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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.11.2009
Aktenzeichen: VII-Verg 12/09
Rechtsgebiete: SÜG, GWB, VSA, SÜFV, VOL/A


Vorschriften:

SÜG § 1 Abs. 4
SÜG § 8 Abs. 1 Nr. 1
SÜG § 8 Abs. 1 Nr. 3
SÜG § 9
GWB § 97 Abs. 7
GWB § 100 Abs. 2 lit. d
GWB § 100 Abs. 2 lit. d 2. Var.
GWB § 107 Abs. 2
GWB § 107 Abs. 3 Satz 1
GWB § 128 Abs. 3
GWB § 128 Abs. 4
VSA § 10 Abs. 4 Nr. 6
SÜFV § 6
VOL/A § 3 a Nr. 1 Abs. 1
VOL/A § 7 a Nr. 4
VOL/A § 25 Nr. 2
VOL/A § 25 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 13. März 2009 (VK 2 - 208/08) aufgehoben.

Der Antragsgegnerin wird untersagt, in dem Vergabeverfahren "Dienstleistungsauftrag für IT-Vor-Ort-Services im Bundesministeriums des Innern", Nr. B2.41-0025/08 VV:1, einen Zuschlag zu erteilen.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin je zur Hälfte.

Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer war für die Antragstellerin notwendig.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 105.000 € festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Antragsgegnerin schrieb mit europaweiter Bekanntmachung vom Juni 2008 den Abschluss eines Auftrags über IT-Vor-Ort-Serviceleistungen im Bundesministerium des Innern in einem nichtoffenen Verfahren mit Teilnahmewettbewerb aus.

Unter Ziffer II.1.5 der Bekanntmachung wurde das Beschaffungsvorhaben wie folgt beschrieben:

Das Bundesministerium des Innern benötigt für den Betrieb der IT-Arbeitsplätze Unterstützungsleistungen bzw. Vor-Ort-Serviceleistungen.

...

Die zu erbringende Dienstleistung bezieht sich nur auf die im Verantwortungsbereich des BMI eingesetzten Arbeitsplatzcomputer (APC) - einschließlich der Mobilgeräte (insbesondere Notebooks und Personal Digital Assistents) - und die zugehörigen Peripheriegeräte. Diese Arbeitsplatzhardware kann auch anderen Behörden zur Nutzung überlassen sein. Der Serverbereich ist nicht betroffen.

...

Zu den Aufgaben gehört die Grundinstallation von bereitgestellter Software auf die durch die Bedarfsträgerin beigestellte Hardware. Außerdem die Aufstellung, Verkabelung, Inbetriebnahme und Transport der Hardware innerhalb der Liegenschaften und zwischen den Liegenschaften bzw. zur zentralen Einrichtung für die Softwareinstallation und Durchführung der Services.

Unter Ziff. III.2.2 (Teilnahmebedingungen) forderte die Antragsgegnerin von den Bietern zur Darlegung ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit folgende Angaben zum Unternehmen, insbesondere zum vorgesehenen Personal:

I. Unternehmensdarstellung (10 v.H. Gewicht für die Bewertung);

a. Standort und Struktur des Unternehmens sowie des für die Ausschreibung maßgeblichen Geschäftszweigs;

b. Datum der Unternehmensgründung ...

II. Objektspezifische Anforderungen (30 v.H. Gewicht für die Bewertung);

a. Anzahl und Funktion des potenziell vorgesehenen Personals;

b. Qualifikation und Erfahrung des potenziell vorgesehenen Personals und Art des Beschäftigungsverhältnisses (festangestellt, freiberuflich ...)

c. ...

d. bestätigen Sie uns, dass alle mit der Ausführung und Leitung beauftragten Personen Sicherheitsüberprüfungen sowie Verpflichtungen nach dem Bundesdatenschutz- und Verpflichtungsgesetz zustimmen (Ausschlusskriterium)

Bezuschlagt werden sollte gemäß Ziff. IV.2.1 das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Verdingungs-/Ausschreibungsunterlagen, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder zur Verhandlung bzw. in der Beschreibung zum wettbewerblichen Dialog aufgeführt sind.

Unter Ziff. VI.4.1. war als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren die Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt benannt.

Die Antragstellerin gab am 23. Juli 2008 fristgerecht einen Teilnahmeantrag ab. Mit Schreiben vom 12. September 2008 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur Abgabe eines Angebots bis - nach Verlängerung - zum 17. Oktober 2008 auf.

In Ziff. 5 der der Aufforderung beigefügten Leistungsbeschreibung war im Hinblick auf zu beachtende und einzuhaltende Sicherheitsanforderungen vorgesehen:

5.1 Anforderungen an das durch die Auftragnehmerin eingesetzte Fachpersonal

...

Das Personal muss bereit sein, sich einer Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz unterziehen zu lassen. Es wird vor einem Einsatz bei der Bedarfsträgerin in der Regel eine Sicherheitsüberprüfung nach § 9 SÜG durchgeführt werden.

