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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: VI-3 Kart 29/08 (V)
Rechtsgebiete: EnWG, VwVfG, ZPO, GWB


Vorschriften:

EnWG § 3 Nr. 17
EnWG § 4
EnWG § 52
EnWG § 54 Abs. 2 Nr. 8
EnWG § 66 a
EnWG § 66 a Abs. 1
EnWG § 75 Abs. 4
EnWG § 92
EnWG § 110
EnWG § 110 Abs. 1
EnWG § 110 Abs. 1 Nr. 1
EnWG § 110 Abs. 1 Nr. 2
EnWG § 110 Abs. 1 Nr. 3
VwVfG § 42
ZPO § 512 a
ZPO § 528
ZPO § 549 Abs. 2
GWB § 55
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur vom 23. Januar 2008 - BK 6-07-037 - wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der gegnerischen Bundesnetzagentur und der weiter beteiligten Antragstellerin zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000 € festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob dem Energieversorgungsnetz eines Einkaufszentrums Objektnetzcharakter zukommt. Der betroffene Beschwerdeführer ist Eigentümer des im in X eröffneten Einkaufszentrums Y, das auf einer Fläche von ca. qm über mehr als verschiedene Einzelhandelsgeschäfte, Gastronomiebetriebe und zwei große Verbrauchermärkte verfügt.

. . .

Alle Mieter sind Mitglieder der Y Werbegemeinschaft GbR, deren Gesellschaftszweck es ist, auf dem Gebiet der Verkaufsförderung und Werbung Maßnahmen zu beraten, zu beschließen und für das Einkaufszentrum als auch für die Gesellschafter insgesamt durchzuführen. Gegenüber den Mietern und Geschäftsinhabern des Einkaufszentrums tritt der Betroffene als Netzbetreiber und Stromlieferant auf. Die Ladengeschäfte werden über eine hauseigene Niederspannungsverteilung mit Strom versorgt, die wiederum über mehrere Transformatoren aus der Mittelspannungsebene des örtlichen Netzbetreibers gespeist wird. Alle Elektrizitätsversorgungsanlagen des Einkaufszentrums sowie die Transformatoren stehen im Eigentum des Beschwerdeführers. Mit der Betriebsführung und Wartung der Anlagen hat er die "Y GmbH und Co KG" beauftragt. Diese hat ihrerseits technisches Personal angestellt, welches erforderliche Arbeiten durchführt. Den benötigten Strom bezieht er von den Stadtwerken X, die nicht nur die Belieferung und Messung, sondern in seinem Namen auch die Abrechnung der Netznutzung und Stromentnahme durchführen. Die Elektrizitäts-Verteilanlagen des Einkaufszentrums sind auf eine gleichzeitige Jahreshöchstlast von circa kW ausgelegt. Zum Zeitpunkt der Errichtung wurde eine ausgespeiste Jahresarbeit von kWh geplant. Die Summe der vereinbarten Anschlussleistungen beträgt ca. kW.

Die Antragstellerin ist ein überregional tätiger Stromlieferant, die mit Tochtergesellschaften der bundesweit tätigen A Rahmenverträge über die Strombelieferung ihrer Filialbetriebe geschlossen hat und von daher drei der in der "Y" ansässigen Einzelhandelsgeschäfte mit Strom beliefern will. Vor diesem Hintergrund wurde auf ihren Antrag vom 4. Mai 2007 von der gegnerischen Bundesnetzagentur zunächst ein besonderes Missbrauchsverfahren wegen unberechtigter Verweigerung des Netzzugangs gegen die Stadtwerke X eingeleitet. Nachdem sich in diesem Missbrauchsverfahren, das die Bundesnetzagentur für die Landesregulierungsbehörde des Landes N führte, herausgestellt hatte, dass der Betroffene als Netzbetreiber anzusehen ist, nahm die Antragstellerin diesen Antrag unter dem 22. August 2007 zurück. Auf ihren zugleich gestellten Antrag leitete die Bundesnetzagentur ein besonderes Missbrauchsverfahren gegen den Betroffenen ein. Mit Rücksicht auf das hiesige Verfahren ist über seinen schon unter dem 30. Januar 2007 gestellten Antrag, die zum Einkaufszentrum gehörenden Stromversorgungsanlagen als Objektnetz anzuerkennen, nicht entschieden ( AZ: BK6-078-012).

