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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: I-4 U 56/04
Rechtsgebiete: BGB, SGB X, ZPO


Vorschriften:

BGB § 31
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831
SGB X § 116 Abs. 1
ZPO § 529 Abs. 1 Ziff. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4.2.2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Einzelrichter - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt aus übergegangenem Recht Erstattung der Kosten von Heilbehandlungen, Krankentransporten und Heilmitteln infolge eines Sturzes des bei ihr sozialversicherten Herrn G... H... am 7. September 2002 in Räumlichkeiten des Beklagten.

Der im Jahre 1923 geborene Herr H ... lebte vor dem genannten Unfalltag bereits seit mehreren Jahren in einem vom Beklagten betriebenen Pflegeheim. Er war schwerstpflegebedürftig und in die Pflegestufe 3 eingestuft. Er stand unter Betreuung seiner Tochter J ... H .... Er litt unter dem sogenannten Pick-Syndrom, das mit Verwirrtheit und Desorientiertheit sowie triebhafter Unruhe und Kommunikationsunfähigkeit einhergeht. Außerdem litt er an einer Versteifung der Wirbelsäule. Während seiner häufigen Unruhephasen lief Herr H ... stundenlang über die Gänge des Pflegeheims. Im Sommer des Jahres 2001 war Herr H ... einmal gestürzt, ohne sich nennenswerte Verletzungen zuzuziehen.

Am 7.9.2002 gegen 14.30 Uhr stürzte Herr H ... in den Räumen des Beklagten wieder. Nachdem er bereits zu Bett gebracht worden war, stürzte er am Abend des 7.9.2001 dann im Untergeschoss des Pflegeheims abermals. Dabei zog er sich einen Oberschenkelhalsbruch zu. Er wurde am nächsten Morgen mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht, wo er stationär bis zum 21. November 2001 verblieb. Insgesamt sind dadurch unfallbedingte Kosten in Höhe von 6.040,60 € angefallen.

In der Pflegedokumentation des Beklagten ist vermerkt, dass Herr H ... sich während seiner unruhebedingten Bewegungsphasen zwischendurch selbständig Ruhepausen nahm, teilweise auch in fremden Zimmern. Für den Unfalltag ist vermerkt, dass es am frühen Nachmittag bereits zu einem Sturz mit einer leichten Kopfverletzung gekommen sei; die Verletzung sei lediglich mit einem Eisbeutel gekühlt worden. Zudem ist in der Pflegedokumentation vermerkt, dass Herr H ... nach 21.00 Uhr im Untergeschoss liegend aufgefunden und ins Bett gebracht worden sei.

