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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 13.09.2006
Aktenzeichen: VI-Kart 2/06 (OWi)
Rechtsgebiete: GWB i.d.F. vom 26.08.1998


Vorschriften:

GWB i.d.F. vom 26.08.1998 § 81 Abs. 1
GWB i.d.F. vom 26.08.1998 § 81 Abs. 1 Nr. 1
GWB i.d.F. vom 26.08.1998 § 81 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Gegen den Betroffenen G. F. wird wegen eines vorsätzlichen Zuwiderhandelns gegen das Verbot des § 1 GWB in der Fassung vom 26.08.1998 eine Geldbuße in Höhe von 15.000 Euro festgesetzt.

Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.

A. Der Betroffene betreibt seit Jahren die "D.-Apotheke" in H.. Die Apotheke zählt mit insgesamt 17 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 2,5 Mio. € zu den drei größten Apotheken am Ort. Von dem Umsatz der Apotheken entfiel Anfang 2004 ein Anteil zwischen 300.000 und 400.000 € auf die sogenannten OTC-Präparate. Dabei handelt es sich um diejenigen nicht verschreibungspflichtigen Medikamente, für die im Rahmen des GKV-Modernisierungsge-setzes zum 1. Januar 2004 die bis dahin geltende Preisbindung aufgehoben worden ist.

Aus dem Betrieb seiner Apotheke erzielt der Betroffene ein jährliches Bruttoeinkommen zwischen 130.000 und 140.000 €. Darüber hinaus verfügt er weder über sonstiges Einkommen noch über Grundvermögen oder nennenswerte andere Vermögenswerte. Die Ehefrau des Betroffenen hat ein eigenes Einkommen. Unterhaltsberechtigte Kinder gehören nicht zum Haushalt des Betroffenen.

B. Der Betroffene ist seit längerem Sprecher der H. Apotheker. In dieser Eigenschaft beraumte er für den 18. November 2003 eine Vorbesprechung mit insgesamt 7 Apothekerkollegen und für den 27. November 2003 ein außerordentliches Kollegentreffen aller H. Apotheker an. Anlass war seine Sorge, dass der Wegfall der gesetzlichen Preisbindung bei den sog. OTC-Arzneimitteln zu einem ruinösen Preiswettbewerb der Apotheken führen könnte. Zur Vorbesprechung "im kleinen Kreis" lud der Betroffene mit Schreiben vom 10. Oktober 2003 die Inhaber der S.-Apotheke (Herr M. W.), der A.-Apotheke (Herr H. D.), der S.-Apotheke (Frau B. H.), der P.-Apotheke (Herr B. R.), der M.-Apotheke (Frau Ch. P.), der A.-Apotheke (Frau B. D.) und der B.-Apotheke (Herr P. K.) ein. In der Einladung heißt es auszugsweise:

"Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bevor unsere Kollegenversammlung, die ich auf den 27. November 2003 angesetzt habe, stattfindet, halte ich es für sinnvoll, zuerst mit unserem "kleinen Kreis" bezüglich des GKV-Moderni-sierungsgesetzes zu einem Konsens zu kommen, den wir in die Hauptversammlung einbringen können. Das wichtigste ist wohl unsere Preisgestaltung ab 01.01.2004 im OTC-Bereich.

Soweit es überhaupt noch in unserer Macht steht, dort eine Stabilität zustande zu bringen, sollten wir jede Anstrengung unternehmen, englische Verhältnisse zu vermeiden."

Die Einladung zum Kollegentreffen am 27. November 2003 datiert vom 11. Oktober 2003 und hat auszugsweise den folgenden Inhalt:

".... Wir wissen .... nicht, wie unsere Kollegenschaft mit der Tatsache umzugehen weiß, dass zu Jahresbeginn die Preisbindung im OTC-Bereich fallen wird. Ich vertrete die Meinung, dass die Skala der sich hieraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten sich zwischen den Eckpunkten Existenzvernichtung oder Existenzerhaltung bewegen können. Wir sollten zusammen alles versuchen, um unsere Apotheken am Leben zu erhalten.