Durch den angegriffenen Beschluss vom 10. Juni 2008, der keinen Hinweis auf ein Handeln der Bundesnetzagentur als Landesregulierungsbehörde enthält, wurde dem Betroffenen untersagt, der Antragstellerin den Netzzugang zu den von ihr benannten Abnahmestellen abzulehnen. Zugleich wurde er verpflichtet, ihr Netzzugang zwecks Belieferung dieser Lieferstellen zu angemessenen Bedingungen zu verschaffen und einen den Netzzugang vermittelnden Vertrag anzubieten. Zur Begründung hat die Beschlusskammer im wesentlichen ausgeführt, dass das von dem Betroffenen betriebene Netz nicht die Voraussetzungen eines Objektnetzes i.S.d. § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG erfülle. Es sei schon ein zweifelhaft, ob ein gemeinsamer übergeordneter Geschäftszweck vorliege, jedenfalls aber würde die Verfolgung eines solchen durch die Unterwerfung des Netzes unter die vollständigen Regulierungsvorgaben nicht unzumutbar erschwert.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Betroffenen, der den ihm insoweit auferlegten Verpflichtungen seit dem 1.08.2008 - unter dem Vorbehalt der endgültigen gerichtlichen Entscheidung - nachkommt. Er meint, die Missbrauchsverfügung sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig.

Die Bundesnetzagentur habe nicht als zuständige Behörde gehandelt. Für die Durchführung eines besonderen Missbrauchsverfahrens sei gem. § 54 Abs. 2 Nr. 8 EnWG die Landesregulierungsbehörde zuständig, wenn - wie hier - an das Netz des betroffenen Energieversorgungsunternehmens nicht mehr als 100.000 Kunden angeschlossen seien. Die Bundesnetzagentur nehme zwar aufgrund des zwischen dem Land N und dem Bund getroffenen Organleiheabkommens neben ihren originären Aufgaben auch die der Landesregulierungsbehörde N wahr. Augenscheinlich habe sie jedoch nicht als Landesregulierungsbehörde, sondern als Bundesbehörde entschieden, so dass der Bescheid formell rechtswidrig sei. Sollte der Senat ein Handeln der Bundesnetzagentur als Landesregulierungsbehörde für gegeben ansehen, werde hilfsweise die Verweisung an das zuständige Oberlandesgericht C beantragt.

