Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.09.2007
Aktenzeichen: I-9 U 26/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 117
BGB § 2206
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das 30. Juni 2006 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die am 02.04.19.. geborene Klägerin ist aufgrund Testaments vom 26.01.19.. Alleinerbin ihres am 08.10.2004 verstorbenen Vaters, D... E... G... (im Folgenden: Erblasser). Der Erblasser hat Testamentsvollstreckung bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres der Klägerin angeordnet und den Beklagten zum Testamentsvollstrecker ernannt. Dieser hat die Aufgabe, Vermächtnisse zu erfüllen und "das Erbteil ... (der Klägerin) zu verwalten".

Die Parteien streiten aus Anlass der Bestellung eines Abschlussprüfers darüber, wer von ihnen das Stimmrecht in der "n... A... GmbH & Co KG" (im Folgenden: KG) ausüben darf. Diese hatte der Erblasser gemäß Gesellschaftsvertrag vom 04.02.1985 als Kommanditist zusammen mit der persönlich haftenden Gesellschafterin "n... A...-Verwaltungs-GmbH" (im Folgenden: GmbH) gegründet, deren alleiniger Gesellschafter wiederum der Erblasser war. Der Erblasser war zunächst der einzige Kommanditist der KG. Später wurde seine Schwester, H... R..., Kommanditistin mit einem Anteil von 0,3125 %.

Am 04.01.2001 erfolgte eine Eintragung im Handelregister, wonach der Erblasser als Kommanditist aus der KG ausgeschieden und als Komplementär eingetreten sei. Diese Änderung beruht auf einer notariell beglaubigten Anmeldung vom 21.12.2000, die der Erblasser und seine Schwester unterschrieben haben. In dieser Anmeldung heißt es weiter, dass der Erblasser die KG allein vertrete.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei als Erbin ihres Vaters in dessen Stellung als Komplemetär der KG eingetreten und daher in der Gesellschafterversammlung der KG stimmberechtigt.

Sie hat beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, in der n... A... GmbH & Co. KG mit dem Sitz in L... für den Gesellschaftsanteil der Klägerin das Stimmrecht bei der Wahl eines Abschlussprüfers auszuüben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Erblasser sei trotz der Eintragung im Handelsregister Kommanditist geblieben. Er habe sich nur als Komplementär eintragen lassen, um der damals gesetzlich eingeführten Publizitätspflicht zu entgehen. In Wahrheit habe er seine Gesellschafterstellung nicht ändern wollen. Zudem erfülle die schriftliche Anmeldung zum Handelsregister nicht die nach dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Schriftform für Satzungsänderungen. Jedenfalls aber ergebe eine ergänzende Auslegung des Testaments des Erblassers, dass die Klägerin ihm - dem Beklagten - eine Generalvollmacht zur Ausübung der Gesellschafterrechte in der KG erteilen müsse.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (Bl. 148 ff. GA).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen (Bl. 154 ff. GA).

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung.

Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Er ist nicht berechtigt, in der n... A... GmbH & Co. KG für die Klägerin das Stimmrecht bei der Wahl eines Abschlussprüfers auszuüben. Dieses Recht steht allein der Klägerin zu.

1.

Als testamentarische Alleinerbin ist die Klägerin in die Rechtsstellung des Erblassers eingerückt (§ 1922 BGB), wenn auch im Außenverhältnis beschränkt durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung.

Der Erblasser war aufgrund der Änderung des Gesellschaftsvertrages im Dezember 2000 Komplementär der KG. Dabei kommt es nicht auf die Ausführungen des Landgerichts an, das Schriftformerfordernis des § 22 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages habe nur deklaratorische Wirkung und stelle keine Wirksamkeitsvoraussetzung dar, denn Schriftform wurde bereits dadurch gewahrt, dass die damaligen Gesellschafter der KG, der Erblasser und seine Schwester, die Anmeldung der Änderung zum Handelsregister unterschrieben haben.

