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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.10.2007
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 24/06
Rechtsgebiete: GWB, EG, BGB, ZPO


Vorschriften:

GWB § 19
GWB § 19 Abs. 1
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 1
GWB § 33 Abs. 1
GWB § 33 Abs. 2
EG Art. 82
BGB § 134
BGB § 307
ZPO §§ 263 f.
ZPO § 269
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2006 wird verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich gegen die Einführung neuer Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch die Beklagte.

Die Kläger vertreten die in ihnen mitgliedschaftlich organisierten Transport- und Speditionsunternehmen Deutschlands und Europas. Die Beklagte betreibt in Deutschland das System der Mautüberwachung für Lastkraftwagen auf Bundesautobahnen im Auftrag des Bundes. Die Mautpflicht selbst ergibt sich aus dem Autobahnmautgesetz des Bundes.

Die Erfassung der von einem mautpflichtigen Lkw gefahrenen Autobahnkilometer erfolgt nach dem System der Beklagten entweder manuell an dafür vorgesehenen Terminals in Tankstellen und Raststätten oder automatisch, und zwar entweder im Wege einer Internetbuchung bestimmter Strecken oder mittels satellitengestützter Erfassung über sogenannte OBU (On Board Units), die in dem Fahrzeug eingebaut sind und ein Signal übermitteln, anhand dessen die Beklagte automatisch die anfallende Maut errechnen kann.

Für die automatische Mauterfassung muss sich das jeweilige Transportunternehmen bei der Beklagten registrieren lassen. Die Beklagte legt der Registrierung ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde.

Die Beklagte verwendete zunächst ihre AGB vom 07.05.2003. Mit Schreiben vom 28.12.2004 teilte sie den bei ihr registrierten Unternehmen mit, dass ab dem 01.01.2005 neue AGB gelten würden, die von den bereits registrierten Unternehmen als genehmigt gälten, sofern nicht binnen sechs Wochen Widerspruch erhoben werde. Ein Widerspruch werde seitens der Beklagten nicht als Kündigung gewertet, vielmehr würden die Geschäftsbedingungen zu den Bedingungen der alten AGB fortgelten, allerdings behalte sich die Beklagte im Fall des Widerspruchs die fristgemäße Kündigung der Geschäftsbeziehung vor.

Insgesamt 5 Unternehmen haben einer Einbeziehung der geänderten Geschäftsbeziehungen widersprochen. Ihnen gegenüber hat die Beklagte daraufhin die Kündigung des Vertragsverhältnisses ausgesprochen, diese Kündigung in der Folgezeit aber wieder zurückgenommen.

Erstinstanzlich haben die Kläger die Ansicht vertreten, die Beklagte missbrauche durch den Wechsel der AGB ihre marktbeherrschende Stellung. Hierzu haben sie vorgetragen, die Art und Weise, wie die Beklagte ihre neuen AGB durchzusetzen versuche, nämlich unter Androhung der Kündigung für den Fall des Widerspruchs durch ein Unternehmen, verstoße gegen § 19 GWB und Art. 82 EG. Nachdem sie sich in der Klageschrift zunächst auch gegen den Inhalt einzelner neuer AGB gewandt hatten, haben sie den Vorwurf, die AGB benachteiligten die Unternehmen unangemessen und seien daher gemäß § 307 BGB unwirksam, im weiteren Prozessverlauf fallen gelassen und auf Nachfrage des Gerichts erster Instanz in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, sich nicht gegen die Angemessenheit der veränderten oder neu eingefügten Vertragsklauseln selbst, sondern nur dagegen zu wehren, dass die Beklagte versucht habe, geänderte Allgemeine Geschäftsbedingungen mittels Kündigungsandrohung und einer gegebenenfalls anschließenden Vertragskündigung durchzusetzen. Es werde - so haben die Kläger dazu ausgeführt - kein Konditionenmissbrauch vorgeworfen, weshalb die Inhaltskontrolle der neuen oder geänderten Vertragsklauseln dahinstehen könne. Als kartellrechtswidriges Verhalten werde alleine gerügt, dass die Beklagte versucht habe, die neuen Geschäftsbedingungen mit dem Mittel der Kündigungsandrohung durchzusetzen.

