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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.04.2007
Aktenzeichen: I-6 U 97/06
Rechtsgebiete: BGB, BerlinFG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 138
BGB § 247
BGB § 291
BGB § 286
BGB § 286 Abs. 2
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 818 Abs. 1
BerlinFG § 17
ZPO § 269 Abs. 1
ZPO § 287
ZPO § 525
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22.März 2006 - 10 O 65/05 - abgeändert und wie folgt neugefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 120.868,54 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. November 2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Kläger als Gesamtschuldner zu 41 % und die Beklagte zu 59 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner zu 48 % und die Beklagte zu 52 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für die jeweils andere Partei aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Kläger verlangen als Gesamtgläubiger von der Beklagte die Rückzahlung eines von ihnen entrichteten anteiligen Disagios aus einem durch vorzeitige Ablösung beendeten Darlehensvertrag. Zum Sachverhalt wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Mit ihrer Berufung gegen das klageabweisende Urteil verfolgen sie ihr Klageziel weiter. Sie machen geltend:

Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der Vereinbarung eines als laufzeitunabhängig bezeichneten Disagios in Höhe von 6 % in dem geschlossenen Darlehensvertrag um eine Individualvereinbarung handele. Es liege vielmehr eine allgemeine Geschäftsbedingung vor, die die Beklagte vorformuliert bei einer Vielzahl anderer Verträge ebenfalls verwendet habe. Zudem sei zwar - dies ist unstreitig - über die Höhe des Disagios verhandelt worden, nicht aber - auch dies ist unstreitig - über seine Laufzeitunabhängigkeit. Durch diese Klausel würden die Kläger unangemessen benachteiligt, da es sich bei dem vereinbarten Disagio um einen verschleierten Zins handele, der grundsätzlich bei vorzeitiger Vertragsbeendigung zurückzuerstatten sei. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Disagioerstattung bei zinsvergünstigten Krediten aus öffentlichen Fördermaßnahmen sei im Streitfall nicht anwendbar, da die Beklagte bei Abschluss des Darlehensvertrages an bestimmte Vorgaben ihrer Refinanziererin weder im Hinblick auf den vereinbarten Zins noch im Hinblick auf das vereinbarte Disagio gebunden gewesen sei.

Die Kläger beziffern ihre Klageforderungen insgesamt im Berufungsrechtszug neu und legen zur erneuten Spezifizierung der Höhe des mit dem Klageantrag zu 1) geforderten anteiligen Disagios eine Berechnung des Finanzdienstleistungsunternehmens G. GmbH vor.

Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2006 haben die Kläger die Rücknahme der mit dem Klageantrag zu 1) verfolgte Zahlungsklage in Höhe eine Betrages von 3.342,71 € erklärt und machen den mit dem Klageantrag zu 1) beanspruchten Zins nur noch für die Zeit ab dem 1. September 2004 geltend. Die Beklagte hat dem mit Schriftsatz vom 18. April 2007 zugestimmt.

Die Höhe der mit dem Klageantrag zu 2) verlangten gezogenen Nutzungen der Beklagte haben sie der Verfahrensdauer angepasst und beziffern diese für die Zeit vom 1. November 2003 bis zum 30. August 2006 ausgehend von einem Zinssatz von 8,5 % p.a. mit einem Betrag in Höhe von 29.880,46 €.

Die erstinstanzlich mit dem Klageantrag zu 3) begehrte Feststellung haben sie im Berufungsverfahren nicht weiterverfolgt. Sie haben statt dessen von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz in Höhe eines Betrages von insgesamt 99.437,63 € nebst Zinsen verlangt.

Im Termin am 22. März 2007 haben die Parteien einen Vergleich unter einem Widerrufsvorbehalt bis zum 5. April 2007 geschlossen. Auf den Inhalt des Vergleiches (GA 156) wird Bezug genommen. Mit bei Gericht am 4. April 2007 eingegangenem Schriftsatz vom 2. April 2007 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger den Vergleich mit folgender Erklärung widerrufen: " ... widerrufen wir namens des Klägers den am 22. März 2007 abgeschlossenen Vergleich."

