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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.07.2004
Aktenzeichen: II-4 UF 47/04
Rechtsgebiete: VAHRG, BGB, ZPO


Vorschriften:

VAHRG § 3 a
VAHRG § 3 a Abs. 1
VAHRG § 3 a Abs. 1 Satz 1
VAHRG § 10 a
BGB § 1587 d Abs. 2
BGB § 1587 g
BGB § 1587 g Abs. 1 Satz 1
BGB § 1587 g Abs. 3
ZPO § 621 e
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kempen vom 26.01.2004 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, an die Antragstellerin ab 01.06.2002 über die gemäß Teilvergleich vom 08.12.2003 zu zahlende verlängerte Ausgleichsrente von 371,55 EUR hinaus weitere 325,19 EUR, insgesamt monatlich 696,74 EUR zu zahlen.

Die Gerichtskosten tragen die Parteien je zur Hälfte. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 3.902,28 EUR

Gründe:

Die Antragstellerin begehrt die Durchführung des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs. Die am 21.08.1926 geborene Antragstellerin heiratete am 15.07.1962 den am 24.05.1921 geborenen und am 09.05.2002 verstorbenen W. G.. Durch Verbundurteil des AG Dortmund (173 F 293/91) vom 29.01.1993 (Bl. 8 ff. GA) wurde die Ehe geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt. Nach den eingeholten Auskünften der Versorgungsträger hatte die Antragstellerin in der Ehezeit bei der BfA Anwartschaften von 122,26 DM erworben. Ihr Ehemann hatte Anwartschaften bei der BfA in Höhe von 497,96 DM erworben und eine betriebliche Altersversorgung bei seiner früheren Arbeitgeberin, der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, von jährlich 29.370,00 DM. Der Versorgungsfall war bei Ehezeitende bereits eingetreten. Den Versorgungsausgleich führte das Amtsgericht durch, indem es zunächst im Wege des Rentensplittings Anwartschaften in Höhe von 187,85 DM auf das Versicherungskonto der Antragstellerin übertrug. Die betriebliche Altersversorgung des Ehemannes rechnete das Amtsgericht in eine dynamische Rente von monatlich 1.205,61 DM um und entschied, dass davon die Hälfte (= 602,81 DM) der Antragstellerin zustehe. Einen Teilbetrag von 67,20 DM glich es sodann im Wege des sog. Supersplittings (§ 3 b VAHRG) aus. In der gleichen Entscheidung verurteilte das Amtsgericht sodann wegen des Restbetrages von 535,61 DM den Ehemann, an die Antragstellerin eine monatliche Ausgleichsrente in Höhe dieses Betrages zu zahlen. Später beantragte die Antragstellerin in dem Verfahren 173 F 2997/95 AG Dortmund = 4 UF 120/96 OLG Hamm, die im Scheidungsurteil festgesetzte Ausgleichsrente auf monatlich 1.230,68 DM anzuheben. Zur Begründung führte die Antragstellerin aus, das Amtsgericht habe seinerzeit fälschlicherweise den dynamisierten Betrag der Betriebsrente der Berechnung der Ausgleichsrente zugrundegelegt. Bei richtiger Berechnung ergäbe sich unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Erhöhung der Betriebsrente und des durchgeführten Supersplittings der nun geltend gemachte Betrag. Das Amtsgericht entsprach dem Begehren der Antragstellerin durch Urteil vom 06.02.1996 (Bl. 16 ff GA) im Wesentlichen. Auf die Berufung des Ehemanns änderte das OLG Hamm durch Urteil vom 26.08.1996 (Bl. 19 ff. GA) diese Entscheidung ab und wies den Antrag mit der Begründung zurück, die Berechnung des Amtsgerichts in dem Urteil vom 29.01.1993 sei zwar fehlerhaft, eine Abänderung sei jedoch - jedenfalls derzeit - nicht zulässig, da die Voraussetzungen für eine Abänderung nach § 10 a VHRG oder §§ 1587 g Abs. 3, 1587 d Abs. 2 BGB nicht gegeben seien. Nach dem Tod des geschiedenen Ehemannes beantragte die Antragstellerin unter dem 19.05.2002 eine verlängerte Ausgleichrente beim E. Verband, der den Antrag an den Versorgungsträger weiterleitete. Nachdem die Antragsgegnerin, vertreten durch die mit der Abwicklung der Betriebsrentenangelegenheiten betrauten Tochtergesellschaft, der T., sich nicht in der Lage sah, die Höhe der verlängerten