Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 03.06.2003
Aktenzeichen: I-4 U 220/02
Rechtsgebiete: AUB 88, ZPO


Vorschriften:

AUB 88 § 1 II
AUB 88 § 7
AUB 88 § 8
ZPO § 287
Hat der Versicherungsnehmer durch einen Sturz eine Kniegelenkstorsion erlitten und kommt es bei einer nachfolgenden Arthroskopie zu einer Infektion im Knie, die zur Invalidität führt, so ist nach § 287 ZPO davon auszugehen, dass die Dauerschädigung auf den Unfall und nicht - auch nicht teilweise - auf degenerative Veränderungen im Knie des bis zum Unfall beschwerdefreien Versicherungsnehmers zurückzuführen ist, selbst wenn die degenerativen Vorschäden bei der Operation diagnostiziert und mitbehandelt worden sind.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-4 U 220/02

Verkündet am 3. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S..., des Richters am Oberlandesgericht Dr. R... und der Richterin am Landgericht B....

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. August 2002 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Zahlung einer Invaliditätsentschädigung aus einem Unfallversicherungsvertrag.

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Unfallversicherung auf der Grundlage der AUB 88 mit einer Versicherungssumme von 348.000 DM.

Am 24. Juni 1995 stolperte der Kläger nach dem Besuch des DFB-Pokalendspiels am Berliner Bahnhof Zoo mit dem linken Fuß über eine überstehende Bodenfliese. Am darauffolgenden Montag, dem 26. Juni 1995, suchte er seine Hausärztin Frau Dr. L... auf, die eine Ergussbildung im linken Knie, Druckschmerz im inneren Gelenkspalt, Außenrotationsschmerz sowie eine Hämatomverfärbung des Endglieds der linken Großzehe feststellte (GA 29) und den Kläger zu dem Orthopäden Dr. Sch... in Düsseldorf überwies. Auf Anraten von Dr. Sch... begab sich der Kläger sodann in Behandlung des Orthopäden Dr. H... in M..., der am 31. Juli 1995 eine arthroskopisch-chirugische Operation vornahm. Nach dem OP-Bericht vom 31. Juli 1995 (GA 82 f.) fanden sich im linken Knie des Klägers ein Innenmeniskus-Hinterhornriss sowie eine Außenmeniskusdegeneration mit schweren Knorpelschäden, die arthroskopisch behandelt wurden.

Bei dieser Operation gelangte der Infektionserreger Staphylococcus aureus in das Knie des Klägers, verursachte eine Entzündung und beschädigte erhebliche Teile der Knorpel, was trotz weiterer durchgeführter operativer Maßnahmen zu einer weitgehenden Gebrauchsunfähigkeit des linken Knies führte. Beim Kläger bestehen heute dauerhaft erhebliche Belastungsschmerzen. Er ist beim Gehen auf das Benutzen von Unterarmgehstützen angewiesen.

Die Beklagte zahlte vorgerichtlich einen Betrag von 48.720 DM, gestützt auf ein im August 1996 eingeholtes Gutachten von Prof. D... aus B..., der davon ausging, dass der diagnostizierte Innenmeniskusriss im Hinterhornbereich auf dem Sturz des Klägers beruhe und eine Kausalität zwischen Unfall und Folgeschaden bejahte (GA 40).

Bei einer weiteren im Mai 1997 auf Veranlassung der Beklagten durchgeführten Untersuchung des Klägers kam der nunmehr tätige Gutachter B... zu dem Ergebnis, dass der eingetretene Dauerschaden nicht auf das Unfallereignis vom 27. Juni 1995, sondern allein auf degenerative Vorschäden zurückzuführen sei und die operative Behandlung durch Dr. H... allein ein unfallfremdes Schadensbild betroffen habe (GA 6l ff.).

Die Beklagte lehnte daraufhin durch Schreiben vom 18. August 1997 weitere Leistungen ab.

