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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: I-9 U 7/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. Mai 2006 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal (14 O 72/05) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des von ihm zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn B... W... (Insolvenzschuldner) begehrt von der Beklagten die Feststellung, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 19.04.2005, in dem die rückwirkende bzw. hilfsweise die mit sofortiger Wirkung ausgesprochene Einziehung des Geschäftsanteils des Insolvenzschuldners beschlossen worden war, nichtig ist. Hilfsweise beantragt er, die Beschlüsse für nichtig zu erklären.

Der Insolvenzschuldner wurde 1996 als Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von 60.000,00 DM in die Beklagte aufgenommen und zum Mitgeschäftsführer bestellt. Weitere Geschäftsanteile halten die Eheleute W... und E... H.... Das Stammkapital der Beklagten beträgt 800.000,00 DM.

Im Jahr 1999 kam es zwischen dem Insolvenzschuldner und Herrn W... H... zu Streitigkeiten über die künftige Geschäftspolitik der Beklagten. Der Insolvenzschuldner wurde mit Beschluss vom 20.12.1999 (Bl. 58 GA) als Geschäftsführer der Beklagten abberufen und sein Anstellungsvertrag wurde einvernehmlich aufgelöst. Mit Gesellschafterbeschluss vom 03.05.2000 erfolgte die Zwangseinziehung des Geschäftsanteils des Insolvenzschuldners wegen schuldhafter grober Pflichtverletzung (Bl. 35 ff BA). Dem Insolvenzschuldner wurde hierbei zum Vorwurf gemacht, er habe Aufträge, die zunächst an die Beklagte erteilt worden waren, auf sein Einzelhandelsunternehmen "umgeleitet". Die hiergegen vom Insolvenzschuldner erhobene Klage blieb in der ersten Instanz vor dem Landgericht Wuppertal erfolglos. Auf die Berufung des Klägers, der zwischenzeitlich, nachdem am 28.02.2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffnet worden war, das Verfahren aufgenommen hatte, wurde der Beschluss mit Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11.02.2005 für nichtig erklärt (Anlage H 5).

Mit Schreiben vom 22.03.2005 (Anlage H 6) lud der Geschäftsführer W... H... zu einer Gesellschafterversammlung am 19.04.2005 ein. Dieses enthält unter Ziff. 1. als Tagesordnungspunkt die "Zwangseinziehung des Geschäftsanteils des Herrn B... W... nach § 12 Ziffer 5 des Gesellschaftsvertrages".

§ 12 Ziffer 5 des Gesellschaftsvertrags lautet wie folgt (Anlage H 8):

"Die Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils ist zulässig, wenn

- der Anteilsinhaber seine Gesellschafterpflichten schuldhaft grob verletzt hat oder

- ein wichtiger Grund in den persönlichen Verhältnissen des Gesellschafters vorliegt, insbesondere

- wenn sein Geschäftsanteil gepfändet wird oder über sein Vermögen das Konkurs- oder gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet worden ist."

Dieses Einladungsschreiben wurde an den Kläger übersandt. Ob auch der Insolvenzschuldner eine Einladung erhalten hat, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls hat dieser an der Gesellschafterversammlung teilgenommen, ohne Rügen gegen die Form der Einladung zu erheben, und gegen die Einziehung gestimmt.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 19.04.2005 (Anlage H 7) wurde die rückwirkende Einziehung des Geschäftsanteils des Insolvenzschuldners zum 28.02.2001 sowie hilfsweise die Einziehung mit sofortiger Wirkung beschlossen.

