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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.05.2007
Aktenzeichen: VI-Kart 5/07 (V)
Rechtsgebiete: GWB, VwVfG


Vorschriften:

GWB § 1
GWB § 32
GWB § 32 Abs. 1
GWB § 32 Abs. 2
GWB § 32 e
GWB § 32 e Abs. 1
GWB § 32 e Abs. 2
GWB § 32 e Abs. 4
GWB § 57
GWB § 59
GWB § 59 Abs. 2
GWB § 60
GWB § 61
GWB § 61 Abs. 1 Satz 1
GWB § 62
GWB § 65 Abs. 3 Satz 3
VwVfG § 39 Abs. 1 Satz 2
VwVfG § 45 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde gegen den Auskunftsbeschluss des Bundeskartellamtes vom 16. März 2007 (B 6 - 535/06) anzuordnen, wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Bundeskartellamt der Antragstellerin im Rahmen einer Enquêteuntersuchung nach § 32 e GWB betreffend den Angebotsmarkt für Außenwerbeflächen die Beantwortung zahlreicher Fragen zu ihrem eigenen und etwaig verbundener Unternehmen sowie zu den Verhältnissen auf dem vorgenannten Markt aufgegeben. Die Antragstellerin hält das Auskunftsbegehren für rechtswidrig und macht dazu im Wesentlichen geltend: Es fehle - was als solches außer Streit steht - bereits an einem förmlichen Beschluss des Amtes über die Einleitung der Enquêteuntersuchung. Außerdem liege ein hinreichender Anfangsverdacht, der das Bundeskartellamt zur Durchführung einer Enquêteuntersuchung berechtige, nicht vor. Mit dem nicht näher ausgeführten Verweis des Amtes, dass man Hinweise erhalten habe, wonach Vereinbarungen zwischen Außenwerbeunternehmen und Kommunen auf dem Angebotsmarkt für Außenwerbeflächen möglicherweise den Wettbewerb auf dem nachgelagerten Außenwerbemarkt beeinträchtigen und gegen § 1 GWB und Art. 81 EG verstoßen könnten, seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32 e Abs. 1 GWB nicht dargelegt. Im Übrigen seien - wozu sie näher vorträgt - einige Fragen unklar gefasst sowie die Beantwortung anderer Fragen mit einem unvertretbaren Aufwand verbunden.

Die Antragstellerin hat gegen den Auskunftsbeschluss Beschwerde eingelegt. Mit dem zur Entscheidung stehenden Antrag begehrt sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs.

Das Bundeskartellamt verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt die Zurückweisung dieses Antrags.

II.

Der Antrag der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Gemäß § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB kann das Beschwerdegericht in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Beschwerde kraft Gesetzes keinen Suspensiveffekt hat, auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels ganz oder teilweise anordnen, wenn entweder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB) oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB). Im Entscheidungsfall liegt keiner dieser Anordnungsgründe vor.

A. Der angefochtene Beschluss begegnet bei der gebotenen vorläufigen rechtlichen Prüfung keinen durchgreifenden Bedenken.

1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Auskunftsbeschlusses ergeben sich nicht daraus, dass das Bundeskartellamt sein Verfahren zur Enquêteuntersuchung nach § 32 e GWB nicht förmlich durch Beschluss eingeleitet hat.