5.2 Anforderung an das bietende Unternehmen

Die Auftragnehmerin muss bereit sein, sich einer Sicherheitsbetreuung durch das BMWI zu unterziehen.

Die Leistungen sind in einem sicherheitssensiblen Bereich zu erbringen. Es dürfen daher mit Wissen der Auftragnehmerin keine Fachkräfte eingesetzt werden, die vorbestraft sind oder gegen die zum Zeitpunkt der Tätigkeit ein Strafverfahren anhängig ist. [...]

5.3. Zurückweisungsrecht

Die Bedarfsträgerin behält sich vor, ggf. einzelne Mitarbeiter der Auftragnehmerin aufgrund von erkannten bzw. vermuteten Sicherheitsmängeln, jedoch ohne weitergehende Begründung, zurückzuweisen bzw. von der weiteren Zusammenarbeit auszuschließen. [...]

Die Leistungsbeschreibung enthielt unter Ziff. 6 die Beschreibung der Zuschlagskriterien nebst Angaben zur Gewichtung. Dort heißt es auszugsweise:

Nr. Kriteriengruppe/Kriterium Art

Kriteriengruppe 1: Zusammenfassung des Angebots Gewichtung:

20 % MEG 60 % (=Mindesterfüllungsgrad)

B.1.1 Beschreibung der zu erbringenden Leistung BK 10 %

...

B.1.2 Zusammenfassung des Angebots/Lösungskonzept und Besonderheiten BK 10 %

...

Kriteriengruppe 2: Anbieterdarstellung Gewichtung 5 %

...

B.21 Erfahrungen mit der Projektdurchführung BK 5 %

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Durchführung von IT-Vor-Ort-Service ? Welche Risiken und Probleme können Auftreten und welche Maßnahmen schlagen Sie als Gegenmaßnahmen Vor ? Erläutern Sie Ihre Erfahrungen.

...

Kriteriengruppe 3: Mitarbeitereinsatz/Zusammenarbeit

...

B.3.4 Mitarbeiterprofile BK 20 %

Bitte stellen Sie die Mitarbeiter des für dieses Projekt vorgesehenen Kern-Teams samt Einzelqualifikationen und beruflichem Werdegang vor.

...

Die Antragstellerin und vier weitere Bieter reichten fristgerecht Angebote ein. Das Angebot der Antragstellerin lag in preislicher Hinsicht auf Rang 4, das der Beigeladenen auf Rang 5. Das Angebot erreichte in den Kriteriengruppen 3 und 4 nicht die erforderliche Mindestpunktzahl. Für die Kriteriengruppe 3 "Mitarbeitereinsatz/Zusammenarbeit" wurde von der Antragsgegnerin im Hinblick auf jedes einzelne Unterkriterium ein Mindesterfüllungsgrad von 65 % und für die Kriteriengruppe 4 "Qualitätsmanagement" in Höhe von 60 % in Ansatz gebracht. Mit Bieterinformation vom 12. Dezember 2008 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot mangels Erreichens der Mindestvoraussetzungen in den Kriteriengruppen "Mitarbeitereinsatz/Zusammenarbeit" und "Qualitätsmanagement" nicht berücksichtigt worden sei und stattdessen der Beigeladenen der Zuschlag erteilt werden solle.

Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Dezember 2008 rügte die Antragstellerin ihren Ausschluss als vergaberechtswidrig. Die von der Antragsgegnerin für den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin mitgeteilte Begründung, dieses entspreche in den genannten Kriteriengruppen nicht den Mindestanforderungen, lasse vermuten, dass vergabefremde Kriterien Einfluss bei der Entscheidung gefunden hätten.

Nachdem die Antragsgegnerin den Rügen nicht abgeholfen hatte, reichte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein, mit dem sie verschiedene Mängel des elektronisch durchgeführten Vergabeverfahrens geltend machte und die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrte, ihr den Zuschlag zu erteilen, hilfsweise, das Vergabeverfahren ab der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen, da der streitgegenständliche Vergabevorgang die Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 lit. d) 2. Var. GWB erfülle und eine vergaberechtliche Überprüfung der Ausschreibung somit ausscheide. Es seien Sicherheitsüberprüfungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 SÜG bei dem vom Auftragnehmer eingesetzten Personal durchzuführen. Mitarbeiter des Auftragnehmers, die die Angehörigen des BMI-Referates Z6 in dem vom Auftrag erfassten Ausmaß und Umfang unterstützen, könnten sich Zugang zu VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlusssachen verschaffen bzw. würden auch im Leitungsbereich für den Zivil- und Katastrophenschutz und damit an einer besonders sicherheitsempfindlichen Einrichtung des Bundesministeriums eingesetzt.