Der Kläger hat behauptet, er sei am 24. Juni 1995 nicht nur gestolpert, sondern auch zu Boden gestürzt und habe sich im Fallen das linke Knie verdreht. Unmittelbar danach habe er in dem bislang völlig beschwerdefreien Knie heftige Schmerzen verspürt. Die jetzt aufgetretene dauernde Funktionsunfähigkeit sei auf den Unfall zurückzuführen. Dies ergebe sich jedenfalls daraus, dass er sich nur aufgrund des Unfalls habe operieren lassen und infolge dieser Operation eine eitrige Infektion des Knies mit Invaliditätsfolge eingetreten sei. Er hat wegen behaupteter vollständiger Funktionsunfähigkeit des Beins über der Mitte des Oberschenkels nach der vereinbarten. Gliedertaxe 70 % der Versicherungssumme abzüglich der geleisteten Zahlungen und damit einen Betrag von 194.880 DM verlangt.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen B... behauptet, die Beeinträchtigung im linken Knie des Klägers beruhe nicht auf dem Unfallereignis, sondern allein auf degenerativen Vorschäden. Ursache für die Arthroskopie durch Dr. H... seien nicht der Unfall, sondern die auf den Vorschäden beruhenden Beschwerden des Klägers gewesen. Selbst wenn die Vorschäden erst durch das Unfallereignis spürbar geworden wären, so hätten sie doch zu 95 - 99 % an den eingetretenen Folgen mitgewirkt im Sinne von § 8 AUB. Den dann noch verbleibenden, auf den Unfall zurückzuführenden Anteil habe die Beklagte längst überzahlt.

Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme in Höhe von 37.365,21 € (73.080 DM) stattgegeben. Es hat eine unfallbedingte Invalidität von 5/10 Beinwert angenommen und unter Abzug der geleisteten Zahlungen 5/10 von 70 % der Versicherungssumme zugesprochen. Das Landgericht ist der Bewertung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. A... gefolgt, der in seinem Gutachten (GA 137 ff.) nebst drei Ergänzungsgutachten (GA 193, 230, 284) überzeugend zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der Kläger bei dem Unfallereignis in Berlin ein Distorsionstrauma mit Abscherung einer Knorpellamelle erlitten habe. Allein aufgrund dessen sei die Operation vom 31. Juli 1995 erforderlich geworden, die letztlich zur dauernden Funktionsbeeinträchtigung des Knies geführt habe.

Mit der Berufung rügt die Beklagte, aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe nicht fest, dass die Operation vom 31. Juli 1995 der Behandlung eines unfallbedingten Erstkörperschadens und nicht nur der Behandlung degenerativer Veränderungen gedient habe. Der gerichtliche Sachverständige habe dieses Ergebnis allein auf die spekulative Annahme gestützt, ein Knorpelstück, das er auf dem von der Operation am 31. Juli 1995 angefertigten Video erkannt habe, sei aufgrund des Unfalls abgelöst worden. Weder der Operateur Dr. H... noch der Privatgutachter Prof. W... der Beklagten hätten Anhaltspunkte für eine solche traumatisch bedingte Ablösung gefunden, vielmehr hätten sie das Knorpelstück nur als eines von vielen degenerativ veränderten und bei der Operation entfernten Stücken angesehen. Das Landgericht hätte überdies dem Antrag auf Anhörung des Sachverständigen Dr. A... und des Privatgutachters Prof. W... als sachverständigen Zeugen unter Inaugenscheinnahme des OP-Videos und dem Antrag auf Einholung eines Obergutachtens nachgehen müssen. Die bei der Operation aufgetretene Infektion und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen seien jedenfalls keine adäquat-kausale Folge des Unfalls, denn Anlass für die Operation sei der Verdacht auf einen nicht unfallbedingten Innenmeniskusschaden gewesen. Bei der Operation seien fast ausschließlich degenerative Vorschäden behandelt worden, wodurch sich das Infektionsrisiko ganz erheblich erhöht habe.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung von Invaliditätsentschädigung in der vom Landgericht zuerkannten Höhe von 37.365,21 € aus §§ 1 Abs. 1 S. 2 VVG, 7 I (1) AUB 88 verlangen.

1.

Der Kläger hat am 24. Juni 1995 in Berlin einen Unfall im Sinne von § 1 Abs. 3 AUB 88 erlitten. Nach, dieser Vorschrift liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

Dass der Kläger an dem fraglichen Tag am Berliner Bahnhof Zoo von einem Unfallereignis betroffen wurde, ist zwischen den Parteien nicht mehr im Streit. Die Beklagte hat jedenfalls in zweiter Instanz nicht mehr bestritten, dass der Kläger über eine Bodenunebenheit gestolpert sei.

