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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.11.2009
Aktenzeichen: I-9 U 91/09
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, InsO, EStG


Vorschriften:

BGB § 199 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 291
BGB § 826
ZPO § 240
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 850 f Abs. 2
InsO § 93
EStG § 2 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufungen des Klägers und des Beklagten zu 3 wird das am 30. April 2009 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld (3 O 60/07) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 3 wird verurteilt, an den Kläger 25.332,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 23.500,00 EUR seit dem 27.04.2007 und aus weiteren 1.832,80 EUR seit dem 04.12.2008 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 3 dem Kläger in diesem Umfang aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Im Übrigen wird die Klage gegen den Beklagten zu 3 abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung des Beklagten zu 3 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtszuges bleibt dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte zu 3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu 3 kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des von ihm zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger, ein Facharbeiter im Baugewerbe mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 1.700,00 EUR, nimmt die Beklagten wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Zeichnung einer Kapitalanlage in Anspruch.

Der Beklagte zu 3 ist Alleingeschäftsführer der Beklagten zu 2, der Komplementärin der Beklagten zu 1. Die Beklagte zu 1 ist durch formwechselnde Umwandlung aus der F... F... AG, deren Vorstand der Beklagte zu 3 war, entstanden. Sie befasste sich mit der Vermittlung von Versicherungen und Kapitalanlagen. Über ihr Vermögen ist am 09.01.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Im Jahr 2002 suchte der Zeuge M... den Kläger mehrmals in seiner Wohnung auf. Aufgrund der hierbei geführten Gespräche zeichnete der Kläger am 14.10.2002 eine Kapitalanlage in Form einer atypischen stillen Beteiligung an der F... S... AG. Hierfür hatte er eine Einmaleinlage in Höhe von 14.000,00 EUR nebst 5 % Agio sowie monatlich Ratenzahlungen in Höhe von 420,00 EUR für die Dauer von 11 Jahren zu erbringen (Bl. 34 GA). Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger über die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken aufgeklärt wurde und ob ihm ein Emissionsprospekt ausgehändigt wurde. Jedenfalls unterzeichnete er einen Beratungsbericht, in dem er den Erhalt des Emissionsprospekts ebenso wie im Zeichnungsschein bestätigte (Anlagen K 2, Bl. 34 f. GA, und K 14).

Insgesamt leistete der Kläger Zahlungen in Höhe von 33.600,00 EUR (14.700,00 EUR + 45 x 420,00 EUR) als Einlagen an die F... S... AG. Er entnahm einen Betrag von 2.100,00 EUR. Nachdem er nach seinen Angaben durch eine Interessengemeinschaft von geschädigten Anlegern angeschrieben worden war, beauftragte er seine Prozessbevollmächtigten, die sich an die Beklagte zu 1 sowie an die F... S... AG wandten. Mit der F... AG schloss er sodann im Oktober 2006 einen Vergleich, wonach seine Beteiligung an der F... S... AG beendet wurde und er zur Abgeltung aller Ansprüche (mit Ausnahme solcher gegen den Vertrieb) eine Zahlung in Höhe von 8.000,00 EUR erhielt. Den Differenzbetrag zwischen den von ihm geleisteten und vereinnahmten Zahlungen in Höhe von 23.500,00 EUR, einen behaupteten Verlust aus der Auflösung einer Lebensversicherung in Höhe von 436,05 EUR sowie ihm entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.832,80 EUR macht der Kläger in der Berufungsinstanz noch geltend.

Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte zu 3 (nachfolgend: Beklagter) hafte für die ihm entstandenen Verluste aus § 826 BGB. Er behauptet, der Beklagte habe als damaliger Vorstand der F... F... AG die Mitarbeiter und Vermittler durch die Erstellung von Mustergesprächen in schriftlicher und Audioform sowie in Schulungen instruiert, eine hohe Rendite der Kapitalanlage sowie Steuervorteile in Aussicht zu stellen und die Anleger nicht über die mit der Anlage verbundenen Risiken aufzuklären. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage gegen den Beklagten nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Teilurteil mit Ausnahme des erstinstanzlich geltend gemachten entgangenen Gewinns sowie eines Teils der Rechtsanwaltsgebühren stattgegeben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat es als erwiesen angesehen, dass der Zeuge M..., der im Namen der F... F... AG aufgetreten sei, den Kläger nicht ausreichend über die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken aufgeklärt und der Kläger deshalb einen Schaden in der zuerkannten Höhe erlitten habe. Für den Eintritt dieses Schadens sei auch der Beklagte verantwortlich. Er habe ein Mustergespräch entwickelt und den Vermittlern zur Verfügung gestellt, das auf die Täuschung der Anleger über die tatsächlichen Risiken der Kapitalanlage angelegt gewesen sei. Die mit der Klage geltend gemachten Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht nur nach einem Gegenstandswert von bis zu 25.000,00 EUR zugesprochen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Der Beklagte macht geltend, er hafte für eine etwaige Falschberatung durch den Zeugen M..., die er im Übrigen bestreite, nicht. Der Zeuge sei lediglich als Anlagevermittler aufgetreten, so dass ihm nicht die Pflichten eines Anlageberaters oblegen hätten. Jedenfalls habe er - der Beklagte - von eventuellen Beratungsfehlern keine Kenntnis gehabt. Er habe die Vermittler auch nicht veranlasst, Anleger ohne ausreichende Risikoaufklärung zu Vertragsabschlüssen zu bewegen. Zwar habe er an der Erstellung eines Mustergesprächs, von dem auch eine Audioversion existiere, mitgewirkt. Dieses habe jedoch nur der verkaufspsychologischen Schulung gedient. Daneben habe es auch Schulungen über die zu vertreibenden Kapitalanlagen gegeben, in denen die Eigenschaften und Risiken der Anlagen angesprochen worden seien. Solche Schulungen seien etwa durch die F... D... AG, die hierfür externe Rechtsanwälte und Steuerberater engagiert habe, erfolgt. Er habe die Vermittler auch dazu angehalten, die Anleger über die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken aufzuklären und einen Emissionsprospekt auszuhändigen. Auch die F... D... AG habe Wert auf eine Aufklärung über die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken gelegt, die sich am Emissionsprospekt zu orientieren hatte. Im Übrigen habe sich der Zeuge M... nicht an das Mustergespräch gehalten. Schließlich trägt der Beklagte vor, ihm sei eine fehlende Werthaltigkeit der Kapitalanlage nicht bekannt gewesen, so dass er in Bezug auf eine Schädigung der Kapitalanleger nicht vorsätzlich gehandelt habe. Er habe selbst in großem Umfang in die F... S... AG investiert. Hinsichtlich des Schadens bestreitet er die Kausalität der Kündigung der Kapitallebensversicherung.

Der Beklagte beantragt,

1. das angefochtene Urteil des Landgerichts Krefeld bezüglich des der Klage stattgebenden Teils abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,

2. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn weitere 775,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2008 zu zahlen,

2. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, soweit seinem Begehren stattgegeben worden ist. Mit seiner Berufung macht er weitere vorprozessuale Rechtsanwaltskosten nach einem Streitwert von 70.140,00 EUR geltend. Insoweit bezieht er sich auf das Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 07.09.2006, mit dem vor dem Abschluss des Vergleichs mit der F... AG Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1 geltend gemacht wurden (Bl. 65 ff GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache lediglich in Höhe von 436,05 EUR Erfolg. Demgegenüber ist die Berufung des Klägers zulässig und begründet.

1.

Das Landgericht hat in zulässiger Weise durch Teilurteil gegen den Beklagten vorab entschieden.

Über das Vermögen der Beklagten zu 1 ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so dass das Verfahren insoweit gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist. Die Unterbrechung erstreckt sich mit Blick auf § 93 InsO auch auf das Verfahren gegen die Beklagte zu 2 als Komplementärin der Beklagten zu 1 (vgl. Münchener Kommentar/Gehrlein, 3. Aufl., § 240 ZPO RdN 15; Zöller/Greger, 27. Aufl., § 240 ZPO RdN 7). Bei dieser Sachlage kann über die Ansprüche gegen den Beklagten durch Teilurteil erkannt werden (vgl. Zöller/Vollkommer, § 301 ZPO RdN 9c).

2.

Die Berufung des Beklagten ist mit Ausnahme des geltend gemachten Verlusts aufgrund der Kündigung der Lebensversicherung in Höhe von 436,05 EUR unbegründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 23.500,00 EUR aus § 826 BGB zu. Nach dieser Bestimmung macht sich schadensersatzpflichtig, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt. Diese Voraussetzungen sind hier nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme erfüllt.

