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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.07.2009
Aktenzeichen: VII-Verg 10/09
Rechtsgebiete: VOB/A, GWB


Vorschriften:

VOB/A § 5 Nr. 1 b
GWB § 118 Abs. 1
GWB § 118 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Detmold vom 26. Februar 2009 (VK 1-08/08) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 235.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

A.

Der Antragsgegner schrieb im Rahmen des Neubaus der Nordumgehung Bad Oeynhausen die Brückenneubauten zur Überführung der L 772 über die A 30, zur Überführung der A 30 über den verlegten Karbach und zur Überführung des Geh- und Radweges "Am Flutgraben" im offenen Verfahren als Los 1.2 europaweit aus.

Mit Schreiben vom 2. September 2009 hob er die Ausschreibung auf, da kein annehmbares Angebot vorlag. Alle am offenen Verfahren beteiligten Bieter wurden aufgefordert, im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne öffentliche Vergabebekanntmachung ein neues Angebot einzureichen. Die einzige Änderung an den Verdingungsunterlagen lag darin, dass für Einheitspreisangebote eine Stoffpreisgleitklausel für Stahl eingeführt wurde.

In der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter 12.2 waren als Zuschlagskriterien der Preis, gewichtet mit 90 %, und der Technische Wert, gewichtet mit 10 %, benannt. Für das Kriterium "Technischer Wert" waren die folgenden Unterkriterien mit jeweils gleicher Wichtung festgelegt:

Bauverfahren,

Bauablauf,

Qualitätssicherung,

Geräteeinsatz.

In Ziffer 6 der Angebotsaufforderung war Folgendes ausgeführt:

Vorlage von mit dem Angebot auf gesonderter Anlage vorzulegenden Unterlagen zu den in Nr. 12 genannten bzw. angekreuzten Wertungskriterien:

Angaben zu :

- den gewählten Bauverfahren

- dem vorgesehenen Bauablauf

- Maßnahmen zur Sicherung der Qualität

- Art und Anzahl der verwendeten Baugeräte

Mit dem Angebot eingereichte Bauzeiten- oder Bauablaufpläne werden als Entwurf behandelt, die dort angegebenen Daten als fiktiv.

Unter Ziffern 12.2. war vorgesehen, dass die Bewertung der von den Bietern zu den jeweiligen Unterkriterien mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen nach Nr. 6 der Angebotsaufforderung über eine Punkteskala von einem Punkt bis drei Punkten erfolgen sollte (drei Wertungspunkte bei optimale Erfüllung, zwei Wertungspunkte bei durchschnittlicher Erfüllung, ein Punkt bei unterdurchschnittlicher Erfüllung).

Für Nebenangebote war in der Baubeschreibung unter Ziffer 6 u.a. Folgendes bestimmt:

Nebenangebote über eine Pauschalierung des Vertrages sind zur Vereinfachung der Bauabrechnung erwünscht.

Die Antragstellerin reichte ein Hauptangebot mit einem Nachlass auf die Angebotssumme von 2% und vier technische Nebenangebote ein. Die Beigeladene gab ein Hauptangebot und ein kaufmännisches Nebenangebot ab, das als Gesamtpreis eine Pauschalsumme auswies und ca. 20.000 Euro unter dem Hauptangebot der Antragstellerin lag. Das Nebenangebot der Beigeladenen lag in preislicher Hinsicht an Rang eins der Angebotswertung, die Antragstellerin an Rang zwei der Angebotswertung. Im Oktober 2008 wertete der Antragsgegner die Angebote. Die Nebenangebote der Antragstellerin wurden wegen Nichterfüllung der Mindestanforderungen ausgeschlossen. Alle Angebote erhielten in der technischen Wertung zwei Wertungspunkte mit der Begründung, sie entsprächen den gewünschten Anforderungen.

Mit Bieterinformation vom 6. November 2008 unterrichtete der Antragsgegner die Antragstellerin von der Absicht, den Zuschlag auf das an erster Stelle liegende Nebenangebot der Beigeladenen zu erteilen. Das Hauptangebot der Antragstellerin sei nicht das wirtschaftlichste. Die Nebenangebote zwei bis vier entsprächen nicht den Mindestanforderungen, das Nebenangebot eins lasse ausgeschriebene Leistungen entfallen.

Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 14. November 2008 die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung des Antragsgegners als rechtsverletzend. Unter anderem beanstandete sie, dass ihre Nebenangebote nicht gewertet worden seien und ihr nicht bekannt sei, mit Punktzahl ihr Angebot bei den Zuschlagskriterien Preis und technischer Wert beurteilt worden sei. Ferner bat sie um Überlassung der Bewertungsmatrix. Schließlich rügte sie, dass mit ihr keine Verhandlungen geführt worden seien, obwohl sie Mindestbietende gewesen sei. Der Antragsgegner half der Rüge nicht ab.

Daraufhin reichte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein, mit dem sie u.a. die Verpflichtung des Antraggegners begehrte, mit ihr in Vertragsverhandlungen zu treten und ihr Angebot zu werten. Die Vergabekammer hat dem Nachprüfungsantrag teilweise stattgeben und eine Wiederholung der Angebotswertung angeordnet. Die auf Zurückversetzung, hilfsweise auf Aufhebung des Vergabeverfahrens gerichteten Anträge hat sie zurückgewiesen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Die Angebotswertung sei zu wiederholen. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die von den Bietern vorgelegten Unterlagen zu den einzelnen Unterkriterien in einem erheblichen Ausmaß unterschieden, gebe es keinen vernünftigen Zweifel daran, dass eine vergleichende, objektiv und sachlich nachvollziehbare Wertung dieser Kriterien vom Antragsgegner nicht nur nicht dokumentiert, sondern tatsächlich auch nicht durchgeführt worden sei.

Mit der Beschwerde gegen die Zurückweisung der auf Zurückversetzung, hilfsweise auf Aufhebung des Vergabeverfahrens gerichteten Anträge verfolgt die Antragstellerin auf der Grundlage der Angebotswertung vom Oktober 2008 ihr Begehren weiter. Den Ausschluss der Nebenangebote nimmt die Beschwerde hin.

Der Antragsgegner wiederholte unter dem 24. März 2009 die Angebotswertung und teilte das Ergebnis der Antragstellerin mit Schreiben vom 25. März 2009 wie folgt mit: Bei der erneuten Wertung habe das Hauptangebot der Antragstellerin insgesamt 968 und das Nebenangebot der Beigeladenen 981 Wertungspunkte erzielt. Beim Preis habe das Hauptangebot der Antragstellerin 893 Wertungspunkte erzielt, beim technischen Wert 75, also insgesamt 968. Das Nebenangebot der Beigeladenen habe beim Preis 900 Wertungspunkte und beim technischen Wert 81 Wertungspunkte erhalten. Bei den vier Unterkriterien zum technischen Wert habe das Hauptangebot der Antragstellerin jeweils zwei Wertungspunkte erhalten. Das Nebenangebot der Beigeladenen habe bei drei Unterkriterien ebenfalls zwei Punkte erhalten. Beim Unterkriterium "Bauablauf" habe es drei Wertungspunkte erreicht.

Mit Schreiben vom 27. März 2009 rügte die Antragstellerin die Bewertung vom März 2009 erfolglos als vergaberechtsfehlerhaft.

Gegen die von der Antragsgegnerin erneuerte Angebotswertung reichte die Antragstellerin einen (zweiten) Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein. Die Vergabekammer hat das Verfahren ausgesetzt. Der Antragsgegner hat Frage des Senats erklärt, dass sich das vorliegende Beschwerdeverfahren aufgrund der erneuerten Angebotswertung vom März 2009 erledigt habe.

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, der Antragsgegner habe nicht alle Kriterien für die technische Wertung bekannt gegeben. Insbesondere die Gewichtungsregeln für die Punktvergabe (ein bis drei Punkte) seien unbestimmt.