Damit seien an die Ausführung des Auftrags besondere Sicherheitsanforderungen zu richten und die Auftragsvergabe gemäß § 100 Abs. 2 lit. d) 2. Var. GWB dem Anwendungsbereich des vierten Teils des GWB entzogen. Diese Vorschrift lasse für eine Abwägung zwischen den Sicherheitsinteressen des Auftraggebers und den Interessen der Bieter keinen Raum.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie sich gegen den Ausschluss ihres Angebots wendet. Sie trägt vor, dass die Mitarbeiter des Auftragnehmers keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübten, so dass Sicherheitsüberprüfungen im Sinne des SÜG nicht erforderlich seien. Weder hätten sie Zugang zu als VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlusssachen noch handele es sich um eine Tätigkeit an einer sicherheitsempfindlichen Stelle. Eine Betreuung von Lage- oder Krisenzentren zähle nicht zum ausgeschriebenen Leistungsumfang.

Die Antragstellerin macht geltend, dass die Antragsgegnerin Eignungs- und Zuschlagskriterien miteinander vermischt habe. Sie habe darüber hinaus bei der Wertung einen nicht ordnungsgemäß bekanntgemachten Gewichtungsmaßstab angelegt, indem im Gegensatz zu den Angaben unter Ziff.6 der Leistungsbeschreibung die Einhaltung des Mindesterfüllungsgrads nicht bezogen auf die jeweilige Kriteriengruppe, sondern auf jedes einzelne Unterkriterium geprüft worden sei. Der Antragsgegnerin seien zudem bei der Bewertung der Kriterien B.3.1, B.3.1, B.3.4 und B.4.2 Fehler unterlaufen. U.a. sei sie zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Frage B.3.1 unzureichend beantwortet worden sei. Im Hinblick auf Punkt B.3.2 fehle jede Begründung für die Wertung.

Sie beantragt,

1. den angefochtenen Beschluss der Vergabekammer aufzuheben,

2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zuschlag nur unter Berücksichtigung ihres, der Antragstellerin, Angebots zu erteilen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer. Ein Nachprüfungsverfahren sei bereits unstatthaft, da der Ausnahmefall des § 100 Abs. 2 lit. d) 2. Var. GWB eingreife. Der Auftrag sei außerhalb eines Vergabeverfahrens nach dem 4. Teil des GWB zu vergeben, denn die Ausführung des ausgeschriebenen Auftrags erfordere nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland besondere Sicherheitsmaßnahmen in Form einer Sicherheitsüberprüfung der mit dem Auftrag befassten Mitarbeiter des Auftragnehmers. Einschlägig sei der vorbeugende personelle Sabotageschutz, da die Mitarbeiter des Auftragnehmers im Rahmen ihrer bestimmungsgemäßen Tätigkeit an sicherheitsempfindlichen Stellen innerhalb einer lebenswichtigen Einrichtung im Sinne des § 1 Abs. 4 SÜG eingesetzt würden.

Die externen Mitarbeiter seien auch für die regelmäßige Wartung derjenigen Computer zuständig, an denen im Krisen- und Katastrophenfall die Verbindungsbeamten der Krisenstäbe Informationen auswerten, verarbeiten und weiterleiten. Aufgrund ihres Zugangs zur Hard- und Software verfügten sie über die faktische Möglichkeit, sich über geeignete Angriffsmaßnahmen Zugang zu den Netzwerkinhalten zu verschaffen und diese zu manipulieren oder zu zerstören. Ein Ausfall der Systeme würde die bundesweite Koordinierung und Steuerung der Gefahrenabwehr erheblich beeinträchtigen und im Krisenfall die Gefahren für Leib oder Leben der betroffenen Bürger erhöhen. Angesichts der in Rede stehenden Sicherheitsinteressen und der konkreten Sabotagemöglichkeiten sei es nicht unverhältnismäßig, den Auftrag von der Anwendung des Vierten Teils des GWB auszunehmen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze sowie auf die informationshalber beigezogenen Vergabeakten und die Akten der Vergabekammer Bezug genommen.

B.

I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet.

1. a) Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu Unrecht als unstatthaft verworfen. Der in Rede stehende Auftrag unterliegt dem Vergaberechtsregime. Ein Ausnahmefall nach § 100 Abs. 2 lit. d) 2. Var. GWB, in dem der Vierte Teil des GWB und mithin die Bestimmungen über das Nachprüfungsverfahren nicht gelten, liegt nicht vor.

§ 100 Abs. 2 lit. d GWB bestimmt:

Dieser Teil gilt nicht für Arbeitsverträge und Aufträge,

...

d) die in Übereinstimmung mit den Rechts- und Verwaltungsvorschriften in der Bundesrepublik Deutschland für geheim erklärt werden oder deren Ausführung nach diesen Vorschriften besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordert oder wenn der Schutz wesentlicher Interessen der Sicherheit des Staates es gebietet.