Der Beklagte hat als Vorstand der F... F... AG nicht dafür Sorge getragen, dass Anleger, die durch Vermittlung bzw. Beratung der Gesellschaft Kapitalanlagen zeichneten, ordnungsgemäß über die mit diesen Anlagen verbundenen Risiken aufgeklärt wurden. Vielmehr hat er seine Mitarbeiter dazu veranlasst, ohne Kapitalanlagen die erforderliche Aufklärung zu vermitteln, und dabei eine Schädigung der Anleger billigend in Kauf genommen. Er haftet dem Kläger deshalb persönlich aus § 826 BGB auf Schadensersatz, weil er als Organ der F... F... AG für eine ordnungsgemäße Aufklärung der Kapitalanleger verantwortlich war.

a)

Der Zeuge M... hat dem Kläger namens der F... F... AG eine nicht anlegergerechte Kapitalanlage angeboten, obwohl er aufgrund eines Beratungsvertrages zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet war.

Der Abschluss eines Beratungsvertrages ergibt sich bereits aus den von den Parteien vorgelegten Unterlagen. So hat der Kläger einen Beratungsbericht unterzeichnet, in dem er u.a. bestätigte, dass der Finanzberater sich nach seinen Anlagezielen erkundigt und alle wesentlichen Punkte erläutert habe. Dies belegt, dass auch nach den Vorstellungen der F... F... AG eine Anlageberatung erfolgen sollte. Im Übrigen haben sowohl der Kläger in seiner Anhörung als auch die Zeugen M... und M... M... umfangreiche Beratungsgespräche bestätigt. Die Feststellungen des Landgerichts, dass diese Beratung namens der F... F... AG und nicht der F... S... AG gewährt wurde, greift der Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr an. Dies ergibt sich auch unzweifelhaft aus der erstinstanzlichen Aussage des Zeugen M....

Die Beratung durch den Zeugen M... war fehlerhaft. Dem Kläger war sowohl nach seinen als auch nach den Angaben seiner als Zeugin vernommenen Ehefrau daran gelegen, eine risikolose, sichere Kapitalanlage zu erhalten, insbesondere auch um seine Familie abzusichern. Dem entsprach die angebotene Beteiligung als atypischer stiller Gesellschafter nicht. Sie begründete eine langfristige vertragliche Bindung über mindestens 10 Jahre. Zudem handelte es sich um eine unternehmerische Beteiligung, die u.a. die Gefahr des Totalverlusts in sich barg. Auch steuerliche Vorteile waren beim Kläger, der als Maurer ein Nettoeinkommen von 1.700,00 EUR erzielte und über keine weiteren Kapitalanlagen verfügte, mit deren Erträgen er eine Verrechnung gemäß § 2 b EStG hätte vornehmen können, zweifelhaft.

Über die vorgenannten Risiken ist der Kläger durch den Zeugen M... auch nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Vielmehr hat dieser ihm erklärt, es handele sich um eine risikolose Anlage. Dies hat das Landgericht verfahrensfehlerfrei festgestellt. Hieran ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Der Beklagte hat keine Umstände aufgezeigt, die eine erneute Beweisaufnahme gebieten:

Entgegen der Auffassung des Beklagten hat das Landgericht die Aussage des Zeugen M... in ausreichender Weise berücksichtigt. Es hat die Angaben des Zeugen der Aussage der Zeugin M... gegenübergestellt und ist hiernach der Darstellung der Zeugin M..., die eine sachgerechte Aufklärung des Klägers über Risiken der Kapitalanlage in Abrede gestellt hat, gefolgt. Dies entspricht den Grundsätzen der tatrichterlichen Beweiswürdigung und ist nicht zu beanstanden. Die Zeugin M... hat das Geschehen detailreich und lebensnah geschildert. Sie hat ausgesagt, der Zeuge M... habe ein "gutes Sparbuch" angeboten und erklärt, er würde seinem polnischen "Bruder" keine risikoreiche Anlage empfehlen. Zudem habe der Zeuge M... gesagt, die Deutschen seien zu dumm zum Sparen. Dieses Verhalten (Verharmlosung von Risiken durch schlagwortartige Vereinfachungen, Inanspruchnahme von Vertrauen durch Verweis auf persönliche Verbundenheit etwa durch gemeinsame Bekannte, hier durch den Appell an landsmannschaftliche Gemeinsamkeiten) entspricht einer verbreiteten, dem Senat aus einer Vielzahl von Fällen bekannten Vorgehensweise beim Vertrieb von Kapitalanlagen durch psychologisch geschultes Personal und zugleich der Intention des vom Beklagten entwickelten Mustergesprächs. Zudem hat der Zeuge M... noch im Rahmen seiner eigenen Vernehmung negative Umstände verharmlost, indem er etwa erklärt hat, eine negative Presseberichterstattung sei nicht relevant, da die Presse schreiben könne was sie wolle, und dass Risiken nicht notwendigerweise eintreten müssten. Dies zeigt eine die Risiken der Kapitalanlage verharmlosende Tendenz auf, die die Darstellung der Zeugin M... stützt.

