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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.11.2004
Aktenzeichen: II-1 UF 183/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 623 Abs. 1 Satz 3
ZPO § 629 b
ZPO § 629 b Abs. 1
BGB § 1587 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 12.05.2004 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens übertragen wird.

I. Die seit langem in Deutschland lebenden Parteien sind verheiratet und haben keine gemeinsamen Kinder. Zum Zeitpunkt ihrer Heirat am 30.09.1992 in der Türkei waren sie beide türkische Staatsangehörige. Seit dem 29.09.2003 ist der Antragsteller deutscher Staatsangehöriger; aus der türkischen Staatsangehörigkeit ist er am 30.09.2003 entlassen worden. Die Antragsgegnerin ist weiterhin türkische Staatsangehörige. Im Juli 2002 ist der Antragsteller aus der Ehewohnung ausgezogen; seitdem leben die Parteien getrennt. Der Antragsteller hat die Ehescheidung zunächst gestützt auf türkisches Recht mit der Begründung begehrt, die Ehe sei zerrüttet; es habe von Anfang an Auseinandersetzungen gegeben und er sei von seiner Frau, die ihn unstreitig 1993 nach Deutschland geholt hat, wie ein Sklave behandelt worden. Die Antragsgegnerin hat dem am 15.12.2003 eingegangenen und am 19.03.2004 zugestellten Scheidungsantrag widersprochen und geltend gemacht, sie wolle die Ehe, aus der sich der Antragsteller nach Erhalt eines eigenständigen Bleiberechtes in Deutschland einseitig gelöst habe, aufrechterhalten. Wegen des Widerspruches der Antragsgegnerin hat der Antragsteller die Auffassung vertreten, es sei nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB deutsches Recht anzuwenden. Das Amtsgericht hat den Scheidungsantrag gestützt auf Art. 166 des türkischen Zivilgesetzbuches (künftig abgekürzt: türk. ZGB) zurückgewiesen, weil der Widerspruch der Antragsgegnerin beachtlich sei, da das Verschulden des Antragstellers an der Zerrüttung überwiege und der Widerspruch auch nicht rechtsmissbräuchlich sei. Eine regelwidrige Anwendung deutschen Rechts komme nicht in Betracht, weil die Scheidung nach türkischem Recht grundsätzlich möglich sei und nur derzeit am Widerspruch scheitere, nach Ablauf von drei Jahren könne die Scheidung aber ausgesprochen werden. Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsteller mit seiner Berufung. Er macht geltend: 1. Die Antragsgegnerin habe in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nur ein ökonomisches Affektionsinteresse dokumentiert, was zur Begründung ihres Widerspruches nach türkischem Recht nicht ausreiche. 2. Die Ehe sei außerdem nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zu scheiden, weil unter den Voraussetzungen des Widerspruches nach dem prinzipiell anzuwendenden türkischen Scheidungsrecht wenigstens derzeit eine Scheidung nicht möglich sei, was für eine regelwidrige Anwendung deutschen Rechts ausreiche. Der Antragsteller beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Düsseldorf vom 12.05.2004, Az.: 59 F 128/03, die zwischen den Parteien am 30.09.1992 vor dem Standesbeamten in C. / Türkei unter Heiratsregister-Nr. geschlossene Ehe zu scheiden. Die Antragsgegnerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen; sowie hilfsweise, den Versorgungsausgleich im Verbund durchzuführen. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vor allem die Anwendung des türkischen Rechts. II. Die Berufung des Antragstellers ist zulässig und in der Sache begründet, wenngleich aus anderen, als den vom Antragsteller benannten Gründen. Auf den Scheidungsantrag des Antragstellers findet nämlich materielles deutsches Recht Anwendung. Zwar wird gemäss Art. 17 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 zweite Alternative EGBGB hinsichtlich der Anwendung des materiellen Rechts zunächst auf das Recht hingewiesen, nach dem sich die allgemeinen Wirkungen der Ehe richten, d.h. auf das Recht des Staates, dem beide Ehegatten zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört, d.h. hier auf das materielle türkische Recht. Mit dieser Verweisung auf das materielle türkische Recht wird gemäss Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach dem Prinzip der Gesamtverweisung nicht nur auf das türkische Scheidungsrecht, sondern auch auf das türkische Kollisionsrecht und damit auf Art. 13 des türkischen Gesetzes Nr. 2675 über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht (künftig abgekürzt: türk. IPRG) verwiesen (vgl. Rausch in Handbuch des Fachanwalts für Familienrechts, 4. Aufl., § 15 Rdn. 13, OLG Frankfurt, FamRZ 2004, 943). Ob das türkische Recht die Verweisung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 EGBGB annimmt, ob zurück- oder weiterverwiesen wird, regelt nämlich nicht Art. 2 türk. IPRG, sondern hängt von der einzelnen kollisionsrechtlichen Norm des türk. IPRG ab (vgl. Hohloch, internationales Scheidungs- und Scheidungsfolgenrechts, Türkei, Rdn. 5), was vorliegend zu Art. 13 türk. IPRG führt, der das Scheidungsstatut regelt. Gemäss Art. 13 türk. IPRG ist bei Ehegatten mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, wobei gemäss Art. 3 türk. IPRG der Zeitpunkt der Klageerhebung maßgeblich ist (vgl. hierzu Rumpf, Einführung in das türkische Recht, 2004, § 9 Rdn. 39), das materielle Recht des gemeinsamen Wohnsitzes oder in Ermangelung eines solchen das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes anzuwenden. Damit erfolgt durch Art. 13 türk. IPRG eine (Rück-) Verweisung in das deutsche Recht, wenn die Eheleute, wie hier, ohne gemeinsame türkische Staatsangehörigkeit bei Klageerhebung beide einen Wohnsitz oder zumindest einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet haben (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.; Hohloch, a.a.O., Rdn. 16; Turan/Schnieders/Finger, FamRB 2002, 187, 215). Eine Rückverweisung ins deutsche Recht wird nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB hier immer angenommen und führt unmittelbar in die deutschen Sachnormen (vgl. Rausch, a.a.O., § 15 Rdn. 13). Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass vorliegend die Scheidungsvoraussetzungen nach deutschem Recht zu prüfen sind (Art. 17, 14 Abs. 1 Nr. 1 zweite Alternative EGBGB i.V. mit Art. 13 türk. IPRG, §§ 1565 ff. BGB). Danach kann das den Scheidungsantrag abweisende Urteil auch aus anderen Gründen keinen Bestand haben. Denn nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien vor dem Senat ist das Trennungsjahr abgelaufen. Ebenso wenig kann der Senat nach § 629 b ZPO selbst dem Scheidungsantrag stattgeben, weil noch der Versorgungsausgleich nach § 1587 b BGB als Folgesache zu klären ist, wie von der Antragsgegnerin hilfsweise begehrt. Aber auch ohne diesen Hilfsantrag wäre der Versorgungsausgleich, für den es nach § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO keines Antrages bedarf, im Zwangsverbund mit der Ehescheidung zu klären gewesen, weil die Rückverweisung in Art. 13 türk. IPRG auch den Versorgungsausgleich umfasst, denn diese Bestimmung betrifft "die Gründe und Folgen der Scheidung". Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache gemäss § 629 b Abs. 1 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Es bestehen keine Gründe, die Revision zuzulassen. Streitwert für das Berufungsverfahren: 4.591,83 EUR ((1.816,32 EUR - 285,71 EUR) x 3).

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