In materieller Hinsicht gehe die Beschlusskammer fälschlich davon aus, dass die Voraussetzungen an ein Objektnetz im Sinne des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG nicht vorliegen. Folge der vollständigen Regulierung des streitgegenständlichen Netzes sei eine unzumutbare Erschwernis des übergeordneten Geschäftszwecks. Insoweit müsse eine wirtschaftliche Betrachtungsweise erfolgen, so dass Unzumutbarkeit bereits vorliege, wenn die Energiekosten der Kunden durch die Kosten für Umsetzung und Einhaltung der Netzbetreiberpflichten erhöht würden, ohne dass etwaige Wettbewerbsvorteile zugleich zu einer die zusätzlichen Regulierungskosten übersteigenden Preisreduzierung führten. Die vollständige Regulierung des streitgegenständlichen Netzes führe zu einer solchen erheblichen Kostensteigerung - einer errechneten jährlichen Mehrbelastung in Höhe von € und damit zu einer auf die Regulierung zurückzuführenden Preiserhöhung von €/Kilowattstunde -. Diese Kostensteigerung sei entgegen der Auffassung der Beschlusskammer geeignet, die Verwirklichung des übergeordneten gemeinsamen Geschäftszwecks zu erschweren, da Vorteile für die Kunden gerade nicht erkennbar seien. Ungeachtet dessen verneine die Beschlusskammer eine unzumutbare Erschwernis, indem sie die Durchsetzung der freien Lieferantenwahl durch die Kunden betone. Damit rücke sie nicht die Preisgünstigkeit der Energieversorgung in den Vordergrund, sondern die Förderung des Wettbewerbs. Gänzlich unberücksichtigt lasse die Beschlusskammer, dass er als Investor der "Y" im Wettbewerb zu anderen Verpächtern von Gewerberaum stehe, die den Einzelhändlern als potentiellen Pächtern entsprechende Flächen zur Verfügung stellten. Die Errichtung eines Objektnetzes sei insoweit wettbewerbsfördernd, als er über eine günstige Stromversorgung auf einem anderen Markt die Attraktivität seines Angebots stärke. Zudem berücksichtige sie auch nicht, dass von vornherein ein zu sanktionierendes Missbrauchspotenzial angesichts der vertraglichen Gemengelage aus Verpachtung im Rahmen eines einheitlichen Gesamtkonzepts und Stromlieferung nicht gegeben sei. Vielmehr werde er in jedem Fall durch die Marktkräfte im Rahmen des Wettbewerbs zu anderen Verpächtern von Gewerberaum ausreichend kontrolliert, so dass die aus Sicht des EnWG-Gesetzgebers primär zu schützenden Letztverbraucher von Energie in diesem Fall des gesetzlichen Schutzes durch Regulierung gerade nicht bedürften. Dem stehe auch nicht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22.05.2008 entgegen. Sie befasse sich ausschließlich mit der Frage, ob die Auslegung des Art. 20 der Richtlinie 20003/54/EG der in § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG vorgesehenen Ausnahme entgegenstehe. Auch wenn zuzugestehen sei, dass die Erwägungen im Rahmen des § 110 Abs. 1 EnWG in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen seien, so müsse doch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass zwischen den Katalognrn. 1 und 2 des § 110 Abs. 1 EnWG ein grundlegender Unterschied bestehe. § 110 Abs. 1 Nr. 2 stelle mit dem Tatbestandsmerkmal "unzumutbare Erschwernis für den gemeinsamen übergeordneten Geschäftszweck" deutlich strengere Anforderungen an ein Objektnetz, wobei mittelbar auch die Interessen der Netznutzerseite berücksichtigt werden müssten.

Er beantragt,

den Bescheid der Beschwerdegegnerin vom 10.06.2008 aufzuheben.

Die Bundesnetzagentur hatte zunächst beantragt, das Beschwerdeverfahren an das zuständige Oberlandesgericht C zu verweisen und dazu vorgetragen, sie habe den angegriffenen Beschluss im Wege der Organleihe erlassen, da sie das Verfahren als Landesregulierungsbehörde eingeleitet und geführt habe. Lediglich aufgrund eines Büroversehens sei der angefochtene Beschluss in die Arbeitsvorlage für Sachen in originärer Zuständigkeit kopiert worden, was eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 42 VwVfG darstelle. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 3. Dezember 2008 zurückgewiesen.

Nunmehr bittet die Bundesnetzagentur um Zurückweisung der Beschwerde, indem sie die angegriffene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Gründe verteidigt.

Die Antragstellerin verteidigt ebenfalls die angegriffene Entscheidung. Auch sie meint, die von der Bundesnetzagentur ermittelte Mehrbelastung von cent/kWh sei hinzunehmen. Es handele sich dabei um einen geringfügigen wirtschaftlichen Nachteil, der nicht ausreiche, um ein Netz aus dem Regulierungsrahmen herauszunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Bundesnetzagentur, den Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2008, die mit Beschluss vom 24. April 2009 erteilten Hinweise und das Protokoll der Senatssitzung mit den den Beteiligten weiter erteilten rechtlichen Hinweisen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Beschwerde hat aus den mit den Beteiligten in der Senatssitzung erörterten Gründen keinen Erfolg.

I.

Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 3. Dezember 2008 ausgeführt hat, ist er zur Entscheidung über die Beschwerde gem. § 75 Abs. 4 EnWG zuständig, da die Bundesnetzagentur in dem Missbrauchsverfahren in originärer Zuständigkeit und nicht für die Landesregulierungsbehörde des Landes N entschieden hat. Den Antrag, das Beschwerdeverfahren an das Oberlandesgericht C zu verweisen, hat der Senat daher zurückgewiesen.

II.