Schon nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 101, 78, 79), die der Bundesgerichtshof fortgeführt hat (vgl. nur BB 1972, 1474 f.; BB 1976, 528, 529; WM 1984, 1605, 1606) hat eine durch die Gesellschafter unterzeichnete Handelsregisteranmeldung Erklärungswirkung auch im Innenverhältnis der Gesellschafter. Der Hinweis des Beklagten, dass es sich bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages einerseits und der Anmeldung zum Handelsregister andererseits um jeweils eigenständige Erklärungen mit unterschiedlichen Adressaten handele, ändert daran nichts. Die Anmeldung zum Handelsregister dokumentiert zugleich den Willen der Beteiligten, den Gesellschaftsvertrag zu ändern. Die regelmäßigen Zwecke des Schriftformerfordernisses - Warnfunktion, Klarstellungs- und Beweisfunktion sowie Echtheitsfunktion - werden auch durch sie gewahrt. Eine strikte Trennung zwischen der formellen und der materiellen Seite der Vertragsänderung erscheint deshalb nicht geboten.

Auch der weitere Einwand des Beklagten, der Erblasser habe eine Änderung des Gesellschaftsvertrages in Wirklichkeit nicht gewollt, sondern nur der Publizitätspflicht der KG entgehen wollen, greift aus den bereits vom Landgericht dargelegten Gründen nicht durch. Ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB liegt regelmäßig nicht vor, wenn der erstrebte Erfolg gerade die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts voraussetzt (vgl. nur BGHZ 36, 84, 88; BGH NJW 1993, 2609, 2610). So ist es auch hier. Das Ziel des Erblassers, die Publizitätspflicht der KG zu vermeiden, war nur zu erreichen, wenn er die Stellung eines Komplementärs einnahm. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass dies auch tatsächlich gewollt war. Wie der Beklagte bereits in erster Instanz vorgetragen hat, war der Erblasser sich dabei bewusst, dass er dann auch mit seinem Privatvermögen haften würde.

2.

Der Beklagte ist als Testamentsvollstrecker nicht befugt, für die Klägerin das Stimmrecht in der KG auszuüben.

a)

Erstreckt sich eine vom Erblasser angeordnete Testamentsvollstreckung auch auf seinen vererbten Anteil als Komplementär an einer Personengesellschaft, ist die Rechtsposition des Testamentsvollstreckers aus Gründen, die im Gesellschaftsrecht wurzeln, begrenzt (vgl. BGHZ 98, 48, 55 f.). Zwar steht nicht in Zweifel, dass der Testamentsvollstrecker über die mit der Beteiligung verbundenen verkehrsfähigen Vermögensrechte verfügen kann (vgl. BGHZ 91, 132, 136 f.; BGH NJW 1985, 1953, 1954), also über Ansprüche auf Auseinandersetzungs- oder Abfindungsguthaben und in gewissem Umfang auch über die nach dem Erbfall entstehenden Gewinnansprüche (s. Weidlich ZEV 1994, 205). Grenzen werden jedoch durch die Besonderheiten der von den Gesellschaftern gebildeten Arbeits- u Haftungsgemeinschaft gezogen. Entscheidend ist dabei, dass der Testamentsvollstrecker den Erben nur im Rahmen des Nachlassvermögens verpflichten kann (§ 2206 BGB), während der Komplementär unbeschränkt haftet. Dies lässt nur Raum für eine Testamentsvollstreckung, die sich im Wesentlichen auf die Wahrnehmung und Erhaltung der Vermögensrechte beschränkt und verhindert, dass der Erbe über den Anteil und die daraus erwachsenen Vermögensrechte verfügen (§ 2211 Abs. 1 BGB) und seine Eigengläubiger in den Anteil und diese Vermögensrechte vollstrecken können (§ 2214 BGB; vgl. BGHZ 98, 48, 57). Dagegen kann der Testamentsvollstrecker nicht in die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft eingreifen und nicht die Mitgliedsrechte ausüben (dazu Faust DB 2002, 189, 190), denn diese sind wegen ihrer höchstpersönlichen Natur der Ausübung durch einen Dritten nicht zugänglich und können somit der Testamentsvollstreckung grundsätzlich nicht unterliegen.

b)