Mit dieser Maßgabe haben sie beantragt,

die Beklagte bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zu Ordnungshaft, oder zu Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen an den im Rubrum angegebenen Geschäftsführern, zu verurteilen,

es zu unterlassen,

1.

für den Fall des Widerspruchs von Transportunternehmen, die Mitglieder der Kläger sind, gegen geänderte AGB der Beklagten "für die Nutzung des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung der Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen" mit der Kündigung der Geschäftsbeziehung zu drohen, wenn dies geschieht wie in dem Schreiben vom 28.12.2004,

2.

im Fall des Widerspruchs der bis zum 28.12.2004 bei der Beklagten für das automatische Mauterhebungssystem registrierten Transportunternehmen, die Mitglieder der Kläger sind, gegen die geänderten AGB der Beklagten "für die Nutzung des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung der Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen" Stand 21.12.2004, die Geschäftsbeziehung mit widersprechenden Unternehmen zu kündigen,

3.

im Fall einer auf Grundlage der Kündigungsdrohung der Beklagten bereits ausgesprochenen Kündigung gemäß Ziffer 1. und 2. die betroffenen Unternehmen im automatischen Einbuchungsverfahren zu sperren,

4.

die AGB der Beklagten "für die Nutzung des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung der Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen" in der Fassung vom 21.12.2004 gegenüber den Transportunternehmen der Kläger zu verwenden, die bis zum 28.12.2004 bei der Beklagten für das automatische Mauterhebungssystem registriert waren, dem Benutzungsverhältnis zugrunde zu legen.

Den Klageantrag zu 4. haben die Kläger ausdrücklich als (Folgen-) Beseitigungsanspruch geltend gemacht, der darauf gerichtet sei, den durch die Kündigungsandrohung geschaffenen Zustand zu beseitigen. Wörtlich heißt es dazu im Schriftsatz der Kläger vom 27.02.2006 (dort Seite 8, GA 181): "Wie dargestellt ..., verstößt die kartellrechtswidrige Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 21.12.2004 mit Schreiben vom 28.12.2004 gegen §§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 und Art. 82 EGV. Die Einbeziehung ist mithin gemäß § 134 BGB nichtig. Nachdem nicht auszuschließen ist, dass sich die Beklagte auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 21.12.2004 ungeachtet der kartellrechtswidrigen Einbeziehung auch zukünftig im Rahmen des Vollzugs der Geschäftsbeziehung mit den Transportunternehmen berufen wird, gilt es daher, den kartellrechtswidrigen Zustand für die Zukunft zu beseitigen. Ein entsprechender Anspruch kann von den Klägern auf der Grundlage des § 33 Abs. 1, Abs. 2 GWB geltend gemacht werden."

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 10. Mai 2006 abgewiesen. Es hat zunächst darauf abgestellt, dass die Beklagte nicht als Unternehmen im Sinne des deutschen oder europäischen Kartellrechts anzusehen sei, da sie vornehmlich mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben aufgrund eines Auftrags des Bundes befasst sei. Sie betätige sich gegenüber den Transportunternehmen nicht wirtschaftlich, sie trete ihnen gegenüber insbesondere nicht als Anbieterin oder Nachfragerin von wirtschaftlichen Leistungen auf. Darüber hinaus sei aber auch die Art und Weise des Wechsels der AGB nicht zu beanstanden. Allein die Androhung der vertragsgemäßen Kündigung für den Fall eines Widerspruchs gegen die Verwendung der neuen AGB stelle noch keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagte dar. Ein solcher könne allenfalls in der Verwendung von solchen Geschäftsbedingungen liegen, die gemäß § 307 BGB wegen einer unbilligen Behinderung der Transportunternehmen unwirksam seien. Eine Inhaltskontrolle sei allerdings von den Klägern ausdrücklich nicht gewollt, so dass dem Gericht eine zivilrechtliche Inhaltskontrolle nicht eröffnet sei.

Mit der Berufung greifen die Kläger das Urteil an und machen weiterhin geltend, die Beklagte sei zur Unterlassung der Verwendung der neuen AGB verpflichtet, da sie durch deren Verwendung ihre marktbeherrschende Stellung missbrauche. Nunmehr berufen sie sich zur Begründung dieses Anspruchs darauf, die Regelungen zur Haftungsbegrenzung zugunsten der Beklagten in den Ziffern 5.1 Satz 2, 5.3 und 5.4, die Kostentragungsregelungen bei Wartungs- und Pflegearbeiten an der OBU in den Ziffern 33.3 Satz 3, 33.5 Satz 2 und 3, 34.1 Satz 3 und 34.3, die Erklärungsfiktion in Bezug auf die Richtigkeit der Mautabrechung in Ziffer 28.1 sowie die Kündigungsregelung in Ziffer 29.2 benachteiligten die Transportunternehmen unbillig und seien daher gemäß § 307 BGB unwirksam. Die Beklagte missbrauche ihre Marktmacht, wenn sie zur Durchsetzung dieser zivilrechtswidrigen Vertragsklauseln die Kündigung der Vertragsverhältnisse androhe und bei Widerspruch gegen die neuen AGB sodann auch die Kündigung ausspreche.

