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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.05.2007
Aktenzeichen: III-1 Ws 500/06
Rechtsgebiete: GKG, RVG, ZPO, JVEG, StPO


Vorschriften:

GKG § 1 Nr. 1 lit. g
GKG § 2 Abs. 4 Satz 2
GKG § 2 Abs. 5
GKG § 2 Abs. 5 Satz 2
RVG § 11 Abs. 1 Satz 1
RVG § 11 Abs. 2 Satz 3
RVG § 46
RVG § 55
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1
JVEG § 4
StPO § 309
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts .......... in Wuppertal wird der Beschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Düsseldorf vom 17. November 2006 aufgehoben und die Sache zur Entscheidung über den Kostenerstattungsantrag des Beschwerdeführers an die zuständige Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf verwiesen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte, ein italienischer Staatsbürger, ist am 25. Juni 2006 vom Landgericht Düsseldorf rechtskräftig wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden; ebenfalls rechtskräftig wurden ihm die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen auferlegt.

In dem der Verurteilung vorausgegangenen Strafverfahren beauftragte der Beschwerdeführer, der als Wahlverteidiger an dem Verfahren beteiligt war, nach Rücksprache mit der Pflichtverteidigerin, das Sprachenbüro ....... mit der Übersetzung ärztlicher Unterlagen des Angeklagten aus der italienischen in die deutsche Sprache. Die übersetzten Unterlagen stellte der Verteidiger sodann dem zur Entscheidungsfindung berufenen Gericht zur Verfügung.

Nach der rechtskräftigen Verurteilung beantragte der Beschwerdeführer am 24. August 2006, die Kosten dieser Übersetzungen in Höhe von 3.043,32 € als Kosten der Staatskasse festzusetzen, wobei er sein Begehren auf eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 2 GKG stützte. Dieser Antrag wurde durch Beschluss des Landgerichts Düsseldorf - Rechtspfleger - vom 17. November 2006 zurückgewiesen. Den am 27. November 2006 hiergegen erhobenen - als "Erinnerung" bezeichneten - Rechtsbehelf hat das Landgericht Düsseldorf - Rechtspfleger - als sofortige Beschwerde ausgelegt, der nicht abgeholfen worden ist.

II.

1. Die form- und fristgerechte sofortige Beschwerde ist zulässig.

Soweit ersichtlich hat der Rechtspfleger den Antrag entgegen der ausdrücklichen Bezugnahme in der Antragsschrift auf § 2 Abs. 4 Satz 2 GKG (wobei der nunmehr geltende § 2 Abs. 5 Satz 2 GKG gemeint gewesen sein dürfte) als Festsetzungsantrag des Wahlverteidigers entsprechend § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG behandelt und zurückgewiesen, weil das erkennende Gericht die Übersetzung nicht veranlasst habe. Die Nichtabhilfeentscheidung hat der Rechtspfleger ergänzend damit begründet, dass es an einer Kosten- und Auslagenentscheidung zu Gunsten des Verurteilten fehle. Gegen die Zurückweisung des Festsetzungsantrags ist nach §§ 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist das Rechtmittel der sofortigen Beschwerde gegeben.

2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Denn der Rechtspfleger war zur Entscheidung über den Antrag noch nicht befugt, weil durch das zuständige Gericht noch keine Grundentscheidung zur Erstattung der konkreten Kosten getroffen worden ist.

Der Antragsteller beruft sich zur Begründung seines Erstattungsanspruchs darauf, dass die Übersetzungen für die Verteidigung seines Mandaten erforderlich waren; sein Begehren stützt sich damit erkennbar auf das in Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK verbürgte Recht auf "unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher", das auch Übersetzungskosten des Wahlverteidigers umfassen kann (vgl. BVerfG - Beschluss vom 27. August 2003 - 2 BvR 2032/01; OLG Köln - Beschluss vom 8. Dezember 1998 - 2 Ws 661/98). Da dieses aus dem Fairnessgebot folgende Recht keine selbständige Anspruchsgrundlage für eine Erstattung von Auslagen für einen Übersetzer oder Dolmetscher darstellt, bedarf es - im näher zu bestimmenden Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK - einer (einfach-) gesetzlichen Erstattungs- oder Kostentragungsvorschrift zur Sicherstellung der "Waffengleichheit" (dazu eingehend BGHSt 46, 178 [183 ff.]). Eine die Übernahme von Aufwendungen des Wahlverteidigers im Falle der Verurteilung regelnde gesetzliche Bestimmung fehlt.

Der Antrag des Rechtsbehelfsführers ist trotz der ausdrücklichen Bezugnahme in der Antragsschrift jedenfalls nicht unmittelbar nach § 2 Abs. 5 Satz 2 GKG zu entscheiden. Diese Regelung betrifft für das Strafverfahren die Befreiung bestimmter Verfahrensbeteiligter von Kosten, die nach § 1 Nr. 1 lit. g GKG an sich zu erheben wären. Da sie die kostenrechtliche Privilegierung des Fiskus bezweckt, lässt sich die begehrte Erstattung von für die Strafverteidigung für notwendig erachtete Aufwendungen des Wahlverteidigers daraus nicht unmittelbar herleiten (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. [2006], GKG § 2 Rn 21).

Unabhängig von der Frage, auf welche einfachgesetzliche Regelung in entsprechender Anwendung - etwa auf den Rechtsgedanken der §§ 46, 55 RVG oder des § 4 JVEG oder des § 2 Abs. 5 GKG - die Entscheidung bis zu einem Tätigwerden des Gesetzgebers zu stützen ist (vgl. BGHSt 46, 178 [187] mit weiteren Nachweisen), obliegt jedenfalls die Entscheidung, ob die Kosten überhaupt zu erstatten sind, dem mit der (Haupt-) Sache befassten Gericht und nicht dem Rechtspfleger; letzterer hat allenfalls in einem späteren Kostenerstattungsverfahren darüber zu befinden, in welcher Höhe die in Anspruch genommene Übersetzungstätigkeit zu erstatten ist. Allein das mit der Hauptsache befasste Gericht kann nämlich sachgerecht darüber befinden, ob in dem konkreten Fall für eine von Art. 6 EMRK gewährleistete effektive Verteidigung die Veranlassung von Übersetzungen durch den Wahlverteidiger erforderlich waren oder ob es ausreicht, dass ein Angeklagter mit Unterstützung des Dolmetschers seinen Verteidiger und gegebenenfalls über diesen das erkennende Gericht über den Inhalt von Gutachten, Urkunden etc. in Kenntnis setzt oder diesen zum Gegenstand eines Beweisantrags macht und es dem Gericht überlässt, die Übersetzung anzuordnen.

III.

Dies führt zur Verweisung der Sache an das zur Entscheidung über den Kostenerstattungsantrag berufenes Gericht. Zwar folgt aus § 309 StPO, dass das Beschwerdegericht grundsätzlich "die in der Sache erforderliche Entscheidung" Selbst zu erlassen hat. Eine eigene Sachentscheidung setzt aber voraus, dass das untere Gericht über die Sache überhaupt entschieden hat. Einer völlig fehlenden sachlichen Entscheidung steht es gleich, wenn die Entscheidung nicht von dem "Gericht" (etwa nach § 4 Abs. 1 JVEG), sondern vom hierzu nicht berufenen Rechtspfleger erlassen worden ist.

Ende der Entscheidung

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