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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: VI-2 U (Kart) 3/04
Rechtsgebiete: AGBG, GWB, BGB, HGB


Vorschriften:

AGBG § 9
AGBG § 9 Abs. 1
GWB § 10 Abs. 1 n.F.
GWB § 10 Abs. 4 Nr. 1 n.F.
GWB § 10 Abs. 4 Nr. 2 n.F.
GWB § 19 n.F.
GWB § 20 n.F.
GWB § 20 Abs. 1 n.F.
GWB § 20 Abs. 2 n.F.
GWB § 20 Abs. 3 n.F.
GWB § 22 Abs. 4 Nr. 1
GWB § 22 Abs. 4 Nr. 2 a.F.
GWB § 33 Satz 1 n.F.
BGB § 134
HGB § 87 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. April 2002 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 14.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.

Gründe:

I.

Die Beklagte ist die größte deutsche Fluggesellschaft. Die Klägerin ist eine Kooperation mehrerer Reisebürounternehmen, die aufgrund sog. IATA-Agenturvertrages Passagierflugleistungen für die Beklagte vermitteln. Die Beklagte zahlt hierfür eine Provision. Die Provision wurde in der Vergangenheit anhand des Flugpreises zuzüglich sog. variabler Landeentgelte (oder -gebühren) und weiterer Nebenkosten berechnet. Die von der Anzahl der Passagiere abhängigen variablen Landeentgelte werden von den Flughafenbetreibern für die Nutzung der Flughafeneinrichtungen erhoben und den Luftverkehrsgesellschaften in Rechnung gestellt, die diese Entgelte an die Flugpassagiere weitergeben. Reisebürounternehmen ziehen neben dem Flugpreis die Landeentgelte von Kunden ein und leiten die Zahlungen an Fluggesellschaften weiter.

Mit der vorliegenden Klage wendet die Klägerin sich dagegen, dass die Beklagte die variablen Landeentgelte seit dem 1.7.1997 nicht mehr verprovisioniert, nachdem sie gegenüber Flugreisevermittlern unter dem 18.12.1996 eine Änderungskündigung der IATA-Agenturverträge erklärt und ihnen den Abschluss eines neuen Agenturvertrages angeboten hatte, der nicht mehr vorsieht, dass von den variablen Landeentgelten eine Provision zu zahlen ist. Die Klägerin und die mit ihr verbundenen Unternehmen nahmen dieses Angebot an.

Gegenstand der Klage sind ausstehende Provisionszahlungen nebst Zinsen, welche die Klägerin aus eigenem und aus abgetretenem Recht aufgrund der eingeschränkten Provisionspraxis der Beklagten seit dem 1.7.1997 ermittelt hat. Darüber hinaus hat die Klägerin Feststellung begehrt, dass die Beklagte variable Landeentgelte auch für die Zukunft zu verprovisionieren habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Senat hat ihr durch Urteil vom 14.5.2003 unter der Maßgabe stattgegeben, dass die Klägerin den Feststellungsantrag - soweit er sich auf den Zeitraum seit dem 1.1.2002 bezogen hat - zurückgenommen hat. Der Senat hat seine Entscheidung mit der nach § 9 Abs. 1 AGBG angenommenen Unwirksamkeit der Regelung im neuen Agenturvertrag begründet, wonach die variablen Landeentgelte nicht mehr zu verprovisionieren sind.

Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, der Ausschluss einer Provision für variable Landegebühren stelle keine mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbare Abweichung (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG mit Blick auf § 87 b Abs. 2 HGB) oder eine Einschränkung von wesentlichen Rechten dar, die die Erreichung des Vertragszwecks gefährde (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG). Auch liege keine entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung der Klägerin vor (§ 9 Abs. 1 AGBG). Die Sache ist zurückverwiesen worden, da der Senat die geänderte Provisionsregelung bisher weder unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt noch den Vortrag der Klägerin geprüft hat, der Klageanspruch ergebe sich auch aus vorprozessualen Äußerungen der Beklagten.

Im neuen Berufungsverfahren vertritt die Klägerin schriftsätzlich die Auffassung, die Beklagte habe durch Änderung ihrer Provisionspraxis eine marktbeherrschende Stellung missbraucht. Die Beklagte beherrsche den relevanten Markt für Luftverkehrsvermittlungsdienste; sie sei auf diesem Markt zumindest marktstark. Darüber hinaus habe sie gegen das in § 20 Abs. 3 GWB normierte Verbot verstoßen, ihre Marktstellung dazu auszunutzen, andere Unternehmen zu veranlassen, ihr ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorzugsbedingungen zu gewähren.

