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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.12.2005
Aktenzeichen: I-4 U 42/05
Rechtsgebiete: ZVG, ZwVerwVO


Vorschriften:

ZVG § 152
ZVG § 152 I
ZVG § 152a
ZVG § 153
ZVG § 155 I
ZVG § 155 III
ZVG § 161 III
ZwVerwVO § 9
ZwVerwVO § 9 IV
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 14.02.2005 - 3 O 268/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung und die durch die Nebenintervention in diesem Rechtszug verursachten Kosten hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Am 17.01.2000 wurde vom Amtsgericht D... auf Antrag der Beklagten in Bezug auf vier Grundstücke, bzgl. deren näherer Bezeichnung auf den erstinstanzlichen Tatbestand (Bl. 95 f GA) Bezug genommen wird, die Zwangsverwaltung angeordnet und der Kläger zum Zwangsverwalter ernannt. Aufgehoben wurde dieses Zwangsverwaltungsverfahren mit Wirkung zum 15.12.2002. Das geschah im Hinblick auf das gleichzeitig betriebene Zwangsversteigerungsverfahren und den dort zwischenzeitlich rechtskräftig erteilten Zuschlag. Im Rahmen seiner Stellung als Zwangsverwalter hatte der Kläger mit der St... D... AG, die dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten ist, am 20.03.2000 Verträge über die Belieferung der Grundstücke mit Strom, Gas und Wasser abgeschlossen. Mit Schreiben vom 28.01.2002 teilte der Kläger der Streithelferin die Aufhebung des Zwangsverwaltungsverfahrens mit und bat um Erteilung von Schlussrechnungen. Unter dem 20.03.2002 legte er gegenüber dem Amtsgericht seine eigene Schlussrechnung vor, welche nicht beanstandet wurde. Am 22.03.2002 erstellte die Streithelferin die Jahresverbrauchsabrechnungen bzgl. der vier Objekte, aus denen sich eine Gesamtrestforderung der Streitverkündeten i.H.v. 18.127,03 € ergab. Die weitere Berechnung der Streithelferin ergab zunächst einen noch geschuldeten Betrag von 14.765,85 €. Dieser wurde später auf 12.070,98 € berichtigt.

Der Kläger, der seinerseits von der Streithelferin in Anspruch genommen wird, hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 17.06.2004 - IX ZR 218/03 - die Ansicht vertreten, dass die Beklagte ihm zur Erstattung verpflichtet sei.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.070,98 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.05.2002 zu zahlen.

Wegen der diesen Betrag zunächst i.H.v. 2.694,87 € übersteigenden Klageforderung hat er den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

Die Streithelferin hat sich dem Antrag und der Erledigungserklärung des Klägers angeschlossen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger eine Erstattung nicht zu schulden. Zum einen gebe es keine Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren. Zum anderen habe der Kläger es zu verantworten, dass die Lieferungen der Streithelferin nicht durch entsprechende Vorschüsse gedeckt gewesen seien. Wenn der Kläger für eine entsprechende Vorsauszahlungsforderung der Streithelferin gesorgt hätte, hätten die Mieter im Wege der Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlung in Anspruch genommen werden können oder der Kläger habe von ihr - der Beklagten - über das Amtsgericht einen Vorschuss fordern können, was sie in die Lage versetzt hätte, ins Auge zu fassen, die Aufhebung des Zwangsverwaltungsverfahrens zu beantragen.

Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im übrigen i.H.v. 12.070,98 € nebst Zinsen stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe gegenüber der Beklagten ein Anspruch in der genannten Höhe aus §§ 152, 152a, 153, 155 I und III, 161 III ZVG zu. Der Zwangsverwalter sei verpflichtet, das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten, wozu der Abschluss von Strom-, Gas- und Wasserverträgen gehöre. Hier könne der Verwalter ebenso wie im Rahmen seiner Vergütung bei nicht ausreichender Masse Vorschüsse vom Gläubiger verlangen. Es liege in dessen Risiko, ob die Zwangsvollstreckung zu einem kostendeckenden Erlös führe. Aus § 9 IV ZwVerVO folge nichts Gegenteiliges. Dass der Kläger gegen die Anzeigepflicht aus § 9 IV ZwVerVO verstoßen habe, sei vorliegend nicht geltend gemacht. Es sei auch davon auszugehen, dass die Beklagte Vorschüsse gezahlt hätte, wenn solche für die streitgegenständliche Forderung angefordert worden wären.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, die vom Landgericht herangezogene BGH-Entscheidung sei nicht einschlägig, da sie sich nur zum Anspruch des Verwalters auf Auslagen- und Vergütungsersatz verhalte. Hier gehe es um sonstige Aufwendungen. Eine analoge Anwendung verbiete sich mangels Vorliegens einer unbewussten Regelungslücke. Sie habe in erster Instanz sehr wohl einen Verstoß des Klägers gegen § 9 ZwVerwVO geltend gemacht, indem sie darauf hingewiesen habe, dass der Kläger die Möglichkeit des Vorschusses nicht genutzt und den streitgegenständlichen Rückstand selber zu verantworten habe. Schließlich werde das Risiko für die Zahlung von Energielieferungen grundsätzlich auf das Versorgungsunternehmen abgewälzt, welches sich mit Vorschusszahlungen absichern könne.

Die Beklagte beantragt,

das am 14.02.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Duisburg - 3 O 268/04 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und seine Streithelferin, die das angefochtene Urteil für richtig halten, beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist begründet.

1.)

Dem Kläger steht aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils der geltend gemachte Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten zu.

Der BGH hat in der vom Kläger zitierten Entscheidung (vgl. NJW-RR 2004, 1527) ausgeurteilt, dass der Zwangsverwalter dann, wenn die verwaltete Masse zur Deckung seines Anspruchs auf Vergütung und Auslagenersatz nicht ausreicht, den betreibenden Gläubiger unabhängig davon in Anspruch nehmen kann, ob er - der Zwangsverwalter - zuvor entsprechende Vorschüsse verlangt hatte. Der Zwangsverwalter könne weder den Vollstreckungsschuldner in Anspruch nehmen noch sich aus dem Erlös einer evtl. neben der Zwangsverwaltung betriebenen Zwangsvollstreckung befriedigen. Sein Anspruch richte sich vielmehr gegen den betreibenden Gläubiger, was sich aus §§ 151 I und III, 161 III ZVG ergebe. Nach § 155 I ZVG seien aus den Nutzungen des Grundstücks die Ausgaben der Verwaltung sowie die Kosten des Verfahrens (mit Ausnahme bestimmter Kosten) vorweg zu bestreiten, so dass die Vergütung des Zwangsverwalters wirtschaftlich zu Lasten des betreibenden Gläubigers gehe. Der Anspruch des Zwangsverwalters sei nicht auf den Bestand der verwalteten Masse beschränkt, was aus §§ 155 III; 161 III ZVG folge. Die Vorschüsse nach § 155 III ZVG leiste der Gläubiger auf eigenes Risiko und auch ansonsten liege es in seinem Risikobereich, ob die Zwangsvollstreckung zu einem die Kosten deckenden Erlös führe. Gerade, weil der Gläubiger einstehen müsse, treffe den Zwangsverwalter die Anzeigepflicht nach § 9 IV ZwVerwVO. Der Vergütungsanspruch hänge schließlich nicht davon ab, dass der Zwangsverwalter von dem Gläubiger einen entsprechenden Vorschuss verlangt habe. Zum einen werde dem Zwangsverwalter eine entsprechende Pflicht nicht auferlegt. Zum anderen könne der Gläubiger durch die Ablehnung des Vorschusses nur begrenzten Einfluss auf die Höhe der zu zahlenden Vergütung nehmen.