Die Kläger sind der Ansicht, das Landgericht habe die AGB auch inhaltlich überprüfen müssen. An die Begrenzung des Prüfungsumfangs durch die Kläger sei das Gericht nicht gebunden gewesen, da es sich nur um rechtliche Ausführungen bzw. Einschränkungen gehandelt habe.

Die Kläger beantragen nunmehr,

1.

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für Unternehmer für die Nutzung des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung der Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen" in der Fassung vom 21.12.2004 gegenüber den Transportunternehmen der Kläger zu verwenden, die bis zum 28.12.2004 bei der Beklagten für das automatische Mauterhebungssystem registriert waren, und es zu unterlassen, diese dem Benutzungsverhältnis zugrunde zu legen und

2.

der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter 1. genannten Unterlassungsverpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, anzudrohen.

3.

Hilfsweise beantragen die Kläger,

a)

der Beklagten zu untersagen, im Zusammenhang mit der Nutzungsgewährung des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Unternehmer folgende oder inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden:

3.1 "Soweit T. keine vorsätzliche Vertragsverletzung anzulasten ist, ist die Schadensersatzhaftung auf den vorhersehbaren, typischerweise eintretenden Schaden begrenzt." (Ziffer 5.1 Satz 2), sofern diese Klauseln zusammen mit einer Klausel des Inhalts der Ziffer 5.3 verwendet wird.

3.2 "T. haftet für Vermögensschäden bis zu einem Betrag von € 12.500,00 je Nutzer. Gegenüber der Gesamtheit der Geschädigten ist die Haftung von T. auf € 10 Mio. jeweils je schadenverursachendes Ereignis begrenzt. Übersteigen die Entschädigungen, die mehreren Benutzern aufgrund desselben Ereignisses zu leisten sind, die Höchstgrenze, so wird der Schadensersatz in dem Verhältnis gekürzt, in dem die Summe aller Schadensersatzansprüche zur Höchstgrenze steht. Die Haftungsbegrenzung der Höhe nach entfällt, wenn der Schaden vorsätzlich verursacht wurde." (Ziffer 5.3)

3.3 "Der Benutzer hat Mautaufstellungen, Rechnungen und Einzelfahrtnachweise von T. unverzüglich auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen und etwaige Einwendungen innerhalb von zwei Monaten nach Zugang bei T. schriftlich geltend zu machen. Die Unterlassung rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung, T. wird bei Beginn der Frist auf die Folgen der unterlassenen rechtzeitigen Anzeige besonders hinweisen. Der Benutzer kann auch nach Fristablauf Einwendungen geltend machen, muss dann aber beweisen, dass die Genehmigung ohne Rechtsgrund erfolgte." (Ziffer 28.1)

3.4 "T. kann die Geschäftsverbindung mit einer Frist von einem Monat zum Quartalsende kündigen." (Ziffer 29.2)

3.5 "Mittelbare Vermögensnachteile (insbesondere entgangener Gewinn) werden nicht ersetzt." (Ziffer 33.3 Satz 3)

3.6 "T. trägt die Kosten des Austauschs, wenn und soweit T. den Fehler zu vertreten hat. Ziffer 5 dieser Geschäftsbedingungen bleibt unberührt." (Ziffer 33.5 Satz 2 und 3)

3.7 "Mittelbare Vermögensnachteile (insbesondere entgangener Gewinn) werden nicht ersetzt." (Ziffer 34.1 Satz 3)

3.8 "Ziffer 5 dieser Geschäftsbedingungen bleibt unberührt." (Ziffer 34.3), sofern hiermit auf eine Klausel mit dem Inhalt der Ziffer 5.1 und 5.3 Bezug genommen wird.

b)

der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter 3.1 bis 3.8 genannten Unterlassungsverpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,-- und für den Fall, dass dieses Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, anzudrohen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie rügt die Zulässigkeit der Berufung. Die Klägerin habe den Streitgegenstand in der ersten Instanz zulässig auf die Art und Weise der Einführung der neuen AGB durch die Beklagte beschränkt. Wenn sie in der Berufung den Kartellrechtsverstoß nunmehr ausschließlich aus der inhaltlichen Unwirksamkeit der AGB herleite, mache sie keine Beschwer durch das landgerichtliche Urteil geltend, sondern führe einen neuen Klagegrund ein.