Ausgleichsrente zu bestimmen, machte die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren eine verlängerte Ausgleichsrente von zuletzt monatlich 696,74 EUR geltend, entsprechend den Ausführungen des vom Amtsgericht eingeholten Gutachtens zur Höhe der Ausgleichsrente vom 19.01.2003 (Bl. 40 ff. GA). Nachdem die Parteien am 08.12.2003 einen Teilvergleich geschlossen hatten, in dem sich die Antragsgegnerin zur Zahlung einer verlängerten Ausgleichsrente von monatlich 371,55 EUR ab 01.06.2002 verpflichtete, hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 26.01.2004 den weitergehenden Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Festsetzung der verlängerten Ausgleichsrente eröffne nicht die Möglichkeit, die falsche, aber rechtskräftige Entscheidung zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu revidieren. Die vom Ehemann zu zahlende Ausgleichrente sei - unter Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen wirtschaftlichen Veränderung - bei der Bemessung der verlängerten Ausgleichsrente zugrunde zu legen. Lediglich ein Abänderungsverfahren nach § 10 a VAHRG führe zu einer Totalrevision der Versorgungsausgleichsregelung. Dies komme hier aber bereits deshalb nicht in Betracht, da es nicht gegen die Antragsgegnerin, sondern gegen die Erben des Ehemanns zu richten sei. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Ansicht, dass bei einer Neuberechnung der Ausgleichsrente wegen eingetretener Veränderungen auch der vorhandene Berechnungsfehler in der Erstentscheidung zu korrigieren sei. Jedenfalls lägen auch die Voraussetzungen einer Abänderung nach § 10 a VAHRG vor. Die Antragstellerin beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Antragsgegnerin zu verpflichten, an die Antragstellerin ab 01.06.2002 über die gemäß Teilvergleich vom 08.12.2003 zu zahlende verlängerte Ausgleichsrente in Höhe von 371,55 EUR brutto hinaus weitere 325,19 EUR brutto, insgesamt 696,74 EUR zu zahlen. Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, eine vollkommene Neuberechnung der verlängerten Ausgleichsrente sei nicht zulässig. II. Die nach § 621 e ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Die Antragstellerin hat gegenüber der Antragsgegnerin gemäß § 3 a Abs. 1 Satz 1 VAHRG i.V.m. § 1587 g BGB einen sog. verlängerten schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch in Höhe von insgesamt 696,74 EUR monatlich. Dass die Antragsgegnerin dem Grunde nach zur Zahlung einer verlängerten Ausgleichsrente verpflichtet ist, steht zwischen den Parteien außer Streit. Die Höhe des Anspruchs bestimmt sich nach der Höhe der vom verstorbenen Ehegatten gemäß § 1587 g BGB geschuldeten Ausgleichsrente, sofern nicht die Hinterbliebenenversorgung im Fall des Fortbestehens der Ehe niedriger ausfallen würde (§ 3 a Abs. 1 Satz 1 VAHRG), was hier unstreitig nicht der Fall ist. Zwar war beim Tod des geschiedenen Ehegatten eine Ausgleichsrente nach § 1587 g Abs. 1 Satz 1 BGB in Höhe von lediglich 535,61 DM durch das Verbundurteil des Amtsgerichts Dortmund vom 29.01.1993 tituliert, entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin besteht insoweit jedoch keine Bindungswirkung im Verhältnis der Parteien zueinander. Dem Wortlaut des § 3 a Abs. 1 VAHRG kann eine Beschränkung auf die Höhe der zuletzt vom verstorbenen Ehegatten gezahlten Ausgleichsrente nicht entnommen werden. Zwar bedarf es keiner Neuberechnung, wenn der geschuldete Betrag tituliert ist und gezahlt wird. Dies schließt jedoch eine Erhöhung auf den geschuldeten Betrag nicht aus, wenn die Verpflichtung tatsächlich höher ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Antragsgegnerin angeführten Kommentarstellen (Palandt, BGB, 60. Auflage, Anhang zu § 1587 b (VAHRG) Rdnr. 11; Glockner/Uebelhack, Die betriebliche Altersversorgung im Versorgungsausgleich, Bielefeld 1993, Rdnr. 228). Eine vorausgegangene Entscheidung über