Um sich zu diesem kritischen Bereich auszutauschen, lade ich Sie zum

Donnerstag, dem 27.11.2003

...............

zu einer Versammlung ein, .....

Da die Situation für uns alle äußerst gefährlich werden kann, bitte ich Sie, diesen Versammlungstermin unbedingt wahrzunehmen. ...."

In der Kollegenversammlung vom 27. November 2003 waren 19 der insgesamt 20 H. Apotheken vertreten, und zwar teils durch ihren Inhaber, teils durch einen Mitarbeiter. Für die C.-Apotheke nahm niemand an der Versammlung teil.

Gegenstand des Apothekertreffens am 27. November 2003 war (u.a.) die künftige Preisbildung bei den OTC-Präparaten ab 1. Januar 2004. Der Betroffene berichtete in diesem Zusammenhang zunächst über den Inhalt einer von ihm besuchten Informationsveranstaltung und verdeutlichte anhand eines Kalkulationsbeispiels die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen von Preissenkungen. Nachdem sich bereits im Verlauf seines Referats eine Diskussion über die Möglichkeiten und Risiken der zukünftigen Preisbildung im OTC-Bereich ergeben hatte, erteilte der Betroffene der Reihe nach denjenigen Teilnehmern, die sich zur Problematik äußern wollten, das Wort. Sein Ziel war es, ein Meinungsbild über das voraussichtliche Preisverhalten der H. Apotheker zu erstellen, um zumindest für die erste Zeit nach Wegfall der Preisbindung einen Preiswettbewerb im OTC-Bereich zu verhindern und die anwesenden Apotheker zur Beibehaltung der Hersteller-Preisempfehlungen zu veranlassen. Die Mehrzahl der anwesenden Apothekenvertreter nahm die Gelegenheit zur Äußerung wahr. Es bestand weitgehende Einigkeit, dass man die Preisentwicklung zunächst beobachten und abwarten, d.h. einstweilen an den Preisempfehlungen der Hersteller festhalten wollte. Einige Apothekenvertreter erklärten diese Absicht sogar ausdrücklich. Auch der Betroffene selbst äußerte sich in diesem Sinne.

Dem Betroffenen war bewusst, dass Absprachen zwischen Wettbewerbern über das von ihnen beabsichtigte Preisverhalten verboten sind. Er nahm zumindest billigend in Kauf, durch die Einberufung der Apothekerversammlung vom 27. November 2003 und sein Verhalten auf jener Zusammenkunft gegen dieses Verbot zu verstoßen.

II.

Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, dass die Versammlung vom 27. November 2003 ausschließlich der Information der Apothekenvertreter über das GKV-Modernisierungsgesetz sowie die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge einer Preisbildung im OTC-Bereich und nicht darüber hinaus einer Abstimmung des zukünftigen Preisverhaltens der H. Apotheker gedient habe. Besprochen worden sei lediglich, wie man sich nach dem Fortfall der Preisbindung verhalten könne. Die beiden Einladungsschreiben habe er insoweit missverständlich formuliert.

III.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen, soweit ihr gefolgt werden konnte, den Bekundungen der vom Senat vernommenen Zeugen J., R. und J., sowie den Urkunden, die der Senat zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht hat.

A. Hinsichtlich der Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffen einschließlich der Mitarbeiterzahl, des Jahresumsatzes der "D.-Apotheke" und des Anfang 2004 auf die OTC-Präparate entfallenden Umsatzanteils sowie des Bruttoverdienstes, der aus dem Betrieb der "D.-Apotheke" erwirtschaftet wird, folgt der Senat den diesbezüglichen Angaben des Betroffenen.

B. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Apothekerversammlung vom 27. November 2003 nicht nur dem Informationsaustausch über die Neuerungen der Gesundheitsreform und die sich daraus ergebenden betriebswirtschaftlichen Konsequenzen, sondern auch (und vor allem) dem Zweck gedient hat, im Kreis der H. Apotheker ein Meinungsbild über das zukünftige Preisverhalten im Bereich der OTC-Arzneimittel zu erstellen, um jedenfalls für die erste Zeit nach Wegfall der gesetzlichen Preisbindung einen Preiswettbewerb zu verhindern und die anwesenden Apotheker zur unveränderten Beibehaltung der Hersteller-Preisempfehlungen zu veranlassen.

1. Dieser Veranstaltungszweck ergibt sich bereits unmissverständlich aus den beiden Einladungsschreiben, die der Betroffene verfasst hat. In dem Einladungsschreiben vom 11. Oktober 2003 wird die Möglichkeit eines Preiswettbewerbs bei den OTC-Präparaten als eine äußerst gefährliche Situation für die Apotheken bezeichnet. Zugleich wird die Ungewissheit über das zukünftige Preisverhalten der H. Apotheker bei den OTC-Arzneimitteln - und nicht die Unwissenschaft der Apothekerkollegen über die gesetzlichen Neuerungen der Gesundheitsreform im OTC-Bereich und die damit verbundenen betriebswirtschaftlichen Auswirkungen für die einzelne Apotheke - beklagt. Um der bestehenden (Wettbewerbs-)Gefahr zu begegnen, mahnt das Schreiben vom 10. Oktober 2003 an, (Preis-)Stabilität zu schaffen und jedwede Anstrengung zu unternehmen, um englische Verhältnisse, d.h. - wie der Betroffene in der Hauptverhandlung eingeräumt hat - einen ruinösen Preiskampf zu verhindern. Es regt darüber hinaus ausdrücklich einen Konsens im kleinen Kreis an, der in die Apothekerversammlung eingebracht werden könne. Nach dem Willen des Betroffenen war damit Ziel der Versammlung am 27. November 2003, im Kreis der H. Apotheker das künftige Preisverhalten bei den OTC-Präparaten offenzulegen und die H. Apotheker ab Januar 2004 zu einer möglichst einheitlichen Preisbildung zu bewegen. Es ist ausgeschlossen, dass der in diesem Sinne eindeutige Einladungstext auf einer missverständlichen Formulierung beruht und den Zweck der Treffen nicht zutreffend wiedergibt.

2. Entsprechend seiner Zielsetzung hat der Betroffene in der Versammlung vom 27. November 2003 ein Meinungsbild über das beabsichtigte Preisverhalten der Apotheker im OTC-Bereich mit dem Ergebnis erstellt, dass der überwiegende Teil zunächst an den Preisempfehlungen der Hersteller festhalten will.

a) Das hat Zeuge J. bei seiner Einvernahme bestätigt. Zwar hat der Zeuge - offensichtlich mit Rücksicht darauf, dass er seit Frühjahr 2006 Mitarbeiter des Betroffenen ist - anfangs seiner Aussage versucht, die Dinge zu beschönigen. Der Zeuge war sehr bemüht, vor allem die kartellrechtlich unbedenklichen Informationen zu den Einzelheiten der Gesundheitsreform und den kalkulatorischen Auswirkungen einer Preissenkung im OTC-Bereich auf den Apothekergewinn als Thema der Apothekerversammlung herauszustellen. Auf Vorhalt seiner Aussage vor der Landeskartellbehörde hat er allerdings glaubhaft seine bereits dort gemachten Aussage wiederholt, dass auf der Versammlung auch ein Meinungsbild zur Preisstrategie der anwesenden Apotheker bei den OTC-Präparaten erstellt worden ist. Er hat in diesem Zusammenhang insbesondere ausgesagt, dass sich die Mehrzahl der Apothekenvertreter - und unter ihnen auch der Betroffene selbst - zu ihrer künftigen Preisbildung geäußert haben und dass weitgehende Einigkeit bestanden habe, einstweilen die Preisentwicklung beobachten und sich zunächst unverändert an die Hersteller-Preisempfehlungen halten zu wollen.