Die Klägerin hat behauptet, Herr H ... habe wegen der Einschränkungen seines Stütz- und Bewegungsapparates nur sehr unsicher laufen können bzw. nicht sicher allein laufen können. Die Klägerin hat daher die Ansicht vertreten, der Beklagte habe die ihm aus dem Heimvertrag obliegende Aufsichts- und Betreuungspflicht verletzt. Es sei die Pflicht des Beklagten gewesen, die Sturzgefahr zu unterbinden. Herr H ... habe im Bett fixiert werden müssen oder aber engmaschig kontrolliert werden müssen, zumal er am Unfalltage früher als sonst zu Bett gebracht worden sei. Üblicherweise sei er erst zwischen 22.00 und 23.00 Uhr zu Bett gebracht worden. Der Schaden hätte schließlich auch dadurch vermieden werden können, dass Herrn H ... eine Hüftschutzhose angezogen worden wäre.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie, die Klägerin 6.040,60 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. September 2002 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, Herr H ... sei nicht gangunsicher gewesen. Eine erhöhte Sturzgefahr habe nicht bestanden. Vor dem Unfallgeschehen habe sich Herr H ... bereits seit 19.30 Uhr im Bett befunden. Bei einem Kontrollgang um 20.15 Uhr habe er geschlafen.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeuginnen H ... und Bonat (GA 93 ff.) abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe seine Betreuungs- und Aufsichtspflicht gegenüber Herrn H ... nicht verletzt. Das ergebe sich aus der Abwägung der Fürsorge- und Aufsichtspflicht mit den schutzwürdigen Belangen des Heimbewohners, die in einer geringst möglichen Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit lägen. Bei der Abwägung sei auch die Leistungsfähigkeit der Heimpflege zu berücksichtigen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei Herr H ... gangsicher und nicht sturzgefährdet gewesen. Die Mitarbeiter des Beklagten hätten auch nicht davon ausgehen müssen, dass Herr H ... unbemerkt sein Zimmer verlassen könnte, da ein entsprechendes Verhalten in der Vergangenheit immer aufgefallen sei. Aufgrund des Sturzes am Nachmittag seien keine besonderen Sicherungsmaßnahmen erforderlich gewesen, da nicht ersichtlich sei, dass Herr H ... sich aufgrund dessen in einem besonders schlechten körperlichen Zustand befunden habe. Aus den stundenlangen Unruhephasen Herrn H ...s könne nicht auf eine besondere Sturzgefahr geschlossen werden, da er sich ausweislich der Pflegedokumentation regelmäßig selbständig Ruheplätze gesucht habe. Nach allem seien auch allgemeine Präventivmaßnahmen wie Bettgitter, die Fixierung am Bett oder eine Hüftschutzhose nicht erforderlich gewesen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Zur Begründung trägt sie vor, Herr H ... hätte bereits aufgrund des Sturzes am Nachmittag besonderes beaufsichtigt werden müssen, da danach nicht auszuschließen gewesen sei, dass er eine Gehirnerschütterung erlitten habe. Jedenfalls hätte der Beklagte gewährleisten müssen, dass sich Bewohner nicht unbeaufsichtigt aus ihren Zimmern entfernen können. Dies hätte entweder durch Überwachungskameras oder durch akustische Warnsysteme oder eine engmaschige Beaufsichtigung durch Pflegekräfte im Zimmer oder in unmittelbarer Nähe des Zimmers sichergestellt werden müssen. Ein Pflichtenverstoß liege insoweit schon deshalb vor, weil Herr H ... bis zu seinem Auffinden 2 Stunden lang unbeaufsichtigt gewesen sei. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die vorbezeichneten Schutzpflichtverletzungen auch ursächlich für den Sturz Herrn H ...s gewesen seien, da er bei geeigneten Maßnahmen gar nicht erst in das Untergschoss hätte gelangen können. Im übrigen meint die Klägerin, den Beklagten treffe die Beweislast dafür, dass die mangelnde Beaufsichtigung sich auf den Unfall nicht ausgewirkt habe. Die vorliegende Schutzpflichtverletzung liefere den Anscheinsbeweis dafür dass sie kausal für die Rechtsgutsverletzung bei Herrn H ... war.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie, die Klägerin 6.040,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. September 2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt sich unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrages. Insbesondere ist er der Ansicht, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, dass Herr H ... gangsicher und nicht besonders sturzgefährdet gewesen sei und dass kein Grund für eine besonders intensive Überwachung aufgrund des Sturzes am Nachmittag ersichtlich gewesen sei. Die von der Klägerin vorgeschlagenen Überwachungs- und Sicherungsmaßnahmen hält der Beklagte für unangemessen und für über die Grenzen seiner Aufsichts- und Fürsorgepflicht hinausgehend. Der Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe weder den von ihr zu erbringenden Beweis für eine objektive Pflichtverletzung noch den Beweis deren Kausalität für die Rechtsgutsverletzung bei Herrn H ... erbracht.

II. Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil ist unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der für Herrn H ... infolge dessen Sturzes am 7. November 2001 aufgewendeten Sozialversicherungsleistungen weder wegen einer positiven Forderungsverletzung des Heimvertrages noch aus §§ 823 Abs. 1, 31, 831 BGB, jeweils i. V. m. § 116 Abs. 1 SGB X, zu.

Zu Recht geht das Landgericht in seinem Urteil davon aus, dass die Klägerin den Beweis für die Verletzung einer sich aus dem Heimvertrag ergebenden Pflicht oder einer deliktischen Verkehrssicherungspflicht als Ursache für die Verletzungen Herrn H ...s nicht erbracht hat.