Zwar wird in den Gründen des angefochtenen Beschlusses im Ergebnis zu Recht angenommen, dass bei der Ausführung des Auftrags Sicherheitsüberprüfungen der mit dem Auftrag befassten Mitarbeiter des Auftragnehmers nach Maßgabe des SÜG erforderlich seien. Die Vergabekammer hat in zutreffender Weise ausgeführt, dass die externen, vom Auftragnehmer eingesetzten Mitarbeiter sich Zugang zu VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlusssachen verschaffen können (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SÜG). Sie können im Rahmen der Auftragsdurchführung an technischen Systemen oder Komponenten, die für die Verarbeitung von VS-VERTRAULICH oder höher eingestuften Verschlusssachen eingesetzt werden, wesentliche Maßnahmen des Geheimschutzes unwirksam machen oder unbefugten Zugriff auf diese Verschlusssachen nehmen (§ 10 Abs. 4 Nr. 6 der Verschlusssachenanweisung in der Fassung vom 31. März 2006 (VSA)). Der Vergabekammer ist darin zuzustimmen, dass § 10 Abs. 4 Nr. 6 VSA bereits die faktische Möglichkeit des unbefugten Zugriffs und der Manipulation erfasst, die durch die von der Antragstellerin geschilderten, speziellen Sicherheitsvorkehrungen und Verhaltensanordnungen typischerweise nicht vollständig ausgeschlossen wird.

Den weiteren Ausführungen der Vergabekammer, eine Sicherheitsüberprüfung sei auch gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 SÜG erforderlich, schließt sich der Senat ebenfalls an. Die Mitarbeiter des Auftragsnehmers werden im Rahmen ihrer bestimmungsgemäßen Tätigkeit an sicherheitsempfindlichen Stellen innerhalb einer lebenswichtigen Einrichtung im Sinne des § 1 Abs. 4 SÜG eingesetzt. Als eine solche gilt gemäß § 6 SÜFV auch der Leitungsbereich für den Zivil- und Katastrophenschutz, zu dem das allgemeine Lagezentrum und die nach aktueller Lage speziell eingerichteten Krisenzentren gehören. Unter den ausgeschriebenen Leistungsumfang fällt die Zuständigkeit für die regelmäßige Wartung derjenigen Computer, an denen im Krisen- und Katastrophenfall die Verbindungsbeamten der Krisenstäbe Informationen auswerten, verarbeiten und weiterleiten. Damit können die Mitarbeiter des Auftragnehmers sich durch geeignete Angriffsmaßnahmen Zugang zu den Netzwerkinhalten verschaffen und diese manipulieren oder zerstören.

Der Umstand, dass die Mitarbeiter des Auftragnehmers einer Sicherheitsüberprüfung nach dem SÜG unterworfen sind, hat aber nicht den Ausschluss des Vergaberechtsregimes gemäß § 100 Abs. 2 lit. d) 2. Var. GWB und damit die Unstatthaftigkeit des Nachprüfungsantrags zur Folge. Die in den Vorschriften des SÜG getroffene Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, die mit der Ausführung der ausgeschriebenen Leistung befassten Mitarbeiter des Auftragnehmers einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, führt nicht dazu, die Auftragsvergabe zwingend und ohne weitere Abwägung zwischen den Sicherheitsinteressen der Antragsgegnerin und den Interessen der Bieter dem Anwendungsbereich des vierten Teils des GWB zu entziehen. Allein die Erforderlichkeit von Sicherheitsmaßnahmen bei der Ausführung eines Auftrags rechtfertigt noch nicht die Annahme eines Ausnahmefalls nach § 100 Abs. 2 lit d) 2. Var. GWB.

Entgegen der in dem angefochtenen Beschluss zum Ausdruck gebrachten und von der Antragsgegnerin geteilten Rechtsauffassung der Vergabekammer lässt nicht nur die 3. Var. des § 100 Abs. 2 lit. d) sondern auch die im Streitfall einschlägige 2. Tatbestandsalternative Raum für und erfordert eine Abwägung zwischen den Sicherheitsinteressen des Auftraggebers und den Interessen des Bieters. Weder der Wortlaut noch die Ratio der Norm begründen das Verständnis, der Gesetzgeber habe bei der Formulierung der 2. Alternative auf ein Abwägungselement verzichtet, so dass in Form des Erlasses innerstaatlicher Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die bestimmte Sicherheitsmaßnahmen anordnen, eine Abwägung zugunsten der Sicherheitsinteressen des Staates bereits durch den Gesetzgeber erfolgt sei (so aber Vergabekammer Bund, Beschluss vom 03.02.2006 VK 1/06, Beschluss vom 12.12.2006, VK 1-136/06; 2. Vergabekammer Bund, Beschluss vom 02.02.2006, VK 2-2/06).

Da durch eine Nichtanwendung der Bestimmungen des Vergaberechts der Bieterschutz entscheidend verkürzt wird, gebietet vielmehr bereits der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns eine Abwägung zwischen den staatlichen Sicherheitsinteressen und den Interessen der Bieter an der Durchführung eines förmlichen und mit subjektivem Rechtsschutz ausgestatteten Vergabeverfahrens auch dann, wenn bei der Ausführung eines Auftrags die Beachtung bestimmter Sicherheitsmaßnahmen durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften angeordnet ist. Nur eine objektiv gewichtige Gefährdung oder Beeinträchtigung der Sicherheitsbelange kann es rechtfertigen, von einer Anwendung der Bestimmungen des Vergaberechts abzusehen (vgl. EuGH, Urt. V. 08.04.2008 - C-337/05 "Kommission/Italien"). Die gerade durch die Anwendung der vergaberechtlichen Bestimmungen zu besorgende Beeinträchtigung der staatlichen Sicherheitsbelange muss so schwerwiegend sein, dass demgegenüber die Bieterinteressen an einem förmlichen und mit subjektivem Rechtsschutz ausgestatteten Vergabeverfahren zurückzutreten haben.