Dafür, dass der Kläger infolge des Unfallereignisses überhaupt eine Gesundheitsschädigung erlitten hat, hat er - da die Beklagte eine unfallbedingte Verletzung im Sinne eines Erstkörperschadens bestreitet - den Vollbeweis nach § 286 ZPO zu führen (BGH VersR 1992, 1503, 1504; VersR 2001, 1547; Grimm, AUB, 3. Aufl. § 1 Rnr. 45; § 8 Rnr. 7).

Diesen Beweis hat der Kläger zur Überzeugung des Senats erbracht.

Für eine unfallbedingte Knieverletzung des Klägers spricht bereits der ärztliche Befund von Frau Dr. L... vom 26. Juni 1995, die in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall eine Ergussbildung im linken Knie mit Druckschmerz über dem inneren Gelenkspalt und Außendrehschmerz festgestellt hat. Auch wenn eine Schwellung im Knie ohne äußere Verletzungsanzeichen nicht zwingend auf eine traumatische Ursache zurückzuführen sein muss, so liegen doch andererseits keine Anhaltspunkte dafür vor, dass andere Ursachen als der Stolpervorgang vom 24. Juni für diese Beeinträchtigungen verantwortlich waren. Soweit die Beklagte hierzu ausführt, schmerzhafte Gelenkschwellungen traten typischerweise bei entzündlichen oder degenerativen Erkrankungen wie Rheuma oder Arthrose auf, hat der Sachverständige Dr. A... unter Auswertung der nach dem Unfall angefertigten Röntgenaufnahmen ausdrücklich festgestellt, dass der Kläger weder an Rheuma noch an Arthrose litt (GA 151). Eine Schwellung und Ergussbildung hat nach der Darstellung des Privatgutachters B... sowie nach dem Inhalt der beigezogenen Akte 2 O 128/97 Landgericht K... auch der Operateur Dr. H... am 24. Juli 1995 befundet (Bl. 29 BA).

Eine traumatische Ursache der festgestellten Ergussbildung liegt auch wegen der von Frau Dr. L... gleichzeitig befundeten Hämatomverfärbung der linken Großzehe nahe. Nach Darstellung des Sachverständigen Dr. A... zeigen die Röntgenbilder einen abgeheilten Bruch der linken Großzehe. Dies deutet darauf hin, dass der Kläger bei dem Unfallereignis tatsächlich mit erheblicher Energie gegen ein Hindernis gestoßen und gestolpert ist.

Für eine unfallbedingte Verletzung des linken Knies spricht insbesondere auch die Angabe des Klägers, bis zum. Unfall beschwerdefrei gewesen zu sein und erst danach heftige und anhaltende Schmerzen verspürt zu haben. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass diese Angabe falsch ist, denn der Kläger ist unstreitig noch nie wegen Kniebeschwerden behandelt worden. Der Sachverständige Dr. A... hat die Angaben des Klägers zudem als glaubwürdig und unfallchirurgisch-orthopädischer Erfahrung entsprechend eingestuft (GA 152). Nach seinen Feststellungen hatten die beim Kläger vorhandenen degenerativen Veränderungen im Kniegelenk noch kein behandlungsbedürftiges Ausmaß erreicht und waren noch nicht manifest geworden (GA 151, 152), so dass von einer Beschwerdefreiheit des Klägers bis zum Unfall auszugehen ist.

Der Sachverständige Dr. A... hat in seinem Gutachten vom 26. März 1999 aus diesen Umständen hergeleitet, dass der Kläger eine Kniegelenksdistorsion in Form eines Außenrotationstraumas bei fixiertem Fuß und angebeugtem Kniegelenk erlitten habe (GA 148 f, 150). Diese Diagnose ist überzeugend, da sie sich aus den ärztlichen Erstbefunden herleiten lässt und mit dem vom Kläger immer wieder einheitlich geschilderten Hergang übereinstimmt, er habe sich bei dem Stolpervorgang das linke Knie verdreht. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger - wie er behauptet - bei dem Stolpervorgang auch noch gestürzt ist, denn die vom Sachverständigen festgestellte Verletzung hat er sich nicht durch einen Sturz auf das Knie, sondern durch ein Verdrehen des Beins zugezogen.