1. Dass der Beschluss schon formell rechtswidrig ist, lässt sich - entsprechend dem Hinweis im Beschluss vom 3. Dezember 2008 - nicht feststellen. Zwar führt der Betroffene zu Recht an, dass die Bundesnetzagentur gem. § 54 Abs. 2 Nr. 8 EnWG nur für die Landesregulierungsbehörde des Landes N hätte entscheiden dürfen, weil an sein Netz nicht mehr als 100.000 Kunden angeschlossen sind und das Land N die Bundesnetzagentur mit der Wahrnehmung der Aufgaben der Landesregulierungsbehörde beauftragt hat.

Diese Rüge hat er jedoch nicht rechtzeitig geltend gemacht. Ein Beteiligter, der der Auffassung ist, dass die Regulierungsbehörde örtlich oder sachlich unzuständig ist, muss diese Rüge nach dem mit Wirkung vom 22. Dezember 2007 in Kraft getretenen § 66 a Abs. 1 EnWG bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens gegenüber der Regulierungsbehörde erheben. Tut er dies nicht, kann er die Beschwerde nicht auf die Unzuständigkeit stützen (§ 66 a Abs. 2 EnWG).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Wie der Betroffene selbst geltend macht, ist er angesichts des Umstands, dass die Bundesnetzagentur ab der Beendigung des Missbrauchsverfahrens gegen die Stadtwerke X ihm gegenüber nur noch als Bundesbehörde aufgetreten ist, davon ausgegangen, dass sie als solche einschreiten wollte (S. 3 des SS vom 21.11.2008, Bl. 65 GA). Dem Senat ist es von daher verwehrt, die Zuständigkeit zu überprüfen, er hat vielmehr davon auszugehen, dass die Bundesnetzagentur als zuständige Behörde gehandelt hat.

Fehl geht der hiergegen von dem Betroffenen vorgebrachte Einwand, § 66 a EnWG finde auf den vorliegenden Fall der Kompetenzverteilung zwischen den Landesregulierungsbehörden und der Bundesnetzagentur keine Anwendung. In dem Gesetzesentwurf zur nachträglichen Einfügung des § 66 a EnWG - BT- Drs. 16/5847 -, der in Anlehnung an § 55 GWB, §§ 512 a, 528, 549 Abs. 2 ZPO geschaffen worden ist, heißt es ausdrücklich: "Es handelt sich um eine Ergänzung, die eine Folge der Änderung der behördlichen Zuständigkeiten während des Gesetzgebungsverfahrens zum EnWG auf Grundlage der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses ist. Durch die vorgesehene Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundesnetzagentur und Landesregulierungsbehörden ist ein Bedürfnis nach Rechtssicherheit über die zuständige Regulierungsbehörde entstanden, das auch der entsprechenden Regelung in § 55 GWB zugrunde liegt." Ein Fall der sachlichen Zuständigkeit ist es dementsprechend, ob die Bundesnetzagentur oder eine Landesregulierungsbehörde zuständig ist (so auch für die entsprechende Regelung des § 55 GWB K.Schmidt/Bach, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. A., Rn 1 zu § 55). Der vorliegende Fall zeigt gerade die intendierte Unbeachtlichkeit von solchen Zuständigkeitsfehlern, die - mangels Rüge im Verwaltungsverfahren - nicht zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung wegen formeller Rechtswidrigkeit führen sollen. Die Rechtmäßigkeitskontrolle wird in diesen Fällen auf materielle - inhaltliche - Fehler beschränkt.

2. Zu Recht hat die Beschlusskammer festgestellt, dass das Energieversorgungsnetz "Y" schon deshalb nicht als Objektnetz anerkannt werden kann, weil die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG nicht erfüllt sind.