a) Weder § 32 e GWB noch die entsprechende europarechtliche Norm des Art. 17 VO 1/2003, die der deutsche Gesetzgeber erklärtermaßen mit der Vorschrift des § 32 e GWB in das nationale Recht übernehmen wollte (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf vom 26.5.2004 - BT-Drucksache 15/3640, Abschnitt zu § 32 e.), verlangen einen förmlichen Einleitungsbeschluss der Kartellbehörde. Das Erfordernis eines Einleitungsbeschlusses ist im Gegenteil im Wortlaut des Art. 17 VO 1/2003 gestrichen worden, während die Vorgängernorm des Art. 12 Abs. 1 VO 17/62 einen solchen Beschluss der Kartellbehörde noch ausdrücklich vorsah. Dessen ungeachtet wird in der Kommentarliteratur sowohl zu § 32 e GWB als auch zu der entsprechenden europarechtlichen Norm des Art. 17 VO 1/2003 die Auffassung vertreten, dass die Kartellbehörde die Enquêteuntersuchung durch einen förmlichen Einleitungsbeschluss eröffnen müsse (vgl. Bechtold, Kartellgesetz, 4. Aufl., § 32 e Rdnr. 6; wohl auch Bornkamm in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 10. Aufl., § 32 e Rdnr. 3; Bechtold/Brinker/Bosch/Hirsbrunner, EG-Kartellrecht, VO 1/2003 Art. 17 Rdnr. 6; Sura in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 2, 10. Aufl., Art. 17 VO Nr. 1/2003 Rdnr. 6 m.w.N.; Barthelmeß in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Band 1, Art. 17 VerfVO Rdnr. 9; Burrichter in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EG/Teil 2, VO 1/2003 Art. 17 Rdnr. 26, 27). Zum Teil wird darüber hinausgehend sogar angenommen, dass ein förmlicher Einleitungsbeschluss Voraussetzung dafür sei, dass der Kartellbehörde die im Rahmen einer Enquêteuntersuchung nach § 32 e GWB bzw. Art. 17 VO 1/2003 gesetzlich vorgesehenen Ermittlungsbefugnisse zustehen (Bechtold, a.a.O.; Bechtold/Brinker/Bosch/Hirsbrunner, a.a.O.). Begründet wird die Notwendigkeit eines Einleitungsbeschlusses zum einen mit der Erwägung, dass es andernfalls an einer hinreichend klaren Festlegung fehle, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Enquêteuntersuchung erfüllt sind und welchem Zweck die beabsichtigte Untersuchung dient. Darüber hinaus - so wird angeführt - müsse die Kartellbehörde im Hinblick darauf, dass im Ermittlungsverfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz keinerlei Aussage- und Vorlageverpflichtung des Beschuldigten bestehe, zu Beginn ihrer Ermittlungen klarstellen, dass das Verfahren ausschließlich als Enquêteuntersuchung durchgeführt werde, wobei die dort zur Verfügung gestellten Erkenntnisse in einem späteren Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen das betreffende Unternehmen nicht verwertbar seien (vgl. Bechtold, a.a.O. Rdnr. 6 und 8). Die Notwendigkeit eines Einleitungsbeschlusses wird schließlich mit dem Hinweis gerechtfertigt, dass die Untersuchung in die Rechte der betroffenen Unternehmen eingreife (Barthelmeß, a.a.O.). Es besteht dabei in der Kommentarliteratur mit Recht Einvernehmen, dass der Einleitungsbeschluss mangels einer unmittelbaren Betroffenheit des einzelnen Unternehmens nicht anfechtbar ist. Die Rechtmäßigkeit des Einleitungsbeschlusses ist freilich im Rechtsmittelverfahren gegen die nachfolgende Ermittlungsanordnung der Kartellbehörde inzident zu prüfen. Aus diesem Grund habe - so wird gefolgert - die Kartellbehörde diejenigen Unternehmen, von denen sie im Zuge der Enquêteuntersuchung Auskunft verlange, über den Inhalt des Einleitungsbeschlusses zu unterrichten (Bornkamm, a.a.O.; Sura, a.a.O. Rdnr. 7; Burrichter, a.a.O. Rdnr. 28).

b) Der Senat vermag sich bei vorläufiger Beurteilung der Rechtslage dem Standpunkt, dass die Kartellbehörde eine Enquêteuntersuchung durch förmlichen Beschluss einleiten muss, damit ihr die gesetzlichen Ermittlungsbefugnisse zustehen, nicht anzuschließen.