Die Klägerin wertet außerdem den Inhalt der vorgerichtlichen Schreiben der Beklagten vom 13.1.1997, 21.2.1997 und vom 25.1.2000 (Anl. LD 8, LD 7 und LD 9) dahin, die Beklagte habe sich durch Unterwerfung unter das Urteil des Senats vom 28.8.1998 (Az. U (Kart) 7/98) ohne Einschränkung dazu verpflichtet, die variablen Landeentgelte zu verprovisionieren. Im Urteil vom 28.8.1998, das durch Nichtannahme der Revision der Beklagten (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29.3.2000, Az. VIII ZR 338/98) rechtskräftig geworden ist, war die Beklagte zur Zahlung einbehaltener und auf variable Landeentgelte entfallender Provisionsanteile verurteilt worden, nachdem sie die variablen Landeentgelte - wie im IATA-Agenturvertrag vorgesehen war - durch einseitige Leistungsbestimmung von einer Provisionspflicht ausgenommen hatte.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, 30.987,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 24.4.2001 an sie zu zahlen;

2. festzustellen, dass - soweit in der Vergangenheit verdiente Provisionen nicht bereits vom Antrag zu 1. erfasst sind - die Beklagte auf der Grundlage und während des Bestehens des zwischen den Parteien geschlossenen IATA-Agenturvertrages vom 15.12.1993, und zwar bis zum 31.12.2001, verpflichtet sei, an sie, die Klägerin, Provisionen für die Vermittlung von Flügen auch von den variablen Landegebühren zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Berufungsbegehren und dem Vorbringen der Klägerin weiterhin entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und auf die mit diesen vorgelegten Anlagen, insbesondere auf die vorbezeichneten Aktenbestandteile, sowie auf den Tatbestand des aufgehobenen Senatsurteils vom 14.5.2003 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Die von der Klägerin beanstandete Provisionsregelung der Beklagten verstößt nicht gegen kartellrechtliche Verbote. Die Klägerin kann sich zur Begründung des Klagebegehrens mit Erfolg auch nicht auf angebliche Leistungszusagen der Beklagten in vorprozessualen Schreiben berufen.

A. Zum Zahlungsantrag:

1. Die Änderung der Provisionsregelung verstößt nicht gegen kartellrechtliche Verbote. Insoweit sind mögliche Verstöße sowohl gemäß den Vorschriften des GWB a.F. - da sie sich im Geltungszeitraum der früheren Gesetzesfassung zugetragen haben sollen - als auch an den Bestimmungen des am 1.1.1999 in Kraft getretenen GWB n.F. zu messen, da die Beklagte die geänderte Provisionspraxis über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des GWB n.F. hinaus angewandt hat. Diese rechtlichen Maßstäbe haben auch im Hinblick auf den Feststellungsantrag zu gelten, der den Zeitraum bis zum 31.12.2001 umfasst.

a. Es kommen Verstöße der Beklagten gegen folgende kartellrechtlichen Normen in Betracht:

(1.) ein Verstoß gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 10 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 und 2 GWB n.F.. Dieses Verbot ist allerdings erst seit dem 1.1.1999 in Kraft. Wegen des zeitlich davor liegenden - nicht unbeträchtlichen - Anspruchszeitraums kann die Vorläufernorm des § 22 Abs. 4 Nr. 1 und 2 GWB a.F. zur Begründung eines im Zivilrechtsweg verfolgbaren Rechtsverstoßes nicht herangezogen werden, da diese Vorschrift allein Rechtsgrundlage für ein Eingreifen der Kartellbehörden war.

(2.) Einen Verstoß gegen die Behinderungsverbote des § 20 Abs. 1 und 2 GWB n.F. (sowie von § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB a.F.) hat die Klägerin schriftsätzlich zwar nicht geltend gemacht. Bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 19.3.2003 hat der damalige Prozessvertreter der Klägerin indes erklärt, es sollten auch diese Bestimmungen zur Begründung der Klage herangezogen werden. Dem hat sich der Bevollmächtigte der Klägerin in der erneuten Berufungsverhandlung angeschlossen. Ein Verstoß der Beklagten gegen das in § 20 GWB n.F. (§ 26 GWB a.F.) geregelte Diskriminierungsverbot scheidet hingegen aus, weil die Beklagte bei der geänderten Provisionsregelung Reisebürounternehmen - wie außer Streit steht - nicht ungleich behandelt hat.

