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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.01.2008
Aktenzeichen: II-8 WF 301/07
Rechtsgebiete: BGB, BRAGO, RVG


Vorschriften:

BGB §§ 195 ff.
BRAGO § 16 S. 1
RVG § 8 Abs. 1
1. Auch der Vergütungsanspruch des im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Landeskasse unterliegt gemäß § 195 BGB der dreijährigen Verjährungsfrist.

2. Bei einer Vertretung im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 644 ZPO beginnt die Verjährungsfrist - ungeachtet der Dauer des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens - mit dem Schluss des Jahres, in dem die gerichtliche Anordnung erlassen wird.

3. Die Einrede der Verjährung ist unbeachtlich, wenn sie von Seiten des Landes willkürlich erhoben wird, § 242 BGB. Dies kommt in Betracht, wenn sich die Landeskasse dabei nicht an die einschlägigen Verwaltungsvorschriften (hier: AV des JM NRW vom 30.06.2005 (560-Z.20)-JMBl.NRW S. 181) hält.


Tenor:

wird die Beschwerde der Rechtsanwälte L. und Partner vom 5. Dezember 2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 15. November 2007 - 20 F 122/02 - zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer erwirkte am 31.10.2002 bei dem Amtsgericht Mülheim a.d.Ruhr im Auftrag seiner Mandantin eine einstweilige Anordnung nach § 644 ZPO gegen deren Vater, mit der dieser ab November 2002 zu monatlichen Unterhaltsleistungen in Höhe von 179,00 € verpflichtet wurde. Für einen entsprechenden Antrag hatte das Amtsgericht der Antragstellerin zuvor in mündlicher Verhandlung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt. Das Hauptsacheverfahren endete am 27.05.2003 durch Vergleich.

Mit Schriftsatz vom 13.12.2006, Eingang beim Amtsgericht am 27. Dezember 2006, stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Festsetzung und Auszahlung seiner Gebühren und Auslagen. Diesen Antrag wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 15.11.2007 zurück, nachdem der Bezirksrevisor die Einrede der Verjährung erhoben und der Präsident des Landgerichts auch auf die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers hin auf diese Einrede nicht verzichtet hatte.

Gegen den Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Das zulässig eingelegte Rechtsmittel ist unbegründet.

1.

Der Anspruch auf Vergütung für die Wahrnehmung der Interessen der Antragstellerin im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist verjährt.

1. Gemäß § 195 BGB verjährt auch der Vergütungsanspruch des im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse binnen drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Entstanden ist der Anspruch, sobald er erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann (BGHZ 55, 340, 341; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl. München 2008, § 199 Rdn. 3 m.w.N.). Dies ist grundsätzlich mit dem Eintritt der Fälligkeit der Fall. Maßgeblich ist insoweit altes Recht, da der Beschwerdeführer vor Inkrafttreten des RVG im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden ist, § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG (Gerold/Schmidt/Madert, RVG-Kommentar, 17. Aufl. München 2006, § 60 Rdn. 55 m.w.N.). Nach § 16 S. 1 BRAGO, der § 8 Abs. 1 S. 1 RVG entspricht, wird die Vergütung des Rechtsanwalts fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendigt ist.

2. Im vorliegenden Falle war die Angelegenheit vor Ablauf des Jahres 2002 beendigt. Denn eine besondere Angelegenheit im Sinne des Gesetzes ist, wie sich aus § 41 Abs. 1 f) BRAGO ergibt, auch die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 644 ZPO. Dieses Verfahren aber war mit gerichtlichen Anordnung vom 31.10.2002 abgeschlossen. Selbst wenn man insoweit auf den Zeitpunkt der Zustellung der gerichtlichen Anordnung (19.11.2002) abstellen wollte, würde dies hier am Beginn der Verjährungsfrist nichts ändern.

3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers rechtfertigt der unzweifelhaft gegebene Sachzusammenhang, der zwischen dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und dem Hauptverfahren besteht, es nicht, beide Verfahren als eine Angelegenheit im Sinne des Gesetzes anzusehen (s.auch AnwKom-BRAGO/Schneider, § 16 Rdn. 28 f.). Abgesehen davon, dass ein solches Normverständnis in Widerspruch zu § 41 Abs. 1 BRAGO träte, hätte die fehlende Fälligkeit zur Konsequenz, dass der Anwalt vor Beendigung des Hauptverfahrens keine Vergütung für seine Bemühungen im einstweiligen Anordnungsverfahren erlangen könnte. Tatsächlich dient die gesetzliche Differenzierung den Interessen des Anwalts, der auf diese Weise seine Vergütung zeitnah zu der von ihm entfalteten Tätigkeit einfordern kann. Dann aber ist es konsequent und angemessen, wenn insoweit auch die Verjährungsfrist zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Lauf gesetzt wird.