aa) Gegen die Notwendigkeit eines förmlichen Einleitungsbeschlusses der Kartellbehörde spricht bereits der Gesetzeswortlaut. Weder § 32 e GWB noch Art. 17 VO 1/2003 machen die Durchführung einer Enquêteuntersuchung davon abhängig, dass die Kartellbehörde die Untersuchung förmlich durch Beschluss eingeleitet hat. Die Notwendigkeit eines Einleitungsbeschlusses, wie es noch Art. 12 Abs. 1 VO 17/62 ausdrücklich vorsah, ist im Gegenteil bei der Neufassung des Art. 17 VO 1/2003 gestrichen worden. Das lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber jenes Erfordernis aufgegeben hat.

bb) Die Erforderlichkeit eines förmlichen Einleitungsbeschlusses lässt sich nicht mit den Rechtsschutzbelangen desjenigen begründen, gegen den die Kartellbehörde im Rahmen einer Enquêteuntersuchung eine Ermittlungsanordnung erlässt. Die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer solchen Ermittlungsmaßnahme ergeben sich aus den gesetzlichen Bestimmungen des § 32 e Abs. 1, 2 und 4 GWB i.V.m. §§ 57, 59 bis 62 GWB. Die in Rede stehende Maßnahme des Auskunftsersuchens ist danach rechtmäßig, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Enquêteuntersuchung nach § 32 e Abs. 1 GWB vorliegen, ferner die nachgesuchten Auskünfte für den Untersuchungszweck erforderlich sind und die Kartellbehörde auch im Übrigen die durch § 32 e Abs. 2 GWB gezogenen Grenzen eingehalten hat, und außerdem die besonderen Voraussetzungen, die § 32 e Abs. 4 GWB i.V.m. § 59 GWB an ein kartellbehördliches Auskunftsverlangen stellt, erfüllt sind. Die Rechtmäßigkeit des Auskunftsersuchens erfordert - wie das Schrifttum aus den wiedergegebenen Gründen zu Recht annimmt - im Interesse eines ausreichenden Rechtsschutzes des betroffenen Unternehmens darüber hinaus die kartellbehördliche Klarstellung, dass die veranlasste Ermittlungsmaßnahme auf das Recht der Enquêteuntersuchung gestützt wird, sowie die nachvollziehbare Darlegung der Kartellbehörde, dass die Voraussetzungen einer Enquêteuntersuchung nach § 32 e Abs. 1 GWB vorliegen. Nur dann sind Anlass und Grundlage der Untersuchung hinreichend festgelegt und kann der Adressat des Auskunftsverlangens überprüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen das Kartellgesetz eine Enquêteuntersuchung gestattet. Für die Rechtsschutzmöglichkeiten des auf Auskunft in Anspruch genommenen Unternehmens ist es allerdings ohne Belang, ob die Kartellbehörde die entsprechenden Angaben in einen förmlichen Einleitungsbeschluss aufnimmt, den sie dem Adressaten des Auskunftsbeschlusses zusammen mit ihrem Auskunftsverlangen bekannt gibt, oder ob sie von einem förmlichen Einleitungsbeschluss absieht und die notwendigen Ausführungen zu § 32 e GWB unmittelbar in den Auskunftsbeschluss einstellt. In beiden Fällen werden die berechtigten Rechtsschutzbelange des Auskunftsverpflichteten gleichermaßen gewahrt. Dann besteht aber auch keine Notwendigkeit, die Ermittlungsbefugnis der Kartellbehörde aus § 32 e GWB davon abhängig zu machen, dass die betreffende Enquêteuntersuchung durch förmliche Beschlussfassung eingeleitet worden ist. Es reicht vielmehr aus, wenn die Angaben und Ausführungen zu § 32 e GWB Eingang in die Ermittlungsanordnung gefunden haben.