Der Einwand des Beklagten, die Klägerin sei satzungsgemäß von der Geschäftsführung ausgeschlossen, so dass auch er im Rahmen der Testamentsvollstreckung keine persönliche Haftung der Klägerin begründen könne und es deshalb der aus dieser Haftung hergeleiteten Beschränkungen der Testamentsvollstreckung nicht bedürfe, rechtfertigt keine abweichende Würdigung. Zum einen können nicht nur Geschäftsführungshandlungen, sondern gerade auch Gesellschafterentscheidungen wirtschaftliche Auswirkungen haben, die in eine persönliche Haftung des Komplementärs münden. Zum anderen trifft aber auch schon der Ausgangspunkt dieser Argumentation nicht zu. Wollte man § 7 des Gesellschaftsvertrages vom 04.02.1985 tatsächlich dahin verstehen, dass die Geschäftsführung bei Hinzutreten eines weiteren Komplementärs allein der GmbH vorbehalten bleiben sollte, wäre auch diese Bestimmung durch die in der Handelsregisteranmeldung vom 21.12.2000 zu erblickende Satzungsänderung, wonach (auch) der Erblasser zur Alleinvertretung der KG - und damit zugleich zur Geschäftsführung - befugt sein sollte, geändert worden.

c)

Schließlich lässt sich eine Befugnis des Beklagten zur Stimmrechtsausübung für die Klägerin auch nicht im Wege der Testamentsauslegung begründen. Selbst wenn man einen entsprechenden Willen des Erblassers annähme, greifen die zu dessen Realisierung entwickelten "Ersatzlösungen" hier nicht ein:

Bei der sog. Treuhandlösung tritt der Testamentsvollstrecker treuhänderisch in die Gesellschafterstellung des Erben ein und setzt diese im eigenen Namen bis zum Ablauf der Testamentsvollstreckung für den Erben fort. Er wird im Handelsregister eingetragen und tritt nach außen nicht als Testamentsvollstrecker, sondern als Gesellschafter auf (vgl. dazu nur BGH NJW 1981, 749, 750). Er haftet dann den Gläubigern der Gesellschaft persönlich und unbeschränkt.

Insoweit haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung aber deutlich gemacht, dass dieser Weg für sie nicht gangbar ist. Er dürfte auch nicht dem Willen des Erblassers entsprechen. Dieser hat Testamentsvollstreckung, nicht hingegen ein Treuhandverhältnis verbunden mit der Übertragung der Gesellschafterstellung der Klägerin auf den Beklagten angeordnet. Zudem wird die Gesellschaft gemäß § 16 des Gesellschaftsvertrags der KG beim Tode eines Gesellschafters nur dann mit den Erben fortgesetzt, wenn es sich dabei um leibliche Kinder oder den Ehegatten des verstorbenen Gesellschafters handelt. Diese Kriterien erfüllt der Beklagte nicht. Sie können auch nicht über eine ergänzende Auslegung des Testaments des Erblassers außer Kraft gesetzt werden. Das liefe auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrags hinaus, die der Erblasser nicht einseitig vornehmen konnte. Insoweit hat er sich durch den Gesellschaftsvertrag anderweitig gebunden.

Aber auch die sog. Vollmachtslösung kommt hier nicht in Betracht. Bei dieser bleibt der Erbe Gesellschafter mit den daran anknüpfenden haftungsrechtlichen Folgen und wird als solcher in das Handelsregister eingetragen. Er ist aber verpflichtet, den Testamentsvollstrecker zu bevollmächtigen, seine Gesellschafterrechte wahrzunehmen. Im Ergebnis kann dies dazu führen, dass der Testamentsvollstrecker als Bevollmächtigter durch seine Handlungen eine Haftung des Erben auch mit seinem Privatvermögen begründen kann, wozu er gemäß § 2206 BGB in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker nicht berechtigt wäre.

Dass dies dem Willen des Erblassers entsprach, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Denn das hätte bedeutet, dass er die Klägerin auch bezüglich ihres Privatvermögens den Handlungen des Beklagten als ihres Bevollmächtigten "ausgeliefert" hätte. Im Testament wird die Verwaltungsbefugnis des Beklagten aber auf den "Erbteil" der Klägerin beschränkt. Zudem stünde der Vollmachtslösung wiederum der Inhalt des Gesellschaftsvertrages der KG entgegen. Nach dessen § 8 Nr. 6 kann ein persönlich haftender Gesellschafter seine Rechte in der Gesellschafterversammlung nur persönlich wahrnehmen oder einen von ihm beauftragten Mitgesellschafter bevollmächtigen, ihn zu vertreten. Der Beklagte ist aber nicht Mitgesellschafter der KG. Auch hier verbietet sich ein Eingriff in den Gesellschaftsvertrag über eine Auslegung des Testaments des Erblassers, so dass es im Ergebnis bei den oben dargestellten Beschränkungen der Testamentsvollstreckung verbleibt.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 36.000,- €.

Ende der Entscheidung

Zurück