Hiergegen richtet sich die vom Kläger erhobene Klage. Der Kläger ist der Auffassung, die Beschlüsse seien nichtig, hilfsweise anfechtbar. Er macht geltend, die Gesellschafterversammlung sei nicht ordnungsgemäß einberufen worden, da der Insolvenzschuldner nicht persönlich geladen worden sei und da die Mitteilung der Tagesordnungspunkte zu unbestimmt sei. Darüber hinaus sei der Beschluss deshalb unwirksam, weil die Einziehung des Geschäftsanteils des Insolvenzschuldners 4 Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verspätet sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die rückwirkende Einziehung des Geschäftsanteils sei unwirksam, da diese im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen sei. Aber auch die Einziehung des Geschäftsanteils mit sofortiger Wirkung sei unwirksam, da diese nach Ablauf von mehr als 4 Jahren unzulässig gewesen sei. Zwar sehe das Gesetz eine zeitliche Beschränkung für die Geltendmachung von Einziehungsgründen nicht vor. Indem eine Einziehung aber auch noch nach mehreren Jahren vorgenommen werden kann, werde diese in das Belieben der Gesellschafter gestellt. Eine Einziehung ohne sachlichen Grund sei aber sittenwidrig.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen die Feststellung der Nichtigkeit des die Einziehung mit sofortiger Wirkung aussprechenden Beschlusses wendet.

Die Beklagte macht geltend, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Einziehung nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums geltend gemacht werden könne. Hierfür bestehe keine gesetzliche Grundlage. Auch bestehe keine Schutzwürdigkeit des Insolvenzschuldners bzw. des Klägers, da diesen stets klar gewesen sei, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem Insolvenzschuldner nicht erwünscht sei. So sei auch stets geäußert worden, dass im Falle der Stattgabe der ersten Anfechtungsklage die Einziehung der Geschäftsanteile wegen der Insolvenz des Insolvenzschuldners erfolgen werde. Aus diesem Grund könne sich der Kläger auch nicht auf eine Verwirkung berufen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 30.05.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts die Klage abzuweisen, soweit das Landgericht festgestellt hat, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 19.04.2005, durch den der Geschäftsanteil des Insolvenzschuldners B... W... an den Beklagten mit Wirkung vom 19.04.2005 eingezogen worden ist, nichtig ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er trägt vor, es komme primär nicht auf die Voraussetzungen der Verwirkung an, sondern auf eine dem Einziehungsrecht innewohnende zeitliche Schranke. Im Übrigen habe der Insolvenzschuldner darauf vertrauen können, dass eine Einziehung wegen der eingetretenen Insolvenz aufgrund des Zeitablaufs nicht erfolgen werde, da die frühere Einziehung einen gänzlich anderen Einziehungsgrund betraf.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie dem Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten 14 O 77/00 LG Wuppertal verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass der Gesellschafterbeschluss vom 19.04.2005 auch insoweit nichtig ist, als mit diesem die Einziehung des Geschäftsanteils des Insolvenzschuldners mit sofortiger Wirkung beschlossen worden ist.

Zwar kann der Kläger die Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses nicht darauf stützen, dass die Gesellschafterversammlung, in der die Einziehung beschlossen worden war, fehlerhaft einberufen worden sei.

Dabei kann offen bleiben, ob die Übersendung einer Einladung an den Insolvenzschuldner persönlich erforderlich gewesen wäre. Denn ein derartiger Einberufungsmangel wäre gemäß § 51 Abs. 3 GmbHG (Grundsatz der Vollversammlung) geheilt worden. Der Insolvenzschuldner hat an der Gesellschafterversammlung teilgenommen, ohne sich auf die fehlende Einladung zu berufen. Er hat auch an der Abstimmung teilgenommen und sich gegen die Einziehung seines Geschäftsanteils gewandt.

Auch die Mitteilung der Tagesordnung war ausreichend. Diese muss die Beschluss- bzw. Beratungsgegenstände so genau bezeichnen, dass der Empfänger der Tagesordnung sich ein hinreichendes Bild machen kann, worum es geht. Nicht erforderlich ist demgegenüber die Übersendung einer Beschlussvorlage (vgl. Baumbach/Hueck/ Zöllner, GmbHG, 18. Aufl., § 51 RdN 24). Diesen Anforderungen genügt die Nennung der Grundlage für die Einziehung des Geschäftsanteils. In § 12 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages sind schwerwiegende Pflichtverletzungen eines Gesellschafters bzw. wichtige Gründe in seiner Person als Einziehungsgründe aufgeführt. Nachdem die Beklagte den Prozess wegen der ersten Einziehung verloren hatte, waren andere Umstände als die Insolvenz des Insolvenzschuldners nicht ersichtlich oder erkennbar. Im Übrigen ist auch insoweit eine Rüge durch den Kläger oder durch den Insolvenzschuldner nicht erfolgt.