Aus § 32 e Abs. 4 GWB, der die §§ 57 und 59 bis 62 GWB für entsprechend anwendbar erklärt, lässt sich - anders als die Antragstellerin meint - nichts Gegenteiliges schließen. Die Vorschrift des § 32 e Abs. 4 GWB regelt die Ermittlungsbefugnisse der Kartellbehörde im Rahmen einer Enquêteuntersuchung. Sie ordnet an, dass die Behörde Beweis durch Augenschein, Zeugen und Sachverständige erheben (§ 57 GWB), Auskunftsersuchen stellen (§ 59 GWB) sowie einstweilige Anordnungen treffen kann (§ 60 GWB) und ihre in diesem Zusammenhang erlassenen Verfügungen zu begründen hat (§ 61 GWB). Es kann auf sich beruhen, ob es sich bei dem Verweis des § 32 e Abs. 4 GWB auf die in § 62 GWB normierte Pflicht der Kartellbehörde zur Veröffentlichung von Verfügungen im Bundesanzeiger um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers handelt. Keinesfalls kann aus der Verweisung das Erfordernis hergeleitet werden, dass eine Enquêteuntersuchung durch förmlichen Beschluss der Kartellbehörde einzuleiten ist.

2. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Dies zwingt allerdings nicht zu seiner Aufhebung.

a) Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 GWB sind Verfügungen der Kartellbehörde (schriftlich) zu begründen. Der Begründungszwang dient in erster Linie dem Rechtsschutz des Betroffenen. Sowohl der Betroffene als auch das Beschwerdegericht sollen in die Lage versetzt werden, die kartellbehördliche Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dementsprechend hat die Kartellbehörde analog § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG die tragenden tatsächlichen und rechtlichen Gründe ihrer Entscheidung mitzuteilen. Die Begründung muss dabei so vollständig sein, dass dem Adressaten eine tatsächliche und rechtliche Prüfung möglich ist und er sich anhand der Begründung darüber schlüssig werden kann, ob er die kartellbehördliche Verfügung hinnehmen oder sie anfechten will (vgl. zu allem nur: Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB Kommentar zum Kartellgesetz, 3. Aufl., § 61 Rdnr. 13, 14 m.w.N.).

Der zur Überprüfung stehende Beschluss des Amtes wird diesem Begründungserfordernis nicht in jeder Beziehung gerecht. Die Ausführungen, mit denen das Amt den für eine Enquêteuntersuchung nach § 32 e GWB erforderlichen Anfangsverdacht gerechtfertigt hat, sind unzureichend. In dem angefochtenen Beschluss heißt es dazu lediglich:

"Das Bundeskartellamt hat Hinweise darauf erhalten, dass Vereinbarungen zwischen Außenwerbeunternehmen und Kommunen auf dem Angebotsmarkt für Außenwerbeflächen möglicherweise den Wettbewerb auf dem nachgelagerten Außenwerbemarkt beeinträchtigen und gegen § 1 GWB bzw. Art. 81 EG verstoßen könnten."

Damit sind die tatsächlichen Umstände, auf denen die eingeleitete Enquêteuntersuchung beruht, nicht in der gebotenen Weise offen gelegt. Der Beschlussbegründung ist nicht im Ansatz zu entnehmen, welche Hinweise und Verdachtsmomente konkret das Bundeskartellamt zur Einleitung des Verfahrens nach § 32 e GWB veranlasst haben. Ohne diese Mitteilung ist indes weder dem Adressaten der Verfügung noch dem Beschwerdegericht die Überprüfung möglich, ob sich das Amt auf einen Anfangsverdacht im Sinne der genannten Vorschrift stützen kann. Zwar verlangt § 32 e Abs. 1 GWB lediglich die Vermutung, dass der Wettbewerb im Inland möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht sein kann, und die Kartellbehörde verfügt in diesem Zusammenhang über einen weiten Beurteilungsspielraum (ebenso: OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.7.2006 - 201 Kart 3/06 Umdruck Seite 4; Rehbinder in Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Band 2, § 32 e Rdnr. 2). Eine Enquêteuntersuchung ist aber rechtswidrig, wenn sie entweder ins Blaue hinein erfolgt (Bechtold, a.a.O. Rdnr. 4) oder die zu ihrer Rechtfertigung angeführten Umstände die Vermutung einer möglichen Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs unter keinem Gesichtspunkt plausibel begründen können (Rehbinder, a.a.O.). Um eine dahingehende rechtliche Prüfung zu ermöglichen, muss das Amt seine Verdachtsmomente mitteilen. Das ist in dem angefochtenen Beschluss unterblieben.