Sie beansprucht für ihr Hauptangebot eine bessere Bewertung, insbesondere bei den Unterkriterien "Bauverfahren/Bauablauf", "Qualitätssicherung" und "Geräteeinsatz". Für die Unterkriterien "Bauverfahren" und "Bauablauf" habe es nicht zu einem Punktabzug kommen dürfen, weil im Angebot keine Aussagen zum zeitlichen Ablauf gemacht worden seien. In den Verdingungsunterlagen seien konkrete Termine vorgegeben gewesen. Sie habe mit Abgabe des Angebots erklärt, diese einzuhalten. Es sei beim Bauablauf und Bauverfahren jeweils eine Bewertung mit drei Punkten geboten, weil diese technisch miteinander zusammenhingen und im Angebot gemeinsam dargestellt worden seien. Sie habe zudem mit dem Angebot nachgewiesen, dass sie über eine ISO-DIN-9000-Zertifizierung verfüge. Dies habe ebenfalls beim Unterkriterium "Qualität" zur Vergabe von drei Wertungspunkten führen müssen. Bei Unterkriterium Geräteeinsatz habe sie ebenso wie die Bieterin B... GmbH drei Wertungspunkte erhalten müssen. Bei dem Angebot der Beigeladenen sei ein Punktabzug geboten, weil es an Angaben fehle, welche Geräte bei welchen Arbeiten zum Einsatz kämen.

Hilfsweise macht die Antragstellerin geltend, das Nebenangebot der Beigeladenen habe nicht gewertet werden dürfen. Es sei nicht in jeder Hinsicht vergleichbar. Es handele sich um ein Spekulationsangebot. Die Beigeladene rechne bei der Ausführung offenbar mit Mindermengen. Fielen Mindermengen an, sei ihr, der Antragstellerin, Hauptangebot als Einheitspreisangebot preisgünstiger. Auch fehle es an den Voraussetzungen für eine Pauschalpreisvergabe nach § 5 Nr. 1 b VOB/A. Nach den Umständen sei mit einer Änderung der Ausführung zu rechnen, dies allein wegen der durch ein Bodengutachten bestätigten instabilen Baugrundverhältnisse.

Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass der Nachprüfungsantrag und die Beschwerde sich hauptsächlich gegen die zweite Angebotswertung und hilfsweise weiterhin gegen die erste Angebotswertung richten sollen. Den bei der Vergabekammer eingereichten (zweiten) Nachprüfungsantrag nahm die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurück.

Sie beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer vom 27. Februar 2009 den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Stand vor Versendung der Verdingungsunterlagen zurückzuversetzen,

hilfsweise das Vergabeverfahren aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den Beschluss der Vergabekammer und trägt im Wesentlichen vor: Die Rüge der Antragstellerin sei verspätet erfolgt. Die fehlende Angabe von Bewertungsmaßstäben sei aufgrund der Angebotsaufforderung offensichtlich gewesen. Die Unterkriterien zum technischen Wert seien nicht unbestimmt, sondern ließen offensichtlich einen weiten Ermessensspielraum zu.

Die Wertung der Angebote im März 2009 sei aufgrund einer vergleichenden Betrachtung der nach Ziffer 6 der Angebotsaufforderung eingereichten Unterlagen erfolgt, wie unstreitig ist. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Aufstellung einer abstrakt definierten Punkteskala oder eines Wertungsleitfadens, mit dem er, der Antragsgegner, sein Ermessen binde. Die in Kenntnis der Angebote ausgewählten Kriterien eröffneten keine Manipulationsmöglichkeiten. Mit ihnen sollte dem Problemlösungspotenzial der Bieter Rechnung getragen werden.

Der Umstand, dass bei einem Pauschalpreisangebot die Mengenansätze keinen Eingang in die Vergütungsabrechnung finden, sei vergaberechtlich irrelevant. Der Mengenschätzung im Leistungsverzeichnis sei ein prognostisches Element immanent. Er, der Antragsgegner, habe sich bei der Entwurfsplanung auf ein Fachbüro verlassen, welches die Mengenansätze geschätzt habe. Nebenangebote mit Pauschalierungen habe er zugelassen, weil keine Änderungen an den Vordersätzen zu erwarten seien.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