Aus dem bestehenden Heimvertrag ergab sich allerdings neben der Pflicht zur Überlassung von Wohnraum und Verpflegung auch die Verpflichtung zur Betreuung. Diese Betreuungspflicht umfasst die - auch deliktsrechtlich im Sinne der Verkehrssicherung bestehende - Pflicht, die Heimbewohner vor vermeidbaren, auch selbst verursachten, Körperschädigungen zu schützen.

Zu Recht hat das Landgericht jedoch ausgeführt, dass diese Pflicht beschränkt ist auf das Erforderliche, das für den Beklagten als Heimbetreiber - auch wirtschaftlich - Zumutbare sowie das dem Heimbewohner Zumutbare. Abzuwägen ist im Rahmen der schützenswerten Belange des Heimbewohners dessen aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG entspringendes Recht auf körperliche Unversehrtheit gegenüber seinem aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Freiheitsrecht und der in Art. 1 Abs. 1 GG normierten Menschenwürde (OLG Koblenz, NJW-RR 2002, S. 867, 868). Die Abwägung dieser Belange lässt eine zum Schadensersatz verpflichtende objektive Pflichtverletzung auf Seiten des Beklagten nicht erkennen.

Maßnahmen, die die (nächtliche) Bewegungsfreiheit Herrn H ...s vollends eingeschränkt hätten, nämlich das Anbringen von Bettgittern oder die mechanische Fixierung an das Bett, kamen nicht in Betracht. Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass Bettgitter schon ein untaugliches Mittel gewesen wären, da sie die Gefahr nur erhöht hätten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat das Landgericht ohne Rechtsfehler und daher bindend festgestellt, dass Herr H ... in der Vergangenheit versucht hatte, angebrachte Bettgitter zu übersteigen. Dabei entsteht zwangsläufig eine erhöhte Sturzgefahr.

Die nächtliche Fixierung Herrn H ...s an sein Bett wäre eine unverhältnismäßige Beschränkung seines Freiheitsrechtes und seiner Menschenwürde gewesen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die dem geistig schwerkranken Herrn H ... verbliebene allgemeine Handlungsfreiheit vornehmlich darin bestand, seinen Bewegungsdrang ausleben zu können. Die vollständige Beschränkung dieser Bewegungsmöglichkeit wäre nicht hinzunehmen gewesen. Das hatte nach der Angabe der als Zeugin vernommenen Betreuerin und Tochter Herrn H ...s sie in Absprache mit dem Betreuungsrichter auch so gesehen und dem Beklagten so vorgegeben. Allein aus diesem Grunde handelte der Beklagte, indem er darauf verzichtete, Herrn H ... am Bett zu fixieren, grundsätzlich pflichtgemäß, weil er an diese Vorgaben gebunden war, sofern sich nicht aktuelle und akute Änderungen im Befinden Herrn H ...s ergeben hätten, die eine erhöhte Sturzgefahr bedeutet hätten, welche unverzüglich im Rahmen der Gefahrenabwehr ohne vorherige Genehmigung zu unterbinden gewesen wäre. Solche Umstände hat die Klägerin aber nicht vorgetragen.

Ohne erkennbaren Fehler und damit für den Senat bindend gem. § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO hat das Landgericht nach Beweisaufnahme festgestellt, dass Herr H ... grundsätzlich in der Lage war sicher zu laufen. Eine erhöhte Sturzgefahr besteht bei allen älteren Menschen und unterfällt somit dem allgemeinen Lebensrisiko. Ein darüber hinausgehendes Risiko hat sich bei Herrn H ... nicht verwirklicht. Ein erhöhtes Sturzrisiko ergab sich insbesondere nicht aus dem nachmittäglichen Sturz. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, Herr H ... habe am Unfalltage unter ungewöhnlichen körperlichen oder geistigen Beschwerden gelitten, die eine besondere Sturzgefahr bedingt hätten. Entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung war auch nach dem Sturz am Nachmittag nicht ohne weitere Anzeichen von solchen Beschwerden auszugehen. Dass Herr H ... durch den nachmittäglichen Sturz eine Gehirnerschütterung erlitten hatte, trägt selbst die Klägerin nicht vor, sondern - erstmals mit der Berufungsbegründung - nur, dass der Beklagte mit dieser Möglichkeit habe rechnen müssen. Das allein genügt nicht zur Begründung eines schadensursächlichen Pflichtenverstoßes. Für eine Gehirnerschütterung bestanden im übrigen keine erkennbaren Anhaltspunkte. Nach dem Sturz war bei Herrn H ... lediglich eine am Kopf erlittene Beule kurz mit Eis gekühlt worden. Auf eine Gehirnerschütterung hindeutende Symptome traten, soweit feststellbar, nicht auf.

