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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: I-6 U 15/05
Rechtsgebiete: WpHG, KWG, BGB


Vorschriften:

WpHG § 2 Abs. 4
WpHG § 2 a
WpHG § 37 a
KWG § 32
KWG § 32 Abs. 1
BGB § 288 a.F.
BGB § 291
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14. Dezember 2004 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.642,33 € nebst 4 % Zinsen seit dem 6. Oktober 2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 16 % und die Beklagte zu 84 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung führt zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Ergebnis.

I.

Die Klage ist in dem nach teilweiser Berufungsrücknahme noch streitgegenständlichen Umfang begründet. Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes einen Anspruch auf Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung des zwischen dem Ehemann und der Beklagten geschlossenen Vermögensverwaltungsvertrages in Höhe von 10.642,33 € nebst Zinsen. (Auf die schuldrechtlichen Beziehungen ist das BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB. Soweit Vorschriften des BGB zum Verjährungsrecht anzuwenden sind, gilt die Übergangsregelung des Art. 229 § 6 EGBGB.)

1. Der Zedent und die Beklagten waren verbunden durch die Vereinbarung über die Depotverwaltung (Anlage K 2 zur Klageschrift). Hierbei handelt es sich um einen Vermögensverwaltungsvertrag. Dieser ist ein Dienstvertrag in Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages. Durch ihn wird der Verwalter zur Verwaltung des Vermögens eines Kunden in dessen Interesse verpflichtet. Der Verwalter ist berechtigt und verpflichtet, fortlaufend über das Vermögen des Kunden zu disponieren, d. h. ohne Einholung von Weisungen im Einzelfall tätig zu werden und selbständig Anlageentscheidungen zu treffen. Ob der Verwalter dabei freies Ermessen genießt oder nicht, richtet sich danach, ob die Parteien Anlagerichtlinien vereinbart haben. Anlagerichtlinien haben üblicherweise den Sinn, den Ermessensspielraum des Vermögensverwalters einzuschränken und ihn bei seiner Tätigkeit an die Vorgaben des Kunden zu binden (vgl. zu allem BGH, WM 1998, 21, 22).

2. Selbst wenn der der Beklagten durch den Vermögensverwaltungsvertrag eingeräumte Ermessenspielraum nicht durch die Vereinbarung konkreter Anlagerichtlinien eingeschränkt war, war er nicht grenzenlos. Denn da auch dem Beklagtenvorbringen keine besonderen Absprachen zur Auswahl der Kapitalanlagen zu entnehmen ist, findet der Grundsatz Anwendung, dass eine professionelle Vermögensverwaltung vernünftigerweise nicht ausschließlich auf hochriskante Geschäfte setzt, sondern auf eine angemessene Mischung mit konservativeren Anlageformen wie Aktien und festverzinslichen Wertpapieren Wert legt (vgl. BGH, WM 1994, 834, 836). Anders konnte auch der Zedent ohne besondere Absprachen nicht die Verpflichtung der Beklagten verstehen, sie verfolge ausschließlich die Interessen des Depotinhabers und lasse dabei die gleiche Sorgfalt walten, die sie bei der Ausführung ihrer eigenen Geschäfte anwende. Dementsprechend ist auch das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte bei pflichtgemäßer Vermögensverwaltung einen angemessenen Anlagen-Mix hätte vornehmen müssen.

3. Einen angemessenen Anlagen-Mix hat die Beklagte nicht ausgewählt. Konservativere Anlageformen wie Standardaktien und festverzinsliche Wertpapiere hat sie nicht in dem notwendigen Umfang von etwa 80 % des verwalteten Vermögens in das Depot eingestellt.

