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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.09.2005
Aktenzeichen: I-8 U 10/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 249 S. 2 a.F.
BGB § 251
BGB § 831 Abs. 1
BGB § 843
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.12.2004 verkündete Schlussurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - 6 O 129/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten, deren Haftung dem Grunde nach aufgrund des Senatsurteils vom 10.04.2003 (I - 8 U 38/02) rechtskräftig feststeht, in zweiter Instanz allein noch Ersatz der Kosten für die Anschaffung neuer Kleidung mit der Begründung, er sei wegen des Behandlungsfehlers auf den Rollstuhl angewiesen und habe infolge der mangelnden Bewegung erheblich an Gewicht zugenommen. Das Landgericht hat dem Kläger lediglich 10 % der geltend gemachten Anschaffungskosten zugesprochen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungen in der landgerichtlichen Entscheidung vom 21. Dezember 2004 verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er geltend macht, ein Abzug des Vorteils "neu für alt" sei nicht vorzunehmen, da er sich die größere Kleidung ohne den Behandlungsfehler unter keinen Umständen angeschafft hätte und diese zudem noch einem höheren Verschleiß unterliege. Daher sei die Kleidung wie ein medizinisches Hilfsmittel voll zu ersetzen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 21.12.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Duisburg die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere EUR 1.277,43 nebst 4 % Zinsen seit dem 26.10.1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den ersatzfähigen Schaden des Klägers zutreffend auf maximal 10 % des Anschaffungspreises der neuen Kleidung geschätzt.

Die grundsätzliche Schadensersatzpflicht der Beklagten ergibt sich aus § 831 Abs. 1 BGB und den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (pVV). Nach § 249 S. 2 BGB (a.F.) kann der Geschädigte bei der Verletzung einer Person den zur Herstellung des ohne das Schadensereignis bestehenden Zustandes erforderlichen Geldbetrag verlangen. Vermehrte Bedürfnisse eines Geschädigten, die auf Dauer, d.h. auch noch über die Beendigung medizinisch möglicher Heilbehandlung hinaus bestehen, sind gemäß § 843 BGB grundsätzlich durch Zahlung einer Rente abzugelten (vgl. BGH, NJW 1982, 757). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass es sich um dauernde und regelmäßige Mehraufwendungen handelt. Einmalige Aufwendungen, mit denen ein ständiger Mehrbedarf gedeckt werden soll, können dagegen aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der §§ 249, 251 BGB ersetzt verlangt werden (BGH, a.a.O.).

Die Anschaffung neuer Kleidung wegen einer Gewichtszunahme von 25 kg ist nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Landgerichts durch ein verletzungsbedingtes vermehrtes Bedürfnis des Klägers veranlasst. Aufgrund der Aussage der Ehefrau des Klägers ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die von der Zeugin beschriebene kontinuierliche Erhöhung des Gewichts von 110 kg auf 135 kg nicht auf einer - gegenüber dem Essverhalten vor dem Behandlungsfehler der Beklagten - erhöhten Kalorienzufuhr beruht, sondern (jedenfalls auch) durch den Bewegungsmangel verursacht worden ist. Da die Anschaffung entsprechend größerer Kleidung den Mehrbedarf des Klägers zumindest für eine geraume Zeit vollständig abdeckt, besteht insoweit grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der Anschaffungskosten.

Der Höhe nach geht der Anspruch indessen nicht über den Betrag hinaus, den das Landgericht dem Kläger zuerkannt hat. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte einem weitergehenden Anspruch des Klägers entgegen halten könnte, diesen treffe ein Mitverschulden, weil er seine Nahrungsaufnahme nicht den veränderten körperlichen Verhältnissen angepasst habe und nicht die auch für einen Rollstuhlfahrer gegebenen Bewegungsmöglichkeiten genutzt habe. Denn das Landgericht hat jedenfalls mit Recht berücksichtigt, dass durch die nunmehr angeschaffte Kleidung gleichzeitig ein für jedermann allgemein bestehendes Bedürfnis nach Kleidung mit abgedeckt wird, dessen Befriedigung zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten gehört und dessen Kosten dem Schädiger nicht auferlegt werden können (vgl. ebenso BGH, NJW 1982, 757, 758). Die Anschaffung von Kleidung ist nicht, wie der Kläger meint, mit der Anschaffung von medizinischen Hilfsmitteln wie z.B. Rollstuhl, Krücke, etc. zu vergleichen, denn letztere werden - anders als Kleidung - von einem Gesunden nicht benötigt. Es geht hier nicht um einen "Abzug neu für alt"; der Kläger muss sich vielmehr den Vorteil anrechnen lassen, der ihm dadurch entsteht, dass er Aufwendungen für die Anschaffung anderer Kleidung erspart hat. Auch wenn sich der Kläger ohne das Schadensereignis nicht zum gleichen Zeitpunkt neue Kleidung angeschafft hätte, wäre eine solche Ersatzanschaffung früher oder später erforderlich geworden. Da der Kläger trotz eines entsprechenden Hinweises der Kammer nicht vorgetragen hat, wie alt seine Kleidung zum Zeitpunkt der Neuanschaffung war, konnte das Landgericht zu seinen Lasten von der Darstellung der Beklagten ausgehen, wonach die Kleidung im Zweifel schon einige Jahre alt war und ohnehin bald ersetzt werden musste, so dass der Mehrbedarf gemäß § 287 ZPO jedenfalls nicht höher als auf 10 % des Anschaffungspreises der neuen Kleidung zu schätzen war. Dass die Kleidung aufgrund der Rollstuhlnutzung schneller verschleißt, wurde in erster Instanz überhaupt nicht geltend gemacht; auch jetzt fehlt es hierzu an einer nachvollziehbaren Begründung, weshalb das Vorbringen unsubstantiiert und unbeachtlich ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revisionszulassung ist nicht veranlasst.

Die Beschwer des Klägers liegt unter EUR 20.000.

Streitwert: EUR 1.277,43.

Ende der Entscheidung

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