Der Gesellschafterbeschluss vom 19.04.2005 ist jedoch deshalb nichtig, weil die Einziehung erst mehr als 4 Jahre nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzschuldner erfolgt ist und eine derart späte Einziehung nicht mehr von dem Einziehungsgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 12 Ziff. 5 des Gesellschaftsvertrages gedeckt ist.

Zwar trifft es zu, dass das Gesetz Fristen für die Einziehung nicht vorsieht. Auch die Voraussetzungen einer Verwirkung des Einziehungsrechts hat der Kläger nicht dargetan. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Insolvenzschuldner darauf vertrauen konnte, dass eine Einziehung wegen des Eintritts seiner Insolvenz nicht erfolgen werde, da er sich mit den übrigen Gesellschaftern zerstritten hatte und ein Grund für seinen Verbleib in der Beklagten mit einer Minderheitsbeteiligung für die Mitgesellschafter der Beklagten nicht von erheblicher Bedeutung war. Auch auf diesem Vertrauen beruhende Dispositionen des Klägers bzw. des Insolvenzschuldners sind nicht ersichtlich.

Dennoch konnten die Mitgesellschafter der Beklagten die Einziehung nicht auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor 4 Jahren stützen. Ein auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters gestütztes Einziehungsrecht kann nicht unbefristet ausgeübt werden. Es besteht vielmehr eine dem Einziehungsgrund entsprechende immanente zeitliche Schranke. Sinn und Zweck einer Einziehung des Geschäftsanteils wegen Insolvenz eines Mitgesellschafters, die grundsätzlich zulässig ist (vgl. BGHZ 65, 22 ff), ist neben der Gefahr, dass die Gesellschaft in Verruf gerät, dass die Gesellschaft einen Schutz davor haben soll, fremde Gesellschafter - hier in Form des Insolvenzverwalters - aufgedrängt zu bekommen (vgl. Scholz/Westermann, GmbHG, 9. Aufl., § 34 RdN 14; Michalski, Die Zwangseinziehung eines GmbH-Anteils im Falle der Anteilspfändung, ZIP 1991, 147, 149). An diesen Gründen muss sich die Länge der den Mitgesellschaftern zustehenden Entscheidungsfrist messen. Ob durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Belange der Gesellschaft tangiert werden, kann hierbei innerhalb eines Zeitraums von ca. 1 - 1 1/2 Jahren, d.h. innerhalb einer wesentlich kürzeren Frist als einer Frist von 4 Jahren festgestellt werden. Könnten Mitgesellschafter die Einziehung ohne einen (weiteren) sachlichen Grund erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt beschließen, beruhte diese Einziehung daher letztlich nicht mehr auf der Insolvenz, sondern es würde den Mitgesellschaftern ein uneingeschränktes Einziehungsrecht eingeräumt, das in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mehr steht. Dies ist indes nach allgemeiner Auffassung (vgl. BGHZ 105, 213, 216 ff., Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 34 RdN 20) gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und daher unzulässig.