Wie sehr die Beklagte sich von einer professionellen Vermögensverwaltung entfernt hat, zeigt sich beispielhaft beim Einstellen der G.-Aktien und der H.-Zertifikate in das Depot, beides spekulative Wertpapiere. Am 15. Dezember 1999 kaufte die Beklagte 150 G.-Aktien, von denen sie letztlich 75 Aktien zum Kaufpreis von 4.867,77 € in das Depot aufnahm. Die H.-Zertifikate kaufte sie am 21. Februar 2000 zum Preis von 7.342,46 €. Die Summe der Kaufpreise macht mit 12.210,23 € rund 41 % des unstreitigen Ausgangswertes des Depots in Höhe von 30.088,00 € aus. Der Anteil dieser Wertpapiere am Depotwert liegt auch dann nicht im Rahmen eines zulässigen Anlagen-Mix, wenn man sich die Depotentwicklung vom Zeitpunkt der Käufe der Wertpapiere an betrachtet.

Bei den G.-Aktien handelte es sich unstreitig um Aktien des neuen Marktes. Angesichts der Besonderheiten der Unternehmen des Neuen Marktes stellt der Erwerb diesbezüglicher Aktien ein spekulatives Geschäft mit erheblichem Kursrisiko dar (BGH, WM 2004, 1774, 1777), wie es sich dann auch bei den im Depot gehaltenen 75 G.-Aktien realisiert hat.

Bereits der unstreitig vor Ablauf der Optionsfrist eingetretene Totalverlust der H.- Zertifikate zeigt, dass es sich auch bei der Anlage in diese Papiere um spekulative Geschäfte handelte.

4. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Zedent sich im Nachhinein mit einer anderen als einer professionellen, auf eine angemessene Mischung der Wertpapiere angelegten Vermögensverwaltung einverstanden erklärt hat. Dies gilt auch, wenn man davon ausgeht, dass der Zedent über alle Wertpapiergeschäfte von der depotführenden XY-Bank zeitnah informiert worden ist, wie es die Beklagte behauptet hat, und von der Klägerin letztlich nicht mehr, jedenfalls nicht mehr hinreichend, bestritten worden ist. Denn ein konkludentes Einverständnis mit einer nicht mehr auf eine angemessene Mischung angelegten Vermögensverwaltung setzt die Kenntnis des Zedenten davon voraus, dass die Beklagte den ihr gesteckten Rahmen verlassen hatte. Hierzu hätte der Zedent wissen oder zumindest damit rechnen müssen, dass die Beklagte in einem weitaus größeren Umfang spekulative Papiere gekauft hatte, als dies einer angemessenen Mischung entspricht. Durch die Benachrichtigung über die getätigten Käufe wurde diese Kenntnis jedoch nicht vermittelt. Dass der Zedent sie sonstwie erlangt hatte, ist nicht ersichtlich. Insoweit ist auch ohne Bedeutung, dass sich der Zedent mit dem Kauf von 75 G.-Aktien letztlich einverstanden erklärt hat und ob ihm der spekulative Charakter dieser Aktien bekannt war. Der Kaufpreis betrug 4.867,77 € und damit rund 16 % des ursprünglichen Depotvolumens. Allein mit einer solchen Quote spekulativer Papiere überschritt die Beklagte aber nicht die ihr mit dem Vermögensverwaltungsvertrag gesetzten Grenzen. Schon deswegen fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für die Annahme einer konkludenten Vereinbarung neuer Anlagerichtlinien.

5. Hat die Beklagte den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten und dadurch den Vermögensverwaltungsvertrag verletzt, hat sie dem Zedenten und damit nun der Zessionarin den jenem durch die Vertragsverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen. Zur Schadensberechnung ist der pflichtwidrig handelnde Verwalter einem gedachten vertragsgemäß handelnden Verwalter gegenüber zu stellen. Der Schaden besteht dann in der Differenz zwischen dem Wert des verwalteten Depots und dem des fiktiven (vgl. hierzu auch BGH, WM 2002, 1177, 1178). Dabei kommt es im vorliegenden Fall nach der teilweisen Berufungsrücknahme nicht mehr darauf an, auf welche Art und Weise die Differenzberechnung für die Zeit nach der Kündigung des Vermögensverwaltungsvertrages vorzunehmen wäre. Denn in Höhe der Klageforderung ist dem Zedenten bereits zum Stichtag der Kündigung ein Schaden entstanden. Dieser ist der Klägerin als Zessionarin nach den zur Abgrenzung von Objektschaden zum Dauer-/Folgeschaden entwickelten Grundsätzen (vgl. Palandt/ Heinrichs, BGB, 65. Aufl., vor § 249 Rdnr. 102 f) in jedem Fall zu erstatten. Hinsichtlich des Objektschadens (hier des Vermögensschadens) erwirbt der Geschädigte mit dem Zeitpunkt der Schädigung (hier per Stichtag der Kündigung) einen Schadensersatzanspruch. Dieser Anspruch ist Bestandteil seines Vermögens. Er wird durch spätere Ereignisse, die das Schadensobjekt, existierte es noch, betroffen hätten, nicht berührt.

Bei der Zusammenstellung des Musterdepots zur Ermittlung der Differenz des tatsächlichen und des fiktiven Depotwertes per Stichtag der Kündigung kann, nachdem sich die Klägerin insoweit das Vorbringen der Beklagten zu eigen gemacht hat, zunächst zurückgegriffen werden auf die Werte, mit denen die Beklagte "ihr" Musterdepot bestückt hat, und die Wertentwicklung, die sie aufgezeigt hat. Allerdings ist in das Musterdepot nach den eingangs aufgezeigten Grundsätzen professioneller Vermögensverwaltung ein Anteil festverzinslicher Werte einzustellen. Selbst wenn man insoweit einen Anteil von rund 40 % ansetzt, errechnet sich zum 13. Juli 2000 ein Schaden in Höhe der Klageforderung:

Mischverhältnis: rund 20 % spekulativ (1), rund 40 % Standardaktien (2), der Rest Renten mit etwa 3,5 % p.a. (3); Wertentwicklung, zu (1) und (2) entsprechend dem Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 16. Januar 2006, Anlage BE 1; (1) von 6.137,04 € auf 12.230,40 € (+ 99,2883 %), (2) von 11.873,12 € auf 15.158,93 € (+ 27,6744 %), (3) von 12.077,84 € auf 12.700 € (+ etwa 3,5 % p.a.), Wertentwicklung mithin von 30.088,00 € auf 40.089,33 €.

Dem unstreitigen tatsächlichen Depotwert in Höhe von 29.447,00 € steht damit ein Wert des Musterdepots in Höhe von 40.089,33 € gegenüber. Die Differenz in Höhe von 10.642,33 € stellt den ersatzpflichtigen Schaden dar.

Setzt man den Anteil der festverzinslichen Papiere niedriger an, wird der Schaden nur noch größer.

6. Der Schadensersatzanspruch ist nicht verjährt. § 37 a WpHG findet auf den zuerkannten Schadensersatzanspruch schon deshalb keine Anwendung, weil er nicht auf einer Verletzung der Pflicht zur Information oder einer fehlerhaften Beratung beruht, sondern auf vertragswidriger Verwaltung. Die deshalb nach altem Verjährungsrecht geltende 30-jährige Verjährung (§ 195 BGB a.F.) ist durch die seit dem 1. Januar 2002 geltende (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) 3-jährige Regelverjährung, die mit dem 31. Dezember 2004 endete, ersetzt worden. Innerhalb dieser Verjährung ist die Klage mit verjährungshemmender Wirkung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F.) erhoben worden.

Darüber hinaus wäre § 37 a WpHG auch dann nicht anzuwenden, wenn die Beklagte wegen der Verletzung von Informations- oder Beratungspflichten haftete. Denn sowohl Schadensersatzansprüche gegen ein Unternehmen, das als ein von der Erlaubnispflicht befreites Unternehmen im Sinne von § 2 a WpHG einzuordnen ist, als auch Schadensersatzansprüche gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne von § 2 Abs. 4 WpHG, das ohne die nach § 32 Abs. 1 KWG erforderliche Erlaubnis tätig ist, unterliegen nicht der Verjährung nach § 37 a WpHG (vgl. BGH, WM 2006, 479 ff.). Dass aber der insoweit darlegungsbelasteten (vgl. BGH a.a.O.) Beklagten eine Erlaubnis nach § 32 KWG erteilt war, hat sie trotz entgegenstehenden Vortrages der Klägerin nicht einmal behauptet.

7. Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB a.F.

II.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 13.000,00 € festgesetzt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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