b) Dieses Versäumnis führt indes nicht zur Aufhebung des Auskunftsbeschlusses. Der Begründungsmangel ist nämlich gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG dadurch geheilt worden, dass das Bundeskartellamt in seiner Beschwerdeerwiderung die Hinweise und Umstände offen gelegt hat, aus denen es einen Anfangsverdacht im Sinne von § 32 e Abs. 1 GWB hergeleitet hat. Das Amt hat in diesem Zusammenhang auf einen Exklusivvertrag zwischen der Stadt P. und der "D.-S.-M. GmbH" über die Nutzung kommunaler Außenwerbeflächen mit einer Vertragslaufzeit von 15 Jahren sowie auf zahlreiche Eingaben von Wettbewerbern verwiesen, in denen derartige Exklusivverträge als erhebliches Wettbewerbshemmnis beanstandet werden. Hierdurch ist die erforderliche Begründung eines Anfangsverdachts nachgeholt und der ursprüngliche Beschlussmangel behoben worden (vgl. Senat, Beschl. v. 15.1.2007 - VI-Kart 17/06 (V) - Umdruck Seite 7; Beschl. v. 16.12.2002 - Kart 25/02 (V) - Umdruck Seite 14).

3. Das Bundeskartellamt durfte die ihm bekannt gewordenen Verdachtsmomente zum Anlass einer Enquêteuntersuchung nehmen. Die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang erhobenen Beanstandungen greifen allesamt nicht durch.

a) Ein hinreichender Anfangsverdacht ergibt sich aus dem Exklusivvertrag zwischen der Stadt P. und der "D.-S.-M. GmbH" über die Nutzung kommunaler Außenwerbeflächen mit einer Vertragslaufzeit von 15 Jahren und die Eingabe der Rechtsanwälte S. & Z. vom 18. Januar 2006 (Anlage 3), in der zahlreiche weitere Fälle einer exklusiven Bindung kommunaler Werbeflächen aufgeführt sind und die wettbewerbsbeschränkende Wirkung dieser Exklusivbindungen beklagt wird. Es ist vertretbar und deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Amt diesem Sachverhalt die Möglichkeit entnommen hat, dass der Wettbewerb auf dem Angebotsmarkt für Außenwerbeflächen eingeschränkt oder verfälscht ist. Dass die Landeskartellbehörde ein Missbrauchsverfahren wegen des erwähnten Exklusivvertrages über die Außenwerbeflächen der Stadt P. eingestellt hat, steht dem nicht entgegen.

b) Der Vorwurf, das Bundeskartellamt habe sich für die Durchführung einer Enquêteuntersuchung entschieden, ohne den damit verbundenen Ermittlungsaufwand der betroffenen Unternehmen in seine Erwägungen einzubeziehen, ist haltlos und wird durch Abschnitt III Ziffer 6. des angefochtenen Beschlusses, in dem das Amt den mit dem Auskunftsbegehren verbundenen Aufwand ausdrücklich erwähnt, widerlegt.