(3.) Aufgrund ausdrücklich erhobener Einrede ist die Provisionspraxis der Beklagten schließlich auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 20 Abs. 3 GWB n.F. (§ 26 Abs. 3 GWB a.F.) - Veranlassung zur Gewährung von Vorzugsbedingungen - zu überprüfen.

(4.) Verletzt die geänderte Provisionsregelung eine der genannten kartellrechtlichen Normen, ist sie wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB unwirksam (vgl. BGH GRUR 1989, 774, 776 - Staatslotterie; Urteil des Senats vom 30.1.2002, Az. U (Kart) 25/98, Urteilsabdruck S. 17). Dies hätte zur Folge, dass der IATA-Agenturvertrag vom 15.12.1993 und die auf seiner Grundlage getroffene Provisionsbestimmung (Berechnung der Provision einschließlich der variablen Landeentgelte) weiterhin in Kraft ist. Unabhängig hiervon ist die Beklagte im Fall einer Kartellrechtsverletzung unter dem Gesichtspunkt der Beseitigung einer Kartellrechtsverletzung nach § 33 Satz 1 GWB n.F. (§ 35 Abs. 1 GWB a.F.) zur Zahlung der einbehaltenen Provisionen verpflichtet. Dieser Anspruch ist von einem Verschulden unabhängig (vgl. BGH WuW/E 2805, 2811 f. - Stromeinspeisung).

Der Senat beschränkt die rechtliche Prüfung aus Zweckmäßigkeitsgründen auf solche kartellrechtlichen Normen, die lediglich eine Marktstärke der Beklagten und eine unternehmensbedingte Abhängigkeit der Klägerin von der Beklagten in der Weise voraussetzen, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, für sie, die Klägerin, nicht bestehen. Marktstärke der Beklagten ist nach den Umständen eher zu bejahen als eine marktbeherrschende Stellung. Überdies decken im vorliegenden Fall die an eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten anknüpfenden Missbrauchstatbestände des § 19 GWB n.F. den gesamten Anspruchszeitraum nicht ab. Unabhängig hiervon erfordern sowohl der Tatbestand des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung als auch der einer unbilligen Behinderung (gleichgültig, ob er rechtlich an einer Marktbeherrschung oder lediglich an einer Marktstärke des Normadressaten ansetzt) unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Gesetzes eine Abwägung der beteiligten Individualinteressen. Aus kartellrechtlicher Sicht ist allein das Ergebnis der Interessenabwägung streitentscheidend.

b. Die nach diesen Vorgaben behaupteten Verstöße der Beklagten gegen das Behinderungsverbot von § 20 Abs. 2 GWB n.F. (§ 26 Abs. 2 Satz 2 GWB a.F.) und gegen das Verbot einer Veranlassung zur Gewährung von Vorzugsbedingungen nach § 20 Abs. 3 GWB n.F. (§ 26 Abs. 3 GWB a.F.) sind zu verneinen.

(1.) Zu § 20 Abs. 2 GWB n.F. (§ 26 Abs. 2 Satz 2 GWB a.F.) - Behinderungsverbot:

aa. In sachlicher Hinsicht ist von der Änderung der Provisionsregelung der Markt für die Vermittlung von innerdeutschen Flügen und von Flügen aus Deutschland ins Ausland für Geschäfts- und Privatkunden betroffen. Zum relevanten Markt gehören auch die Vermittlung von Flügen aus dem Ausland nach Deutschland (obwohl unüblich, entsprechend übereinstimmendem Vortrag der Parteien aber nicht ausgeschlossen) sowie die Vermittlung von Charterflügen für Endverbraucher. Der relevante Markt ist in räumlicher Hinsicht bundesweit abzugrenzen.

