Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: I-4 U 84/07
Rechtsgebiete: AUB 88, VVG


Vorschriften:

AUB 88 § 7
AUB 88 § 7 Nr. I. (1)
AUB 88 § 7 Nr. I. (1) Abs. 2
AUB 88 § 14
VVG § 7
VVG § 12 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 21. März 2007 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.

1. Nach § 7 Nr. I. (1) der hier vereinbarten AUB 88 gelten für die Invaliditätsleistung folgende Sonderbestimmungen:

Führt der Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) des Versicherten, so entsteht Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den Invaliditätsfall versicherten Summe. Hat der Versicherte bei Eintritt des Unfalls das 65. Lebensjahr vollendet, so wird die Leistung als Rente gemäß § 14 erbracht.

Die Invalidität muss innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sowie spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein.

2. Der Senat kann offen lassen, ob bei der Klägerin unfallbedingte Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und die erforderliche ärztliche Feststellung binnen weiterer drei Monate getroffen worden ist. Beides ist - entgegen der Annahme der Klägerin - nicht zweifelsfrei.

Darauf kommt es aber nicht an, weil jedenfalls die ebenso erforderliche rechtzeitige Geltendmachung von Invalidität nicht festgestellt werden kann. Dies ist zwischen den Parteien nicht nur unstreitig, sondern auch eine Überprüfung des Sachvortrags und des vorgelegten Schriftverkehrs hat nicht ergeben, dass die Klägerin bereits vor dem Schreiben vom 23. Januar 2004 und damit möglicherweise rechtzeitig eine unfallbedingte Invalidität geltend gemacht hat.

3. Dem Standpunkt der Klägerin, die Beklagte verhalte sich unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles treuwidrig, wenn sie nunmehr - erstmals im Prozess - den Fristablauf geltend mache, kann sich der Senat nicht anschließen.

a. Die Verpflichtung zur Einhaltung der Frist zur Geltendmachung von Invalidität besteht mit der Geltung der entsprechenden Versicherungsbedingungen. Einer besonderen Belehrung hierüber durch den Versicherer bedarf es nicht (OLG Saarbrücken OLG-Report 2007, 118; OLG Hamm VersR 2005, 1069).

Allerdings kann der Versicherungsnehmer sich unter besonderen Voraussetzungen auf mangelndes Verschulden hinsichtlich der Versäumung der Frist oder auf ein treuwidriges Handeln des Versicherers berufen (BGHZ 137, 174). Das gilt etwa dann, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer entgegen einer entsprechenden Verpflichtung nicht über die Frist des § 7 Nr. I. (1) Abs. 2 AUB 88 und die Voraussetzungen ihrer Wahrung belehrt hat. Eine solche Verpflichtung trifft den Versicherer allerdings nur im Falle einer ihm erkennbaren Belehrungsbedürftigkeit des Versicherungsnehmers (OLG Hamm VersR 2005, 1069). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die dem Versicherer überlassenen Unterlagen - Unfallanzeige, ärztliche Atteste, etc. - erkennen lassen, dass eine unfallbedingte Invalidität eingetreten ist oder zumindest nicht fern liegt. Unterbleibt in diesen Fällen der Hinweis, darf sich der Versicherer nicht auf den Fristablauf berufen (OLG Saarbrücken r+s 2005, 167; OLG Nürnberg VersR 2003, 846; Senat, VersR 2001, 449; Prölls/Martin-Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 7 AUB 94 Rn 22). Treuwidrig handelt der Versicherer auch, wenn er seine Leistungspflicht vor Fristablauf aus anderen Gründen endgültig abgelehnt hat, ohne auf die Frist des § 7 AUB 88 hinzuweisen (OLG Saarbrücken OLG-Report 2007, 118 und OLG Hamm VersR 2005, 1069).

b. Danach kann eine Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil nicht festgestellt werden. Zu Recht hat das Landgericht die Klage wegen Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Geltendmachung von Invaliditätsansprüchen abgewiesen.