Ebenfalls mit Schriftsatz vom 2. April 2007 haben die Kläger die Rücknahme der Klage hinsichtlich ihres im Berufungsverfahren mit dem Klageantrag zu 3) verfolgten Schadensersatzanspruches erklärt. Mit Schriftsatz vom 18. April 2007 hat die Beklagte ihre Einwilligung insoweit ausdrücklich verweigert.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und

1.

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 120.868,54 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2004 zu zahlen;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 29.880,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2006 zu zahlen;

3.

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 99.437,63 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte erwidert: Bei der Vereinbarung des Disagios als laufzeitunabhängig handele es sich um eine Individualabrede, mit der eine Hauptleitungspflicht der Kläger lediglich konkretisiert worden sei. Allein in der Verwendung des Begriffs der Laufzeitunabhängigkeit könne eine selbständige allgemeine Geschäftsbedingung nicht erkannt werden. Das ausgereichte Darlehen sei als ein solches aus einem öffentlichen Förderprogramm anzusehen, da es - durch die Allgemeinheit finanziert - in seinen Zinskonditionen deutlich unter den damals auf dem Kapitalmarkt üblichen Konditionen angeboten worden sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie die nachfolgenden tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

II.

Die Kläger haben den im Termin am 22. März 2007 geschlossenen Vergleich wirksam gemäß Ziffer 3) des Vergleiches widerrufen. Nach dem im Senatstermin geäußerten Willen der Parteien sollte der Vergleich nur Bestand haben, wenn er insgesamt nicht widerrufen wird. Erklärt auch nur einer der Beteiligten den Widerruf, so sollte der Vergleich für alle am Rechtsstreit Beteiligte seine Wirkung verlieren. Dies ergibt sich auch aus dem Verhalten der Klägerin sowie ihres gemeinsam für sie und den im Termin nicht anwesenden Kläger auftretenden Prozessbevollmächtigten. Beide baten bei Abschluss des Vergleiches um die Einräumung einer Widerrufsfrist nicht nur für den nicht anwesenden Kläger, sondern auch für die Klägerin, und brachten damit zum Ausdruck, den Rechtsstreit nur durch gemeinsames Nachgeben beider Kläger beenden zu wollen.

III.

Die Berufung hat nur teilweise Erfolg.

1.

Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht mit dem Argument abgewiesen, zwischen den Parteien sei ein laufzeitunabhängiges Disagio vereinbart worden, das den Darlehensnebenkosten zuzuschlagen und deshalb bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrages nicht anteilsmäßig zu erstatten sei.

a)

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist das Disagio in aller Regel als laufzeitabhängiger Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzins anzusehen und kann daher bei vorzeitiger Vertragsbeendigung vom Darlehensnehmer gemäß § 812 Abs. 1 BGB anteilig erstattet verlangt werden. Es liegt im Ermessen der Vertragsparteien, wie sie im Rahmen der Vertragsgestaltungsfreiheit das Disagio einstufen und die restliche Behandlung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung regeln wollen. Ihr Wille ist im Wege der Auslegung im Einzelfall zu erforschen. Das Disagio hat seine Funktion als Abgeltung des einmaligen Verwaltungsaufwandes bei der Kreditbeschaffung und -gewährung weitgehend verloren und dient in der Bankpraxis nur noch als Rechenfaktor für die Zinsbemessung während des Zinsfestschreibungszeitraums. Dies muss bei der Vertragsauslegung im Zweifel dazu führen, dass das Disagio als laufzeitabhängiger Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzins anzusehen ist und daher bei vorzeitiger Vertragsauslegung vom Darlehensnehmer gemäß § 812 Abs. 1 BGB erstattet verlangt werden kann (BGH WM 1990, 1150 ff; BGH WM 1993, 2003 ff; anders noch BGHZ 81, 124 ff = WM 1981, 839 ff).

b)

Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allerdings bei außerhalb des allgemeinen Wettbewerbs auf dem Kapitalmarkt vergebenen Förderkrediten, deren wirtschaftliche Berechnungsfaktoren wegen der mit diesen Krediten verfolgten Förderung wirtschaftspolitischer Ziele durch Investitionsanreize von der ansonsten üblichen Bankpraxis abweicht. Anders als bei Kreditverträgen sonst die Regel, haben hier weder der Kreditgeber noch der Kreditnehmer die Möglichkeit, die konkreten Darlehensbedingungen entscheidend mitzugestalten. Insbesondere Zins und Disagio sind vorgegeben und lassen - wenn überhaupt - nur einen geringfügigen Spielraum für individuelle Vertragsabreden. Sowohl die in die Finanzierungskette eingeschalteten Kreditinstitute als auch die Endkreditnehmer müssen die gemachten Vorgaben entweder akzeptieren oder auf die Fördermittel verzichten. Eine solche Vergabepraxis findet ihre Rechtfertigung darin, dass zinsgünstige und zweckgebundene Darlehen mit öffentlichen Geldern gefördert werden und dem bezweckten wirtschaftspolitischen Erfolg Vorrang vor weitergehenden individuellen Interessen der Partner eines Kreditvertrages eingeräumt wird (BGH WM 1992, 1058 - juris Rnr. 11). Das Disagio ist fester Bestandteil der bei öffentlichen Förderkrediten in aller Regel ohnehin knappen Kreditkalkulation und steht nicht zur Disposition der Parteien des Kreditvertrages.

Um einen solchen Förderkredit handelte es sich im Streitfall indes nicht. Richtig ist zwar, dass die ausgereichten Kreditmittel öffentlich gefördertes Kapital darstellten, dessen Hingabe nach § 17 BerlinFG steuerlich begünstigt worden ist. Auch wurde mit der durch das BerlinFG zugesagten Steuervergünstigung das wirtschaftspolitische Ziel der Wohnungsbauförderung in Berlin - West verfolgt und ein deutlich unter dem ansonsten für Wohnungsbaukredite üblichen Marktzins liegender Zinssatz ermöglicht. Der Effektivzinssatz betrug bei Vertragsschluss im Streitfall 6,51 %. Der ansonsten auf dem Kapitalmarkt übliche Effektivzinssatz für Kredite im Zeitpunkt des Vertragsschlusses betrug nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagte hingegen 8,9 %, wobei die Beklagte nicht darlegt, worauf sie diese Behauptung stützt.

Gleichwohl handelt es sich hier nicht um einen zinsverbilligten Förderkredit, bei dem das vereinbarte Disagio als fester und nicht disponibler Bestandteil der Kreditkalkulation eingebunden war. Nach dem unwidersprochenen Sachvortrag der Kläger war die Beklagte bei der Vereinbarung von Zins und Disagio im Streitfall frei und an keinerlei Vorgaben ihrer Refinanziererin, der H-Bank, gebunden, die die Kreditmittel bei privaten Kunden als Anlagegelder in den Jahren 1989 und 1990 eingeworben hatte. Diesem Sachvortrag ist die Beklagte, die für das Vorliegen eines zinsverbilligten Förderkredites im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darlegungs- und beweispflichtig ist, nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten. Erforderliche Beweisantritte fehlen zudem.