I. Das Nachprüfungsverfahren ist in der Hauptsache nicht erledigt. Die dahingehende Annahme des Antragsgegners hat sich - damals und zwar das Nachprüfungsverfahren betreffend, noch richtig - auf eine Zeitraum vor Änderung der Prozesslage im Senatstermin bezogen. Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist - neben der Angebotswertung vom Oktober 2008, die mit der Beschwerde hilfsweise angegriffen wird - auch die erneuerte Angebotswertung vom 24. März 2009. Die Antragstellerin konnte in entsprechender Anwendung der im Zivilprozess geltenden Regeln zur Klageänderung (§§ 533, 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) die Angebotswertung vom 24. März 2009 zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens erklären. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NZBau 2004, 285) gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung im Beschwerdeverfahren entsprechend, weil es sich beim Nachprüfungsverfahren um ein streitiges Verfahren handelt. Da die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den zweiten Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer wirksam zurückgenommen hat, ist auch keine mehrfache Rechtshängigkeit gegeben (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG analog). Zu Recht ist der Antragsgegner allerdings davon ausgegangen, dass die erste Angebotswertung vom Oktober 2008 durch die Wiederholung vom März 2009 gegenstandslos geworden ist. Der Antragsgegner hat mit der Neuwertung zu erkennen gegeben, an der ursprünglichen Angebotswertung nicht mehr festhalten zu wollen, und hat dies auch ausdrücklich erklärt. Er hat zudem den Beschluss der Vergabekammer, mit dem ihm eine Erneuerung der Angebotswertung auferlegt worden war, in Bestandskraft erwachsen lassen. Die zweite Angebotswertung hat er auch nicht lediglich unter Wahrung seines ursprünglichen Rechtsstandpunktes in der Absicht vorgenommen, um das Vergabeverfahren in dem Fall, dass die Entscheidung der Vergabekammer bestandskräftig würde, möglichst rasch wiederaufnehmen und fortsetzen zu können. Die Antragstellerin hat darauf im Senatstermin prozessual zulässig durch Antragsänderung reagiert. Deren Zulassung entspricht dem Gebot der Verfahrensökonomie. Ein zweites Nachprüfungsverfahren ist vor der Vergabekammer bereits anhängig gewesen. Die Antragsänderung erlaubt, die Verfahren zu bündeln und trägt dem Allgemeininteresse an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens Rechnung. Für eine Andauer des Zuschlagsverbots hätte in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 118 Abs. 1, 2 GWB gesorgt werden können. Im Streitfall war dies indes nicht erforderlich.

II. Die sofortige Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Angebotswertung vom 24. März 2009 richtet, unbegründet. Dabei hat der Senat nur noch die von der Antragstellerin mit der Beschwerde aufrechterhaltenen Beanstandungen überprüft.

1. Die unterlassene Bildung (und Bekanntgabe) von Gewichtungsregeln und die (vermeintliche) Unbestimmtheit der aufgestellten Bewertungsregeln verletzt die Antragstellerin nicht in Rechten. Wie der Senat wiederholt unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH ausgeführt hat (vgl. Senat, Beschl. v. 25.3.2009, VII-Verg 63/08, Umdruck S. 6; Beschl. v. 20.11.2008, VII-Verg 37/08, Umdruck S. 11; Beschl. v. 23.1.2008, VII-Verg 31/07; Beschl. v. 5.5.2008, VII-Verg 5/08, Umdruck S. 8/9; Beschl. v. 21.5.2008, VII-Verg 19/08, Umdruck S. 6 ff; Beschl. v. 19.7.2006, VII-Verg 27/06, Umdruck S.18/19; Beschl. v. 14.11.2007, VII-Verg 23/07; Umdruck S. 9), hat der öffentliche Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung zwar alle Zuschlagskriterien anzugeben, deren Verwendung er vorsieht, möglichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung. Umgekehrt darf der Auftraggeber keine Unterkriterien oder Gewichtungsregeln anwenden, die er den am Auftrag interessierten Unternehmen nicht vorher zur Kenntnis gebracht hat (vgl. EuGH, Urt. v. 24.1.2008-C 532/06, Tz. 36-38, VergabeR 2008, 496 - Lianakis). Dies hat auch zu gelten, wenn der Auftraggeber solche Kriterien und Regeln im Nachhinein aufgestellt hat (vgl. EuGH aaO. Rn. 42-44; Urt. v. 24.11.2005, Rs. C 331/04, Slg. 2005, I-10109, Tz. 32 - ATI EAC e Viaggi di Maio). "Im Nachhinein" bedeutet, dass Zuschlagskriterien, Unterkriterien und/oder ihre Gewichtung nach der Aufforderung zur Angebotsabgabe geändert, ergänzt oder neu eingeführt worden sind. Eine nachträgliche Festlegung von Kriterien und ihrer Gewichtung unterliegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs drei (alternativen) Beschränkungen: Der öffentliche Auftraggeber darf keine Unterkriterien aufstellen, welche die bekannt gegebenen Hauptkriterien abändern. Die nachträglich festgelegten Kriterien dürfen keine Gesichtspunkte enthalten, die die Vorbereitung der Angebote hätten beeinflussen können, wenn sie im Zeitpunkt der Vorbereitung bekannt gewesen wären. Schließlich darf der Auftraggeber keine Unterkriterien festlegen, welche geeignet sind, Bieter zu diskriminieren. Dies gilt ebenfalls für Gewichtungsregeln. Unter Unterkriterien werden Kriterien verstanden, die die eigentlichen Zuschlagskriterien genauer ausformen und präziser darstellen, worauf es dem Auftraggeber im Einzelnen ankommt. Gewichtungsregeln bestimmen, wie die (zu erwartenden) Angaben der Bieter zu den einzelnen Kriterien und Unterkriterien zu bewerten sind und wie beispielsweise eine Umrechnung in Wertungspunkte erfolgt.

