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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.01.2008
Aktenzeichen: II-10 WF 28/07
Rechtsgebiete: RVG, ZPO, BRAGO


Vorschriften:

RVG § 33 Abs. 3 Satz 2
RVG § 46
RVG § 48
RVG § 55
RVG § 56 Abs. 2
ZPO § 121 Abs. 3
ZPO § 127
BRAGO § 126 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers vom 06.07.2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuss - Familiengericht - vom 03.07.2007 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Beschwerde des Antragstellers vom 06.07.2007 (Bl. 81 ff PKH-Heft) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuss - Familiengericht - vom 03.07.2007 (Bl. 77 PKH-Heft) ist gemäß § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG kraft Zulassung zulässig, jedoch unbegründet.

1.

Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde gegen die Absetzung der angemeldeten Kosten für die Reise des in Kaarst ansässigen Antragstellers für die Vertretung der ebenfalls in Kaarst wohnhaften Partei zu den Terminen vor dem Amtsgericht Neuss am 24.01.2007 in Höhe von EUR 6,- Fahrtkosten und EUR 20,- Abwesenheitsgeld nebst Mehrwertsteuer. Der Antragsteller ist lediglich "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes" beigeordnet worden; dies ist für das Kostenfestsetzungsverfahren bindend.

a.

Der Antragsteller ist der von ihm vertretenen Partei im Wege der Prozesskostenhilfe mit der Einschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes" beigeordnet worden. Diese eingeschränkte Beiordnung erfolgte bereits durch Beschluss vom 30.07.2005 für den unter dem Az. 50 F 282/05 geführten Scheidungsantrag. Darauf, dass dieser Beiordnungsbeschluss in der ihm übermittelten Ausfertigung keine Einschränkung enthält (Bl. 33 PKH-Heft), kann der Antragsteller sich nicht mit Erfolg berufen. Die bei den Akten befindliche Urschrift des Beschlusses vom 30.07.2005 im Verfahren 50 F 282/05 (Bl. 30 PKH-Heft) enthält ausdrücklich die Einschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes". Maßgeblich ist insoweit stets die Urschrift des Beschlusses (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 121 Rn. 32, § 120 Rn. 3). Im übrigen ist die einschränkende Beiordnung - nach Verbindung dieses Verfahrens mit dem zuvor eingeleiteten Scheidungsverfahren des Verfahrensgegners 50 F 43/05 durch Beschluss vom 22.08.2005 (Bl. 14 GA) - wiederholt worden im Beschluss vom 26.09.2005 (Bl. 35 PKH-Heft). Hierin erfolgte "zur Klarstellung" die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Antragstellers auch für das Verfahren 50 F 43/05 "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes" (Bl. 35 PKH-Heft).

b.

Durch die fragliche Einschränkung wird die Beiordnung zwar nicht gegenständlich, wohl aber in gebührenrechtlicher Hinsicht eingeschränkt. Der beigeordnete Anwalt, der bei dem Prozessgericht zugelassen ist, aber seinen Wohnsitz bzw. seine Kanzlei nicht am Ort des Prozessgerichts hat, soll nicht mehr Gebühren erhalten als ein am Ort des Prozessgerichts ansässiger Anwalt.

Eine solche Einschränkung sieht das Gesetz zwar nicht vor. § 121 Abs. 3 ZPO regelt eine Einschränkung der Beiordnung lediglich für Rechtsanwälte, die nicht bei dem Prozessgericht zugelassen sind. Eine Sonderregelung für Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der bei dem Prozessgericht zugelassene Rechtsanwalt seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das Prozessgericht oder eine auswärtige Abteilung dieses Gerichts befindet, war in § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO geregelt, ist aber in die Neufassung des § 46 RVG nicht übernommen worden. Nach der Gesetzesbegründung zu § 46 RVG im Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 05.05.2004 erschien § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO wegen § 121 Abs. 3 ZPO, wonach ein bei dem Prozessgericht nicht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen, entbehrlich (vgl. BT-Drcks. 15/1971, S. 200). Dies spricht dafür, dass ein beim Prozessgericht zugelassener, nicht am Ort, wohl aber im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt uneingeschränkt beizuordnen sein sollte, mithin etwaige daraus resultierende Mehrkosten nach Maßgabe des § 46 RVG erstattungsfähig sein sollten (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 121 Rn. 13).