Konkreter Sachvortrag der Beklagten, dass und in welchem Umfang sie an Vorgaben der H-Bank bei der Vergabe der durch § 17 BerlinFG ermöglichten Kredite gebunden war, findet sich nicht. Soweit sie lediglich ausführt, in Absprachen mit der Rechtsvorgängerin der H-Bank, der K-Anstalt, eingebunden gewesen zu sein und insbesondere nicht berechtigt gewesen zu sein, sich auf Kosten der Fördermittel zu bereichern, ist ihr Vorbringen unsubstantiiert. Dies gilt auch für ihre Behauptung, ihre "Marge" habe nicht wie üblich 1 %, sondern lediglich 0,84 % betragen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten in Kopie vorgelegten Urteil des Kammergerichts Berlin vom 13. August 2004 - 13 U 10/04 -, in dessen Entscheidungsgründen ausgeführt wird, dass die Kreditbedingungen jedenfalls teilweise durch die fördernde K-Anstalt vorgegeben gewesen seien und die Beklagte berechtigt gewesen sei, den Zinssatz um 0,5 % zu senken und das Disagio um 2 % zu erhöhen. Die Vorlage dieses Urteils vermag den im hier zu entscheidenden Fall erforderlichen konkreten Sachvortrag der Beklagten nicht zu ersetzen. Dieser kann auch nicht dem Vorbringen der Beklagten mit Schriftsatz vom 5. Juli 2005 (GA 50) entnommen werden, wonach die "Standardkonditionen" im Zeitraum der Darlehensaufnahme für Kunden bei vierteljährlicher annuitätischer Tilgung Zinsen von 6 % p.a. bei einem Disagio von 6 % gewesen seien, die im Einzelfall geringfügig hätten geändert werden können. Denn auch hieraus ergeben sich keine bindenden Vorgaben durch die H-Bank. Es wird noch nicht einmal deutlich, ob es sich bei den behaupteten "Standardkonditionen" um solche der Beklagten selbst oder anderer Marktteilnehmer oder ihrer Refinanziererin handelte. War die Beklagte aber nicht an Vorgaben hinsichtlich ihrer Zins- und Disagiogestaltung gebunden, so konnte sie die Vertragsbedingungen mit den Klägern selber frei kalkulieren und aushandeln. Dies hat sie nach ihrem eigenen Sachvortrag auch getan, denn sie hat den Nominalzins zu Lasten des von den Klägern zu entrichtenden Disagios während der Vertragsgespräche unstreitig um 0,25 % gesenkt. Bereits diese Vorgehensweise widerspricht den bei der Vergabe öffentlicher Fördermittel typischen einheitlichen Kreditkonditionen, die dem freien Markt und der freien Vertragsabrede gerade entzogen werden.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Kläger für die vorzeitige Ablösung des Darlehens eine in der Bankenpraxis ansonsten übliche Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu zahlen brauchten. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Kläger war eine solche hier nicht fällig, da die Kläger nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ihre Darlehen jedenfalls nach Ablauf von 10,5 Jahren der Vertragslaufzeit entschädigungslos ablösen konnten und die ihnen im Jahr 1990 gewährten Darlehen erst nach Ablauf dieser Frist im Jahr 2003 umgeschuldet haben.

c)

Kann im Streitfall das Vorliegen eines zinsverbilligten Förderkredites im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht festgestellt werden, so ist durch Auslegung zu ermitteln, wie die Parteien im Rahmen ihrer Vertragsgestaltungsfreiheit das Disagio einstufen und die restliche Behandlung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung regeln wollten. Eine ausdrückliche Vereinbarung hierüber enthält der Darlehensvertrag nicht. Nach seinem Wortlaut haben die Parteien das Disagio lediglich als "laufzeitunabhängig" vereinbart.

Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob es sich bei der Verwendung des Begriffes "laufzeitunabhängig" um eine Individualvereinbarung oder um eine allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten handelt, durch die die Kläger möglicherweise unangemessen benachteiligt worden sind und die infolgedessen unwirksam ist. Denn die Verwendung dieses Begriffes ist in keinem Fall geeignet, dem hier vereinbarten Disagio den Charakter eines Entgelts zur Abgeltung des einmaligen Verwaltungsaufwands für die Kreditbeschaffung und -gewährung zu verleihen. Ebenso wenig wie ein Kreditinstitut es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in der Hand hat, durch eine im Darlehensvertrag einseitig gewählte Formulierung wie "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen materiell-rechtlich bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten und -verpflichteten Mitdarlehensnehmer zu machen (vgl. nur BGH WM 2005, 418 - juris Rnr. 12), hat es die Beklagte hier in der Hand, allein durch die Verwendung des Begriffes "laufzeitunabhängig", über den unstreitig nicht verhandelt worden ist, das vereinbarte Disagio materiell-rechtlich zu einem Aufwendungsersatz für Kosten der Kreditbeschaffung und Kreditverwaltung zu machen. Maßgebend für die Abgrenzung, ob das vereinbarte Disagio als Aufwendungsersatz oder als Mittel der Zinskalkulation zu bewerten ist, ist vielmehr die von den Vertragsparteien tatsächlich gewollte Rechtsfolge. Die Privatautonomie schließt in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB die Freiheit der Wahl der Rechtsfolgen ein, umfasst aber nicht die Freiheit zu dessen beliebiger rechtlicher Qualifikation.