Der Auffassung, ausschließlich die dritte Tatbestandsalternative des § 100 Abs. 2 lit. d) GWB, wonach von einer Anwendung des Vergaberechts immer dann abzusehen ist, wenn wesentliche staatliche Interessen dieses gebieten, lasse nach ihrem Wortlaut eine Interessensabwägung und Verhältnismäßigkeitsprüfung zu, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Tatbestandsmerkmale der zweiten und dritten Alternative des § 100 Abs. 2 lit. d) GWB unterscheiden sich nur dadurch, dass die zweite Alternative Fallgestaltungen erfasst, in denen Rechts- und Verwaltungsvorschriften Sicherheitsmaßnahmen anordnen, während es bei der in der dritten Alternative enthaltenen Ausnahmeregelung einer solchen Niederlegung in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften nicht bedarf. Die sich bei der zweiten Alternative ergebende Interessenlage entspricht aber der der dritten Alternative: So wie nicht bei jeder Berührung staatlicher Sicherheitsbelange ein Ausschluss des Auftrages vom Vergaberechtsregime geboten ist, erfordert auch die Beachtung staatlich vorgesehener Sicherheitsmaßnahmen bei der Auftragsdurchführung nicht in jedem Fall, das Vergabeverfahren von einer Anwendung des Vierten Teils des GWB auszunehmen. Vielmehr ist auch bei der zweiten Alternative der Ausschluss des Vergaberechtsrechtsregimes nur verhältnismäßig, wenn gerade durch die Anwendung der vergaberechtlichen Bestimmungen eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung staatlicher Sicherheitsinteressen von beachtlichem Grad und Gewicht droht. Dieses Verständnis stützt auch der Wortlaut der zweiten Alternative. Aus der Formulierung, dass besondere Sicherheitsmaßnahmen die Nichtanwendung des vierten Teils des GWB erfordern müssen, ergibt sich die Notwendigkeit, Grad und Gewicht der beeinträchtigten Sicherheitsbelange gegen die Interessen des Bieters abzuwägen.

Nichts anderes folgt aus der Entscheidung des Senats vom 30. März 2005 (VII-Verg 101/04), in der nicht nur im Rahmen der dritten Alternative des § 100 Abs. 2 lit. d) GWB, sondern ausdrücklich auch im Hinblick auf die zweiten Alternative eine Verhältnismäßigkeitsprüfung für erforderlich gehalten und durchgeführt worden ist.

Im Streitfall gebietet es die Erforderlichkeit von Sicherheitsmaßnahmen nach dem SÜG bei der Durchführung des Auftrages nicht, das Vergabeverfahren von der Geltung des 4. Teils des GWB auszunehmen.

Grundsätzlich soll der öffentliche Auftraggeber, dem insoweit die Darlegungs- und Beweislast obliegt, die tatsächlichen Gründe, die im Interesse der staatlichen Sicherheitsbelange eine Einschränkung der Bieterrechte erfordern, in einem Vergabevermerk dokumentieren (vgl. Beschluss vom 30.04.2003, Verg 61/02). Eine derartige Darstellung findet sich in der Vergabeakte nicht. Vielmehr hat die Antragsgegnerin selbst vor der Bekanntmachung der Ausschreibung keine Beeinträchtigung von Sicherheitsbelangen durch die Anwendung der vergaberechtlichen Bestimmungen erkannt. Sie hat nicht auf die Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens verzichtet, sondern sich entschieden, den Auftrag in einem nichtoffenen Verfahren nach § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A auszuschreiben.

Auch im Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin keine ausreichenden Gründe für eine Nichtanwendung der vergaberechtlichen Bestimmungen dargelegt. Zwar werden Sicherheitsbelange des Staates bei der Auftragsdurchführung offensichtlich berührt, was auch nach Auffassung des Senats Sicherheitsüberprüfungen der externen Mitarbeiter des Auftragnehmers erforderlich werden lässt. Die Antragsgegnerin begründet die Nichtanwendung des Vierten Teils des GWB aber allein mit dem Hinweis, diese sei angesichts des Einsatzes der externen Mitarbeiter an sicherheitsempfindlicher Stelle sowie der konkreten Sabotagemöglichkeiten und deren Folgen nicht unverhältnismäßig. Diese Begründung lässt nicht erkennen, inwieweit gerade die Anwendung vergaberechtlicher Bestimmungen der Durchführung und Beachtung notwendiger Sicherheitsmaßnahmen entgegenstehen oder diese beeinträchtigen könnte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die erforderliche Sicherheitsüberprüfung der Mitarbeiter des Auftragsnehmers nach dem SÜG durch die Anwendung vergaberechtlicher Vorschriften und insbesondere durch die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens überhaupt tangiert wird.

