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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.06.2008
Aktenzeichen: II-8 UF 1/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1361
Sagt ein Ehegatte im Zuge der Eheschliessung zu, dem aus einem anderen Land und Kulturkreis stammenden anderen Ehegatten im Falle der ehebedingten Übersiedlung nach Deutschland das Erlernen der Sprache und eine (nicht näher bezeichnete) Ausbildung zu ermöglichen, so ist er daran auch im Falle der Trennung jedenfalls insoweit festzuhalten, als er dem anderen Ehegatten, der nach dem Erwerb der Sprachkenntnisse ein Hochschulstudium anstrebt, Unterhalt für den Fall der Aufnahme einer - regelmässig kürzeren und zu einer eigenen Vergütung führenden - Berufsausbildung schuldet.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom 04.12.2007 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über freiwillige Zahlungen von 126,04 € monatlich hinausgehend einen weiteren monatlichen Trennungsunterhalt von 525,83 € ab Mai 2007 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 2.228,46 €.

Gründe:

I. Der am 12.10.1967 geborene Beklagte und die am 27.12.1976 geborene Klägerin haben am 30.10.2004 geheiratet. Die Trennung erfolgte im September 2006. Eine Scheidung ist noch nicht erfolgt.

Die Klägerin stammt aus Peru und ist erst im Zuge der Eheschließung nach Deutschland gekommen, wo sie zunächst - jedenfalls bis Ende 06/Anfang 07 - die Sprache erlernt hat. Sie beabsichtigt ein Hochschulstudium und ist seit dem Sommersemester 2008 in einem vorbereitenden Studienkolleg, das zwei Semester dauert, an der Uni K. eingetragen; beworben hatte sie sich i. ü. bereits im Mai 2007 zum Wintersemester 2007/2008, jedoch die Aufnahmeprüfung wegen noch gegebener sprachlicher Defizite nicht bestanden.

Der Beklagte war bis März 2008 als Assistenzarzt in einem Krankenhaus tätig. Seit dem 01.04.2008 ist er als niedergelassener Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie tätig; dazu liegen aussagekräftige Einkommensnachweise noch nicht vor.

Die Parteien haben anlässlich der Heirat verabredet, dass der Beklagte der Klägerin nach ihrem Sprachkurs auch eine Ausbildung ermöglichen sollte.

Die Klägerin hat in erster Instanz Trennungsunterhalt von monatlich weiteren 525,83 € über vom Beklagten durchgehend freiwillig gezahlte 126,04 € hinaus ab Mai 2007 begehrt. Das Amtsgericht hat auf monatlich weitere 354,41 € erkannt und der Klägerin dabei ein fiktives Erwerbseinkommen von monatlich netto 800 € zugerechnet. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II. Die Berufung hat Erfolg.

Der Beklagte ist gemäß § 1361 BGB zur Zahlung des beantragten Trennungsunterhalts verpflichtet.

Zu Unrecht hat das Amtsgericht der Klägerin ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit von 800 € zugemessen. Dem Amtsgericht ist beizupflichten, dass in der Abrede der Parteien keine Vereinbarung zu sehen ist, dass die Klägerin auf Kosten des Beklagten ein Hochschulstudium aufnehmen kann; andererseits konnte die Klägerin jedoch nach der getroffenen Abrede jedenfalls eine (vergleichsweise kürzere) Berufsausbildung beginnen. Wenn die Klägerin sich bei dieser Sachlage gegen eine Berufsausbildung und für die Aufnahme eines Studiums entscheidet, was ihr im Rahmen der eigenverantwortlichen Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse zuzubilligen ist, entbindet dies den Beklagten nicht von seiner Verpflichtung, jedenfalls den Ausbildungsunterhalt zu zahlen, der bei einer Berufsausbildung von ihm geschuldet würde.

Das Amtsgericht übersieht bei der Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus vollschichtiger Tätigkeit auch, dass hier kein "normaler" Fall des angemessenen Trennungsunterhalts vorliegt, sondern vielmehr zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin wegen der Eheschließung und im Vertrauen auf die Zusage des Beklagten, ihr in Deutschland das Erlernen der Sprache und eine Ausbildung zu ermöglichen, ihre Heimat verlassen hat und in einen fremden Kultur- und Sprachkreis gelangt ist. Die Verpflichtung des Beklagten, im Rahmen der auch nach der Trennung fortdauernden ehelichen Solidarität für den Unterhaltsbedarf der Klägerin mit zu sorgen, ist daher stärker als im "Normalfall" zu bewerten, bevor der Klägerin eigene fiktive Erwerbseinkünfte aus jedweder vollschichtiger Tätigkeit zugerechnet werden.

Der Senat geht von einer Ausbildungsvergütung der Klägerin - fiktiv - von netto bereinigt 400 € aus.

Da Ausbildungsverhältnisse in der Regel im August oder September eines jeden Jahres beginnen, hätte die Klägerin nach Abschluss ihrer Sprachkurse Anfang 2007 sodann im August bzw. September 2008 ein Ausbildungsverhältnis beginnen können, so dass - bei einer für Ausbildungsverhältnisse in der Regel üblichen Zeitdauer von 3 Jahren - dieses jedenfalls bis Mitte 2010 andauern würde. Es besteht im Übrigen kein konkreter Anlass zu der Annahme, dass die Parteien bis dahin nicht rechtskräftig geschieden sind, so dass es keiner formalen Befristung des Ausspruchs zum Trennungsunterhalt bedarf.

Dem Beklagten ist im Hinblick auf seinen Wechsel in eine selbständige Tätigkeit ab April 2008 jedenfalls derzeit sein zuvor erzieltes - in der Höhe unstreitiges - Einkommen aus abhängiger Beschäftigung zuzurechnen. Durch die große Zeitnähe liegen aussagekräftige Einkommensnachweise für die Zeit ab April 2008 noch nicht vor. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist jedoch davon auszugehen, dass ein in gesichertem Arbeitsverhältnis tätiger Arbeitnehmer den Schritt in die Selbständigkeit nur geht, wenn er auf Dauer eine Erhöhung seiner Einkünfte, jedenfalls aber keine Verringerung seines Einkommens erwartet. Dabei ist nicht zu verkennen, dass es gerade in der Anfangsphase einer selbständigen Tätigkeit nicht zu erwarten ist, dass "vom ersten Tage an" Gewinne erzielt werden, die dem zuvor erzielten Einkommen in der Höhe entsprechen.

Hier sind jedoch auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es dem Beklagten nicht in absehbarer Zeit gelingen wird, nachhaltig Einkünfte, die seine früheren jedenfalls nicht unterschreiten, zu erzielen.

Der Beklagte schuldet danach einen Trennungsunterhalt von (1.921,04 € - 400 € = 1.521,04 € x 3/7 =) 651,87 €, wovon 126,04 € freiwillig geleistet werden, so dass 525,83 € verbleiben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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