c) Unberechtigt ist gleichermaßen die Kritik der Antragstellerin, das Amt verfolge mit seiner Enquêteuntersuchung einen vom Gesetz nicht gedeckten Ermittlungserfolg. Nach der Beschlussbegründung will das Amt mit Hilfe der Unternehmensauskünfte abklären, ob Maßnahmen der Missbrauchsaufsicht nach § 32 Abs. 1 und 2 GWB notwendig sind; darüber hinaus erhofft es sich Markterkenntnisse, die bei der kartellrechtlichen Beurteilung künftiger Zusammenschlussvorhaben auf dem betroffenen Außenwerbeflächenmarkt von Bedeutung sein können. Gegen beide Untersuchungsziele bestehen keine rechtlichen Bedenken. Das Bundeskartellamt kann mit der Enquêteuntersuchung dem Verdacht nachgehen, dass der Wettbewerb im Inland möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht ist (§ 32 e. Abs. 1 GWB), wobei im Rahmen der Untersuchungen (u.a.) die zur Anwendung "dieses Gesetzes" - d.h. des gesamten Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen - erforderlichen Ermittlungen vorgenommen werden dürfen (§ 32 e. Abs. 2 GWB). Aus dieser Gesetzeslage ergibt sich Zweierlei. Erstens: Ziel und Zweck der Enquêteuntersuchung ist es, Wettbewerbsstörungen aufzudecken, damit anschließend die gegebenenfalls erforderlichen kartellbehördlichen (Gegen-)Maßnahmen ergriffen werden können. Die Ansicht der Antragstellerin, die bei der Enquêteuntersuchung gewonnenen Erkenntnisse dürften zwar ein späteres kartellbehördliches Verfahren zur Beseitigung der festgestellten Marktstörung auslösen, die Enquêteuntersuchung selbst dürfe aber nicht auf die Vornahme einer (erforderlich werdenden) Beseitigungsmaßnahme gerichtet sein, ist unzutreffend. Sie verkennt die Aufgabe der Kartellbehörden, im Rahmen der ihnen vom Gesetz zugewiesenen Befugnisse die Freiheit des Wettbewerbs zu schützen und zu gewährleisten. Angesichts dieser Aufgabenstellung versteht es sich von selbst, dass eine Enquêteuntersuchung nicht nur zur Klärung des Verdachts einer Wettbewerbsbeeinträchtigung durchgeführt werden darf, sondern dass weiteres Ziel der Untersuchung auch und vor allem sein darf (und muss), die unter Umständen notwendigen kartellbehördlichen Maßnahmen zur Beseitigung einer festgestellten Wettbewerbsstörung vorzunehmen. Zweitens: Die Ermittlungsbefugnis der Kartellbehörde ist nicht auf den Bereich der Missbrauchskontrolle nach § 32 GWB beschränkt. Das Gesetz ordnet im Gegenteil ausdrücklich an, dass der Anfangsverdacht unter sämtlichen Aspekten des Kartellgesetzes - und mithin auch insoweit, wie die vermutete Wettbewerbsbeeinträchtigung für Verfahren der Zusammenschlusskontrolle relevant sein kann - aufgeklärt werden darf.

4. Die der Antragstellerin auferlegte Auskunftspflicht begegnet gleichfalls keinen rechtlichen Bedenken.

1. Frage 2, die lautet:

"Geben Sie die Ihrem Unternehmen (incl. der mit Ihnen nach § 36 Abs. 2 GWB verbundenen Unternehmen)

- per 31.12.2006,

- per 31.12.2005 und

- per 31.12.2004

gehörenden Außenwerbeflächen in Deutschland an, und zwar unterteilt

1. nach ihrem Standort (Stadt/Gemeinde)

2. nach der Art der Werbeflächen (.....)