bb. Auf dem so beschriebenen Markt ist die Beklagte als Nachfragerin von Flugvermittlungsleistungen marktstark. Sie ist - wie dem Senat aus dem früheren Prozess U (Kart) 7/98, an dem beide Parteien beteiligt waren, durch ein Schreiben des Bundeskartellamts vom 21.1.1997 an die Beklagte bekannt ist - mit einem Marktanteil von etwa 15 % die größte Nachfragerin auf dem Vermittlungsmarkt. Zwar bezieht sich dieses Schreiben auf länger zurückliegende Verhältnisse, doch spricht nichts dagegen, dass die genannte Größenordnung derzeit immer noch zutrifft. Die Beklagte tritt auf dem relevanten Vermittlungsmarkt als bedeutende Nachfragerin auf. Flugreisevermittler können im geschäftlichen Verkehr mit Blick auf die Beziehungen zu Geschäftskunden, die Umsätze und die Marktstellung der Beklagten nicht darauf verzichten, Passagierflüge mit der Beklagten zu vermitteln. Sie müssen diese Vermittlungen gleichermaßen in ihrem "Sortiment" führen, sofern sie nicht erhebliche Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen wollen. Es ist deswegen eine unternehmensbedingte Abhängigkeit gegeben. Die Klägerin ist - wie zu ihren Gunsten unterstellt werden kann - auch als ein kleines oder mittleres Unternehmen anzusehen. Ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten auf andere Nachfrager von Flugvermittlungsleistungen sind nicht vorhanden (vgl. das Urteil des Senats vom 30.1.2002, Az. U (Kart) 25/98, Urteilsabdruck S. 20).

cc. Die durch die geänderte Provisionsregelung objektiv eingetretene Behinderung der Klägerin ist gemäß der anzustellenden Interessenabwägung jedoch nicht unbillig. Hierbei ist zu berücksichtigen:

Auf Seiten der Klägerin ist das Interesse festzustellen, denjenigen Teil ihrer gewerblichen Tätigkeit, welcher dem Bereich der variablen Landeentgelte gilt, angemessen vergütet zu bekommen. Für den Standpunkt der Klägerin spricht das Prinzip der Entgeltlichkeit der gewerblichen Geschäftsbesorgung. Auf der anderen Seite hat die Beklagten ein Interesse daran, durch Kürzung der Provisionsgrundlage Absatz- und Vertriebskosten einzusparen. Hierbei handelt es sich um keinen nur vordergründigen Belang. Denn der Beklagten ist grundsätzlich ein legitimes Interesse daran zuzuerkennen, den Vertrieb ihrer Flugleistungen durch freie unternehmerische Entscheidung in einer Weise auszugestalten, die geeignet ist, einen angemessenen Unternehmensgewinn sicherzustellen. Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe die beanstandete Kürzung der Provisionsberechnung ohne Kostendruck verfügt, da sie in den vergangenen Geschäftsjahren durchweg Unternehmensgewinne verzeichnet habe, ist ungeeignet, den ihr, der Beklagten, offenstehenden Handlungsspielraum unter kartellrechtlichen Maßstäben einzuschränken. Unter dem Gebot anzuerkennender unternehmerischer Handlungsfreiheit ist der Beklagten selbstverständlich einzuräumen, wirtschaftliche Entscheidungen, durch die ihre Vertragspartner objektiv benachteiligt werden, auch mit Blick auf künftige wirtschaftliche Entwicklungen und auf ihre zukünftige Gewinnlage zu treffen.

Der hiernach im Ergebnis ausgeglichenen Interessenlage steht die den Flugreisevermittler, der im Rechtssinn Handelsvertreter ist, begünstigende gesetzliche Wertung in § 87 Abs. 2 HGB gegenüber. Dieser gesetzlichen Wertung kommt bei der Interessenabwägung zu Gunsten der Klägerin jedoch keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Kürzung der Provisionsbemessungsgrundlage weicht vom Grundgedanken des § 87 Abs. 2 HGB nicht unvereinbar ab. Hierfür spricht:

Die variablen Landeentgelte haben auf die Gesamthöhe der den Flugreisevermittlern zustehenden Provision nur einen geringen Einfluss (unter 1 bis ca. 5 %).

Die auf die variablen Landegebühren entfallende Tätigkeit der Vermittler ist nach Umfang und Bedeutung eher untergeordnet. Es entfällt hierauf in der Regel kein besonderer Aufwand. Zusätzliche Beratungstätigkeit kommt erfahrungsgemäß - und mit dem Vortrag der Parteien übereinstimmend - nur selten vor.

Die die variablen Landeentgelte betreffende und in den meisten Fällen in einer bloßen Weiterleitung bestehende Vermittlungstätigkeit der Reisebürounternehmen lässt sich unter praktischen Gesichtspunkten nicht in einen entgeltlichen und in einen - hinsichtlich der Erhebung und Weiterleitung der variablen Landeentgelte - unentgeltlichen Teil aufspalten. Die Tätigkeit der Reisevermittler stellt sich in aller Regel als eine einheitliche Leistung dar.

Durch die von der Beklagten vorgenommenen Abstriche bei der Provisionsbemessungsgrundlage werden wesentliche Rechte und Pflichten der Vertragsparteien nicht in einer den Vertragszweck gefährdenden Weise eingeschränkt.