Nach gefestigter Rechtsprechung geht eine gesellschaftsvertragliche Regelung, durch die der Gesellschaftermehrheit, einer bestimmten Gesellschaftergruppe oder einem einzelnen Gesellschafter das Recht eingeräumt wird, einen Mitgesellschafter ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes aus der Personengesellschaft auszuschließen, grundsätzlich über den Rahmen des rechtlich und sittlich Erlaubten (§ 138 Abs. 1 BGB) hinaus. Ausschlaggebend ist hierfür, dass nach einer derartigen Vereinbarung die das gemeinsame Unternehmen mittragenden Gesellschafter aus sachfremden - eventuell nur emotional bedingten - Gründen ausgeschlossen werden können, und damit einer Willkürherrschaft in der Gesellschaft insgesamt Vorschub geleistet werden kann. Die Macht, Mitgesellschafter nach Gutdünken auszuschließen, setzt diese einem ihre Entscheidungsfreiheit beeinflussenden Druck aus, der die Gefahr begründet, dass sie unter dem Eindruck, der Willkür des ausschließungsberechtigten Gesellschafters ausgeliefert zu sein, von den ihnen nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag zustehenden Rechten keinen Gebrauch machen und ihren Gesellschafterpflichten nicht nachkommen, sich vielmehr den Wünschen des oder der berechtigten Gesellschafter beugen. Diesem Umstand ist besondere Bedeutung beizumessen, weil das Gesellschaftsverhältnis im Unterschied zum reinen Austauschvertrag auf ein gedeihliches Zusammenwirken der Gesellschafter zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels angelegt ist. Etwas anderes kann, da das uneingeschränkte Recht zur Hinauskündigung den Kernbereich des Mitgliedschaftsrechts trifft, nur bei außergewöhnlichen Umständen gelten (vgl. BGHZ 105, 213, 216 f.).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze war die Einziehung des Geschäftsanteils des Insolvenzschuldners nach Ablauf von 4 Jahren unzulässig.

Besondere Umstände, die eine Beurteilung der Zusammenarbeit mit dem Kläger oder sonstige Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Beklagte erst nach Ablauf von 4 Jahren ermöglichten, sind nicht ersichtlich.

Auch rechtfertigt der Umstand, dass zwischen dem Insolvenzschuldner und der Beklagten bereits ein Verfahren über die Frage der Rechtmäßigkeit einer Einziehung des Geschäftsanteils anhängig war (AZ: 14 O 77/00, LG Wuppertal), als das Insolvenzverfahren gegen den Insolvenzschuldner eröffnet worden ist, nicht ein Zuwarten der Mehrheitsgesellschafter über eine Zeitdauer von 4 Jahren.

Die zunächst beschlossene Einziehung des Geschäftsanteils des Insolvenzschuldners betraf einen anderen Einziehungsgrund. Es wurde dem Insolvenzschuldner zum Vorwurf gemacht, dieser habe Aufträge, die der Beklagten erteilt worden waren, auf seine Einzelhandelsfirma umgeleitet. Dieser Vorwurf stand in keinem Zusammenhang mit dem Einziehungsgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine Notwendigkeit, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, bestand somit nicht. Vielmehr wäre es den Mehrheitsgesellschaftern der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, in einem nahen zeitlichen Zusammenhang mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Einziehung zu beschließen. Dies umso mehr, als ein eindeutiger im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich geregelter Einziehungsgrund vorlag und die Mehrheitsgesellschafter der Beklagten nach ihrem Vorbringen an einem Verbleib des Insolvenzschuldners in der Beklagten kein Interesse hatten, so dass sie sich sogar veranlasst sahen, die Einziehung - unzulässigerweise - mit Rückwirkung zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beschließen.

Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, sie habe auf einen positiven Ausgang des Verfahrens 14 O 77/00, LG Wuppertal, vertrauen dürfen. Grundlage der Entscheidungsfindung in diesem Verfahren war eine umfangreiche Beweisaufnahme, die stets mit einer Würdigung des Beweisergebnisses einher geht und somit mit Unsicherheiten in Bezug auf den Ausgang des Prozesses behaftet ist. Hinzu kommt, dass die landgerichtliche Entscheidung im Verfahren 14 O 77/00 erst am 17.12.2002 ergangen ist, d.h. mehr als 1 1/2 Jahre nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Mehrheitsgesellschafter der Beklagten sich aber bereits im Klaren darüber sein müssen, ob sie den Geschäftsanteil des Insolvenzschuldners wegen der eingetretenen Insolvenz einziehen wollen. Indem sie die Rechtskraft des Verfahrens 14 O 77/00 abgewartet haben, haben sie letztlich den Einziehungsgrund der Insolvenz "auf Vorrat" gehalten, um im Falle eines Unterliegens einen weiteren Einziehungsgrund geltend machen zu können. So hat sich die Beklagte auch im vorliegenden Verfahren primär auf das zerstörte Vertrauensverhältnis zum Insolvenzschuldner berufen und nicht auf Schwierigkeiten, die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzschuldner einher gehen.