Diese Angaben sind uneingeschränkt glaubhaft. Sie fügen sich nicht nur in den Inhalt der vom Betroffenen verfassten Einladungsschreiben ein, sondern passen - wie noch dargelegt werden wird - überdies nahtlos zu den Bekundungen der Zeugen J. und R.. Dafür, dass der Zeuge J. den Betroffenen zu Unrecht belastet, fehlt jedweder Anhaltspunkt.

b) Die Angaben des Zeugen J. werden durch die glaubhaften Bekundungen des Zeugen J. gestützt. Der Zeuge hat ausgesagt, dass er Anfang Januar 2004 die D.-Apotheke" aufgesucht habe, um zwei OTC-Präparate zu kaufen. Angesichts der zum 1. Januar 2004 aufgehobenen Preisbindung habe er - nicht zuletzt aufgrund entsprechender Ankündigungen der zuständigen Politiker - erwartet, die beiden Arzneimittel preisgünstiger als bislang erwerben zu können. Zu seinem Erstaunen seien die Preise indes nicht gesenkt worden. Er habe deshalb der Mitarbeiterin der Apotheke erklärt, zunächst einen Preisvergleich bei anderen H. Apotheken durchführen zu wollen. Die Apothekenmitarbeiterin habe ihm daraufhin erklärt, dass er sich den Preisvergleich sparen könne, weil sich die H. Apotheken abgesprochen hätten, die Preisempfehlungen der Hersteller zu befolgen. Diese Äußerung sei ihm - so hat der Zeuge angegeben - zwar heute wörtlich nicht mehr in Erinnerung. Er habe aber unmittelbar nach dem Besuch der "D.-Apotheke" einen Vermerk über den Vorfall gefertigt und dort auch die wiedergegebene Äußerung der Apothekenmitarbeiterin festgehalten. Außerdem habe er die Lokalpresse, u.a. die Lokalredaktion der "W. A. Z. (W.)", informiert.

c) Die Schilderung des Zeugen J. findet schließlich eine Bestätigung in den Angaben der Zeugin R.. Sie ist als Redakteurin der W. beschäftigt und war seinerzeit von dem Zeugen J. über den geschilderten Vorfall in der "D.-Apotheke" unterrichtet worden. Die Mitteilung des Zeugen J. habe sie - so hat die Zeugin glaubhaft ausgesagt - zum Anlass genommen, den Betroffenen telefonisch zu dem Vorfall befragt zu haben. Dieser habe ihr daraufhin erklärt:

"Das ist so garantiert nicht gesagt worden. Es gibt keine Absprachen, das wäre ja gar nicht statthaft. Aber wir haben ein Meinungsbild erstellt. Und da waren alle der Ansicht, dass man sich an die Herstellerempfehlungen halten sollte, statt einen Preiskampf zu eröffnen."

Zwar hat - was nach Ablauf von nahezu 3 Jahren verständlich ist - die Zeugin R. diese Äußerung bei ihrer Vernehmung durch den Senat nicht mehr im Wortlaut erinnern können. Sie hat indes glaubhaft angegeben, sich seinerzeit die Mitteilung des Zeugen J. und die Erklärung des Betroffenen notiert und wenige Tage später unter Verwendung dieser Notizen den in der W.-Ausgabe vom 11. Januar 2004 veröffentlichten Zeitungsartikel "Apotheker verweigern Preiskampf um Kunden" (Bl. 3 der Amtsakte) geschrieben zu haben. Sie sei sicher, die vorstehend erwähnte und in jenem Artikel als Zitat des Betroffenen gekennzeichnete Äußerung ihren wörtlichen Mitschriften entnommen zu haben.

IV.

Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Betroffene einer vorsätzlichen Kartellordnungswidrigkeit gemäß § 81 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 1 GWB i.d.F.v. 26.8.1998 schuldig gemacht.