Die Kürzung der Grundlage für die Provisionsberechnung stellt keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG dar.

Unter Abwägung der vorgenannten Gesichtspunkte hat der Bundesgerichtshof in dem in der vorliegenden Sache auf das Senatsurteil vom 14.5.2003 (Az. U (Kart) 30/02) ergangenen Revisionsurteil vom 12.5.2004 (Az. VIII ZR 159/03, Urteilsabdruck S. 8 ff.) entschieden, die in der Änderungskündigung der Beklagten vom 18.12.1996 verwendete Klausel, wonach variable Landeentgelte nicht verprovisioniert werden, halte einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand.

Die kartellrechtlich gebotene Abwägung hat zwar unter einem anderen rechtlichen Blickwinkel und unter einem anderen rechtlichen Maßstab zu erfolgen. Gleichwohl sind jeweils dieselben Gesichtspunkte zu bedenken, deren Abwägung hier zum selben Ergebnis führt. Was unter dem rechtlichen Aspekt von § 9 AGBG nicht zu beanstanden ist, stellt in der Regel auch keinen Verstoß gegen kartellrechtliche Normen dar. Der Sachverhalt des vorliegenden Falls rechtfertigt es nicht, hiervon ausgenommen zu werden.

2. Zu § 20 Abs. 3 GWB n.F. (§ 26 Abs. 3 GWB a.F.) - Veranlassung zur Gewährung von Vorzugsbedingungen:

a. Die Norm schützt - entgegen der Meinung der Beklagten - im Prinzip wohl auch den Veranlassten, also die Marktgegenseite (vgl. Bechtold, GWB, 2. Aufl., § 20 Rn. 58; Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 20 Rn. 252; KG WuW/E DE-R 368). Im Ergebnis kann dies freilich dahingestellt bleiben.

b. Denn die Bestimmung sanktioniert tatbestandsmäßig nur das Verhalten eines marktbeherrschenden oder marktstarken Unternehmens, welches nicht nur vorübergehend, sondern systematisch, d.h. mit der Zielsetzung, Konkurrenten in ihren Wettbewerbsmöglichkeiten auf dem relevanten Markt zu beeinträchtigen, Lieferanten oder Dienstleister dazu veranlasst, ihm - und zwar nur ihm - Vorzugsbedingungen zu gewähren. Der Verbotstatbestand setzt voraus, dass der Adressat eines solchen Verhaltens vom Veranlasser zielgerichtet dazu angehalten wird, ihn besser zu behandeln als seine Wettbewerber, gleichartigen Wettbewerbern die zu gewährenden Vorteile also vorzuenthalten (vgl. auch Bechtold, § 20 GWB Rn. 56; Markert in Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 261). Eine dahingehende Zielsetzung der Handlungsweise der Beklagten behauptet die Klägerin nicht; sie hat lediglich eine Behinderung ihres Unternehmens sowie gleichartiger Unternehmen vorgetragen. Sofern die Klägerin mit ihrem Vorbringen Derartiges vorzutragen beabsichtigt hat, hat sie ihren bestrittenen Vortrag jedenfalls nicht unter Beweis gestellt. Dies geht prozessual zu ihren Lasten.