Eine Belehrungspflicht der Beklagten über den drohenden Ablauf der Frist bestand nicht. Unstreitig hat sie ihre Leistungspflicht erst nach Einholung des Gutachtens des St. B. Krankenhauses vom 18. März 2004 (Bl. 39 ff. GA) und damit nach Fristablauf abgelehnt. Vor dem Schreiben vom 23. Januar 2004 (Bl. 95-96 GA) hat es für die Beklagte auch keine Anhaltspunkte für etwaige Dauerfolgen aus dem Unfall vom 18. September 2002 gegeben. Dies gilt auch für das Anwaltsschreiben vom 1. Dezember 2003 (Bl. 93-94 GA). Die dort beschriebenen Verletzungsfolgen sind nicht als dauerhaft verbleibende Unfallfolgen bezeichnet worden. Es lag auch nicht auf der Hand, dass es sich um besondere Unfallfolgen handelt, bei denen zumindest mit gewisser Wahrscheinlichkeit mit einem dauerhaften Verbleib zu rechnen sei. Muskel- oder Sehnenrisse heilen meist vollständig aus.

Die Berufung der Beklagten auf die Fristversäumung ist auch nicht aus anderen Gründen treuwidrig. Ein Ausnahmetatbestand kann nicht festgestellt werden. Das bloße Verhandeln des Versicherers mit dem Versicherungsnehmer über etwaige Invaliditätsansprüche, die nicht rechtzeitig geltend gemacht worden sind, bindet den Versicherer nicht. Ansonsten - darauf hat schon das Landgericht zutreffend hingewiesen - wären dem Versicherer jegliche Kulanzleistungen und Verhandlungen hierüber versagt, was letztlich zu Lasten der Versicherungsnehmer ginge. Daher kommt ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben nur ausnahmsweise unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. Hierfür reichen bloße Verhandlungen ebenso wenig wie Vereinbarungen über die Verlängerung der Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs nach § 12 Abs. 3 VVG (in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung). Die Treuwidrigkeitsschwelle kann allerdings überschritten sein, wenn der Versicherer dem Versicherten noch nach Fristablauf psychisch oder körperlich belastende ärztliche Untersuchungen und Maßnahmen zumutet, beispielsweise im Zusammenhang mit der Einholung eines Gutachtens über die Unfallfolgen (vgl. BGH VersR 1995, 1179; OLG Saarbrücken r+s 2003, 340). Mit dem eingeholten Gutachten vom 18. März 2004 waren derartige Belastungen jedoch nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts nicht verbunden.

Dass die Beklagte den Einwand der Fristversäumung erstmals im vorliegenden Rechtsstreit erhoben hat, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Aufgrund dessen kann nicht die Geltendmachung der Säumnis, sondern allenfalls die Verursachung zusätzlicher Kosten treuwidrig sein. Daher ist auch unbeachtlich, dass die Beklagte die Verhandlungen mit der Klägerin nach Ablauf der Frist des § 7 AUB 88 nicht unter den ausdrücklichen Vorbehalt der Geltendmachung der Fristversäumung gestellt hat. Hierzu war sie nicht verpflichtet, denn die Einhaltung der Voraussetzungen für die Geltendmachung von Invaliditätsansprüchen obliegt allein dem Versicherungsnehmer.

c. Die Beklagte hat auch nicht darauf verzichtet, den Einwand der Fristversäumung nach § 7 Nr. I. (1) Abs. 2 AUB 88 zu erheben.

Unstreitig ist allein, dass es zu zwei Verlängerungen der Frist nach § 12 Abs. 3 VVG aF gekommen ist. Dass darüber hinaus gehende Verzichtserklärungen der Beklagten abgegeben wurden, kann der Senat nicht feststellen. Insbesondere hat die Beklagte das Recht zur Geltendmachung der Versäumung der Frist nach § 7 AUB 88 zu keinem Zeitpunkt aufgegeben.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 9.394,99 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück