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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.03.2007
Aktenzeichen: VII-Verg 53/06
Rechtsgebiete: VOB/A


Vorschriften:

VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 2
VOB/A § 24 Nr. 3
VOB/A § 25 Nr. 1
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b)
VOB/A § 25 Nr. 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 18. Oktober 2006 (VK 2 - 101/06) wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: bis 80.000 €

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin schrieb die systematische Räumung von Munition und Munitionsteilen auf dem Truppenübungsplatz in A. im Offenen Verfahren europaweit aus. Nach der Leistungsbeschreibung waren eine Flächenräumung (Räumtiefe 2,5 m) und die Entmunitionierung von Bodenverfüllungen (Vergrabungen/Sprengtrichter) auszuführen. Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben fristgemäß Angebote ab. Mit Schreiben vom 27. Juli 2006 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot wegen einer unzulässigen Mischkalkulation und der Ungültigkeit der vorgelegten Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgeschlossen werde und die Beigeladene den Zuschlag erhalten solle. Den Rügen der Antragstellerin half sie nicht ab.

Daraufhin hat die Antragstellerin ein Vergabenachprüfungsverfahren angestrengt. In der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer am 30. August 2006 wurde die von der Antragstellerin beabsichtigte Vorgehensweise bei der Ausführung des Auftrags, insbesondere der Räumung von Sprengtrichtern und Bodenverfüllungen erörtert. Die Antragsgegnerin prüfte die Angaben und schloss das Angebot der Antragstellerin mit Schreiben vom 7. September 2006 aufgrund eines Vergabevermerkes vom selben Tage wegen Unvollständigkeit gemäß § 25 Nr. 1 VOB/A aus, weil die Antragstellerin ihre Preise mit einer "Fehlmenge an Zeit" kalkuliert habe. Nach weiteren Schriftsätzen an die Vergabekammer führte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2006 an die Vergabekammer (Seite 2) folgendes aus:

In den vorherigen Stellungnahmen hat die Antragsgegnerin bereits ausführlich zum Umgang mit Munition Stellung genommen. Daher erübrigt es sich aus Sicht der Antragsgegnerin, auf die Ausführungen der Antragstellerin im Hinblick auf den Abtransport von Kampfmitteln, Kampfmittelteilen und Schrott als "Gemisch" Stellung zu nehmen. Sie zeigt nur einmal mehr die fehlende Eignung und Fachkunde der Antragstellerin. Wer vorsätzlich Fundmunition in ihrer Lage verändert oder sogar transportiert, ohne diese vorher identifiziert zu haben - feststellt, ob es sich um Kampfmittel handelt und ob die Handhabungs- und Transportsicherheit gewährleistet ist, - gefährdet sich, seine Beschäftigten und auch Dritte in unverantwortlicher Weise (BGR 114 Anhang 5).

Mit Beschluss vom 18. Oktober 2006 lehnte die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag ab. Sie führte hierzu im wesentlichen aus, dass die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin mit Schreiben vom 7. September 2006 zu Recht gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A mangels Zuverlässigkeit ausgeschlossen habe. Das Vorgehen der Antragstellerin bei der Sortierung und Dokumentation des Fundaufkommens widerspreche den Anordnungen der Verdingungsunterlagen. Eine Identifizierung der Störkörper müsse vor Ort erfolgen. Das gelte auch für die Räumung von Bodenverfüllungen (Vergrabungen/Sprengtrichter). Stattdessen wolle die Antragsgegnerin die Identifizierung erst im Sortierlager durchführen. Hierin liege gleichzeitig auch eine Änderung der Verdingungsunterlagen.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie den Ausschluss ihres Angebots aus der Angebotswertung unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags bekämpft.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, ihr Angebot sei nicht wegen Änderung der Verdingungsunterlagen auszuschließen. Eine vollständige Darstellung des Räumungsablaufs bei Bodenverfüllungen finde sich in Schreiben an die Vergabekammer. Es sei nicht der Fall, dass vor Ort auf der Parzelle keine Prüfung oder Identifizierung der Fundstücke erfolge. Das Gemisch aus Munition/Munitionsteilen/Schrott/Erde werde nach Feststellung der Handhabungssicherheit als Teilschritt zur Identifizierung mechanisch vorsichtig beansprucht. Danach werde vor Ort auf der Parzelle durch den Truppführer hinsichtlich jedes Fundstücks die Handhabungssicherheit festgestellt. Dies sei ein weiterer Teilschritt der Identifizierung.

Sie habe den Leistungsumfang nicht geändert. Ihr Angebot vom 31. Mai 2006 entspreche in seiner äußeren Form und seinem Inhalt den mit dem Leistungsverzeichnis geforderten Leistungen. Ihre Schreiben vom 12. und 21. September 2006 dürften im Übrigen nicht zur Auslegung des Angebots herangezogen werden. Der Inhalt der beiden Schreiben stehe wertungsmäßig einer unzulässigen Nachverhandlung im Sinne des § 24 Nr. 3 VOB/A gleich. Zudem sei sie bereit, die Leistung so zu erbringen, wie es im Leistungsverzeichnis gefordert sei.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 18. Oktober 2006 (VK 2-101/06, aufzuheben und der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen und der Antragsgegnerin die Wiederholung der Angebotswertung unter Einschluss ihres (der Antragstellerin) Angebots sowie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts aufzugeben.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Sie vertreten die Auffassung, bevor eine Handhabungs- und Transportsicherheit festgestellt werden könne, müssten kleine Störkörper eindeutig identifiziert werden, um im Anschluss daran die Handhabungs- und Transportsicherheit eindeutig festzustellen. Nach dem Angebot der Antragstellerin finde eine Identifizierung erst auf dem Sortierplatz statt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Akten der Vergabestelle und der Vergabekammer Bezug genommen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Der Nachprüfungsantrag hat keinen Erfolg.

Das Angebot der Antragstellerin ist zwingend nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A von der Wertung auszuschließen. Es entspricht in inhaltlicher Hinsicht nicht den Verdingungsunterlagen, sondern ändert diese ab. Eine Änderung der Verdingungsunterlagen im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A liegt vor, wenn der Bieter die Anforderungen des Auftraggebers in seinem Angebot inhaltlich verändert hat, also der vom Bieter angebotene Leistungsumfang nicht dem vom Auftraggeber mit der Leistungsbeschreibung geforderten Leistungsumfang entspricht. Ob das der Fall ist, muss durch einen Vergleich des Angebotsinhalts mit den Vorgaben der Leistungsbeschreibung geprüft werden.

Das Angebot der Antragstellerin enthält in dem kleinere Störkörper in Bodenverfüllungen betreffenden Punkt Änderungen der Verdingungsunterlagen, die zum Ausschluss des Angebots führen.

a) Nach dem Leistungsverzeichnis galt für die Entmunitionierung von Bodenverfüllungen und Sprengtrichtern, dass aus Sicherheitsgründen große und kleine Störkörper stets durch den Truppführer vor Ort identifiziert werden sollen. Das Leistungsverzeichnis, in dem von den Bietern die vom Auftraggeber geforderten Preisangaben einzutragen waren, enthielt unter den Ziffern 1 bis 3 allgemeine Vorgaben, in der allgemeingültige Regelungen für die Ausführung der Räumung aufgestellt waren, während von Ziffer 4 an ergänzende Angaben gemacht wurden. Unter Ziffer 4 wurde unterschieden zwischen der Räumung von Flächen (ab Ziffern 4.3.1 ff) und sonstigen Räumarbeiten (ab Ziffern 4.3.2. ff), insbesondere der Räumung von Bodenverfüllungen (Ziffern 4.3.5.10).

Das Leistungsverzeichnis sah unter Ziffern 4.3.5.10 Folgendes vor:

4.3.5.10 Bodenverfüllung entmunitionieren

Bodenverfüllung aus Vergrabung/Sprengtrichtern auf große Störwerte vorsondieren und von diesen punktuell räumen.

Boden mittels geeigneter Erdbaumaschinen gem. Pkt. 3.7 und 3.16 entsprechend der Sicherheitstechnologie lösen, aufnehmen, auf geeignete Weise mechanisch von Munition und Schrott trennen und auf geräumter und abgenommener Fläche einplanieren, nachsondieren und räumen.

Die Behandlung der geborgenen Munition und sonstiger geborgener Gegenstände erfolgt wie in den vorstehenden Untertiteln.

Die geborgenen Funde sind gesondert zu dokumentieren, gehen nicht in die parzellenweise Abrechnung ein und werden nicht gesondert vergütet. ..

Es sind geeignete technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen gem. Sicherheitsplan für alle Beschäftigten, etc. vorzunehmen. Eine Gefährdung Dritter ist mit allen Mitteln auszuschließen.