Ein derartiges Abwarten durch die Mehrheitsgesellschafter verstößt jedoch gegen die ihnen obliegenden gesellschafterlichen Treuepflichten. Diese gebieten eine Rücksichtnahme auf die gesellschaftsrechtlichen Interessen der Mitgesellschafter bei der Ausübung von Rechten (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 13 RdN 27).

Dass Einziehungsrechte "auf Vorrat" gehalten werden, geht ausschließlich zu Lasten des hinauszukündigenden Minderheitsgesellschafters. Dieser muss einen ungewissen Schwebezustand eventuell über viele Jahre hinweg hinnehmen, in dem er in der Geltendmachung seiner Rechte als Mitgesellschafter eingeschränkt ist. Es besteht in dem Fall, dass mehrere Einziehungsbeschlüsse hintereinander ergehen und mehrere Prozesse über deren Wirksamkeit nacheinander geführt werden, ein unangemessen langer Schwebezustand, bei dem der Minderheitsgesellschafter eine Unklarheit über seinen Status als Gesellschafter hinnehmen muss, mit den entsprechenden Unklarheiten hinsichtlich seiner Rechte aus der Gesellschafterstellung. Dieser Zustand zwingt den Minderheitsgesellschafter auch dazu, sich möglichst konform zu verhalten, um eine weitere Einziehung seines Geschäftsanteils zu verhindern, so dass er auch in der Geltendmachung seiner aus dem Gesellschaftsverhältnis resultierenden Rechte beeinträchtigt wird. Ein sachlicher Vorteil dieser Vorgehensweise für die Mehrheitsgesellschafter ist demgegenüber nicht ersichtlich. Vielmehr muss es auch in deren Interesse liegen, dass zeitnah klare Verhältnisse geschaffen werden.

Dem steht auch nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall eine Zusammenarbeit zwischen dem Insolvenzschuldner und den Mitgesellschaftern seit dessen Abberufung als Geschäftsführer und dem Einziehungsbeschluss vom 03.05.2000 nicht mehr stattfand. Ein Gesellschafter einer GmbH muss nicht zwingend auch Geschäftsführer sein. Ihm stehen auch aufgrund seiner Stellung als Gesellschafter Gewinnbeteiligungsrechte sowie Mitwirkungs- und Kontrollrechte zu, die durch einen jahrelangen Schwebezustand in treuwidriger Weise beeinträchtigt werden. Die Stellung des Insolvenzschuldners als Gesellschafter konnte nach dem Gesellschaftsvertrag auch nicht ohne weiteres durch die Mehrheitsgesellschafter beendet werden. Einziehungsrechte waren vielmehr ausweislich des Gesellschaftsvertrages an das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 12 Ziff. 5 des Gesellschaftsvertrages geknüpft. Angesichts dessen kann nicht angenommen werden, dass durch die erst 4 Jahre nach Eintritt der Insolvenz erfolgende Einziehung keine Interessen des Insolvenzschuldners bzw. Klägers tangiert wurden. Vielmehr wurde insoweit über viele Jahre ein Schwebezustand in Bezug auf die Gesellschafterstellung des Insolvenzschuldners geschaffen, der mit den gesellschafterlichen Treuepflichten der Mehrheitsgesellschafter nicht mehr vereinbar ist. Dies umso mehr, als der Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 12 Ziff. 5 des Gesellschaftsvertrages als ein Unterfall des wichtigen Grundes aufgeführt ist, was ebenfalls das Erfordernis einer zeitnahen Entscheidung impliziert.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 30.000,00 EUR.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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