Eine Pflichtverletzung des Beklagten läßt sich außerdem nicht daraus ableiten, dass Herr H ... zum Unfallzeitpunkt keine Hüftschutzhose trug. Unabhängig von der Frage, ob sich eine solche überhaupt zum Schlafen eignet, war sie aus damaliger Sicht nicht erforderlich, da Herr H ... nach den Feststellungen des Landgerichts grundsätzlich gangsicher war. Überzeugend weist das Landgericht in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass es andernfalls angesichts des starken Bewegungsdranges des Heimbewohners in der Vergangenheit häufiger zu Stürzen gekommen wäre, wenn er nicht entsprechend gangsicher gewesen wäre. Die Betreuungspflicht eines Heimbetreibers kann auch nicht so weit gehen, dass er bei jedem Heimbewohner zur Vermeidung von sich im Rahmen des allgemeinen Lebensrisikos verwirklichenden Stürzen ständig, sogar nachts, sicherstellen muss, dass Hüftschutzhosen getragen werden.

Entgegen der Annahme der Klägerin hat der Beklagte seine Schutzpflichten auch nicht durch zu große Kontrollintervalle verletzt. Nach Angaben der Zeugin B... war Herr H ... bereits zu Bett gebracht worden, bevor sie ihren Dienst antrat. Ein Anlass, Herrn H ... danach besonders zu bewachen, bestand nicht. Auch in der Vergangenheit hatte er immer wieder einmal sein Zimmer nachts verlassen, ohne sich verletzt zu haben. Eine besondere Gefahr bestand darin nicht, da er in der Lage war, sicher zu laufen, und regelmäßig wieder in sein Zimmer geführt werden konnte. Eine aufwändige, ständige personelle Überwachung seines Zimmers war daher nicht erforderlich und dem Beklagten mangels einer besonderen Eigengefährdung Herrn H ...s auch nicht zuzumuten.

Akustische und visuelle Überwachungsmaßnahmen, wie sie die Klägerin unter Berufung auf das Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.11.2003, I-15 U 31/03 (Bl. 138 ff. GA) für notwendig hält, waren aus der maßgeblichen damaligen Sicht ebenfalls nicht erforderlich. Auch diese Maßnahmen stellen einen erheblichen Eingriff in die Freiheitsrechte eines Heimbewohners dar. Angesichts des Umstandes, dass Herr H ... sicher gehen konnte, war ein solcher Eingriff nicht hinnehmbar. Außerdem waren dem Beklagten solche Maßnahmen jedenfalls im vorliegenden Fall nicht zuzumuten. Als Betreiber eines Altenheims musste er nicht jede Gefahr der Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos, das bei alten Leuten hinsichtlich der Sturzgefahr regelmäßig erhöht ist, beseitigen. Im Unterschied zu dem Sachverhalt, der der von der Klägerin zitierten Entscheidung zugrundelag, handelte es sich bei Herrn H ... nicht um einen Menschen mit aufs äußerste erhöhter Gefahr der Selbstgefährdung durch Stürze. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 19. November 2003 betraf den Sturz einer Heimbewohnerin, die wegen ihrer schlechten geistigen und körperlichen Verfassung auf einer geschlossenen Station untergebracht war, die verminderte Sehkraft, Unsicherheit beim Gehen, Sturzneigung, Schwankschwindel und schwere funktionelle Einschränkungen des zentralen Nervensystems aufwies, die rasch aus der Fassung und in Panik geriet und die in der Nacht ihres Sturzes bereits 25 mal ihr Bett verlassen hatte. Vergleichbare außerordentliche Gefährdungsmomente, die besondere Maßnahmen zur Gefahrvermeidung erfordert hätten, sind im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich.