Darüber hinaus seien die gerügten Klauseln der AGB nicht gemäß § 307 BGB unwirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist unzulässig.

Die Kläger erstreben mit ihr nicht die Beseitigung der in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer - Ablehnung eines Unterlassungsanspruchs wegen der Durchsetzung geänderter AGB mittels Kündigungsandrohung - , sondern die Unterlassung der Verwendung der neuen AGB wegen der inhaltlichen Unwirksamkeit darin enthaltener Klauseln.

1.

Eine Berufung richtet sich dann nicht gegen die Beschwer des angegriffenen Urteils und ist infolge dessen unzulässig, wenn im Wege der Klageänderung ein bislang nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt wird, ohne dass der in erster Instanz erhobene Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt wird, also im Fall einer erstinstanzlichen Klageabweisung deren Richtigkeit gar nicht in Frage gestellt wird, sondern zur Begründung der gestellten Anträge im Wege der Klageänderung ein neuer, bislang nicht vorgebrachter Anspruch geltend gemacht wird. Die Änderung bzw. Erweiterung der Klage in zweiter Instanz (§ 523 i.V.m. § 264 Nr. 2, 263 ZPO) kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein. Vielmehr setzt ein derartiges Prozessziel eine zulässige Berufung voraus (BGH, NJW-RR 2006, 261; BGH, NJW-RR 2002, 1435; BGH, NJW-RR 1996, 1276, jeweils m. zahlr. Nachw.; Gummer in Zöller, ZPO, 25. Aufl., vor § 511, RdNr. 10a; Ball in Musielak , ZPO, 4. Aufl., vor § 511, RdNr. 26).

2.

Im vorliegenden Fall haben die Kläger ihrem Begehren in erster Instanz einen anderen Klagegrund zugrunde gelegt als in der Berufungsinstanz. Erstinstanzlich haben sie den Vorwurf eines kartellrechtswidrigen Verhaltens der Beklagten ausdrücklich darauf beschränkt, dass die Beklagte die Durchsetzung der geänderten AGB mittels Kündigungsandrohung versucht habe. Die Bewertung des Landgerichts hierzu greifen sie mit der Berufung nicht an. Sie stützen vielmehr in 2. Instanz den Missbrauchsvorwurf alleine auf die zivilrechtliche Unwirksamkeit einzelner Klauseln. Die Kläger verfolgen damit im Berufungsrechtszug ausschließlich einen neuen, bisher noch nicht geltend gemachten Anspruch. Das macht ihr Rechtsmittel unzulässig.

a)

Im Rahmen der Prüfung, ob der Rechtsmittelführer einen anderen (neuen) Anspruch geltend macht, ist auf den prozessualen Anspruch im Sinne des Streitgegenstandsbegriffs abzustellen. Nach der prozessrechtlichen Auffassung vom Streitgegenstand, der sich der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat, wird mit der Klage nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch verfolgt, sondern der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung verstandene, eigenständige prozessuale Anspruch, der durch den Klageantrag (Rechtsfolge) und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt wird (vgl. BGH, WM 2007, 1241; BGH, NJW-RR 2006, 1502; BGH NJW 2003, 2317, jeweils m.w.N.). Dabei geht der Klagegrund über die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet hat (BGH, NJW-RR 1996, 1276 m.w.N.). Klagegründe sind dann unterschiedlich, wenn sie im Kern verschiedene Lebenssachverhalte betreffen. Dabei müssen sie in wesentlichen Punkten voneinander abweichen. Bloße Ergänzungen oder Berichtigungen sind unerheblich (BGH, NJW 2007, 83; BGH, NJW 1997, 588).