2.1. Mit § 110 Abs. 1 EnWG hat der Gesetzgeber eine abschließende Sonderregelung für die Privilegierung bestimmter Netze geschaffen, die weder den Entflechtungsbestimmungen (Teil 2 des EnWG), der Netzanschluss- und Netzzugangsverpflichtung (Teil 3 Abschnitte 1 und 2), der Netzentgeltregulierung (Teil 3 Abschnitte 3 und 4) sowie den Genehmigungs-, Berichts- und Beitragspflichten nach §§ 4, 52, 92 EnWG unterfallen sollen. Dabei reicht es nach der Rechtsprechung des Senats nicht aus, dass das Energieversorgungsnetz nicht der allgemeinen Versorgung i.S.d. § 3 Nr. 17 EnWG dient (Beschluss vom 5. April 2006 - VI-3 Kart 143/06 (V) - , CuR 2008, 69). Vielmehr hat der Gesetzgeber nur bestimmte, im Ausnahmekatalog des § 110 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EnWG abschließend aufgezählte Objektnetze von der Regulierung ausnehmen wollen und dabei auch nicht auf den Begriff des Arealnetzes zurückgegriffen. Während der Regierungsentwurf eine Ausnahme zunächst nur für so genannte Werksnetze vorsah, wurde der Anwendungsbereich im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auf so genannte Dienstleistungs- und Eigenversorgungsnetze erweitert. Dabei kam es dem Gesetzgeber darauf an, die von Wettbewerbsregelungen freigestellten Netze klar und diskriminierungsfrei zu definieren (BR-Drs. 248/01/05 (neu), S. 10).

Zu der hier nicht im Raum stehenden Alternative der Betriebsnetze hat der EuGH mit Urteil vom 22. Mai 2008 (Rs. C 439/06 "citiworks") auf die Vorlage durch das OLG Dresden entschieden, dass Art. 20 Abs. 1 EltRL (2003) einer Bestimmung wie § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG entgegensteht, nach der bestimmte Betreiber von Energieversorgungsnetz von der Verpflichtung, Dritten freien Netzzugang zu gewähren, ausgenommen sind, weil sich diese Netze auf einem zusammengehörenden Betriebsgebiet befinden und überwiegend dem Transport von Energie innerhalb des eigenen Unternehmens und zu verbundenen Unternehmen dienen. Dabei hat der EuGH zunächst die Bedeutung des freien Zugangs Dritter zu Elektrizitätsverteilnetzen für einen funktionierenden Elektrizitätsbinnenmarkt betont. Zur Verwirklichung der Marktöffnung und gleicher Ausgangsbedingungen in allen Mitgliedstaaten sei es deshalb erforderlich, Ausnahmen von dem Grundsatz des Netzzugangs Dritter eng auszulegen und auf die Fälle zu beschränken, die in der Richtlinie vorgesehen sind. So könne die Verweigerung des Netzzugangs im Einzelfall auf das Fehlen hinreichender Kapazitäten gestützt werden. Desweiteren bestünde die Möglichkeit den freien Netzzugang zu verweigern, weil seine Gewährung im Einzelfall die Erfüllung der den Elektrizitätsunternehmen übertragenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verhindern würde. Schließlich sei eine Befreiung dann möglich, wenn die Bundesrepublik Deutschland nachweise, dass sich bei der Anwendung des freien Netzzugangs für den Betrieb seiner kleinen, isolierten Netze erhebliche Schwierigkeiten ergeben. Eine solche Freistellung für kleine isolierte Netze haben indessen lediglich die Republiken Zypern und Malta bei der Europäischen Kommission beantragt, nicht aber die Bundesrepublik Deutschland. Daher könne die Bestimmung des § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG nicht als Ausnahme oder Abweichung vom Grundsatz des freien Zugangs zu Elektrizitätsübertragungs- und verteilnetzen erfasst werden.

Das Oberlandesgericht Dresden hat daraufhin mit Beschluss vom 10.03.2009 (W 1109/06 Kart) entschieden, dass die F GmbH Stromanbietern, die andere auf dem Betriebsgelände ansässige Unternehmen mit Strom versorgen wollen, freien Netzzugang gewähren muss. Die Ausnahmebestimmung des § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG verstoße gegen europäisches Recht, das Gericht sei insoweit an die Entscheidung des EuGH gebunden. Es spreche viel dafür, dass auch § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG gegen die Richtlinie verstoße. Unabhängig davon könne eine Ausnahme aber auch deshalb nicht auf Nr. 2 gestützt werden, weil nicht ersichtlich sei, dass durch die Gewährung freien Netzzugangs unzumutbare Erschwernisse entstehen.

2.2. Ob die weiteren Alternativen des § 110 Abs. 1 EnWG - Nr. 2 und Nr. 3 - europarechtswidrig sind, bedarf auch hier keiner Entscheidung, weil schon die Voraussetzungen für die herangezogene Privilegierung nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG nicht vorliegen.