Steht somit schon eine objektive Pflichtverletzung des Beklagten nicht fest, kommt es auf die Kausalität derselben für die Körperverletzung Herrn H ...s nicht mehr an.

Im übrigen ist auch die Ansicht der Klägerin verfehlt, schon bei einer engmaschigen Kontrolle, etwa durch häufigeres Kontrollieren des Zimmers durch das Personal, wäre die Verletzung verhindert worden, weil Herr H ... dann gar nicht erst in das Untergeschoss hätte gelangen können. Dass eine besondere Gefahr gerade vom Untergeschoss ausging - etwa wegen schlechter Beleuchtung oder unebenen Bodens - ist nicht vorgetragen. Ein Sturz als solcher hätte sich aber in Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos überall in gleicher Weise ereignen können, auch in Herrn H ...s Zimmer.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie für das Vorliegen einer kausalen Pflichtverletzung darlegungs- und beweispflichtig und nicht der Beklagte dafür, dass eine solche nicht vorlag. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin zur Begründung ihrer Auffassung auf die Entscheidungen des BGH, VersR 1991, S. 310, und des OLG Düsseldorf vom 19. November 2003, I-15 U 31/03. Grundsätzlich trifft den Gläubiger zwar die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer anspruchsbegründenden Pflichtverletzung (Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 282, Rz. 11; MünchKomm/Ernst, 4. Aufl., § 280 Rz. 146). Davon werden nur in Sonderfällen Ausnahmen gemacht; so auch in den beiden von der Klägerin benannten Entscheidungen.

Ausnahmsweise trifft danach die Beweislast für das Nichtvorliegen einer objektiven Pflichtverletzung den Schuldner dann, wenn er erfolgsbezogene Pflichten verletzt hat. So lag der Fall bei der vorgenannten Entscheidung des BGH, bei dem sich ein Unfall während eines Krankentransportes ereignete und der vertraglich geschuldete Erfolg gerade darin lag, den Verletzten ohne Schäden an den Zielort zu bringen. Eine derartige erfolgsbezogene Leistungspflicht beinhaltet der Heimvertrag jedoch grundsätzlich nicht. Er ist ein Dienstvertrag, aufgrund dessen nicht ein Erfolg, sondern lediglich ein bestimmtes Verhalten geschuldet war, nämlich ein sorgfältiges Verhalten in den Grenzen des Zumutbaren, wie es der Beklagte auch an den Tag gelegt hat.

Weiterhin wird ausnahmsweise dem Gläubiger die Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung genommen, wenn die Schadensursache allein aus dem beherrschbaren Verantwortungsbereich des Schuldners herrühren kann (Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 282 Rz. 13 m. w. Hinweisen; BGH VersR 1991, S. 311). Auch eine derartige Sachlage ist vorliegend aber nicht gegeben. Da Herr H ... im Rahmen des Erforderlichen und Zumutbaren weder am Bett hätte fixiert werden müssen noch eine personelle Vollzeitüberwachung an seinem Bett zu verlangen gewesen wäre, um zu verhindern, dass er aufstünde, war keine Sachlage mehr gegeben, bei der die Schadensursache allein im Verantwortungsbereich des Beklagten liegen konnte. Vielmehr bestand, da der Beklagte Herrn H ... nicht vollständig kontrollieren durfte und musste, stets die Möglichkeit, dass das Verhalten Herrn H ...s selbst völlig unabhängig von den Pflichten der Beklagten zu einem Sturz führte. Der Gefahrbereich war daher für den Beklagten nicht vollends beherrschbar. Eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast ist mithin nicht geboten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Berufungsstreitwert: 6.040,60 €.

Ende der Entscheidung

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