b) Die Antragstellerin ist jedenfalls teilweise antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften schlüssig vorgetragen und dargelegt wird, dass dem Unternehmen durch die behauptete Vergaberechtsverletzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Nicht notwendig ist, dass bereits festgestellt werden kann, dass der behauptete Verstoß tatsächlich vorliegt und den behaupteten Schaden ausgelöst hat oder auszulösen droht (vgl. BGH, Beschluss vom 26.9.2006 -X ZR 14/06; Beschluss vom 18.5.2004 -X ZB 7/04).

Die genannten Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Antragstellerin hat ein Interesse an dem den Gegenstand des Verfahrens bildenden Auftrag dadurch bekundet, dass sie ein Angebot abgegeben hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.7.2004 NZBau 2004, 564). Der Vortrag der Antragstellerin, der angewandte Gewichtungsmaßstab sei nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht und ihr Angebot darüber hinaus infolge der von der Antragsgegnerin vorgenommene Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien sowie durch unzutreffende Annahmen bei der konkreten Bewertung einzelner Leistungskriterien insgesamt rechtsfehlerhaft und zu niedrig bewertet worden, ist zur Darlegung einer Verletzung in eigenen Rechten im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB geeignet. Sowohl die Nichtbekanntgabe des angewandten Gewichtungsmaßstabs als auch eine fehlerhafte Bewertung war objektiv geeignet, die Antragstellerin zu schädigen.

Die Antragsbefugnis im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB besteht allerdings nicht, soweit die Antragstellerin geltend macht, der Teilnahmewettbewerb sei rechtsfehlerhaft wiedereröffnet worden und es seien weitere Unregelmäßigkeiten bei der Erfassung und Eröffnung der Angebote aufgetreten. Es ist nicht ersichtlich, wie die Antragstellerin durch diese Vorgänge in ihren Rechten verletzt worden sein soll. Das Angebot der Antragstellerin ist als fristgerecht eingegangen eröffnet und bewertet worden. Sie hat auch nicht dargelegt, dass die von ihr dargestellten Vorgänge Einfluss auf die Wertung genommen haben.

c) Die Antragstellerin hat ihre Rügeobliegenheit nicht verletzt (§ 107 Abs. 3 GWB). Soweit sie geltend macht, der Antragsgegnerin seien bei der Bewertung ihres Angebots Fehler unterlaufen und der angewandte Bewertungsmaßstab sei in dieser Form nicht bekannt gemacht gewesen, konnten diese Einwände während des laufenden Verfahrens noch nicht erhoben werden. Im Hinblick auf den Einwand, die Antragsgegnerin habe Eignungs - und Zuschlagskriterien in unzulässiger Weise vermischt, scheidet eine Verletzung der Rügeobliegenheit wegen nicht unverzüglicher Beanstandung eines erkannten Vergaberechtsverstoßes ebenfalls aus. Zwar hat die Antragstellerin erstmals im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht, die Antragsgegnerin habe Angaben, die sie bereits im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs zur Qualifikation, Erfahrung und zum arbeitsrechtlichem Status des vorgesehenen Personals gefordert und bei der Eignungsprüfung bewertet habe, nochmals als Kriterien zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots berücksichtigt.

Allerdings entsteht die Rügeobliegenheit erst, nachdem der Antragsteller von der zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens gemachten Nichtbeachtung von Vergaberechtsvorschriften weiß. Dies setzt die positive Kenntnis aller tatsächlichen Umstände, aus denen die Beanstandung im Nachprüfungsverfahren abgeleitet wird, sowie die zumindest laienhafte Wertung voraus, dass sich aus ihnen eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren ergibt. Wie auch sonst, wenn das Gesetz auf positive Kenntnis abstellt, bilden eine Ausnahme nur die Fälle, in denen der Antragsteller sich der vorausgesetzten und ihm möglichen Erkenntnis bewusst verschließt. Ansonsten reicht (anders als im Fall des im Streitfall nicht einschlägigen § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB) bloße Erkennbarkeit nicht aus (BGH, Beschl. v. 26.9.2006 - X ZB 14/06, VergabeR 2007, 59, 65 Rn. 35 und ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschl. v. 16.2.2005 - VII-Verg 74/04, VergabeR 2005, 364, 367 m.w.N.). Um die Notwendigkeit einer Rüge und deren Unverzüglichkeit beurteilen zu können, bedarf es - vom Ausnahmefall eines Sich-der-Erkenntnis-Verschließens abgesehen - im Rahmen des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB deshalb der Feststellung, dass und ab wann der Antragsteller die Umstände kannte, aus denen sich eine Verletzung von Vergabevorschriften ergibt, und dass er damit zumindest laienhaft tatsächlich die Annahme eines Vergaberechtsverstoßes verbunden hat. Ist dem Antragsteller hingegen nicht zu widerlegen, dass er auf den behaupteten Vergaberechtsverstoß nur geschlossen oder ihn vermutet hat, ohne davon positive Kenntnis zu haben, ist eine Rüge vor Anbringung des Nachprüfungsantrags entbehrlich. Erkennt der Antragsteller vor Anbringung des Nachprüfungsantrags keinen Vergaberechtsverstoß oder erhält er erst nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens davon Kenntnis, führt dies zu keiner Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB, weil dann deren Zweck, ein Nachprüfungsverfahren nach Möglichkeit zu vermeiden, nicht erreicht werden kann (vgl. BGH a.a.O. Rn. 37 sowie ebenfalls ständige Rechtsprechung des Senats a.a.O.). Ein (erst) im Nachprüfungsverfahren erkannter Vergaberechtsverstoß kann nach der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mithin keine, genauso wenig eine erneute Rügeobliegenheit auslösen (anders OLG Celle, Beschl. v. 8.3.2007 - 13 Verg 2/07, VergabeR 2007, 401, 402). Dafür ist keine Rechtsgrundlage vorhanden.