Dieses Ergebnis wird schließlich auch durch die persönliche Anhörung des Klägers vor dem Senat bestätigt. Der Kläger hat ausführlich und überzeugend geschildert, dass der Zeuge M... ihn nicht über die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken aufgeklärt, sondern vielmehr seine diesbezüglichen Bedenken ausgeräumt habe. Er hat zudem erklärt, vor Vertragsabschluss keine Prospekte erhalten zu haben. Letztlich kann dies indes dahinstehen, denn angesichts der verharmlosenden Angaben des Zeugen M... wäre auch der Emissionsprospekt nicht geeignet gewesen, eine ordnungsgemäße Aufklärung zu gewährleisten. Vielmehr stellt die Übergabe eines Prospekts keinen Freibrief für den Vermittler dar, Risiken abweichend davon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet oder für die Entscheidungsbildung des Anlegers mindert (vgl. BGH WM 2007, 1606, 1607).

b)

Diese nicht anleger- und objektgerechte Beratung ist dem Beklagten auch zuzurechnen.

Indem der Beklagte als Vorstand der F... F... AG unstreitig an der Erstellung des Musterverkaufsgesprächs (Bl. 29 ff GA, insbesondere Bl. 31 f. GA), das es auch in Audioform gab, mitwirkte, hat er den Vermittlern ein Arbeitsmittel an die Hand gegeben, das dazu diente, Anleger allein mit verkaufspsychologischen Mitteln zum Vertragsabschluss zu überreden. Das Mustergespräch, insbesondere das "Präsentationsgespräch - Erstbesuch" (Bl. 31 f GA) sieht eine Aufklärung über die mit der empfohlenen Kapitalanlage verbundenen Risiken nicht vor. Vielmehr sollten die Klienten durch Suggestivfragen dazu bewogen werden, ihre bereits bestehenden Kapitalanlagen als schlecht einzustufen und die vom Berater empfohlene Anlage als einzig sinnvolle und lukrative Anlage zu bewerten. Eine Darstellung der Funktionsweise, Eigenheiten und Risiken der Kapitalanlage sieht das Mustergespräch nicht vor. Dies lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass das Mustergespräch offenbar abstrakt für eine Vielzahl unterschiedlicher Anlageprodukte entworfen wurde. Auch unter diesen Umständen wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, dem Gesprächsverlauf auf eine - vom Verwender je nach Produkt individuell auszufüllende - sachgerechte Anlegerinformation hinzuführen. In der vorliegenden Form widerspricht die Gesprächsvorlage dagegen in eklatanter Weise dem Gebot der anleger- und objektgerechter Beratung und verstößt somit gegen die guten Sitten.

Der Beklagte musste auch davon ausgehen, dass die Vertriebsangehörigen die Beratungsgespräche mit Anlageinteressenten in den Grundzügen an dem Mustergespräch ausrichteten. Es ist gerade der Zweck solcher Gesprächsvorlagen, den Verwendern Leitlinien für die Gestaltung der Vertriebsgespräche an die Hand zu geben. Mit der Bereitstellung des Mustergesprächs nahm der Beklagte deshalb billigend in Kauf, dass Anleger ohne die gebotene Aufklärung allein mit verkaufspsychologischen Mitteln zur Zeichnung von Kapitalanlagen veranlasst wurden, und handelte somit vorsätzlich. Daran ändern auch eventuelle ergänzende fachliche Schulungen durch Rechtsanwälte und Steuerberater sowie etwaige Anweisungen, den Emissionsprospekt auszuhändigen und entsprechend diesem Prospekt über die Risiken aufzuklären oder jedenfalls keine davon abweichenden Angaben zu machen, nichts. Das vorgegebene Präsentationsgespräch sieht eine solche Aufklärung gerade nicht vor. Durch fachliche Schulungen wurden die Vermittler danach zwar in die Lage versetzt, auf etwaige Nachfragen der Kunden einzugehen. Nach dem Inhalt des Mustergesprächs musste der Beklagte jedoch davon ausgehen und war ersichtlich auch intendiert, dass dieses Fachwissen nur im Bedarfsfall in das Beratungsgespräch eingebracht wurde, wobei durch das Gesamtkonzept des Mustergesprächs auch für diesen Fall eine verharmlosende Darstellung vorgezeichnet war.