Ob die erfolgte Einschränkung letztlich zu Recht erfolgt ist, ist allerdings im Verfahren nach § 55 RVG nicht zu prüfen. Der Vergütungsanspruch richtet sich gemäß § 48 RVG nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Im Vergütungsfestsetzungsverfahren ist der Beiordnungs- und Bewilligungsbeschluss als Kostengrundentscheidung bindend und einer materiell-rechtlichen Überprüfung grundsätzlich entzogen (vgl. Zöller-Philippi, § 121 Rn. 13, 42). Bei dem Verfahren nach § 55 RVG handelt es sich um ein justizförmiges Verwaltungsverfahren (vgl. Hartmann, § 55 Rn. 1). Deshalb kommt auch eine Überprüfung der Einschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts" nicht in Betracht (vgl. OLG Celle MDR 2007, 865; OLG München MDR 2000, 1455f; Gerold/Schmidt-von Eicken/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 55 Rn. 17 iVm § 46 Rn. 30 d). Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der im Beiordnungsbeschluss enthaltenen Beschränkung liefe nicht nur dem Wesen des Festsetzungsverfahrens zuwider, sondern würde auch die Bestandskraft der Beiordnungsentscheidung in Frage stellen. Daher vermag der Senat der abweichenden Auffassung nicht zu folgen, dass die gesetzlichen Regelungen der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe keine Beschränkung von dessen Gebührenansprüchen kenne, mithin eine erfolgte Beschränkung des Gebührenanspruchs für das Kostenfestsetzungsverfahren unbeachtlich sei (so OLG Hamm FamRZ 1995, 748f; OLG Düsseldorf (3. FamSenat) FamRZ 1993, 819).

Dem Festsetzungsbeamten ist auch nicht die Prüfung aufzuerlegen, ob der beigeordnete Rechtsanwalt sich vor der Beiordnungsentscheidung mit der Einschränkung einverstanden erklärt hat (so OLG Karlsruhe MDR 2001, 1315f) oder ob bereits der Beiordnungsantrag im Sinne eines Einverständnisses einschränkend ausgelegt werden kann (so für den nicht zugelassenen Anwalt: BGH NJW 2006, 3783f). Die Belange der Partei bzw. des beigeordneten Anwalts werden durch die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Einschränkung der Beiordnung ausreichend geschützt. Die betroffene Partei hat ein Beschwerderecht unmittelbar aus § 127 ZPO, weil sie am Bewilligungsverfahren beteiligt ist; dem betroffenen Rechtsanwalt wird - obwohl nicht am Bewilligungsverfahren beteiligt - wegen möglicher gebührenrechtlichen Folgen ein Beschwerderecht analog § 127 ZPO zugestanden (vgl. OLG Köln MDR 2005, 1130f; OLG Hamm FamRZ 2006, 1551f; Zöller-Philippi, § 121 Rn. 13). Machen weder die Partei noch der Anwalt von dem Beschwerderecht Gebrauch, besteht demnach im Festsetzungsverfahren auch kein Bedürfnis für eine Überprüfung der im Beiordnungsbeschluss enthaltenen gebührenrechtlichen Einschränkung. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich auch die Prüfung, ob man das Tätigwerden des Anwalts trotz der ihm bekannt gewordenen Einschränkung als nachträgliche konkludente Einwilligung auslegen kann (so wiederum OLG Karlsruhe MDR 2001, 1315f).

2.

Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde gegen die auf die Erinnerung des Bezirksrevisors erfolgte Absetzung der Einigungsgebühr nach RVG VV-Nr. 1000 in Höhe von EUR 85,- nebst Mehrwertsteuer.

Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht Neuss am 24.01.2007 bezüglich der eingeholten Auskünften der Rentenversicherungsträger erklärt, hiergegen keine Einwände zu erheben, und nachfolgend im Hinblick auf die geringe Höhe der auszugleichenden Anwartschaften einen "Vergleich" geschlossen, in dem es heißt. "Wir verzichten auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs und bitten übereinstimmend um familienrechtliche Genehmigung". Hierdurch ist für den Verfahrensbevollmächtigten keine Einigungsgebühr nach RVG VV-Nr. 1000 angefallen.

Die Gebühr entsteht nach der amtlichen Anmerkung I Satz 1 1. Halbsatz "für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird". Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Im Zeitpunkt der beiderseitigen Verzichtserklärungen stand aufgrund der eingeholten Auskünfte bereits fest, wem und in welcher Höhe ein Ausgleichsanspruch zustand. Der Umstand, dass die nachfolgende Vereinbarung als Vergleich bezeichnet worden ist, löst den Gebührentatbestand nicht aus; es kommt nicht auf die Bezeichnung, sondern den Inhalt der Vereinbarung an. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Entscheidung zu der in der Rechtssprechung unterschiedlich beantworteten Frage, ob hier die amtliche Anmerkung zu RVG VV-Nr. 1000 I Satz 1 2. Halbsatz eingreift, wonach keine Einigungsgebühr entsteht, wenn sich der Vertrag "ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht" beschränkt (vgl. OLG Stuttgart, JurBüro 2006, 639; OLG Karlsruhe, MDR 2007, 409f; OLG Nürnberg JurBüro 2007, 27). Eine Einigungsgebühr fällt bereits deshalb nicht an, weil weder Streit noch Ungewissheit über die Ausgleichsberechtigung und -höhe bestand (vgl. OLG Hamm, OLGR 2007, 230).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Sätze 2, 3 RVG.

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