den Ausgleichsanspruch nach § 1587 g BGB - hier das Urteil vom 29.01.1993 - entfaltet im Verfahren über den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nach § 3 a VAHRG auch keine Rechtskraftwirkung. Zwar ist eine Entscheidung über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich der materiellen Rechtskraft fähig (BGH FamRZ 1984, 669, 670), diese wirkt aber nur zwischen den Beteiligten und deren Rechtsnachfolgern und nur hinsichtlich des Verfahrensgegenstandes (Keidel/Kuntze/Winkler, FG, 15. Auflage, § 31 Rdnr. 22b). Daran fehlt es hier. Weder ist der Anspruch nach § 3 a Abs. 1 VAHRG als eigenständiger Anspruch des Ausgleichsberechtigten mit dem Ausgleichsanspruch nach § 1587 g BGB identisch, noch ist der Versorgungsträger Rechtsnachfolger des Ausgleichsverpflichteten (Borth, Versorgungsausgleich, 3. Auflage, Rdnr. 700; Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Auflage, § 3 a VAHRG Rdnr. 2, 23). Selbst wenn man eine Bindung des Anspruchs an die Höhe des gegen den Verpflichteten titulierten Ausgleichsanspruch bejahen würde, ergäbe sich im vorliegenden Fall im Ergebnis nichts anderes. Denn jedenfalls könnte der titulierte Anspruch bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 1587 g Abs. 3, 1587 d Abs. 2 BGB abgeändert werden. Durch die Erhöhung der hier auszugleichenden Jahresrente von 29.370,00 DM, das entspricht 15.016,64 EUR, (1991) auf nunmehr 17.706,96 EUR (2002) liegt eine wesentliche Änderung im Sinne der genannten Vorschriften vor. Bei der vorzunehmenden Abänderung wäre eine vollständige Neuberechnung vorzunehmen, eine Bindung an den Berechnungsfehler in der Erstentscheidung bestünde nicht. Insoweit folgt der Senat der Ansicht, dass nach Einführung des § 10 a VAHRG, der eine sog. Totalrevision des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs zulässt, auch bei der Abänderung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs eine Fehlerkorrektur vorzunehmen ist (Johannsen/ Henrich, Eherecht, 4. Auflage, § 1587 g Rdnr. 24; Palandt- Brudermüller, BGB, 62 Auflage, § 1587 g Rdnr. 23; Münchener Kommentar - Glockner, BGB, 4. Auflage, § 1587 g Rdnr. 31). Danach ist die Höhe der von der Antragsgegnerin geschuldeten Ausgleichsrente entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen vom 19.01.2003 wie folgt zu berechnen: Die von der Antragsgegnerin an den geschiedenen Ehemann der Antragstellerin gezahlte Jahresrente betrug in 2002 17.706,96 EUR. Da die Betriebszugehörigkeit des Ehemannes vollständig in die Ehezeit fiel, ist der Ehezeitanteil damit gleichzusetzen. Der Monatsbetrag der Rente beträgt (17.706,96 EUR : 12 =) 1.475,58 EUR. Nach dem Halbteilungsgrundsatz hat die Antragstellerin Anspruch auf die Hälfte dieser Monatsrente, das sind 737,79 EUR. Da bei der Erstentscheidung im Wege des Supersplittings bereits 67,20 DM (= 34,36 EUR) bezogen auf den 30.11.1991 ausgeglichen wurde, ist der Anspruch der Antragstellerin entsprechend zu kürzen. Dabei folgt der Senat der sog. Anrechnungsmethode, da durch die Anrechnung der aufgrund des Supersplittings tatsächlich erzielten gesetzlichen Rente dem Halbteilungsgrundsatz am Besten entsprochen wird. Der Wert eines Entgeltpunktes ist von November 1991 bis Juni 2002 von 21,18793 auf 25,31406 gestiegen. Der seinerzeit ausgeglichene Betrag von 34,36 EUR entspricht daher nunmehr (34,36 EUR : 21,18793 x 25,31406 =) 41,05 EUR. In dieser Höhe hat bereits ein Ausgleich der betrieblichen Altersversorgung stattgefunden. Die Ausgleichsrente von 737,79 EUR ist entsprechend um 41,05 EUR zu kürzen. Es verbleibt ein Zahlbetrag von 696,74 EUR. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Gerichtskosten aus §§ 99, 131 a KostO i.V.m. § 93 a ZPO analog und hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten aus § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

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