Im Streitfall ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Vertragsschlusses zwischen den Parteien mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes davon auszugehen, dass das vereinbarte Disagio im Zweifel als laufzeitabhängiger Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzins anzusehen ist. Denn die Parteien haben unstreitig den vereinbarten Nominalzins um 0,25 % zu Lasten des um 2 % höher vereinbarten Disagios verringert und damit zweifelsfrei einen laufzeitabhängigen Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzins vereinbart. Auch haben die Parteien neben dem vereinbarten Disagio eine zusätzliche Bearbeitungsgebühr in Höhe von 5.000,- DM vereinbart, die die einmaligen Kosten der Kreditbeschaffung und -gewährung abdecken sollte und im Gegenzug die im Vertragstext der Beklagten zunächst vorgesehene Bearbeitungsgebühr in Höhe von 0,5 % der Kreditsumme fallen gelassen. Hierdurch hat auch die Beklagte zu erkennen gegeben, dass sie das von ihr geforderte Disagio als Verhandlungsmasse bei der Vereinbarung angemessener Konditionen, zu denen vor allem der Nominalzinssatz gehört, für beide Vertragsparteien verstanden und eingesetzt hat. In dieser Praxis kreditgebender Banken aber findet der vom Bundesgerichtshof entwickelte Grundsatz, dass das Disagio im Zweifel als laufzeitabhängiger Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzins anzusehen ist, seine Rechtfertigung (vgl. BGHZ 111, 287 - juris Rnr. 12 und 13).

Der Einwand der Beklagten, in den übrigen 4 % des auf 6 % vereinbarten Disagios sei ein auf 2 % bezifferter Bearbeitungsaufwand durch die H-Bank enthalten, mit dem die H-Bank sie belastet habe und den sie an den Endkreditnehmer weitergereicht habe, sowie ein weiterer Anteil von 2 %, mit dem sie ihren eigenen Kostenaufwand abgegolten habe, überzeugt nicht. Denn zum einen haben die Parteien daneben einen auf einen Betrag von 5.000 DM pauschalierten Kreditbearbeitungsaufwand vereinbart, dessen es ausgehend vom Beklagtenvortrag nicht mehr bedurft hätte. Zum anderen verändert auch dies den oben dargestellten Charakter des ausgehandelten Disagios nicht. Darüber hinaus ist die Beklagte für diesen Sachvortrag beweisfällig geblieben, den die Kläger mit Schriftsatz vom 25. Januar 2006 (GA 77) bestritten haben.

d)

Den nicht verbrauchten Anteil des von den Klägern gezahlten Disagios haben sie zutreffend für den Zeitraum vom 1. November 2003 bis zum 31. März 2015 mit 120.868,54 € errechnet.

Bei einem Annuitätendarlehen hat der Darlehensnehmer für die gesamte Laufzeit des Vertrages bis zur vollständigen Tilgung eine gleichbleibende Jahresleistung, die sich zusammensetzt aus einem festen Zins- und Tilgungssatz, bezogen auf das ursprüngliche Darlehenskapital zu erbringen. Da die Jahresleistung als absoluter Betrag konstant bleibt, verschiebt sich fortlaufend das Verhältnis zwischen Tilgung und Zins in der Weise, dass der Zinsanteil entsprechend sinkt und der Tilgungsanteil ständig wächst (BGH WM 1998, 495 - juris Rnr. 27 m.w.N.). Dem trägt die von den Klägern mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2006 (GA 151 ff) vorgelegte Berechnung der noch nicht verbrauchten Zinsvorauszahlung nach dem Verhältnis der für die Zeit bis zur Vertragsauflösung geschuldeten zu den durch die vorzeitige Beendigung ersparten Zinsen im Gegensatz zu einer linearen Berechnungsmethode, die den Besonderheiten einer annuitätischen Zins- und Tilgungsleistung nicht gerecht wird, in angemessener Weise Rechnung.