Allerdings hat der Antragsgegner im Streitfall Gewichtungsregeln nicht nachträglich (nach Aufforderung zur Angebotsabgabe) aufgestellt und hatte sie auch nicht aufzustellen. Der Antragsgegner hat mit der Angebotsaufforderung die Zuschlagskriterien "Preis und technischer Wert" und bei letztgenanntem die Unterkriterien "Bauverfahren", "Bauablauf", "Qualitätssicherung" und "Geräteeinsatz" bekannt gegeben und diese jeweils gleich gewichtet. Sodann hat er in allgemeiner Form (optimale, durchschnittliche, unterdurchschnittliche Erfüllung) Unter-Unterkriterien gebildet und dies sowie die Gewichtung (mit ein bis drei Punkten) bekannt gegeben. Bei der Wertung der Unterkriterien hat er die mit den Angeboten eingereichten Unterlagen inhaltlich einer vergleichenden Betrachtung unterzogen, mithin die inhaltlichen Abweichungen ermittelt und durch Punktvergabe gewichtet. Diese Vorgehensweise wird von der Beschwerde zu Unrecht angegriffen.

Die Antragstellerin meint zwar, nur eine in Unkenntnis der Angebotsinhalte vom Auftraggeber vorab erfolgte Festlegung von Bewertungsregeln, welche Punktzahl für bestimmte Bieterangaben vergeben würden, lasse keinen Raum für Manipulationen und unsachliche Erwägungen. In ihrem der erneuten Angebotswertung geltenden nachgelassenen Schriftsatz hat sie ihr Vorbringen ferner dahingehend ergänzt, dem Auftraggeber dürfe eine solche Manipulationsmöglichkeit auch dann nicht in die Hand gegeben werden, wenn die davon betroffenen Unterkriterien insgesamt nur einen geringen Wertungsanteil (hier 10%) ausmachten. Eine solche vorherige (vor Versendung der Angebotsaufforderung erfolgten) Festlegung von detaillierten Gewichtungs- und Bewertungsregeln war unter den im Streitfall obwaltenden Umständen nicht erforderlich. Dem Zuschlagskriterium "technischer Wert" kam nur ein Gewicht von 10% und den vier Unterkriterien lediglich das identische prozentuale Gewicht von 2,5% zu. Für einen verständigen Bieter war aufgrund dessen ersichtlich, dass der niedrigste Preis das für die Bieterreihenfolge ausschlaggebende Kriterium sein sollte. Manipulationen des Auftraggebers bei den Gewichtungsregeln konnten aufgrund des geringen Gewichts des technischen Werts damit in der Regel schon nicht zu einer Umkehrung der Bieterreihenfolge führen.