Nach Absatz 1 der Ziffern 4.3.5.10 waren größere Störwerte (Störkörper) vorab zu sondieren und aus dem Erdreich zu bergen. Nach Absatz 2 denselben Ziffern war der Boden grundsätzlich mittels Erdbaumaschinen aus dem Erdreich zu lösen, aufzunehmen und auf geeignete Weise mechanisch von Munition und Schrott zu trennen. Die getrennte kleinere Munition war - ebenso wie die größeren Störkörper - nach Maßgabe der vorstehenden Untertitel des Leistungsverzeichnisses zu behandeln.

Zu den unter Ziffern 4.3.5.10 in Bezug genommenen Untertiteln gehörten die nachfolgenden Angaben des Leistungsverzeichnisses:

3.4 Transport/Handhabungssicherheit:

Vom AN dürfen Kampfmittel zunächst nur insoweit freigelegt werden, wie es zur Identifikation durch den Räumstellenleiter bzw. den zuständigen Truppführer und für die Entscheidung mit dem weiteren Umgang unbedingt erforderlich ist. Ist bei dem aufgefundenen Gegenstand die Transport- und Handhabungssicherheit nicht gegeben, so ist dieser an Ort und Stelle zu belassen und die Entscheidung des KBD einzuholen......

3.6 Die Sortierung der geborgenen Kampfmittel hat auf einem vom Baucamp gesondert abgegrenzten Bereich unter ständiger Aufsicht eines Truppführers zu erfolgen.

Handhabungs- und transportsichere Munition und Munitionsteile sind nach ihrer Bergung in einem Tageslager aufzubewahren und bis zu ihrem Abtransport zu sichern. ....

3.7 Manuelle und maschinelle Räumarbeiten:

Die Räumarbeiten sind in einer Weise auszuführen, die jede mechanische Beanspruchung der Störkörper vor deren Identifikation und Beurteilung durch einen Fachkundigen im Sinne des SprengG ausschließt. Der Einsatz von schlagenden Werkzeugen (Hacken, etc) ist grundsätzlich untersagt. ......

Aus diesen im Gesamtzusammenhang zu lesenden Vorgaben folgt, dass bei der Entmunitionierung von Bodenverfüllungen auch kleinere (und größere) Störkörper vor Ort durch den Truppführer zu identifizieren waren. Damit sollte die sondierte und freigelegte Munition gleich welcher Größe vor ihrem Abtransport, der Zwischenlagerung im Tageslager und der Sortierung auf dem Sortierplatz durch den Truppführer identifiziert sowie die Handhabungs- und Transportsicherheit festgestellt werden. Nach 3.4 durften Kampfmittel nur insoweit mechanisch freigelegt werden, wie es zur Identifikation durch den Räumstellenleiter oder Truppführer erforderlich war. Dabei unterschieden 3.4 und 3.7 nicht zwischen größeren und kleineren Kampfmitteln oder Störkörpern. Die Vorgaben unter 3.7 galten ausweislich der Überschrift für alle manuellen und maschinellen Räumarbeiten. Sie stellten in Satz 1 das Verbot auf, dass jede mechanische Beanspruchung der Störkörper vor deren Identifikation und Beurteilung durch einen Fachkundigen unterbleiben sollte. Nur identifizierte, handhabungs- und transportsichere Munition sollte vom Räumtrupp transportiert werden (Ziffern 3.6, Satz 2). Dies verlangte eine Identifikation - auch kleinerer Munition - durch den Truppführer vor Ort.

Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, die Bezugnahme unter 4.3.5.10 auf die Ziffern 3.7. gelte nur für einen Einsatz von Erdmaschinen gemäß Ziffern 3.7. und 3.16 und nicht für sämtliche Vorgaben unter 3.7., ist dem nicht beizupflichten. Die Bezugnahme erstreckte sich auf die gesamte Tätigkeit bestehend aus den Bearbeitungsschritten Lösen, Aufnehmen, Einplanieren, Nachsondieren und Räumen. Zudem ordnete die Position 4.3.5.10 unmissverständlich an, dass die Behandlung der geborgenen Munition "wie in den vorstehenden Untertiteln" erfolgen solle.