Bei Unterlassungsansprüchen - wie sie vorliegend zur Entscheidung stehen - ist dabei maßgeblich, welches Verhalten des Anspruchsgegners mit der Klage konkret gerügt werden soll. Auch wenn der Schuldner ein Verhalten (hier das Einbeziehen der geänderten AGB) naturgemäß nur einmal unterlassen kann, kommt es zur Beurteilung des Streitgegenstandes maßgeblich auf die gerügte Handlung an, aus denen der Kläger seinen Unterlassungsanspruch herleitet. Unterschiedliche, nicht gleichartige wettbewerbliche und kartellrechtliche Verletzungs- und Missbrauchshandlungen stellen grundsätzlich verschieden Klagegründe dar. Bei einem wettbewerblichen Unterlassungsanspruch besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot gerade der bestimmten - als rechtswidrig angegriffenen - Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kläger in seinem Antrag und der zu seiner Auslegung heranzuziehenden Begründung festgelegt hat. Die so umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt den Inhalt des Klagebegehrens und damit den Streitgegenstand, aus der das Unterlassungsbegehren hergeleitet wird (BGH, WRP 2006, 590). Eine Änderung der Verletzungsform, auf die sich der Verbotsanspruch nach dem Willen des Klägers beziehen soll, ändert dabei den Streitgegenstand (BGH, WRP 2006, 1247), wobei es dem Anspruchsteller freisteht, sein Unterlassungsbegehren auf verschiedene Begründungen zu stützen und dazu verschiedene Streitgegenstände in einen Prozess einzuführen. Voraussetzung ist allerdings, dass er zweifelsfrei deutlich macht, welche prozessualen Ansprüche er mit seinem Antrag verfolgt. Dies erfordert insbesondere der Schutz des Beklagten, der seine Rechtsverteidigung danach auszurichten hat (BGH, NJW-RR 2006, 1118; BGH, NJW 2003, 2317).

b)

Nach vorstehenden Grundsätzen verfolgen die Kläger in zweiter Instanz einen anderen Streitgegenstand, als er im landgerichtlichen Verfahren geltend gemacht worden ist.

aa)

Erstinstanzlich haben die Kläger ihre Klage ausschließlich auf den Vorwurf gestützt, dass die Beklagte dadurch ihre marktbeherrschende Stellung missbrauche, dass sie die geänderten Geschäftsbedingungen mit dem Mittel der Kündigungsandrohung durchzusetzen versuche. Allein das "Wie" der Einbeziehung der AGB war damit zur Entscheidung gestellt. Ob ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Marktmacht missbraucht, indem es geänderte AGB gegenüber seinen Vertragspartnern mittels Kündigungsandrohung durchsetzt, kann ohne Berücksichtigung oder Kenntnis vom Inhalt der einzelnen Klauseln geprüft und beantwortet werden. Die Trennung dieser Frage von der - mit der Berufung alleine zur Entscheidung gestellten - Problematik, ob und inwieweit ein Missbrauch von Marktmacht vorliegt, wenn AGB verwendet werden sollen, die ihrem Inhalt nach den Vertragspartner unangemessen benachteiligen und die daher gemäß § 307 BGB unwirksam sind, stellt keine künstliche Trennung eines bei natürlicher Betrachtungsweise einheitlichen Lebenssachverhaltes dar. Beide Umstände stellen nicht nur Details desselben Lebenssachverhaltes dar, sondern beinhalten einen vollständig verschiedenen und unabhängig voneinander zu bewertenden Unrechtsvorwurf. Beide Vorwürfe lassen sich - prozessual und denklogisch - voneinander trennen. Dass gegebenenfalls auch oder erst in einer Zusammenschau beider Vorwürfe ein tatbestandlicher Missbrauch nach kartellrechtlichen Vorschriften vorliegt, ändert nichts daran, dass es sich um differente Klagegründe handelt, die getrennt voneinander beurteilt werden können - und entsprechend dem Vortrag der den Prozessstoff beherrschenden Kläger auch müssen. Es handelt sich um unterschiedliche Verletzungsformen und dementsprechend auch um verschiedene Streitgegenstände.

Das Landgericht hat demnach zu Recht in seiner Entscheidung nur geprüft, ob die Art und Weise der Einbeziehung der geänderten AGB den Vorwurf des kartellrechtswidrigen Verhaltens gegen die Beklagte rechtfertigt und eine Inhaltskontrolle unterlassen.