Da der Einfluss des technischen Werts auf die Reihenfolge gering war, erkannte ein verständiger Bieter zudem, dass auf die (technischen) Angaben zu den benannten vier Unterkriterien ein Höchstmaß an Sorgfalt aufzubringen war, wenn jeweils die maximale Punktzahl von drei Wertungspunkten pro Unterkriterium erzielt werden sollte. Dies galt jedenfalls dann, wenn - wovon stets auszugehen ist - der preisliche Abstand zwischen den Angeboten gering sein sollte. Der Umstand, dass im Streitfall dem technischen Wert aufgrund des knappen preislichen Abstands zwischen dem Preisangebot der Beigeladenen und der Antragstellerin ein besonderes Gewicht zukam, erforderte vom Antragsgegner keine (nachträgliche) Aufstellung von zusätzlichen Gewichtungsregeln, da für einen verständigen Bieter erkennbar war, dass bei einem knappen preislichen Abstand zwischen den Angeboten - wie er sich tatsächlich im Streitfall herausstellte - die Angaben zum technischen Wert besonderer Aufmerksamkeit bedurften. Solche Aufmerksamkeit nicht aufgewandt zu haben, geht zu Lasten des betreffenden Bieters.

Die Frage, in welcher Differenziertheit und Tiefe ein öffentlicher Auftraggeber ein Bewertungssystem mit Unter-Unterkriterien und Gewichtungsregeln im Vorhinein aufzustellen hat, lässt sich nur einzelfallbezogen beantworten. Im Streitfall hat der Antragsgegner zwei Zuschlagskriterien (Preis und technischer Wert) aufgestellt und in Präzisierung des technischen Werts vier Unterkriterien gebildet. Als Unter-Unterkriterien hat er die optimale, durchschnittliche und unterdurchschnittliche Erfüllung festgelegt und deren Gewichtung mit einem bis drei Wertungspunkten gestaffelt.

Der Auftraggeber muss für die Angebotswertung kein bis in letzte Unterkriterien und deren Gewichtung gestaffeltes Wertungssystem aufstellen, das im Übrigen dann auch Gefahr liefe, endlos und unpraktikabel zu werden. Insoweit ist auch daran zu erinnern, dass der Auftraggeber auf der letzten Ebene der Angebotswertung einen Wertungsspielraum hat. Dieser darf nicht dadurch eingeschränkt werden, dass er vergaberechtlich in jedem Fall daran gebunden wird, im Voraus in mehrstufige Unterkriterien und entsprechende Gewichtungen aufgegliederte Bewertungsregeln aufzustellen (und diese den Bietern in der Regel mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekanntzugeben). Von daher ist nicht zu beanstanden, wenn sich der Auftraggeber auf der vierten Stufe der Angebotswertung in einem Restbereich eine freie Wertung vorbehält. Die Grenze, ab der das Offenlassen konkreter Bewertungsmaßstäbe vergaberechtlich unzulässig ist, ist allerdings erreicht, wenn die aufgestellten Wertungsmaßstäbe so unbestimmt sind, dass Bieter nicht mehr angemessen über die Kriterien und Modalitäten informiert werden, anhand deren das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird (vgl. insoweit auch den 46. Erwägungsgrund, 2. Abs., der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG), und sie infolgedessen auch vor einer willkürlichen und/oder diskriminierenden, d.h. einer die Gebote der Gleichbehandlung und der Transparenz verletzenden Angebotswertung nicht mehr effektiv zu schützen sind.

Im Streitfall ist diese Grenze nicht überschritten. Dem technischen Wert kam nur ein Gewicht von 10% zu. Verschiebungen bei der Angebotsreihenfolge waren darum nur in eingeschränktem Umfang zu erwarten. Der Antragsgegner hatte beim Merkmal des technischen Werts überdies vier Unterkriterien sowie (nach dem Grad der Erfüllung) Unter-Unterkriterien gebildet und diese gewichtet. Der Wertungsvorgang war damit vergleichsweise schon tief gestaffelt worden. Vor allem war für Bieter aufgrund dessen erkennbar, nach welchen Kriterien der technische Wert des Angebots beurteilt werden sollte (gewähltes Bauverfahren, vorgesehener Bauablauf, Qualitätssicherungsmaßnahmen sowie Art und Anzahl der einzusetzenden Geräte). Dies wird auch von der Antragstellerin nicht bemängelt. Vor einer willkürlichen Bewertung sind die Bieter letztlich durch das an den Auftraggeber gerichtete Gebot, die Wertung nachvollziehbar und überprüfbar zu begründen und im Vergabevermerk zu dokumentieren (§§ 30, 30 a VOB/A), geschützt. Nicht zuletzt unterliegt die Ausübung des Wertungsspielraums auch einer Kontrolle durch die Vergabenachprüfungsinstanzen. Bei der im Streitfall gegebenen Sachlage sind die Bieter dadurch vor Rechtsverletzungen und im Anspruch auf Gleichbehandlung und Transparenz hinreichend geschützt.