1. Durch die Einberufung und Mitwirkung an der Apothekerversammlung vom 27. November 2003 hat der Betroffene dem Verbot des § 1 GWB i.d.F. vom 26.8.1998 (GWB a.F.) zuwider gehandelt. Nach der genannten Vorschrift sind nicht nur Vereinbarungen und Beschlüsse, sondern auch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Wettbewerbern verboten, die eine spürbare Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Gegen dieses Verbot hat der Betroffene verstoßen.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. WuW/E DE-R 1429, 1430 - Kfz-Spedition) ist zur Auslegung des Rechtsbegriffs der "abgestimmten Verhaltensweise" auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu dem entsprechenden Tatbestandsmerkmal in Art. 85 Abs. 1 EGV bzw. Art. 81 Abs. 1 EG zurückzugreifen. Denn die Tatalternative des "abgestimmten Verhaltens" ist im Zuge der 6. GWB-Novelle mit dem erklärten Ziel einer Angleichung des nationalen Kartellrechts an die europäische Rechtslage in das Kartellverbot des § 1 GWB a.F. eingefügt worden (vgl. Abschnitt I. 3. a) aa) des Regierungsentwurfs vom 29. Januar 1998 - BT-Drucksache 13/9720). Eine abgestimmte Verhaltensweise liegt dementsprechend bei jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Konkurrenten vor, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines Wettbewerbers zu beeinflussen oder einen Konkurrenten über das eigene beabsichtigte oder in Erwägung gezogene Marktverhalten ins Bild zu setzen. Typisches Mittel einer verbotenen Verhaltensabstimmung ist der Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern mit dem Ziel, von vornherein die Ungewissheit über das zukünftige Wettbewerbsverhalten auszuräumen (EuGH, Slg. 1998, I - 3111, 3116 - Deere; Slg. 19975, 1963, 1966 - Zucker; vgl. zu allem auch: Bunte in Langen/ Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 10. Aufl., § 1 Rdnr. 59, 62-64; Zimmer in Immenga/Mestmäcker, Kartellgesetz, 3. Aufl., § 1 Rdnr. 101 f.).

Indem der Betroffene die Apothekerversammlung vom 27. November 2003 einberufen und mit dem festgestellten Verhalten an ihr teilgenommen hat, hat er gegen das kartellrechtliche Verbot der abgestimmten Verhaltensweise verstoßen. Er hatte die Versammlung nicht nur mit dem erklärten Ziel initiiert, einen Preiswettbewerb im OTC-Bereich zu verhindern, sondern das Treffen entsprechend dieser Zielsetzung auch durchgeführt. Die Mehrzahl der anwesenden Apothekenvertreter hat ihr geplantes Preisverhaltens bei den OTC-Präparaten offengelegt und zum Ausdruck gebracht, nicht in einen Preiswettbewerb eintreten, sondern zunächst abwarten und an den Preisempfehlungen der Arzneimittelhersteller festhalten zu wollen. Bereits diese Fühlungnahme erfüllt die Voraussetzungen eines abgestimmten Verhaltens.

b) Der Betroffene hat auch eine spürbare - d.h. mehr als nur völlig unbedeutende und praktisch nicht ins Gewicht fallende (vgl. BGH, WuW/E DE-R 711, 718 - Ostfleisch) - Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den H. Apothekern bezweckt. Das folgt zwanglos aus der Tatsache, dass die OTC-Präparate einen nicht unerheblichen Anteil am Gesamtumsatz einer Apotheke ausmachen und überdies nahezu alle H. Apotheken in die Verhaltensabstimmung eingebunden worden sind.

c) Entgegen der Ansicht der Verteidigung ist darüber hinaus nicht erforderlich, dass das abgestimmte Verhalten tatsächlich praktiziert worden ist (vgl. Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 1 Rdnr. 112 m.w.N.; a.A. wohl Bunte, a.a.O. Rdnr. 60), die H. Apotheker also die angestrebte Koordinierung ihres Preisverhaltens auch umgesetzt haben. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 1 GWB a.F. Danach genügt es, wenn durch die abgestimmte Verhaltensweise eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt wird. Der Eintritt der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ist darüber hinaus nicht notwendig.