Es spricht allerdings viel dafür, dass sich sämtliche in § 110 Abs. 1 Nr. 1 - 3 EnWG vom nationalen Gesetzgeber vorgenommenen Privilegierungen nicht mit dem Europarecht vereinbaren lassen, denn die Argumentation des EuGH lässt sich ohne weiteres auf die Nrn. 2 und 3 übertragen (so auch Strohe, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 2008, Heft 11, 77 ff.; Kühling/Pisal, IR 2009, 74 ff.; Stecher, CuR 2008, 59, 62; Boesche/Wolf, ZNER 2008, 123, 126; Becker, RdE 2008, 248).

Hier bedarf es insoweit keiner Entscheidung, weil - wie die Beschlusskammer zu Recht ausgeführt hat - die für eine Privilegierung nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG notwendige Unzumutbarkeit nicht festgestellt werden kann.

2.3. § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG will die so gen. Dienstleistungsnetze privilegieren. Dabei handelt es sich nach der Legaldefinition um Energieversorgungsnetze, die sich auf einem räumlich zusammengehörenden privaten Gebiet befinden und dem Netzbetreiber oder einen Beauftragten dazu dienen, durch einen gemeinsamen übergeordneten Geschäftszweck, der

a. über reine Vermietungs- und Verpachtungsverhältnisse hinausgeht und b. durch die Anwendung der im einleitenden Satzteil genannten Bestimmungen unzumutbar erschwert würde, bestimmbare Letztverbraucher mit Energie zu versorgen.

Eine solche unzumutbare Erschwerung des Geschäftszwecks liegt nur dann vor, wenn anderenfalls die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Netzbetreiber bzw. seinem Beauftragten und den Letztverbrauchern so empfindlich gestört würden, dass die Realisierung des gemeinsamen übergeordneten Geschäftszwecks gefährdet ist. Insoweit ist auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise abzustellen und - was der Betroffene verkennt - im Rahmen einer Interessenabwägung unter Anlegung eines strengen Maßstabs zu prüfen, ob der Netzbetreiber durch die uneingeschränkte Anwendung der allgemeinen Bestimmungen Nachteile erleidet, die größer sind als die für Letztverbraucher mit dem freien Netzzugang verbundenen Vorteile (OLG Dresden Beschluss vom 10.03.2009 - W 1109/06 Kart -; Gabler, CuR 2007, 128, 133; Stötzel in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 110 Rn 10). Dabei muss zunächst berücksichtigt werden, dass die Erschwernisse der Regulierung nicht per se eine Unzumutbarkeit begründen, da sie allen Netzbetreibern durch die europäische Binnenmarktrichtlinie gleichermaßen auferlegt werden. Der personelle, finanzielle und organisatorische Mehraufwand für die Umsetzung ist von ihnen grundsätzlich zu tragen. Zu beachten ist weiterhin, dass der Gesetzgeber für kleine Netze im EnWG und den darauf basierenden Verordnungen ohnehin Erleichterungen vorgesehen hat, indem er Ausnahmen von der rechtlichen und operationellen Entflechtung und im Rahmen der Anreizregulierung ein vereinfachtes Verfahren geregelt hat (§§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 4 EnWG, § 24 ARegV).

Unter Berücksichtigung dessen lässt sich nicht feststellen, dass der Betroffene durch die mit der Regulierung verbundenen Erschwernisse unzumutbar belastet wird. Er selbst will diese daraus herleiten, dass mit der Regulierung seines Netzes eine jährliche Mehrbelastung in Höhe von € einhergehe. Eine unzumutbare Belastung stellt dies indessen nicht dar, weil diese Kosten zum einen - wie der Betroffene selbst erkennt - in die Netznutzungsentgelte eingerechnet werden können und für die Netznutzer bei der nicht unerheblichen jährlichen Energiemenge von Kilowattstunden nur zu einer rein regulierungsbedingten Preiserhöhung von €/Kilowattstunde führen werden. Unabhängig davon müssen dieser Mehrbelastung die Vorteile gegenübergestellt werden, die für sie als Letztverbraucher aus dem freien Netzzugang resultieren und - wie die Beschlusskammer in dem angefochtenen Beschluss näher ausgeführt hat (S. 19, Bl. 592 VV) - bei der ihnen insoweit möglichen Inanspruchnahme günstigerer Lieferanten zu einer Reduzierung der Kosten der regulierungsbedingten Netznutzung führen.