Der Vollbeweis eines unfallbedingten Erstkörperschadens ist damit geführt. Ob beim Kläger darüberhinaus infolge des Unfalls ein Knorpelstück abgeschert ist, wie der Sachverständige Dr. A... - von der Beklagten angegriffen - festgestellt hat, kann dahinstehen.

2.

Die unfallbedingte Kniegelenksdistorsion hat beim Kläger zu einem Dauerschaden am linken Knie geführt.

Die Frage, ob eine unfallbedingte Gesundheitsschädigung Invalidität im Sinne von § 7 AUB zur Folge hat, betrifft den Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität. Für die richterliche Überzeugungsbildung genügt hier nach § 287 ZPO eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen, dass der vom Kläger vorgetragene Dauerschaden in kausalem Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht (BGH VersR 2001, 1547 und II. 1).

Der Senat ist in diesem Sinne davon überzeugt, dass der Kläger sich nur aufgrund seiner unfallbedingten Beschwerden hat operieren lassen und dass die bei der Operation aufgetretenen Folgekomplikationen adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen sind. Dass gerade die unfallbedingte Verletzung und nicht die bis dahin klinisch stumm verlaufenen degenerativen Veränderungen Anlass der Operation waren, ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger sich überhaupt nur wegen der unmittelbar nach dem Unfall aufgetretenen und seitdem nicht nachlassenden Beschwerden in die Behandlung verschiedener Ärzte begeben hat. Lediglich die genaue Ursache der Beschwerden des Klägers war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht festgestellt. Insoweit hatte die für den 31. Juli 1995 anberaumte Arthroskopie auch diagnostische Funktion, wie sich schon daraus ableiten lässt, dass der OP-Bericht von Dr. H... vom 31. Juli 1995 sowohl Ausführungen zu einer durchgeführten "diagnostischen Arthroskopie" als auch zu "arthroskopischer Chirurgie" enthält. Zwar sind bei dem Eingriff vom 31. Juli 1995 unstreitig auch degenerative Vorschäden im Kniegelenk des Klägers diagnostiziert und mitbehandelt worden. Es würde den Sinn der Maßnahme aber geradezu ins Gegenteil verkehren, wenn man allein deshalb annehmen wollte, dass die Behandlung dieser Veränderungen, die für sich genommen nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen bis dahin noch gar keinen Krankheitswert erreicht hatten, Zweck des gesamten Eingriffs gewesen sei. Soweit in dem nicht vorliegenden Befundbericht von Dr. Sch... vom 11. Juli 1995 und der Dokumentation von Dr. H... vom 24. Juli 1995 u.a. der Verdacht auf einen Innenmeniskusriss als Operationsanlass angesehen worden sein sollte, ändert dies an der vorstehenden Beurteilung nichts, denn auch insoweit galt die Arthroskopie zunächst der Abklärung der Beschwerdeursache. Es steht im übrigen keineswegs fest, dass der Innenmeniskusriss nicht unfallbedingt war. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. A... kann dies lediglich ab einem Zeitraum von fünf Wochen nach dem Unfallereignis nicht mehr sicher beurteilt werden.

Das Eindringen von Infektionserregern während der Operation vom 31. Juli 1995 und die darauf beruhende eitrige Kniegelenksentzündung sind adäquat kausale Folge der unfallbedingt notwendig gewordenen Behandlung. Es handelt sich hierbei nach Darstellung des Sachverständigen Dr. A... um eine typische Komplikation des arthroskopischen Eingriffs. Ob dem Arzt bei der Operation ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, kann dahinstehen, da dies einen Kausalzusammenhang mit dem Unfallgeschehen nur unter hier nicht vorliegenden besonders ungewöhnlichen Umständen ausschließen würde (vgl. insoweit BGH VersR 1988, 1273 unter II. 2; OLG Düsseldorf VersR 1991, 1176).

Der adäquate Kausalzusammenhang wird auch nicht dadurch unterbrochen, dass bei der Operation hauptsächlich unfallfremde degenerative Vorschäden behandelt wurden.