Dass die während des Vergabeverfahrens anwaltlich nicht beratene Antragstellerin im Streitfall die Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien erkannt und rechtlich zutreffend als vergaberechtswidrig gewertet hat, kann nicht festgestellt werden. Selbst wenn man eine gewisse vergaberechtliche Erfahrung der Antragstellerin durch Teilnahme an früheren Ausschreibungen unterstellt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihr die Entscheidungen des EuGH vom 24.01.2008 - C-532/06 - und des BGH vom 15.04.2008 - XZR 129/06 - bekannt waren bzw. sie deren Bedeutung für das vorliegende Vergabeverfahren zutreffend einschätzen konnte. Da die Antragstellerin innerhalb der Angebotsabgabefrist sich nicht feststellbar darüber bewusst gewesen ist, ob die in den Verdingungsunterlagen mitgeteilte Auswahl und Gewichtung der Zuschlagskriterien vergaberechtlich zulässig war, ist sie mit diesem Einwand im Nachprüfungsverfahren nicht präkludiert.

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

a) Allerdings ist die Antragstellerin nicht dadurch in ihren Rechten verletzt worden, dass die Antragsgegnerin ihrer Wertung einen anderen als den in der Leistungsbeschreibung unter Ziff. 6 bekanntgemachten Gewichtungsmaßstab zugrunde gelegt hat. Zwar ist ihr Vorbringen, bei der Wertung der Angebote sei für jedes Unterkriterium und nicht nur für die jeweilige Kriteriengruppe die Einhaltung des Mindesterfüllungsgrades geprüft worden, zutreffend. Sowohl aus dem Vergabevermerk als auch aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin ergibt sich, dass jedes Unterkriterium mit einer Maximalpunktzahl von 10 Punkten belegt worden sei. Bei der Kriteriengruppe 3 war bei einem Mindesterfüllungsgrad von 65 % somit im Hinblick auf jedes Kriterium ein Wert von 6,5 Punkten zu erzielen, ansonsten wurde der für diese Kriteriengruppe festgelegte Mindesterfüllungsgrad verfehlt. Damit ist bei der Angebotswertung eine von der Leistungsbeschreibung abweichende Gewichtung angewandt worden. Ausweislich der Leistungsbeschreibung bezog sich die Angabe des Mindesterfüllungsgrades jeweils auf die Kriteriengruppe und nicht auf jedes einzelne angegebene Unterkriterium.

Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Bekanntgabe, jedes einzelne Unterkriterium müsse einen bestimmten Mindesterfüllungsgrad erreichen, Einfluss auf die Gestaltung von Angeboten haben kann. Gilt ein Mindesterfüllungsgrad nur jeweils für eine Kriteriengruppe, so kann der Bieter davon ausgehen, dass er Defizite bei einem Kriterium durch das Erreichen einer besonders hohen Punktzahl bei einem anderen Kriterium ausgleichen kann. Gilt dagegen für jedes Kriterium ein Mindesterfüllungsgrad, ist ein solcher Ausgleich nicht möglich.

Allerdings hat es bei der konkreten Wertung für die Antragstellerin keinen Unterschied gemacht, dass der Mindesterfüllungsgrad nicht auf die Kriteriengruppe bezogen worden ist: Aus dem Vergabevermerk ergibt sich, dass die Antragstellerin in der Gruppe 3 bei keinem Unterkriterium den Mindesterfüllungsgrad von 6,5 Punkten erreicht und damit den Mindesterfüllungsgrad von 19,5 Punkten für die Kriteriengruppe verfehlt hat. Für ihr Ausscheiden ist somit der von der Antragsgegnerin angelegte abweichende Maßstab nicht kausal geworden.