Dass die Kläger in der ursprünglichen Klagebegründung zunächst beide Klagegründe vorgetragen hatten, hat das Gericht zutreffenderweise außer Acht gelassen. Das Landgericht war nämlich an diese Beschränkung des Streitgegenstandes gebunden. Zwar gilt der Grundsatz, dass der vorgetragene Sachverhalt vom Gericht ungeachtet der eigenen rechtlichen Würdigung durch die Kläger umfassend rechtlich zu prüfen ist. Das Gericht muss aber die Grenzen des von den Klägern bestimmten Streitgegenstandes beachten (BGH, WRP 2006, 1247). Der dem Gericht zur Entscheidung unterbreitete Streitgegenstand unterliegt dabei bis zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich der Disposition des Klägers, wie sich aus den Regelungen zur Klagerücknahme, § 269 ZPO, und - eingeschränkt - zur Klageänderung, § 263 f. ZPO, ergibt. Die Kläger konnten den Streitgegenstand bis zur mündlichen Verhandlung daher wirksam auf den Vorwurf des "Wie" der Einbeziehung der AGB im Rahmen ihrer Verfügungsbefugnis über den Streitgegenstand begrenzen, indem sie den Vorwurf des Kartellrechtsverstoßes durch Verwendung zivilrechtswidriger AGB auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich fallengelassen und erklärt haben, eine Inhaltsüberprüfung der AGB nicht zu begehren.

Aufgrund dessen stand der Vorwurf eines Missbrauchs von Marktmacht durch die Verwendung unangemessener und gemäß § 307 BGB unwirksamer AGB nicht mehr zur Entscheidung des Landgerichts (vgl. BGH, GRUR 2006, 590).

Das Gegenteil ergibt sich auch nicht aus der Formulierung des erstinstanzlichen Antrags zu 4., wie die Kläger meinen. Mit diesem Antrag haben die Kläger verlangt, dass die Beklagte von der Verwendung der neuen AGB gegenüber allen bis zum 28.12.2004 bei ihr registrierten Nutzern absieht. Auch jenem Begehren lag ausschließlich der Vorwurf zugrunde, dass die Beklagte dadurch kartellrechtswidrig handele, dass sie eine Änderung der Geschäftsbedingungen mit dem Mittel der Kündigungsandrohung erzwinge. Der Klageantrag zu 4. diente dabei der Vervollständigung des insoweit nachgesuchten Rechtsschutzes. Mit den Anträgen zu 1. bis 3. hatten die Kläger die Unterlassung der Durchsetzung der neuen AGB mittels Kündigungsandrohung (Antrag zu 1.), der Kündigung bei erfolgtem Widerspruch (Antrag zu 2.) und der Sperrung von gekündigten Unternehmen (Antrag zu 3.) begehrt. Damit waren indes noch nicht diejenigen Mitgliedsunternehmen der Kläger geschützt, die den neuen AGB nicht widersprochen hatten und denen gegenüber die Beklagte sie folglich gemäß ihrem Schreiben vom 28.12.2004 anwandte. Diese Rechtsschutzlücke sollte durch den Antrag zu 4. geschlossen werden, indem der Beklagte gerichtlich verboten werden sollte, die neuen AGB den nicht widersprechenden Unternehmen gegenüber anzuwenden. Die Kläger haben ihren Klageantrag zu 4. selbst in diesem Sinne interpretiert und ihn ausdrücklich als (Folgen-) Beseitigungsanspruch mit dem Ziel reklamiert, den durch die Kündigungsandrohung eingetretenen rechtswidrigen Zustand in Bezug auf die nicht widersprechenden Mitgliedsunternehmen zu beenden und der Beklagten untersagen zu lassen, sich diesen Unternehmen gegenüber auf die neuen Geschäftsbeziehungen zu berufen.

bb)

Die Kläger wenden sich mit der Berufung auch nicht teilweise gegen die Entscheidung des Landgerichts. In zweiter Instanz stützen sie ihr Unterlassungsbegehren - ausdrücklich und ausschließlich - auf den Vorwurf, die Beklagte habe deshalb kartellrechtswidrig gehandelt, weil sie zahlreiche inhaltlich unangemessene und deshalb zivilrechtswidrige Geschäftsbedingungen verwendet und durch Kündigungsandrohung durchzusetzen versucht habe. Damit machten sie - ungeachtet des unverändert gebliebenen Klageantrags zu 4., den die Kläger nunmehr als Hauptantrag verfolgen - einen neuen Streitgegenstand geltend, ohne zugleich das landgerichtliche Urteil anzugreifen. Eine solche Berufung ist unzulässig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergehen gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision bestand nicht, § 543 Abs. 2 ZPO. Der Senat hat den Streitfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden.

Ende der Entscheidung

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