Dass die Privilegierung des streitgegenständlichen Netzes - wie der Betroffene mit seiner Beschwerde weiter anführt - darüber hinaus einen wettbewerbsfördernden Charakter auf einem anderen Markt - dem der Verpachtung von Gewerbeflächen - hätte, hat die Beschlusskammer zu Recht außer Betracht gelassen. Derartige Marktvorteile sind ein Gesichtspunkt, der bei allen Werks- und Dienstleistungsnetzen gleichermaßen zum Tragen kommt. Sie mögen, wenn die Voraussetzungen eines der Ausnahmetatbestände vorliegen, ein positiver Nebeneffekt der Freistellung sein, Ziel des § 110 EnWG sind sie indessen nicht. § 110 EnWG will - wie die Bundesnetzagentur zu Recht anführt - nur den Betreiber eines kleinen Netzes vor unzumutbaren regulatorischen Belastungen schützen.

3. Schließlich wendet sich der Betroffene ohne Erfolg dagegen, dass ihm durch den angegriffenen Beschluss der tatsächliche Missbrauch einer Marktstellung unterstellt werde. Aus dem Umstand, dass die Antragstellerin seit dem 1.08.2008 sein Netz zur Belieferung ihrer Kunden nutzt, kann er nichts zu seinen Gunsten herleiten, denn für die gerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Missbrauchsverfügung ist - was er verkennt - nicht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung entscheidend.

Aus dem Prozessrecht ergibt sich für die Frage des richtigen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage allein, dass das Anfechtungsbegehren nur dann Erfolg haben kann, wenn der Kläger im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die Aufhebung des Verwaltungsakts hat. Davon zu trennen ist die Frage, ob ein solcher Anspruch besteht, d.h. ein belastender Verwaltungsakt ihn rechtswidrig in seinen Rechten verletzt. Letzteres beurteilt sich nach dem materiellen Fachrecht, dem zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen.

Bei Anfechtungsbeschwerden kommt es daher in der Regel entscheidend auf den Zeitpunkt an, in dem die angegriffene Entscheidung erlassen wurde (vgl. nur: Preedy in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 83 Rn 10; K. Schmidt in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. A., § 71 Rn 8; Klose in: Wiedemann, Kartellrecht, 2. A., § 54 Rn 101; Decker in: BeckOK VwGO § 113 Rn 21). Anders kann dies nur bei Entscheidungen mit Dauerwirkung sein. Bei ihnen kann eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage beachtlich sein, so dass der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist.

Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Durch die Missbrauchsverfügung ist dem Betroffenen die Ablehnung des Netzzugangs zu den benannten Abnahmestellen untersagt und er zugleich verpflichtet worden, der Antragstellerin Netzzugang zu angemessenen Bedingungen zu verschaffen und ihr einen den Zugang vermittelnden Vertrag anzubieten. Es handelt sich insoweit um einen einmaligen Verwaltungsakt, dessen Rechtswirkung sich durch Befolgung erschöpft und nicht um einen Dauerverwaltungsakt. Dass der Betroffene der sofort vollziehbaren Verfügung nachgekommen ist, kann daher nicht zur Rechtswidrigkeit der Missbrauchsverfügung führen. Im übrigen gewährt er den Netzzugang aber auch - wie der in der Senatssitzung vorgelegten e-mail der Stadtwerke X zu entnehmen ist - nur vorbehaltlich der abschließenden gerichtlichen Entscheidung.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG. Der Beschwerdeführer hat als im Beschwerdeverfahren unterlegene Partei die Gerichtskosten zu tragen und der gegnerischen Bundesnetzagentur sowie der Antragstellerin die ihnen entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO. Das mit dem Missbrauchsverfahren verbundene Interesse schätzt der Senat auf 20.000 €.

C.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 86 Abs. 2 EnWG liegen nicht vor. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft das Beschwerdeverfahren nicht auf, auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht.

Ende der Entscheidung

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