Soweit die Antragstellerin meint, bei einem Verständnis, wonach die Munition und Munitionsteile, die bei der Räumung von Bodenverfüllungen auftreten, erst nach ihrer Identifikation mechanisch behandelt werden dürften, eine mechanische Räumung überhaupt nicht möglich sei, bestehen keine Anhaltspunkte für ein derartiges enges Verständnis der Vorgaben in der Leistungsbeschreibung. Der Einsatz von mechanischem Gerät ist vor einer Identifikation nicht völlig untersagt. Es darf zum vorsichtigen Angraben eingesetzt werden. Jedoch hat anschließend - vor dem Weitertransport - in jedem Fall eine Identifikation auch kleiner Störkörper vor Ort durch den Truppführer zu erfolgen.

b) Das Angebot der Antragstellerin änderte die Verdingungsunterlagen ab. Es war nach dem erklärten Willen der Antragstellerin - von Anfang an - nicht darauf ausgerichtet, eine Identifizierung kleinerer Störkörper vor Ort durch den Truppführer vorzunehmen.

Allerdings entsprach das bei Ablauf der Angebotsfrist von der Antragstellerin eingereichte Angebot (scheinbar) in äußerer Hinsicht den Verdingungsunterlagen (äußerer Erklärungsakt). Weder mit dem Angebotsschreiben vom 31. Mai 2006 noch im mit dem Angebot eingereichten Leistungsverzeichnis hatte die Antragstellerin auf Einschränkungen des angebotenen Leistungsumfangs unter Position 4.3.5.10. hingewiesen. Es war jedoch nur die äußere Form des Angebots gewahrt. In inhaltlicher Hinsicht entsprach das Angebot nicht der Leistungsbeschreibung. Die diesbezüglichen Ausführungen der Antragstellerin in den Schreiben vom 12. und 21. September 2006 an die Vergabekammer erläuterten und präzisierten den Inhalt des Angebots. Sie sind zur Auslegung des Angebots heranzuziehen, da sie Rückschlüsse auf das bei Angebotsabgabe inhaltlich Gewollte erlauben.

Aufgrund des Inhalts der genannten Schreiben steht fest, dass die Antragstellerin die Position 4.3.5.10 des Leistungsverzeichnisses abgeändert und abweichend von der Leistungsbeschreibung angeboten hat. Mit dem im erstinstanzlichen Vergabenachprüfungsverfahren eingereichten Schreiben vom 12. September 2006 erklärte die Antragstellerin, dass nach dem Inhalt ihres Angebots kleinkalibrige Munition nicht vor Ort und nicht in jedem Fall durch den Truppführer identifiziert werden sollte. Beginnend auf Seite 4 im letzten Absatz führte die Antragstellerin zu ihrer Vorgehensweise bei der Räumung von Sprengtrichtern aus:

Die Sprengtrichter werden vorsichtig per Handschaufel, Bagger oder Radlader (mit Panzerscheibe) ausgehoben. Vor einer maschinellen Bearbeitung mit Bagger oder Radlader werden die Bereiche (sondenunterstützt) auf größere Störwerte vorsondiert. Insbesondere auch die größeren Kaliber werden durch den Truppführer identifiziert und bei festgestellter Handhabungssicherheit geborgen.

Die Beräumer haben jahrelange Erfahrung mit dieser Arbeit und ziehen im Zweifel den Truppführer zur Entscheidung über die weitere Vorgehensweise hinzu. Wenn auch der Truppführer eine Gefahr insbesondere für das nachfolgende Separieren und Transportieren nicht ausschließen kann, wird der staatliche Kampfmittelberäumungsdienst (KBD) gemäß LV-Ziff 3.4 hinzu gezogen. Dies war bei der Räumungsmaßnahme Altengrabow jedoch nur äußerst selten erforderlich.

Der Aushub wird mittels handbedienten Siebs von losen Verschmutzungen getrennt. Beim verbleibenden Rest handelt es sich um kleinkalibrige Munition und Schrott.

....

Die Restmenge wird mittels panzergesichertem Radladers zum Sortierplatz transportiert.

Dort findet - weiterhin unter Aufsicht des Truppführers - die manuelle Sortierung von Munition, Munitionsteilen und Schrott durch erfahrene Sortierer in Schutzanzügen statt. Die Sortierer lassen Fundstücke, die sie optisch nicht eindeutig einordnen können, vom Truppführer identifizieren.

.....

Diese Verfahrensweise wurde in der Vergangenheit in keiner Weise beanstandet - weder von der Antragsgegnerin noch vom von ihr beauftragten Bauüberwacher, der den Auftragnehmer ständig kontrolliert. Auch Mitbewerber der Antragstellerin verfügen über keine, etwa noch sichere Vorgehensweise. Es ist bei der Bearbeitung von Sprengtrichtern mit täglich tausenden Stücken kleinkalibriger Munition völlig abwegig - wie dies aber die Antragsgegnerin und die Beigeladene suggeriert haben -, dass jedes Stück zunächst lediglich freigelegt werden, dann der Truppführer zur endgültigen Identifizierung benachrichtigt werden und die "Entscheidung über den weiteren Umgang abgewartet" werden soll.