2. Die vorprozessualen Schreiben der Beklagten geben für ein Anerkenntnis der Zahlungsforderung nichts her. Zwar hat die Beklagte mit den Schreiben vom 13.1. und 21.2.1997 sowie mit ihrem Schreiben vom 25.1.2000 erklären lassen, sie werde in der Frage der Verprovisionierung der Landegebühren ein rechtskräftiges Urteil akzeptieren und sich diesem unterwerfen (vgl. Anl. LD 8, 7 und 9). Die Beklagte hat diese Erklärungen jedoch mit Blick auf das Urteil des Senats vom 28.8.1998 (Az. U (Kart) 7/98) = 91 O 156/96 des Landgerichts Köln) abgegeben. Im damaligen Rechtsstreit war über die Verhaltensweise der Beklagten zu urteilen, die Provisionsbemessungsgrundlage - wie es in den IATA-Agenturverträgen vorgesehen war - durch einseitige Leistungsbestimmung gekürzt zu haben. Die Änderungskündigung vom 18.12.1996 war nicht Gegenstand jenes Prozesses. Über diese Kündigung und die hierdurch eingeleitete Umstellung der Provisionspraxis ist im früheren Rechtsstreit nicht - auch nicht inzident - entschieden worden. Auch ist die vorliegende Zahlungsklage in zeitlicher Hinsicht erst nach den Erklärungen der Beklagten erhoben worden, in denen die Klägerin ein Anerkenntnis des Zahlungsanspruchs sieht. Im Zeitpunkt der Erklärung war demnach kein Urteil zu erwarten, welches sich mit der auf die Änderungskündigung umgestellten Provisionsregelung befasste und dem die Beklagte sich hätte unterwerfen können. Die mit der Änderungskündigung eingeleitete Umstellung ist erst mit der vorliegenden und im Jahr 2001 erhobenen Klage angegriffen worden. Hiervon abgesehen geht insbesondere aus dem Schreiben der Beklagten vom 21.2.1997 überdies hervor, dass die Beklagte sich vorbehielt, die Provisionsberechnung infolge der Änderungskündigung rechtswirksam umgestellt zu haben. So hat sich die Beklagte in jenem Schreiben ausdrücklich dagegen gewandt, dass ihre Erklärung auch dann als eine antizipierte Unterwerfung unter ein rechtskräftiges Urteil zu verstehen sei, wenn bei der Umsetzung der neuen Provisionsregelung "Formfehler" gemacht worden seien, und zwar namentlich in der Weise, dass "unsererseits eine Änderungskündigung hätte ausgesprochen werden müssen". Denn diesen Formfehler, so die Beklagte, habe sie durch die Änderungskündigung vom Dezember 1996 geheilt. Diese Einschränkung zeigt, dass die Beklagte die Unterwerfungserklärung nicht auf den Sachverhalt erstreckt sehen wollte, der sich durch die Erklärung der Änderungskündigung und einen Neuabschluss von Agenturverträgen vom Gegenstand des Vorprozesses U (Kart) 7/98 des Oberlandesgerichts Düsseldorf und 91 O 156/96 des Landgerichts Köln) unterschied. Gegen ihren erkennbaren Willen kann die Erklärung der Beklagten nicht ausgelegt werden (§ 133 BGB).

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 17.12.2004 gibt zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass.

2. Zum Feststellungsantrag:

Der Feststellungsantrag ist zulässig. Insoweit ist zur Vermeidung einer Wiederholung auf die Entscheidungsgründe des Senatsurteils vom 14.5.2003 (Az. U (Kart) 30/02, Urteilsabdruck S. 8) zu verweisen.

Der geltend gemachte Anspruch ist jedoch unbegründet. Der Feststellungsanspruch kann nicht weiter gehen als das abschlägig zu bescheidende Zahlungsbegehren.

Die Revision ist für die Klägerin nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für die Berufung und Wert der Beschwer der Klägerin:

1. bis zum 3.4.2003: bis 65.000 Euro.

Der Feststellungsantrag ist neben dem Zahlungsantrag mit 45.600 DM zu bewerten. Maßgebend für ihn ist - abgestellt auf den Zeitpunkt der Klageerhebung - in entsprechender Anwendung von § 9 Satz 1 ZPO der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Bezugs, d.h. der Wert der von der Beklagten einbehaltenen Provisionsanteile. Aus dem Zahlungsanspruch ergibt sich, dass die Beklagte infolge der geänderten Provisionsregelung im Durchschnitt pro Monat 1.360 DM an Provisionen einbehalten hat. Hochgerechnet auf den Zeitraum von dreieinhalb Jahren und abzüglich eines bei Feststellungsanträgen gebotenen Abschlags von 20 % ist das Feststellungsbegehren mit 45.600 DM zu bewerten. Zusammen mit dem Zahlungsantrag beträgt der Streitwert folglich 106.202 DM, was (innerhalb der Gebührengrenze bis zu einem Streitwert von 65.000 Euro) etwa 54.302 Euro entspricht.

2. seither (vom Eingang der den Feststellungsantrag betreffenden Erklärung der teilweisen Klagerrücknahme bei Gericht an): bis 45.000 Euro.

Der Senat hat den Feststellungsantrag entsprechend § 9 Satz 2 ZPO wertmäßig und abzüglich eines Abschlags von 20 % hier auf den Zeitraum vom 1.2.2000 bis zum 31.12.2001 beschränkt. Der Streitwert beträgt ca. 25.000 DM und einschließlich des Zahlungsantrags etwa 85.606 DM, d.h. umgerechnet ca. 43.770 Euro (innerhalb der Gebührengrenze bis zu einem Streitwert von 45.000 Euro).

Ende der Entscheidung

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