2. Die Antragstellerin ist durch die Vergabe von zwei Wertungspunkten bei den Unterkriterien zum technischen Wert nicht in Rechten verletzt worden. Bei diesem Vorgang verfügt der öffentliche Auftraggeber über einen Wertungsspielraum. Nur wenn er von einem unzutreffenden Sachverhalt oder von unvollständigen Tatsachen ausgegangen ist, sachwidrige Erwägungen angestellt oder sich an einen von ihm aufgestellten Wertungsmaßstab nicht gehalten hat, ist eine rechtswidrige Überschreitung des Wertungsspielraums anzunehmen. Soweit es die Wertung vom März 2009 betrifft, ist nicht festzustellen, der Antragsgegner habe seiner Wertung fehlerhafte Erwägungen zugrunde gelegt.

a. Unterkriterien "Bauverfahren/Bauablauf":

Insoweit zeigt die Antragstellerin in dem zur Angebotswertung nachgelassenen Schriftsatz vom 10. Juli 2009 nicht auf, dass eine Vergabe von drei Wertungspunkten beim Bauverfahren geboten gewesen wäre. Die Bewertung mit zwei Punkten ist vertretbar.

Die Vergabe von drei Punkten war ebenfalls beim Unterkriterium "Bauablauf" nicht geboten. Für einen verständigen Bieter war aufgrund der Vorgaben unter 6. und 12.2. der Angebotsaufforderung erkennbar, dass nur Angaben zum gewählten Bauverfahren, zum vorgesehenen Bauablauf, zu den Maßnahmen zur Sicherung der Qualität sowie zu Art und Anzahl der Baugeräte hinsichtlich ihrer inhaltlichen Aussagekraft gewichtet werden sollten und nicht das, was ohnehin im Leistungsverzeichnis vorgegeben war. Dies galt insbesondere auch für das Kriterium "Bauablauf".

Aus der Angabe "mit dem Angebot eingereichte Bauzeiten- oder Bauablaufpläne werden als Entwurf behandelt, die dort angegebenen Daten als fiktiv", erschloss sich einem verständigen Bieter zudem, dass zu den dem Angebot fakultativ beizufügenden Unterlagen auch ein Bauzeiten- oder Bauablaufplan zählte. Das Unterkriterium "Bauablauf" war aus Sicht eines (verständigen) Bieters dahin zu verstehen, dass die Darstellung der zeitlichen Abwicklung der Baumaßnahme bewertet werden sollte.

Die Vergabe von zwei Wertungspunkten ist nicht sachfremd oder willkürlich. Nicht die bloße Vorlage eines Bauablaufplans sollte mit drei Punkten bewertet werden, sondern der Umstand, ob dieser detailliert und schlüssig auf das Bauverfahren abgestimmt war. Die Antragstellerin hat mit ihrem Angebot keinen Bauablaufplan vorgelegt und aufgrund ihrer Angaben zum Bauablauf zwei Wertungspunkte erhalten. Dies ist nicht zu kritisieren.

b) Unterkriterium "Qualitätssicherung":

Die Bewertung mit zwei Wertungspunkten war vertretbar. Für einen verständigen Bieter war aufgrund der Angebotsaufforderung erkennbar, dass Angaben Qualitätssicherungsmaßnahmen vom Auftraggeber erwartet wurden. Die Vorlage eines Zertifikats zur Qualitätssicherung war von den Bietern weder gefordert worden noch reichte dies aus. Als Eignungsnachweis stand ein Zertifikat in der vierten Wertungsphase ohne dies nicht mehr zur Wertung an.

c) Unterkriterium "Geräteeinsatz":

Durch die Bewertung des eigenen Angebots und des Angebots der Beigeladenen bei diesem Unterkriterium ist die Antragstellerin nicht in Rechten verletzt. Die Vergabe eines weiteren Wertungspunkts beim Unterkriterium Geräteeinsatz und der Abzug eines Punkts bei dem Angebot der Beigeladenen nutzte der Antragstellerin im Ergebnis aber auch nicht, weil sie mindestens einen Vorsprung von zwei Wertungspunkten gegenüber dem Angebot der Beigeladenen benötigte, um sich dagegen durchzusetzen.