Danach sollte eine Identifizierung kleinkalibriger Munition durch den Truppführer und vor Ort, das heißt noch am Sprengtrichter bzw. an der Bodenverfüllung nicht in jedem Fall erfolgen. Die Identifikation von Fundstücken, die nicht eindeutig eingeordnet werden können, sollte erst nach der Bergung und dem Transport zum Sortierplatz während der Sortierung durch den Truppführer erfolgen. Vor Ort sollte nur "im Zweifel" der Truppführer zur Entscheidung über die weitere Vorgehensweise hinzugezogen werden, ansonsten sollten die Mitarbeiter des Räumtrupps über die weitere Vorgehensweise (die Handhabungs- und Transportsicherheit) entscheiden. Dahingehend hat sich selbst noch im Senatstermin, auf den diese Entscheidung ergeht, der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit dem Worten erklärt, ein Truppführer solle nur bei Unklarheiten, mithin im Zweifel, zugezogen werden.

In Schreiben vom 21. September 2006 führte die Antragstellerin (auf Seite 2 f.) unter "a. Typischer Ablauf der Freilegung von Störkörpern" ferner aus:

bb. Sprengtrichter/Bodenverfüllungen entmunitionieren (LV-Pos.4.3.5.10)

Die zu räumende Fläche wird schichtweise vor dem Aushub auf große Störkörper sondiert. Nach Freilegung der größeren Störkörper per Handschachtung werden diese durch den Truppführer identifiziert und deren Handhabungs- und Transportsicherheit festgestellt. Weitere Verfahrensweise wie vor.

Nach der Bergung größerer Störkörper wird der mit Kampfmitteln kleinerer Kaliber belastete Boden unter Wahrung der Baugrubensicherheit und unter Aufsicht des Truppführers per Handschaufel oder Bagger schichtweise gelöst.

Alternative 1: Wenn die Handhabungsfähigkeit der zu bergenden Kampfmittel durch die vorbereitenden Untersuchungen festgestellt werde, wird der Boden schonend mittels Erdbaumaschinen ausgehoben. Der Aushub wird seitlich auf einer kampfmittelfreien Fläche bearbeitet. ....

Weiter bei Alternative 1:

Nach der oben beschriebenen, maschinellen Bearbeitung (Bagger oder Sieb) des Aushubs sind die kleinkalibrigen Kampfmittel, Kampfmittelteile und Schrott noch nicht sortiert. Der Truppführer stellt die Transportsicherheit fest. (Bei fehlender Transportsicherheit würde wiederum der KBD hinzugezogen.)

Auch bei der derart beschriebenen Vorgehensweise unterblieb eine Identifikation der kleinkalibrigen Störkörper durch den Truppführer nach ihrer Sondierung und Freiliegung sowie einer maschinellen Bearbeitung des Aushubs. Eine Identifikation durch den Truppführer vor Ort sollte nicht stattfinden.

c) Da das Angebot der Antragstellerin von dem Leistungsverzeichnis der Antragsgegnerin abweicht, ändert es die Verdingungsunterlagen. Dies hat den zwingenden Ausschluss des Angebots nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A zur Folge.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist in den Schreiben vom 12. und 21. September 2006 keine inhaltliche Änderung des Angebots im Sinn einer unstatthaften Nachverhandlung nach § 24 Nr. 3 VOB/A zu sehen. Die Schreiben lassen einen Schluss auf den tatsächlichen Inhalt des Angebots, aber auch auf den Willen der Antragstellerin im Zeitpunkt seiner Einreichung zu. Die Ausführungen der Antragstellerin in ihren Schreiben vom 12. und 21. September 2006 bestätigen, dass der Inhalt des Angebots und der wirkliche Wille der Antragstellerin im Zeitpunkt der Erstellung und der Abgabe des Angebots nicht auf die Erbringung der geforderten Leistung "Identifizierung kleinerer Störkörper vor Ort und durch den Truppführer" gerichtet war, wie es im Leistungsverzeichnis unter Position 4.3.5.10. gefordert war. Die Antragstellerin hielt diese Leistung für nicht praktikabel und nicht wirtschaftlich, denn sie bezeichnete die Identifizierung der kleinkalibrigen Munition durch den Truppführer vor Ort im Schreiben vom 12. September 2006 als "völlig abwegig" und in der Beschwerdebegründung als einen "enormen Aufwand".