Nach der von der Beklagten zitierten Entscheidung BGHZ 25, 86 ff. ist ein adäquater Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis lediglich dann zu verneinen, wenn der Geschädigte anlässlich einer unfallbedingt erforderlichen Operation wegen einer nicht unfallbedingten Anomalie mitbehandelt wird und er infolge einer Komplikation bei dem nicht unfallbedingten Teil des Eingriffs verstirbt, denn hierfür ist der Unfall nur Gelegenheitsursache gewesen. Ähnlich hat der BGH im Rahmen des Arzthaftungsrechts entschieden, dass ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen einem ärztlichen Behandlungsfehler und einer Schadensfolge aufgrund einer wiederum fehlerhaften Zweitbehandlung nur dann zu verneinen sei, wenn feststehe, dass sich im Schadenserfolg ein gänzlich anderes Risiko verwirklicht habe, das dem Erstschädiger billigerweise nicht mehr zugerechnet werden könne (BGH VersR 1988, 1273).

So liegt der Fall hier jedoch nicht. Dass die Infektionserreger gerade zu einem Zeitpunkt in das Kniegelenk eingedrungen sind, als unfallfremde Erscheinungsbilder behandelt wurden und sich mit der Infektion damit ein gänzlich neues Risiko verwirklicht hätte, steht gerade nicht fest. Dieser Nachweis ist auch schlechterdings nicht zu führen, da der Zeitpunkt des Eindringens der Erreger naturgemäß nicht bestimmbar ist. Für die Mitwirkung unfallfremder Ursachen an der eingetretenen Gesundheitsschädigung und ihren Folgen ist im Rahmen des § 8 AUB die Beklagte beweisbelastet (Grimm § 8 AUB Rnr. 7).

Den Beweis, dass die Infektion allein auf die Behandlung degenerativer Vorschäden zurückzuführen sei, kann die Beklagte durch das beantragte Sachverständigengutachten nicht führen, denn es reicht nicht aus, dass sich das Risiko einer Infektion durch die Mitbehandlung anderer Anomalien erhöht hat, um einen adäquat kausalen Zusammenhang mit dem Unfall zu widerlegen.

3.

Die nach § 7 AUB zu gewährende Invaliditätsentschädigung ist auch nicht gemäß § 8 AUB anteilig zu kürzen, weil bei der durch das Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung oder deren Folgen Krankheiten oder Gebrechen mitgewirkt hätten. Zwar bestanden beim Kläger unstreitig degenerative Veränderungen der Menisken und des Gelenkknorpels, die nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. A... auch das alterstypische Maß überstiegen. Bei diesen Veränderungen handelte es sich jedoch nicht um Krankheiten oder Gebrechen im Sinne von § 8 AUB. Krankheit im Sinne dieser Vorschrift ist der regelwidrige Körperzustand, der eine ärztliche Behandlung erfordert. Gebrechen sind dauernde abnorme Gesundheitszustände, die eine einwandfreie Ausübung der normalen Körperfunktion nicht mehr zulassen (Grimm § 8 AUB Rnr. 2). Gerade dies hat der Sachverständige Dr. A... indessen verneint, indem er ausgeführt hat, dass die degenerativen Veränderungen im linken Kniegelenk noch keinen Krankheitswert erreicht hatten, da sie im Unfallzeitpunkt ausweislich der Angaben des Klägers und der nach dem Unfall angefertigten Röntgenaufnahmen noch nicht zu Beschwerden oder arthrotischen Veränderungen geführt hatten und einer Behandlung nicht bedurften. Der Sachverständige hat ausdrücklich klargestellt, dass eine Erkrankung im Rechtssinne nicht vorgelegen habe (GA 152). Allein die Mitbehandlung dieser degenerativen Veränderungen bei der ausschließlich unfallbedingten Operation führt daher nicht zur Kürzung des Leistungsanspruchs.

4.

Nach den überzeugenden und nicht mehr angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen Dr. A... ist beim Kläger als Folge des Unfalls eine dauerhaft schmerzhafte Funktionseinschränkung des linken Kniegelenks eingetreten, die mit 5/10 Beinwert zu bemessen ist.

5.

Die weiteren formalen Anspruchsvoraussetzungen sind gewahrt.

Der Dauerschaden ist innerhalb der Frist von einem Jahr und drei Monaten nach § 111 (Abs. 2) AUB ärztlich festgestellt und geltend gemacht worden.

Die Beklagte hat daher den vom Landgericht zuerkannten Betrag zu zahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Streitwert der Berufungsinstanz: 37.365,21 €.

Ende der Entscheidung

Zurück