2. Der Betroffene hat vorsätzlich gehandelt. Er hat die tatsächlichen Umstände gekannt, die den Verstoß gegen das kartellrechtliche Verbot des § 1 GWB a.F. begründen. Er hat überdies zumindest billigend in Kauf genommen, durch sein Verhalten jenem Kartellverbot zuwider zu handeln.

V.

Bei der Ahndung der begangenen Ordnungswidrigkeiten hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen:

A. Die gegen den Betroffenen zu verhängende Geldbuße war dem Bußgeldrahmen der § 17 Abs. 1 OWiG, § 81 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. GWB a.F. zu entnehmen. Gemäß § 4 Abs. 1 und 2 OWiG bestimmt sich die Geldbuße nach dem Gesetz, das bei Beendigung der abzuurteilenden Tat - vorliegend also im November 2003 - galt. Die genannten Vorschriften sehen eine Mindestbuße von 5 € und einen Höchstbetrag der Geldbuße von 500.000 € vor. Die zum 1. Juli 2005 in Kraft getretene Verdoppelung des Bußgeldrahmens auf 1.000.000 € (§ 81 Abs. 4 Satz 1 GWB) bleibt nach § 4 Abs. 3 OWiG außer Betracht. Eine Beschränkung des Bußgeldrahmens gemäß § 17 Abs. 2 OWiG greift nicht ein, weil der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat.

B. Innerhalb des genannten Rahmens hat der Senat bei der Bemessung des Bußgeldes (§ 17 Abs. 3 OWiG) Folgendes berücksichtigt:

Absprachen über Preise beeinträchtigen den freien Wettbewerb in schwerwiegender Weise. Ihnen kommt deshalb - bezogen auf die Gesamtheit der von § 81 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 GWB a.F. erfassten wettbewerbsbeschränkenden Absprachen - ein überdurchschnittlicher Unrechtsgehalt zu. Bei der Schwere der Tat fiel zudem ins Gewicht, dass der Betroffene der Initiator des Kartells gewesen ist. Andererseits war in die Bußgeldbemessung einzubeziehen, dass das Preisverhalten der H. Apotheker nicht auf unbestimmte Dauer, sondern nur für die erste Zeit des Wegfalls der Preisbindung koordiniert werden sollte. Dem Betroffenen ist überdies zugute zu halten, dass er nicht in dem Streben nach übermäßigen Gewinnen, sondern in der ernsthaften Sorge um den wirtschaftlichen Fortbestand seiner Apotheke gehandelt hat. Schließlich waren bei der Bemessung des Bußgeldes die guten Einkommensverhältnisse des Betroffenen, der nach eigenen Angaben über ein Jahresbruttoverdienst zwischen 130.000 und 140.000 € verfügt, zu berücksichtigen.

Bei Abwägung aller für und gegen den Betroffenen sprechenden tat- und täterbezogenen Umstände ist eine Geldbuße von 15.000 € angemessen.

2. Diese Geldbuße dient in voller Höhe der Ahndung des kartellordnungswidrigen Verhaltens. Für eine darüber hinausgehende Abschöpfung eines wirtschaftlichen Vorteils besteht keine Veranlassung. Ein solcher Vorteil ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme schon nicht feststellbar. Es konnte in der Beweisaufnahme nIcht geklärt werden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das koordinierte Preisverhalten tatsächlich umgesetzt worden ist. Außerdem zielt der Schuldvorwurf in seinem Schwerpunkt nicht auf eine Bereicherung der Betroffenen, sondern auf das Außerkraftsetzen der Marktmechanismen.

VI.

Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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