4. Ebenso wenig lässt sich die Beendigung der Angelegenheit im Hinblick auf die in der einstweiligen Anordnung getroffene Kostenentscheidung verneinen. Die Nebenentscheidung des Amtsgerichts, dass die Kosten der Hauptsache folgen sollten, schob nur die Frage, wer die Gerichtskosten endgültig tragen sollte und ob die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten untereinander auszugleichen hatten, auf. Sie berührte weder den Streitgegenstand des Verfahrens noch den Vergütungsanspruch des beigeordneten Anwalts gegen der Staatskasse. Dieser konnte ungeachtet der so gestalteten Kostenentscheidung bereits nach Erlass der einstweiligen Anordnung die Auszahlung der bis dato angefallenen Gebühren verlangen (KostRspr. BRAGO § 16 Nr. 41 mit Anm. N. Schneider).

5. Gemäß § 188 BGB endete die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.2005. Geltend gemacht hat der Beschwerdeführer seinen Anspruch aber erst am 27.12.2006, mithin nach deren Ablauf.

2.

Der Erhebung der Verjährungseinrede steht hier auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen, § 242 BGB.

1. Der Entscheidungsspielraum, der dem Schuldner durch § 214 Abs. 1 BGB eingeräumt ist, unterliegt nur in eingeschränktem Maße einer gerichtlichen Kontrolle. Immerhin hat sich die Justizverwaltung des Landes durch den Erlass der AV des JM vom 30.06.2005 (560 - Z.20) - JMBl.NRW S. 181, im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG einer gewissen Selbstbindung unterworfen, die es als willkürlich und damit als treuwidrig erscheinen lassen könnte, würde sie sich gerade gegenüber dem Beschwerdeführer nicht an die allgemein gesetzten eigenen Vorgaben halten. Unter Berücksichtigung von Ziff. II 4 dieser AV könnte sich die Verjährungseinrede danach als rechtsmißbräuchlich erweisen, wenn sie erhoben worden wäre, obwohl - der Anspruch zweifelsfrei begründet ist und - entweder die Verjährungsfrist erst verhältnismäßig kurze Zeit abgelaufen ist oder der Anspruchsberechtigte aus verständlichen Gründen (z.B. Schweben eines Rechtsmittels oder eines Parallelprozesses, längeres Ruhen des Verfahrens, Tod des Anwalts), die in einem Sachzusammenhang mit dem Erstattungsantrag stehen müssen, mit der Geltendmachung seines Anspruchs gewartet hat (JMBl.NRW 2005, S. 184).

2. In der Tat sind die Voraussetzungen, die es nach Ziff. II 4 der AV regelmäßig erlauben, von der Erhebung der Verjährungseinrede abzusehen, im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Der Senat hat zwar - anders als offenbar der Bezirksrevisor - wenig Zweifel an der Begründetheit des geltend gemachten Vergütungsanspruchs, mag dessen Höhe auch derzeit noch nicht richtig berechnet sein. Seiner Geltendmachung fast ein Jahr nach Ablauf der Verjährungsfrist steht aber die Annahme entgegen, dass "die Verjährungsfrist erst verhältnismäßig kurze Zeit abgelaufen ist". Denn insoweit können nur Fristüberschreitungen von wenigen Tagen, allenfalls Wochen, nicht aber von Monaten gemeint sein. Dass der Anspruchsberechtigte aber "aus verständlichen Gründen, die in einem Sachzusammenhang mit dem Erstattungsantrag stehen, mit der Geltendmachung seines Anspruchs gewartet hat", lässt sich ebenso wenig sagen. Mag der Umstand, dass der Anspruchssteller das Hauptverfahren abgewartet ab, um die Vergütungsansprüche aus beiden Verfahren auf einmal anzumelden, noch nachvollziehbar sein, so ist es unverständlich, warum er dies in den verbleibenden 31 Monaten, die ihm nach Beendigung des Hauptverfahrens im Mai 2003 bis zum Ablauf der Verjährungsfrist verblieben, dann tatsächlich nicht getan hat.

III.

Die Beschwerde war dem gemäß zurückzuweisen, von einer Kostenentscheidung gemäß § 128 Abs. 5 BRAGO abzusehen.

Ende der Entscheidung

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