3. jeweils unterteilt nach kommunalen und privaten Flächen",

ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

aa) Die Aufteilung nach "kommunalen" und "privaten" Werbeflächen ist - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - hinreichend bestimmt und eindeutig. Bei verständiger Auslegung sind "kommunale" Werbeflächen solche, deren Standorte entweder im alleinigen Eigentum einer kommunalen Gebietskörperschaft stehen oder an denen die Gemeinde in einem solchem Umfang beteiligt ist, dass sie einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung über die Vermietung des betreffenden Werbestandortes besitzt, während unter den Begriff der "privaten" Werbeflächen alle anderen Werbeflächen fallen.

bb) Der mit der Beantwortung der Frage 2 verbundene Personal- und Zeitaufwand der Antragstellerin führt selbst dann, wenn er erheblich und - wie die Beschwerde reklamiert - auf rund 220 Arbeitsstunden zu veranschlagen sein sollte, ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens. Zwischen den Verfahrensbeteiligten steht mit Recht außer Streit, dass das Bundeskartellamt die in Frage 2 geforderten Angaben benötigt, um abzuklären, ob auf dem Angebotsmarkt für Außenwerbeflächen wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen praktiziert werden. Infolge dessen hat auch die Antragstellerin die von ihr erbetenen Auskünfte gemäß §§ 32 e Abs. 4, 59 Abs. 2 GWB zu erteilen. Dass die Auskunftserteilung - wie sie geltend macht - mit einem erheblichen Personal- und Zeitaufwand von schätzungsweise 220 Arbeitsstunden verbunden ist, befreit nicht von dieser Verpflichtung. Denn das zur Auskunft verpflichtete Unternehmen muss grundsätzlich auch erhebliche Belastungen auf sich nehmen, um seiner im Kartellgesetz verankerten Pflicht zur Auskunftserteilung nachzukommen (Senat, Beschl. v. 6.4.2006 - VI-Kart 6/06 (V) Umdruck Seite 14; KG WuW/E OLG 2965, 2966 - Haribo). Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist die Kartellbehörde lediglich gehalten, einen unnötigen oder zum Ermittlungserfolg außer Verhältnis stehenden Aufwand zu ersparen (Senat, a.a.O.; Klaue in Immenga/Mestmäcker, Kommentar zum Kartellgesetz, 3. Aufl., § 59 Rdnr. 21). Von einer solchen Fallgestaltung kann vorliegend indes keine Rede sein. Gerade deshalb, weil die Antragstellerin mit etwa 1.350 Mitarbeitern, mehr als 220.000 Werbeflächen in Deutschland und einem jährlichen Umsatz von knapp 450 Mio. Euro zu den großen Marktteilnehmern gehört, sind die von ihr geforderten Angaben notwendig, um dem Bundeskartellamt einen zutreffenden und möglichst vollständigen Überblick über den in Rede stehenden Werbeflächenmarkt zu verschaffen. Vor diesem Hintergrund kann die Antragstellerin dem Auskunftsersuchen auch nicht entgegen halten, dass die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse ebenso mit Hilfe einer (kleineren) Stichprobe aufzuklären seien. Selbst wenn eine branchenweite Befragung nicht notwendig sein sollte, ist die Entscheidung des Amtes, die Antragstellerin als eine der großen Marktteilnehmer in ihre Ermittlungen einzubeziehen, nicht zu beanstanden.

b) Ohne Erfolg wendet sich die Antragstellerin des Weiteren gegen Frage 6, die sich mit den Verträgen über die Nutzung kommunaler Außenwerbeflächen befasst. Auch insoweit steht der Ermittlungsaufwand, den die Antragstellerin auf mehrere hundert Arbeitsstunden schätzt, nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Ermittlungserfolg. Das gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil die in diesem Zusammenhang abgefragten Informationen unmittelbar den bestehenden Verdacht betreffen, dass der Wettbewerb um kommunale Außenwerbeflächen durch langfristige Exklusivverträge beeinträchtigt ist.

c) Einzelne Fragestellungen sind auch nicht - wie die Antragstellerin meint - zur Klärung des bestehenden Anfangsverdachts ungeeignet und aus diesem Grund unstatthaft.