b) Die Antragsgegnerin hat gegen das aus § 25 Nr. 2 und Nr. 3 VOL/A folgende Gebot der Trennung von Eignungs- und Zuschlagsprüfung verstoßen, indem sie als Zuschlagskriterien teilweise eignungsbezogene Merkmale angegeben hat. In dem von der Antragsgegnerin durchgeführten nichtoffenen Verfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerbs wählt der Auftraggeber gem. § 7 a Nr. 4 VOL/A bei Durchführung eines Teilnahmewettbewerbs geeignete Bewerber aus, die er zur Abgabe eines Angebots auffordert. Daraus folgt, dass die Prüfung der Eignung grundsätzlich im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs stattfindet. Nach der Aufforderung zur Angebotsabgabe können nur noch neue oder jedenfalls erst später bekanntgewordene Umstände, die Zweifel an der Eignung des Bieters begründen, berücksichtigt werden.

Zu den von der Antragsgegnerin unter Ziff. 6 "Kriterienkatalog" der Verdingungsunterlagen genannten Zuschlagskriterien, mit denen das wirtschaftlichste Angebot ermittelt werden sollte, zählen auch solche Merkmale, die der Ermittlung der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Auftragnehmers dienen, mithin der Eignungsprüfung zuzuordnen sind (Erfahrungen mit der Projektdurchführung B.2.1, Mitarbeiterprofile B.3.4) und die bereits Gegenstand der mit den Teilnahmebedingungen (Ziff. III.2.2) angeforderten Angaben zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit waren.

Soweit die Antragsgegnerin darauf verwiesen hat, sie habe im Rahmen der letzten Wertungsstufe nur qualitative Aspekte, im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs dagegen quantitative Aspekte berücksichtigt, hat sie zugestanden, an die Angebote von bereits als geeignet bewerteten Bietern im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung weitere eignungsbezogene Maßstäbe angelegt zu haben. Die Prüfung der Eignung im Teilnahmewettbewerb beschränkt sich gerade nicht auf quantitative, sondern bezieht auch qualitative Aspekte mit ein. Für die fachliche Eignung eines Bieters ist regelmäßig nicht nur ausschlaggebend, über wie viele Mitarbeiter er verfügt, sondern auch, wie erfahren und qualifiziert diese sind. Der Auftraggeber kann nicht den quantitativen Bestandteil der fachlichen Eignung als Eignungskriterium und den inhaltlich - qualitativen Teil als Wirtschaftlichkeitskriterium einsetzen.

Die gegebenenfalls bessere Eignung eines in die engere Wahl zu ziehenden Unternehmens (ein "Mehr an Eignung") darf beim Kriterium der Wirtschaftlichkeit grundsätzlich nicht zu Ungunsten eines preisgünstigeren Angebots berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 109/96, BauR 1998, 1246 = NJW 1998, 3644, 3646; Urt. v. 16.10.2001 - X ZR 100/00, NZBau 2002, 107 = ZfBR 2002, 145). Die Prüfung der Eignung und der Zuschlag unterliegen verschiedenen Regeln. Sie sind als unterschiedliche Vorgänge klar voneinander zu trennen. Bei der den Zuschlag betreffenden Entscheidung dürfen nur Kriterien zur Anwendung kommen, die der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots dienen. Dies bedeutet, dass prinzipiell nur Faktoren berücksichtigt werden dürfen, die mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen, d.h. die sich auf die Leistung beziehen, die den Gegenstand des Auftrags bildet (vgl. EuGH, Urt. v. 24.1.2008 - C-532/06, Lianakis, Rn. 26 - 30 m.w.N., ständige Rechtsprechung des EuGH). Infolgedessen ist eine nochmalige Anwendung von Eignungskriterien im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung prinzipiell ausgeschlossen. Insoweit unterscheidet sich die EG-rechtliche nicht von der nationalen Rechtslage.

Durch den Verstoß der Antragsgegnerin gegen diese Grundsätze sind im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung unzulässige Maßstäbe an das Angebot der Antragstellerin angelegt worden. Dass die Anwendung rechtmäßiger Wertungskriterien zu einer besseren Bewertung des Angebots und damit zu einer Chance auf die Erlangung des Zuschlags führt, ist nicht auszuschließen.

d) Es bleibt der Antragsgegnerin überlassen, ob sie das Vergabeverfahren insgesamt aufhebt oder aber in den Stand vor Versendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe und der Verdingungsunterlagen zurückversetzt. Zumindest muss den Bietern Gelegenheit gegeben werden, nach Bekanntgabe der neu festzulegenden Zuschlagskriterien und gegebenenfalls ihrer Gewichtung die Angebote innerhalb angemessener Frist neu zu kalkulieren und einzureichen.

II. Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen beruht auf § 128 Abs. 3 und 4 GWB sowie auf einer entsprechenden Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO. Der Antragstellerin ist mit Rücksicht auf das in dem Nachprüfungsverfahren verfolgte Begehren, ihr den Zuschlag zu erteilen, ein erhebliches, mit der Hälfte zu bewertendes Unterliegen zuzuschreiben.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 50 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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