Nachträglich abgegebene Erläuterungen des Bieters darüber, wie er sein Angebot im Zeitpunkt seiner Abgabe verstanden wissen wollte und welchem Inhalt er ihm beimaß, dürfen auch in vergaberechtlicher Hinsicht bei der Auslegung des Angebots nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. Senat, Beschl. v. 29.11.2000, Verg 21/00, VergabeR 2001, 38, 39). Dem kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, es komme allein auf die Auslegung des Angebots aus der Sicht des Empfängers im Zeitpunkt des Zugangs des Angebots an. Diese Sichtweise blendet die nachträglichen Erläuterungen über den Inhalt des Angebots und den daran erkennbaren wahren Willen des Bieters aus. Zur Feststellung, welchen Inhalt der Erklärende seinem Angebot tatsächlich beimisst, sind deshalb auch zeitlich später entstandene, den Inhalt erläuternde Äußerungen des Bieters heranzuziehen, die einen Rückschluss auf seinen Willen im Zeitpunkt der Angebotsabgabe zulassen. Sie zählen zu den begleitenden Umständen. Solche Erläuterungen sind - selbst wenn sie nicht in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Angebot abgegeben worden sind - bei der Auslegung des Angebots zu berücksichtigen, (vgl. BGH, Urt. v. 07.12.2006, VII ZR 166/05; BGH NJW 1984, 721).

Dies eröffnet nicht die Gefahr, wie die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung einwandte, dass ein Bieter nachträglich den Inhalt seines Angebots verändernde Erklärungen gegenüber der Vergabestelle abgibt, um, wenn er - aus welchen Gründen auch immer - dies nicht mehr will, nicht den Zuschlag zu erhalten. Erstans handelt es sich dabei um einen bloß theoretischen Einwand. Und zweitens bleibt immer noch zu prüfen, ob die nachträglich gemachten Äußerungen tatsächlich einen zuverlässigen Rückschluss auf den Inhalt des Angebots erlauben. Im Streitfall ist dies zu bejahen, zumal die Antragstellerin und die Antragsgegnerin das Angebot bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Antragstellerin feststellte, dass es vom Ausschluss bedroht war, im oben dargestellten Sinn tatsächlich übereinstimmend verstanden haben.

Dem zwingend notwendigen Ausschluss ihres Angebots kann die Antragstellerin ferner nicht mit Erfolg entgegenhalten, sie habe sich im Beschwerdeverfahren bereit erklärt, eine Anpassung der Leistungen an den vom Leistungsverzeichnis unter der Position 4.3.5.10. geforderten Leistungsumfang, insbesondere eine Identifizierung kleiner Störkörper vor Ort, vorzunehmen. In dieser Erklärung liegt in vergaberechtlicher Hinsicht eine nachträgliche Änderung, nämlich eine Erweiterung, des Inhalts des Angebots. Eine Änderung des Angebots ist unstatthaft (§ 24 Nr. 3 VOB/A) und für die Wertung unbeachtlich.

Die Antragstellerin befand sich auch nicht - wie sie in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat - in einem verdeckten und infolgedessen unerheblichen Kalkulationsirrtum. Sie hat mit den Kostenfaktoren, insbesondere mit den (geringeren) Arbeitskosten für den Truppführer kalkuliert, die sie dem eingeschränkt angebotenen Leistungsumfang - ohne eine Identifizierung kleiner Störkörper durch den Truppführer vor Ort - zu Grunde gelegt hat. Dies ergibt sich aus dem Schreiben vom 21. September 2006 (unter Ziffer 3). Sie hat zudem im Schriftsatz vom 27. Dezember 2006 erklärt, das Leistungsverzeichnis nicht missverstanden zu haben. Ob ihr Angebot bei einem erhöhten Leistungsaufwand noch kostendeckend wäre, kann ebenso unbeantwortet bleiben wie die Frage, ob sie einen vollständigen Preis angegeben hat.

2. Es kann dahinstehen, ob die Antragstellerin darüber hinaus als nicht geeignet im Sinne des § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A anzusehen ist. Insoweit hat die Antragsgegnerin das ihr zustehende Ermessen noch nicht ausgeübt. Davon abgesehen ist das Angebot der Antragstellerin jedenfalls aus einem anderen Grund, nämlich dem einer Veränderung der Verdingungsunterlagen, von der Wertung auszuschließen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus entsprechender Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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