aa) Der Begriff der "nationalen Werbekampagne" in Frage 3.4 ist hinreichend bestimmt. Er meint bei verständiger Auslegung diejenigen Werbemaßnahmen, die sich über das gesamte Bundesgebiet erstrecken. Im Übrigen hat das Bundeskartellamt durch Vorlage einer Internetmitteilung der Antragstellerin vom 23. August 2006 (Anlage 11 der Beschwerdeerwiderung) nachgewiesen, dass diese die Formulierung "nationale Werbekampagne" in ihren Verlautbarungen selbst verwendet. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsverteidigung, der Begriff der "nationalen Werbekampagne" sei unklar und mehrdeutig, nicht nachvollziehbar.

bb) Ebenso eindeutig ist der Begriff der "Außenwerbeflächen" in den Fragen 5.1 bis 5.3 und 6.1. Wie sich mühelos Ziffer 2.1 bis 2.3 des Fragenkatalogs entnehmen lässt - wonach die Außenwerbeflächen (u.a.) nach Standort und Art der Werbefläche (Großfläche, City-Light-Poster, Mega-Lights, Superposter, Allgemeinstellen, Ganzsäulen) aufgeschlüsselt werden sollen - ist mit Außenwerbefläche die Werbeeinrichtung und nicht die Zahl der auf ihr präsentierten Plakate gemeint.

d) Schließlich ist der angefochtene Auskunftsbeschlusses nicht deshalb rechtswidrig, weil das Amt in der Beschwerdeerwiderung seine Bereitschaft in Aussicht gestellt hat, sich bei einigen Fragen mit Schätzungen zufrieden geben zu können, falls die exakte Beantwortung mit einem unvertretbaren Ermittlungsaufwand verbunden sein sollte. Daraus lässt sich - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - nicht auf die Ungeeignetheit oder Unverhältnismäßigkeit der Fragestellung des Amtes schließen.

5. Die vom Bundeskartellamt eingeräumte knapp 3-wöchige Auskunftsfrist (19. März - 5. April 2007) ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht unangemessen kurz (§§ 32 e Abs. 4, 59 Abs. 6 Satz 2 GWB). Weder dem schriftsätzlichen Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz noch der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des leitenden Angestellten R. vom 28. März 2007 (Anlage 3, GA 79) ist nachvollziehbar zu entnehmen, dass es der Antragstellerin auch unter den gebotenen Anstrengungen nicht möglich ist, die erbetenen Auskünfte innerhalb der vom Amt gesetzten Frist zu erteilen. Der von der Antragstellerin auf mehrere hundert Arbeitsstunden veranschlagte Zeitaufwand zwingt angesichts der Größe und Mitarbeiterzahl ihres Unternehmens nicht zu der Schlussfolgerung, dass eine 3-wöchige Bearbeitungszeit unangemessen kurz bemessen ist. Ebenso wenig aussagekräftig ist die pauschale Einschätzung des Mitarbeiters R. in seiner eidesstattlichen Versicherung, dass bei einer umfassenden und ordnungsgemäßen Beantwortung der Fragen anstehende Projekte um voraussichtlich mehrere Monate verschoben werden müssten. Auch daraus lässt sich nämlich nicht ableiten, dass die vom Amt eingeräumte Bearbeitungszeit nicht einzuhalten ist und welche andere (längere) Frist erforderlich sein soll.

B. Die Vollziehung des angefochtenen Auskunftsbeschlusses ist für die Antragstellerin nicht mit einer unbilligen, durch überwiegende öffentliche Interessen nicht (mehr) gebotenen Härte verbunden. Die Antragstellerin macht derartige Gründe selbst nicht geltend; hierzu ist auch sonst nichts ersichtlich.

III.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 74 Abs. 2 GWB) liegen vor. Der Entscheidungsfall wirft in Bezug auf § 32 e GWB und das in diesem Zusammenhang in der Literatur vertretene Erfordernis eines förmlichen Einleitungsbeschlusses Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf.

Ende der Entscheidung

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