Diese aus Anlass der Geltendmachung eines Vergütungsanspruchs aufgezeigten Grundsätze gelten auch, wenn es - wie hier - um Ausgaben der Verwaltung geht. Denn ebenso wie die Kosten des Verfahrens sind auch die Ausgaben der Verwaltung gem. § 155 I ZVG aus den Nutzungen des Grundstücks vorweg zu bestreiten. Die Ausgaben der Verwaltung sind daher den Kosten des Verfahrens gleichgestellt, ohne Teil der zuletzt Genannten zu sein. Allein die gleiche Behandlung von Vergütungsanspruch und Anspruch auf Ersatz der Ausgaben der Verwaltung ist sachgerecht. Wenn dem Verwalter selbst bei mangelnder Masse auf Kosten des Gläubigers ein Anspruch auf Erstattung seiner Vergütung zusteht, muss das - sozusagen erst recht - auch für die Kosten gelten, die dem Verwalter dadurch entstanden sind, dass das Grundstück in Erfüllung der Verpflichtung aus § 152 I ZVG ordnungsgemäß genutzt wurde und dadurch alle möglichen Erträge - zu Gunsten des Gläubigers - aus dem Grundstück heraus geholt worden sind.

Für den Fall des Abschlusses von Energielieferungsverträgen gilt nichts anderes. Die Einstandspflicht des Gläubigers entfällt nicht. Aus dem Recht des monopolistischen Energieversorgers, neben Abschlagszahlungen auch Vorauszahlungen zu verlangen, folgt nicht, dass dem Energieversorger ein Entgeltanspruch nicht mehr zusteht, wenn die Abschlags- und Vorauszahlungen die Kosten der Gesamtabnahme nicht decken. Vielmehr ist das Recht auf Vorauszahlungen der Ausgleich zum bestehenden Kontrahierungszwang und stellt damit lediglich eine dem Energieversorger sonst nicht gegebene Möglichkeit dar, sein Risiko zu begrenzen. Es handelt sich nicht um eine Pflicht des Versorgungsunternehmens, bei deren Nichterfüllung es seiner (weiteren) Ansprüche verlustig geht. Aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung OLG Düsseldorf ZIP 1989, 1002 folgt nichts anderes. Auch darin geht es lediglich um die Berechtigung des beklagten Versorgungsunternehmens, Vorauszahlungen zu verlangen. Soweit in dem der Entscheidung vorangestellten (und im übrigen nicht vom Senat, sondern der Redaktion der ZIP aufgestellten) Leitsatz die Rede von einer auf die Verwaltungsmittel begrenzten Haftung des Zwangsverwalters ist, ist das als Abgrenzung zu einer nicht gegebenen persönlichen Haftung des Zwangsverwalters zu verstehen. Im Urteil selber heißt es ausdrücklich, dass es Sache des Vollstreckungsgläubigers ist, notfalls durch Bereitstellung entsprechender Mittel den Zwangsverwalter in die Lage zu versetzen, seinen Pflichten zur ordnungsgemäßen Verwaltung nachzukommen.

2.)

Dem klägerischen Anspruch steht auch kein Anspruch der Beklagten wegen eines vom Kläger zu verantwortender Schadens der Beklagten entgegen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass sie sich entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil in erster Instanz auf Pflichtverletzungen des Klägers berufen hat. Es kann aber jedenfalls nicht festgestellt werden, dass die von ihr in Bezug genommenen Pflichtverletzungen des Klägers zu einem Schaden der Beklagten geführt haben.

a)

Soweit die Beklagte in erster Instanz geltend gemacht hatte, der Kläger habe es zu verantworten, dass bereits bei Anordnung der Zwangsverwaltung kein ordnungsgemäßes Ablesen der Strom-, Gas- und Wasserzähler möglich gewesen sei, ist das bereits aufgrund der vorliegenden Unterlagen widerlegt. Aus den von der Streithelferin dem Kläger mit Schreiben vom 17.03.2000 übersandten Vertragsangeboten ergab sich, dass die Zähler für die Häuser K...str.1 und 3 zeitnah abgelesen worden waren. Allein für das Haus W... Str. 84 war das nicht möglich gewesen, worauf die Streithelferin in ihrem Anschreiben ausdrücklich hingewiesen hatte. Insofern hat der Kläger der Streithelferin aber unverzüglich die Schlüssel übersandt, was diese in die Lage versetzte, die Ablesung nachzuholen. Rückstände für das Haus W... Str. 84 sind im übrigen auch nicht streitgegenständlich.

b)

Außerdem hat die Beklagte erstinstanzlich geltend gemacht und greift dies auch in der Berufung auf, der Kläger habe es zu verantworten, dass die Verbrauchsermittlung für das streitgegenständliche Haus K...str.1 das Jahr 2000 betreffend von der Streithelferin allein aufgrund einer Schätzung vorgenommen worden ist.