Einer Zurechnung der Pflichtverletzungen des Zeugen M... steht auch nicht entgegen, dass dieser sich unstreitig nicht wörtlich an das Gesprächsmuster gehalten, sondern in polnischer Sprache eigene Worte verwendet hat, um den Kläger zum Vertragsabschluss zu bewegen. Entscheidend sind nicht die Wortwahl, sondern der Informationsgehalt, die Argumentationsweise und die Tendenz der Gesprächsführung. Diese weisen deutliche Züge des Mustergesprächs auf. So hat der Beklagte dem Kläger die Kapitalanlage nach den Feststellungen des Landgerichts als ein "gutes Sparbuch" ohne Risiken angeboten. Dies entspricht der psychologischen Ausrichtung des Mustergesprächs, lediglich die Vorteile einer Kapitalanlage herauszustellen, um den Kunden zum Vertragsabschluss zu bewegen. Damit geht einher, dass Risiken verharmlost werden, um den Vertragsabschluss nicht zu gefährden. Diese Methode hat der Zeuge M... auch nach seiner eigenen Darstellung angewandt, indem er etwa erklärt hat, Risiken müssten nicht eintreten und eine negative Presseberichterstattung beruhe darauf, dass jeder schreiben könne was er wolle. Zudem hat der Zeuge M... weitere Mittel der Verkaufspsychologie angewandt, indem er an die Solidarität unter polnischen "Brüdern" appelliert und diese von den Deutschen, die er in Anlagefragen als dumm dargestellt hat, abgegrenzt hat. Demgemäß hat sich das Verhalten des Beklagten auch konkret in der Anlageentscheidung des Klägers niedergeschlagen, so dass der erforderliche Kausalzusammenhang vorliegt.

c)

Dem Kläger ist durch den Vertragsabschluss auch ein Schaden entstanden. Dieser liegt unabhängig von der Frage, ob die Kapitalanlage werthaltig war, darin, dass er eine Anlage gezeichnet hat, die seinen Bedürfnissen und Anlagezielen nicht entsprach.

Auch insoweit hat der Beklagte vorsätzlich gehandelt. Er musste davon ausgehen, dass Kunden ohne eine ausreichende Aufklärung infolge der verkaufspsychologisch ausgerichteten Mustergespräche ungeeignete Kapitalanlagen zeichnen würden.

Dafür dass der Kläger bei zutreffender Beratung von der Kapitalanlage abgesehen hätte, besteht eine tatsächliche Vermutung. Umstände die dazu geeignet wären, diese zu erschüttern, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Vielmehr hat der Kläger in den Beratungsgesprächen zu erkennen gegeben, dass es ihm um eine sichere Anlageform ging.

Im Einzelnen berechnet sich der dem Kläger entstandene Schaden wie folgt:

Nachdem der Kläger aus der atypischen stillen Beteiligung entlassen worden ist und er von der F... AG eine Zahlung in Höhe von 8.000,00 EUR erhalten hat, verbleiben bei weiterer Anrechnung der Entnahmen von 2.100,00 EUR Einlagen in Höhe von 23.500,00 EUR, auf deren Rückzahlung er keinen Anspruch mehr hat und die er bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht erbracht hätte. Die Höhe der vom Landgericht festgestellten Zahlungen hat der Beklagte nicht angegriffen.