3.

a) Das Nebenangebot (Pauschalpeisangebot) der Beigeladenen hat nicht aus der Wertung auszuscheiden. Es ist als kaufmännisches Nebenangebot wertungsfähig und auch mit einem Einheitspreisangebot wie dem der Antragstellerin vergleichbar. Der Antragsgegner hat Nebenangebote über eine Pauschalsumme zur Vereinfachung der Bauabrechnung zugelassen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war das Pauschalpreisangebot der Beigeladenen mit Einheitspreisangeboten in jeder Hinsicht vergleichbar. Nach § 5 Nr. 1 lit. b)VOB/A kann die Leistung in geeigneten Fällen zu einer Pauschalsumme vergeben werden, wenn sie nach Art und Umfang genau bestimmt und mit einer Änderung bei der Ausführung nicht zu rechnen ist (Pauschalvertrag). An die Zulassung eines Pauschalpreisangebots sind besondere Anforderungen gestellt (vgl. dazu auch BayObLG, Beschl. v. 28.5.2003, Verg 6/03, VergabeR 2003, 675, 680). Im Streitfall war die ausgeschriebene Leistung nach Ausführungsart und Umfang durch das Leistungsverzeichnis hinreichend genau bestimmt. Behauptete Änderungen bei der Ausführung sind von der Antragstellerin nicht nachvollziehbar vorgetragen worden. Weder sind die dafür in Betracht kommenden Positionen des Leistungsverzeichnisses benannt, noch sind Änderungen ihrer Art und Größenordnung nach beschrieben worden. Dabei ist die Antragstellerin fachkundig und könnte dazu vorgetragen haben. In Ermangelung jeglicher Anknüpfungstatsachen ist ihrem Vortrag auch durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen. Eine Beweiserhebung zu Ausfoschungszwecken ist unstatthaft. Die behaupteten Änderungen bei der Ausführung ergeben sich ebenso wenig aus der Wertung ihres ersten Nebenangebots durch den Antragsgegner. Die Besorgnis, dass es infolge der Instabilität des Bodens zu Änderungen bei der Ausführung, insbesondere zu Mehrkosten kommt, sollte - außerhalb der geplanten Gründung - durch die probeweise Herstellung eines Bohrpfahls ausgeräumt werden, die in statischer Hinsicht die für eine dauerhafte Gründung erforderlichen Erkenntnisse liefern sollte. Davon ist die Antragstellerin mit ihrem Nebenangebot insoweit abgewichen, als die Belastbarkeit und mögliche Setzungen an einem Bauwerkspfahl überprüft werden sollten. Wenn der Antragsgegner das Nebenangebot mit der Begründung abgelehnt hat, die auftretenden Dauerbelastungen seien bei der von der Antragstellerin vorgeschlagenen Ausführung nicht zuverlässig zu erfassen, mit der Folge, dass dann auch mit nicht vorhergesehenen Setzungen und Änderungen an der Ausführung (einschließlich von Mehrkosten) zu rechnen sei, ist dies gerade nicht für die Annahme aussagekräftig und verwendbar, auch bei einer dem Leistungsverzeichnis entsprechenden Ausführung seien Änderungen bei der Ausführung wahrscheinlich. Diese sollten durch das probeweise Setzen von Bohrpfählen vermieden werden. Davon abgesehen sind durch Bodenveränderungen eher Kostensteigerungen als Minderkosten bei der Ausführung zu erwarten. Bei zu erwartenden Mehrkosten kann indes nicht davon gesprochen werden, das Einheitspreisangebot der Antragstellerin sei günstiger als das Pauschalpreisnebenangebot der Beigeladenen.

III. Der Nachprüfungsantrag, soweit er sich hilfsweise gegen die rechtlich nicht mehr existente Angebotswertung vom Oktober 2008 richtet, zwar bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig, nach dem zuvor unter B. II. 1. Ausgeführten aber unbegründet.

IV. Im Übrigen geben die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten keinen Anlass zu deren Wiederöffnung (§ 156 ZPO analog).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog. Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 50 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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