Die erst in zweiter Instanz vorgelegte Berechnung ist zu berücksichtigen. Zum einen stellt die Beklagte diese Berechnung nicht in Frage. Zum anderen enthält sie durch die auf den Stichtag der Vertragsablösung am 31. Oktober 2003 bezogene Korrektur der Anteilsberechnung lediglich eine rechnerische Richtigstellung der bereits mit der Klageschrift überreichten Berechnung (GA 20 ff). Soweit die Kläger Rücknahme ihres ursprünglichen Klageantrages in Höhe eines Betrages von 3.342,71 € sowie anteiliger Zinsen aus 124.211,25 € für die Zeit vom 31. Oktober 2003 bis zum 31. August 2004 erklärt haben, hat die Beklagte der Klageteilrücknahme mit Schriftsatz vom 18.April 2007 zugestimmt.

2.

Den Klägern steht darüber hinaus gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 120.868,54 € ab dem 1. November 2003 zu. Dieser Anspruch steht den Klägern ebenso wie ihr Anspruch auf Rückzahlung des beanspruchten Disagios als Gesamtgläubigern zu, da sie im Senatstermin entsprechend dem dort gestellten Antrag ausdrücklich erklärt haben, als Gesamtgläubiger zu handeln. Die darin liegende Vereinbarung ist wirksam.

Die Kläger haben das ihnen gewährte Gesamtdarlehen am 31. Oktober 2003 zurückgezahlt, ohne eine Erstattung des bis dahin nicht verbrauchten Disagios zu erhalten. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Beklagte diesen Betrag in der Folgezeit zinsbringend angelegt hat (vgl. BGH NJW 1998, 2529 - juris Rnr. 21; BGHZ 64, 322 (323); 102, 41 (48)). Sie hat die dabei gezogenen Nutzungen in Form von Zinsen an die Kläger herauszugeben. Die Höhe des Zinssatzes beträgt fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Fehlen - wie hier - hinreichende Angaben zur Berechnung der durchschnittlichen Wiederanlagezinsen, so ist der Zinssatz gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Dabei sind das allgemeine Zinsniveau und seine Veränderungen in dem Zeitraum, in dem der Betrag zur Anlage zur Verfügung steht, zu berücksichtigen. Hierbei kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an den Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, der im Bürgerlichen Gesetzbuch zunächst durch den Basiszinssatz nach dem DÜG und ab dem 1. Januar 2002 durch den Basiszinssatz gemäß § 247 BGB abgelöst worden ist, mit einem Aufschlag von fünf Prozentpunkten angeknüpft werden (vgl. BGH NJW 1998, 2529 - juris Rnr. 22). Dies entspricht dem Zinssatz, den Banken bei Krediten mit Ausnahme von Realkrediten ihrem Verzugsschaden zu Grunde legen dürfen und gilt auch bei der Schätzung von Nutzungszinsen nach § 818 Abs. 1 BGB, da es in beiden Fällen um eine Schätzung des Wiederanlagezinses geht (vgl. BGHZ 115, 268 - juris Rnr. 8 ff (17); BGH NJW 1998, 2529 - juris Rnr. 23).

Da der Beklagten das nicht verbrauchte Disagio der Kläger ab dem 1. November 2003 zur anderweitigen Nutzung zur Verfügung stand, schuldet sie von diesem Tag an die Herausgabe der nach der Lebenserfahrung gezogenen Nutzungen.

III.