Dabei kann dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er mit der F... AG einen Vergleich abgeschlossen hat, um aus der stillen Beteiligung entlassen zu werden. Ein entstandener Schaden bleibt dem Schädiger zurechenbar, wenn der Geschädigte unter vertretbarer Würdigung der Sach- und Rechtslage einen Vergleich abschließt (vgl. Palandt/Heinrichs, 68. Aufl., vor § 249 BGB RdN 81). Dies war vorliegend der Fall. Der Kläger hatte aufgrund der fehlerhaften Beratung durch den Zeugen M... eine langfristige Kapitalanlage gezeichnet, die in keiner Weise seinen Interessen entsprach. Ihm war daher daran gelegen, vorzeitig aus seiner Stellung als stiller Gesellschafter entlassen zu werden, zumal er bis dahin zur monatlichen Zahlung von Einlagen verpflichtet war, die unter Berücksichtigung seiner familiären Verhältnisse (u.a. eine behinderte Tochter) in deutlichem Missverhältnis zu seinen laufenden Einkünften standen. Hinzu kommt, dass der Kläger mit einem erheblichem Prozessrisiko rechnen musste, da er für die Falschberatung sowie für die Umstände, die eine Haftung des Beklagten begründen, die Beweislast trägt. Wenn der Kläger unter Würdigung dieser Umstände einen Vergleich abschloss, um bei seinen angespannten finanziellen Verhältnissen aus der weiteren Zahlungspflicht entlassen zu werden und wenigstens einen Teil des angelegten Geldes zu retten, ist ihm dies nicht vorzuwerfen.

Steuervorteile sind dem Kläger nicht anzurechnen. Dies wäre als Fall der Vorteilsausgleichung nur dann geboten, wenn dem Kläger außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben würden, wofür der Beklagte darlegungspflichtig ist (vgl. BGH WM 2008, 350, 351; BGH NJW 2008, 2773, 2775). Welche Steuern der Kläger erspart haben soll, hat der Beklagte aber nicht vorgetragen. Nach den Angaben des Klägers hat dieser keine Steuervorteile erzielt.

Dagegen hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung eines Verlustes aus der Kündigung der Lebensversicherung bei der H... C.... Einen entsprechenden Schaden in Höhe der insoweit geltend gemachten 436,05 EUR hat der Kläger nicht dargetan. Diesen Schaden errechnet er aus der Differenz zwischen seinen Einzahlungen und dem realisierten Rückkaufswert bei Auflösung der Versicherung. Dieser übersteigt mit 3.720,03 EUR jedoch den Gesamtbetrag der Beiträge von 3.283,98 EUR, so dass eine Unterdeckung nicht besteht.

d)

Der Anspruch des Klägers ist schließlich auch nicht verjährt.

Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige 3-jährige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Kenntnis von den Umständen, die die Haftung des Beklagten begründen, konnte der Kläger erst durch das Rundschreiben der I... und der darauf folgenden Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten im Jahr 2006 erlangen. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger zu einem früheren Zeitpunkt bekannt sein musste, dass der Beklagte durch die Herausgabe von Mustergesprächen für die fehlerhafte Beratung durch den Zeugen M... verantwortlich war.

e)

Auch der Feststellungsantrag des Klägers ist zulässig und begründet. Im Hinblick auf die erweiterten Vollstreckungsmöglichkeiten gemäß § 850 f Abs. 2 ZPO besteht ein Feststellungsinteresse des Klägers (vgl. BGH NJW 2003, 515, 516). Da sich die Haftung des Beklagten aus § 826 BGB, d.h. einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung, ergibt, ist dem Feststellungsbegehren auch in der Sache zu entsprechen.

3.

Die Berufung des Klägers hat in vollem Umfang Erfolg. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung weiterer vorprozessualer Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 775,11 EUR aus § 826 BGB zu.

Die Anwaltsgebühren sind nach einem Gegenstandswert von 70.140,00 EUR (Gesamtbetrag der Einlagen einschließlich Agio und aller vereinbarten Monatsraten) zu bemessen, da dieser Betrag im Zeitpunkt der Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 07.09.2006 im Streit stand. Hierfür haftet auch der Beklagte aus § 826 BGB, da er aufgrund der Veranlassung der fehlerhaften Beratung damit rechnen musste, dass auch die Beklagte zu 1 in Anspruch genommen würde.

4.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten vom 24.09.2009 gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

5.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

6.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren ergeht gemäß §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug bleibt dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Soweit das Oberlandesgericht Karlsruhe in einer Entscheidung vom 27.02.2009 (13 U 151/07) die Berufung eines anderen Anlegers zurückgewiesen hat, hat es primär darauf abgestellt, dass der dortige Kläger eine Falschberatung nicht zu beweisen vermochte. Die weiteren Ausführungen in dem genannten Urteil sind damit nicht mehr tragend.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 24.711,16 EUR festgesetzt (Berufung des Klägers: 775,11 EUR; Berufung des Beklagten: 23.936,05 EUR). Der Feststellungsantrag wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus.

Ende der Entscheidung

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