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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.04.2004
Aktenzeichen: I-5 W 7/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 411 Abs. 4 Satz 1
ZPO § 411 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 567 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 07.01.2004 abgeändert.

Die mit Schriftsatz der Antragsgegnerinnen vom 11.12.2003 gestellten Ergänzungsfragen sind an den Sachverständigen zu stellen. Die erforderliche Anordnung wird dem Landgericht übertragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 13.07.1999 die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens angeordnet. Antragstellerin ist die Grundbesitzverwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft M... Straße in N.... Die Antragsgegnerin zu 2. war die Bauträgerin der Wohnanlage. Der beauftragte Sachverständige erstellte im März 2001 ein Gutachten und im April 2002 ein erstes Ergänzungsgutachten, dessen Erstellung das Landgericht auf Antrag der Antragsgegnerinnen angeordnet hatte. Wiederum auf Antrag der Antragsgegnerinnen ordnete das Landgericht im Oktober 2002 die weitere Ergänzung der vorliegenden Gutachten an. Das unter dem 30.07.2003 gefertigte zweite Ergänzungsgutachten wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen am 13.08.2003 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 01.11.2003, bei Gericht eingegangen am 06.11.2003 kündigte der Bevollmächtigte der Antragsgegnerinnen ergänzende Fragen an den Sachverständigen an. Diese legte er mit am selben Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 11.12.2003 vor und beantragte die ergänzende Befragung des Sachverständigen hierzu. Das Landgericht wies mit der angefochtenen Entscheidung diesen Antrag zurück. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen, der die Kammer durch Beschluss vom 10.03.2004 nicht abgeholfen hat. II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen ist nach § 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Das zwischen den Beteiligten schwebenden selbständige Beweisverfahren ist noch nicht beendet, so dass der Antrag der Antragsgegnerinnen vom 11.12.2003 auf Gutachtenergänzung und damit auf Fortführung des selbständigen Beweisverfahrens nicht zurückgewiesen werden durfte. Der Beschluss vom 07.01.2004 war dementsprechend aufzuheben. Das Landgericht wird dem Verfahren im Hinblick auf die beantragte Ergänzung und Erläuterung des zweiten Ergänzungsgutachtens Fortgang zu geben haben. Grundsätzlich ist das selbständige Beweisverfahren mit der Übermittlung des schriftlichen Sachverständigengutachtens an die Parteien beendet, wenn weder das Gericht eine Frist nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO setzt noch eine mündliche Erläuterung durch den Sachverständigen stattfindet (vgl. BGH WM 2002, 873f; OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.06.2002, 12 W 16/02, BauR 2002, 1734). Eine mündliche Erläuterung durch den Sachverständigen und damit eine Fortsetzung des Beweisverfahrens ist dann anzuordnen, wenn innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Übersendung des Gutachtens Einwendungen oder Ergänzungsfragen mitgeteilt werden (BGH, a.a.O.). Das Kriterium der Angemessenheit des Zeitraums nach § 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO richtet sich nach den schutzwürdigen Interessen der Beteiligten und dem Umfang der verfahrensrechtlichen Interessen (OLG Hamburg, Beschluss vom 18.06.20003, 4 W 45/02, IBR 2003, 582 mit Anmerkung Ulrich), wobei eine entscheidende Rolle spielt, ob es sich um ein schriftliches Gutachten handelt, das nach Umfang, Gehalt und Schwierigkeitsgrad einer sorgfältigen und damit zeitaufwendigen Prüfung bedarf und ob die betroffene Partei dazu sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen muss (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O. m.w.N.). Die Festlegung einer Regelfrist, innerhalb derer bei unterlassener Fristsetzung durch das Gericht die Beteiligten eines selbständigen Beweisverfahrens die Ergänzungsfragen mitzuteilen haben, verbietet sich vor diesem Hintergrund (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Naumburg, Beschluss vom 23.09.2002, 6 W 101/02), jedoch dürfte nur in Ausnahmefällen ein zeitlicher Abstand von mehr als 3 Monaten zwischen Zustellung des schriftlichen Gutachtens und Eingang des Antrages des Beteiligten auf Beantwortung von Ergänzungsfragen durch den Sachverständigen als angemessener Zeitraum im Sinne des § 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO angesehen werden (vgl. zu einem solchen Ausnahmefall OLG Düsseldorf, 21. Zivilsenat, Beschluss vom 28.08.2000, 21 W 36/00, BauR 2000, 1775). Im vorliegenden Fall war im Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes des Bevollmächtigten der Antragsgegnerinnen vom 11.12.2003 seit Übersendung des Gutachtens ein Zeitraum von fast vier Monaten vergangen. Trotz des Umstandes, dass das zweite Ergänzungsgutachten vom 30.07.2003 lediglich einen Umfang von 18 Seiten hat, kann der Senat den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Gutachtenübersendung und Ergänzungsfragen noch bejahen. Für diese Wertung sind folgende Erwägungen ausschlaggebend: Der Sachverständige hat in dem in Rede stehenden Ergänzungsgutachten 15 Fragen beantwortet. Diese Fragen bezogen sich auf das erste Ergänzungsgutachten vom 09.04.2002, das einen Umfang von 24 Seiten hatte. Dieses wiederum hat der Sachverständige erstattet in Beantwortung von Ergänzungsfragen zu dem "Hauptgutachten", das im April 2001 den Beteiligten zugeleitet wurde und einen Umfang von über 300 Seiten hat. In Ansehung des Umstandes, dass die Aussagen und Feststellungen des Sachverständigen im zweiten Ergänzungsgutachten abgeglichen werden mussten mit dem Inhalt der vorangegangenen Gutachten war die von den Beteiligten vorzunehmende Prüfung, ob aus ihrer Sicht das Gutachten vom 30.07.2003 ergänzungsbedürftig oder noch lückenhaft war, zwar nicht außergewöhnlich schwierig, jedoch zumindest zeitintensiv. Von mit entscheidender Bedeutung ist der Umstand, dass der Bevollmächtigte der Antragsgegnerinnen mit Schriftsatz vom 01.11.2004, also angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles innerhalb eines angemessenen Zeitraums im Sinne des § 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO Ergänzungsfragen im Hinblick auf das Gutachten angekündigt hatte. Das Landgericht, das es unterlassen hatte, eine Frist nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO zu stellen, obwohl dies regelmäßig im Interesse der Verfahrensbeschleunigung angezeigt sein dürfte, hätte spätestens nach Eingang des Schreibens vom 01.11.2003 darauf hinweisen müssen, dass ein bestimmter Zeitraum in diesem Fall nicht mehr als angemessen angesehen werden würde, da es sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelte, der in der Praxis sehr verschieden interpretiert wird (vgl. OLG Hamburg, a.a.O.; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. Rnr. 5 b zu § 411). Nachdem das Landgericht sowohl von einem rechtlichen Hinweis als auch von der Setzung einer Ausschlussfrist abgesehen hatte, konnten die Antragsgegnerinnen darauf vertrauen, dass der zeitliche Rahmen weit gesteckt war und zumindest einen Zeitraum von insgesamt 4 Monaten abdeckte. Vor diesem Hintergrund erscheint es unbillig, im vorliegenden Fall den Zeitraum von noch unter 4 Monaten nach Zustellung des Gutachtens als nicht mehr angemessen anzusehen und den Antrag als verspätet zurückzuweisen. III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Da die sofortige Beschwerde Erfolg hatte, fallen Gerichtsgebühren nicht an. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten ist eine Kostenentscheidung derzeit nicht möglich. Die vorliegende Konstellation entspricht einer Aufhebung und Zurückverweisung, so dass sich die Verteilung der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, die zu den Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zählen -, anders als im Falle der Zurückweisung des Rechtsmittels - nach der für das selbständige Beweisverfahren im übrigen zu treffenden Kostenverteilung richten (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.)

Ende der Entscheidung

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