Neben dem Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB steht den Klägern nach den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Anspruch auf Prozesszinsen allerdings nicht zu. Die mit den Klageanträgen zu 1) und zu 2) verfolgten Zinsanträge sind unbegründet.

Prozesszinsen haben die Funktion, den Nachteil auszugleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen. Wenn den Klägern - wie hier - ein Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zuerkannt wird, ist dieser Nachteil vollkommen ausgeglichen. Die weitere Zubilligung von Prozesszinsen würde sie ohne Grund besser stellen, als sie stehen würden, wenn die Beklagte das nicht verbrauchte Disagio rechtzeitig gezahlt hätte (vgl. BGH NJW 1998, 2529 - juris Rnr. 29).

IV.

Der mit dem Klageantrag zu 3) verfolgte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 99.437,63 € ist unbegründet.

Die von den Klägern mit Schriftsatz vom 2. April 2007 insoweit erklärte Klageteilrücknahme ist rechtlich ohne Bedeutung, da die Beklagte die hierzu erforderliche Einwilligung mit Schriftsatz vom 18. April 2007 verweigert hat, §§ 269 Abs. 1, 525 ZPO.

1.

Soweit die Kläger von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 4.329,63 € wegen der Beauftragung des Diplom-Volkswirts Prof. Dr. L. verlangen und hierzu dessen Rechnungen vom 27. Dezember 2003 und 16. März 2004 vorlegen, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Es finden sich keine Ausführungen dazu, welchen Auftrag die Kläger diesem Sachverständigen erteilt haben wollen und in welchem Zusammenhang dieser Auftrag mit dem Gegenstand der Klage steht. Mit Rechnung vom 27. Dezember 2003 verlangte Prof. Dr. L. unter anderem ein Honorar für die Prüfung einer Vorfälligkeitsentschädigung, die hier nicht in Streit steht. Auch die mit Rechnung vom 16. März 2004 abgerechneten Telefonate lassen nicht erkennen, wodurch sie veranlasst worden sein sollen. Soweit mit dieser Rechnung darüber hinaus ein Honorar für einen zweistündigen Aufwand des Sachverständigen zur Berechnung des offenen Disagios gefordert worden ist, können die Kläger hierfür Ersatz schon deshalb nicht verlangen, weil sie das Vorliegen der Voraussetzungen des Verzugs gemäß § 286 BGB - der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - nicht dargetan haben. Nach dem Sachvortrag der Kläger ist die Beklagte durch die Kläger weder gemahnt worden, noch kann festgestellt werden, dass es einer Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 BGB nicht bedurfte.

2.

Auch ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von weiteren 95.000,-€ wegen einer Bauzeitenverzögerung an dem von den Klägern betriebenen Objekt ....... in Berlin, die durch die unterlassene Rückerstattung der Beklagten veranlasst worden sein soll, ist nicht hinreichend dargetan. Es fehlt bereits an Sachvortrag dazu, woraus sich die Notwendigkeit der Verwendung der von der Beklagten beanspruchten Geldmittel für dieses Bauprojekt ergibt und warum dies die behauptete Bauzeitenverzögerung bewirkt haben soll. Im Übrigen hätte es für die Geltendmachung eines Mietausfalls der konkreten Darlegung der während der Bauzeitenverzögerung erzielbaren Mieten anhand des inzwischen errichteten Wohnungsbestandes bedurft. Zudem haben die Kläger auch insoweit die Voraussetzungen des Verzugs gemäß § 286 BGB auch nicht ansatzweise behauptet.

V.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 4 analog, 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.

Im Rahmen der nach § 92 Abs.1 Satz 1 ZPO zu treffenden Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass die Kläger im Berufungsverfahren mit einem Zinsanteil unterlegen waren, der im Verhältnis zu einem aus den Haupt- und Nebenforderungen zu bildenden fiktiven Streitwert einen Anteil von 13 % ausmachte und sich deshalb kostenrechtlich zum Nachteil der Kläger auswirkte.

Der Streitwert für den Rechtsstreit erster Instanz sowie für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 230.000,- € festgesetzt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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