien ihm durch die für unwirksam erklärten Bedingungen vorenthalten worden, weil er aus ihnen eben nicht ohne weiteres entnehmen konnte, welche wirtschaftlichen Nachteile auf ihn bei vorzeitiger Vertragsbeendigung zukommen würden. Würden diese Klauseln nun durch inhaltsgleiche ersetzt, würde dem Versicherungsnehmer im Nachhinein eine Kapitalanlage aufgezwungen, die er bei der gebotenen Unterrichtung möglicherweise so nicht abgeschlossen hätte. Das könne ihm redlicherweise aber nicht angesonnen werden. c) Auch hier folgt der Senat der zuletzt dargestellten Auffassung. Dass der Versicherer bis zum Wirksamwerden der Kündigung im Risiko gestanden hat, steht der ungekürzten Auszahlung des Rückkaufswertes nicht entgegen, da die in den Versicherungsprämien enthaltenen Risikobeiträge- ebenso wie der Verwaltungskostenanteil - dem Versicherer ohnehin verbleiben. Ein Verzicht auf die "Zillmerung" der Abschlusskosten und den Stornoabzug stellt auch keine Sonderbehandlung der weichenden Versicherungsnehmer dar, die vollständig zu Lasten der "vertragstreuen" Versicherungsnehmer gehe (so aber Wandt VersR 2001, 1449, 1460). Richtig ist zwar, dass bei vorzeitiger Vertragsbeendigung ungedeckte Abschlusskosten verbleiben, die den Gewinn des Versicherers und damit auch die Überschussbeteiligung der verbleibenden Versicherungsnehmer mindern. Falsch ist jedoch, dass die kündigenden Versicherungsnehmer "vertragsuntreu" wären. Denn der Versicherungsnehmer darf das Versicherungsverhältnis jederzeit kündigen (§ 165 Abs. 1 VVG) und ihm kann dieses Recht nicht entzogen werden (§ 178 Abs. 1 VVG). Auch er verhält sich somit "vertragstreu". Etwaige finanzielle Nachteile, die mit der Ausübung seines Kündigungsrechts verbunden sind, müssen aber wegen der Unwirksamkeit der Versicherungsbedingungen zu Lasten des Klauselverwenders gehen, der die Organisation seines Vertriebs und das Provisionssystem allein in der Hand hat. Dass dabei auch die in der Versichertengemeinschaft verbleibenden Versicherungsnehmer wirtschaftliche Nachteile erleiden, ist nicht zu ändern, da bei der ergänzenden Vertragsauslegung nur die Interessen der jeweils am Vertrag beteiligten Parteien in die Waagschale fallen. Einer Mehrheitsentscheidung unter Beteiligung der an ihren Lebensversicherungen festhaltenden Versicherungsnehmern ist die ergänzende Vertragsauslegung nicht zugänglich. Somit bleibt es dabei, dass es im Streitfall an einer rechtlichen Grundlage für die von der Beklagten vorgenommene "Zillmerung" der Abschlusskosten und den Stornoabzug fehlt. Demgemäss kann die Beklagte sich in den Fällen der Mitglieder des Klägers H... und P... nicht darauf berufen, dass die "Zillmerung" der Abschlusskosten und ein Stornoabzug dem hypothetischen Parteiwillen entspricht. 7. Zu demselben Ergebnis gelangt der Senat im Falle des Mitglieds des Klägers T.... Zwar hat T... seine Lebensversicherung erst nach Benachrichtigung über die Bedingungsänderung gekündigt. Auch bei noch laufenden Versicherungsverträgen steht die Neufassung unwirksamer Klauseln jedoch nicht im freien Ermessen des Versicherers. Im Treuhänderverfahren kann er nämlich nur das zum neuen Inhalt der Verträge machen, was dem hypothetischen Parteiwillen gerecht wird (OLG Braunschweig VersR 2003, 1520, 1522; LG Hildesheim VersR 2003, 1290, 1291; LG Aachen VersR 2003, 1022, 1023; Wandt VersR 2001, 1449, 1453; Kollhosser VersR 2003, 807, 811; Prölss/Martin, a.a.O., § 172 Rn. 33). Dementsprechend kommt es hier - ebenso wie im Falle der bei Wirksamwerden der Bedingungsänderung bereits gekündigten Verträge - darauf an, ob die Parteien bei Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen die "Zillmerung" der Abschlusskosten und der Stornokostenabzug nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten (Palandt/ Heinrichs, a.a.O., § 242 Rn 7). Das ist aber aus schon zuvor unter 6. dargelegten Gründen nicht feststellbar, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass T... sich bei der gebotenen Offenlegung der mit den unwirksamen Klauseln verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für eine andere Kapitalanlage entschieden hätte. 8. Die Höhe der von der Beklagten noch zu entrichtenden Rückkaufswerte schätzt (§ 287 ZPO) der Senat auf der Grundlage des schlüssigen Klägervorbringens (GA 58/59) auf (insgesamt) 9.264,89 EUR. Der Berechnung des Klägers ist die Beklagte auch nicht entgegengetreten, obwohl der Senat in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben hat, dass er die geltend gemachten Ansprüche der Höhe nach für gerechtfertigt hält. 9. Die Zinsansprüche ergeben sich aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzuges. 10. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10 und 711 ZPO. Die Revision lässt der Senat zu, weil die Entscheidung über einen Anspruch auf den ungekürzten Rückkaufswert in Anbetracht der zitierten kontroversen Meinungen in Rechtsprechung und Literatur grundsätzliche Bedeutung hat. Gleich gelagerte Revisionsverfahren sind auch schon beim Bundesgerichtshof anhängig (IV ZR 162/03 und 177/03). Daneben ist auch über den Einzelfall hinaus von Bedeutung, ob die Aktivlegitimation oder die Prozessführungsbefugnis eines Verbraucherverbandes, der Individualansprüche seiner Mitglieder verfolgt, wegen eines Verstoßes gegen das RBerG zu verneinen ist.

Ende der Entscheidung

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