Insofern bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob der Kläger diese Tatsache aufgrund der Abrechnung vom 23.03.2001 erkennen konnte und musste. Auch kann dahinstehen, ob sich dem Kläger aufdrängen musste, dass der Umstand der Schätzung die Gefahr einer erheblichen Nachforderung heraufbeschwor. Denn zum einen kann schon nicht festgestellt werden, dass eine Ablesung vor Erstellung der Rechnung vom 23.03.2001 zu dem Ergebnis eines Mehrverbrauchs mit der Folge höherer Abschlags- und Vorauszahlungsanforderungen der Streithelferin geführt hätte. Dass es bereits im Jahr 2000 und nicht erst im Jahr 2001 zu einem (wesentlich) erhöhten Verbrauch gekommen ist, ist eine reine Vermutung der Beklagten, die durch nichts belegt ist. Selbst bei einer vollkommen gleichen Belegung des Hauses in beiden Jahren, von der mangels entsprechenden Sachvortrags noch nicht einmal ausgegangen werden kann, wäre der Rückschluss auf einen in den Jahren 2000 und 2001 gleich hohen Mehrverbrauch nicht möglich. Denn das Verbrauchsverhalten der Mieter kann schwanken und ist von verschiedenen Faktoren abhängig. So heißt es auch im vorprozessualen Schreiben der Beklagten vom 17.05.2002 auf S.2: "...Ein wie von Ihnen selbst in unserem Telefonat vermuteter eklatanter Mehrverbrauch zu den Vorjahren wäre dann bereits ein Abrechnungsjahr früher festgestellt worden. ..." Mehr als eine Vermutung bestand demnach auf auf Seiten der Beklagten nicht. Die auf S.6 der Klageerwiderung von ihr bedingungslos aufgestellte Behauptung, bei einer Ablesung 2001 wäre der eklatante Mehrverbrauch bereits ein Abrechnungsjahr früher festgestellt worden, stellt somit ersichtlich eine Behauptungs ins Blaue hinein dar. Selbst wenn es im Jahr 2000 aber schon einen gewissen Mehrverbrauch gegeben haben sollte, kann dieser zumindest nicht quantifiziert werden, so dass ein auf die behauptete Pflichtverletzung des Klägers zurückführbarer Schaden der Beklagten in jedem Fall nicht bezifferbar ist. Hinzu kommt, dass die Beklagte - worauf der Kläger und die Streithelferin zutreffend hinweisen - auch nicht substantiiert dargelegt hat, dass sie im Falle einer Vorschussanforderung nach § 9 IV ZwVerwVO die Einstellung des Verfahrens beantragt hätte. Dass sie dies "ins Auge gefasst hätte", ist eine bewusst vage Formulierung, die sowohl die abzuwägenden Gesichtspunkte als auch das voraussichtliche Ergebnis vollkommen offen lässt. Um einen Schaden einsichtig darzulegen, hätte die Beklagte ihre gesamte Kalkulation darstellen müssen. Darauf, dass auch im Fall einer Vorschussanforderung und der daraufhin betriebenen Einstellung des Zwangsverwaltungsverfahrens ein Teil der Klageforderung auf die Beklagte zugekommen wäre, kommt es mithin nicht mehr an. Im Ergebnis vergleichbares gilt für die von der Beklagten angesprochene Möglichkeit der Betriebskostenumlegung auf die Mieter. Selbst wenn es rechtlich möglich gewesen wäre, erhöhte Verbrauchskosten auf die Mieter umzulegen - was mangels entsprechenden Sachvortrags nicht feststellbar ist -, kann angesichts der von der Beklagten selber angeführten schlechten Zahlungsmoral oder -fähigkeit der Mieter nicht unterstellt werden, dass bei allen die entsprechenden Forderungen hätten eingezogen werden können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I, 101 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, sind nicht gegeben.

Berufungsstreitwert: 12.070,98 €

Ende der Entscheidung

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