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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 16.04.2007
Aktenzeichen: VII-Verg 55/06
Rechtsgebiete: GWB, VwVfG


Vorschriften:

GWB § 107 Abs. 3 S. 1
GWB § 128 Abs. 4 S. 2
VwVfG § 80 Abs. 3 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 8. November 2006 (VK 3-126/06) aufgehoben, soweit er die Notwendigkeit der Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin im Verfahren der Vergabekammer betrifft.

Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin im Verfahren vor der Vergabekammer war notwendig.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Gründe:

I. Die Vergabekammer verwarf den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin, da diese der Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB nicht unverzüglich entsprochen habe. Die Verfahrenskosten wurden der Antragstellerin auferlegt. Jedoch verneinte die Vergabekammer die Notwendigkeit der Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin, die sich im Verfahren durch Rechtsanwälte hatte vertreten lassen.

Dagegen geht die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde vor. Sie begehrt die Feststellung, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren der Vergabekammer für sie notwendig war.

Die Antragstellerin tritt dem tatsächlichen und rechtlichen Vortrag der Beschwerde entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses sowie auf die zu Informationszwecken beigezogenen Akten der Vergabekammer Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die Antragsgegnerin im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig.

Die im Gesetz, namentlich in § 80 Abs. 3 S. 2 VwVfG, auf den § 128 Abs. 4 S. 2 GWB verweist, nicht geregelte Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen die Zuziehung eines Rechtsanwalts für die am Verfahren vor der Vergabekammer Beteiligten notwendig ist, und die dadurch entstehenden Auslagen vom unterliegenden Gegner mithin zu erstatten sind, ist anhand der Grundsätze zu beantworten, die der Senat im Beschluss vom 20.7.2000 (Verg 1/00, NZBau 2000, 486, 487 f.) aufgestellt hat. Darauf wird Bezug genommen. Anders hat auch der Bundesgerichtshof nicht entschieden (vgl. Beschl. v. 26.9.2006 - X ZB 14/06, Tz. 61, VergabeR 2007, 59, 69).

Danach ist festzustellen: Bei der gebotenen vorausschauenden Betrachtung war der Maßnahme der Antragsgegnerin, einen Rechtsanwalt mit der Vertretung im Verfahren der Vergabekammer zu beauftragen, nicht lediglich - wie die Vergabekammer allerdings entschieden hat - zugrundezulegen, dass "nur eine einzelne, nicht ausgesprochen umfangreiche auftragsbezogene Sach- und Rechtsfrage, mit der sich die Antragsgegnerin ausweislich der Vergabeakte bereits im Zuge des Vergabeverfahrens intensiv auseinandergesetzt hat," streitig war - womit ersichtlich die Frage der Zuverlässigkeit der im Hauptsacheverfahren beigeladenen Bieterin angesprochen worden ist. Bei vorausschauender Sicht hatte die Antragsgegnerin sich darüber hinaus auch damit zu befassen, ob die Antragstellerin der Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB genügt hatte (die Vergabekammer hat dies verneint und hat deswegen den Nachprüfungsantrag verworfen), und ob die Antragstellerin wegen eines bei den angebotenen Beratungsleistungen angebrachten "0,00 Euro"-Preises überhaupt ein vollständiges Preisangebot abgegeben hatte. Davon ausgehend stellte sich für die Antragsgegnerin außerdem die seinerzeit in der Rechtsprechung kontrovers beurteilte Rechtsfrage, ob - sofern die Angebote der Antragstellerin (dieses wegen einer unvollständigen Preisangabe nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 a, § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOL/A) und der Beigeladenen (jenes wegen Unzuverlässigkeit nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A) von der Wertung auszunehmen waren - bei gebührender Beachtung des Gleichbehandlungsgebots nicht eine Aufhebung des Vergabeverfahrens veranlasst war (vgl. dazu allein OLG Düsseldorf VergabeR 2005, 195). In der Gesamtheit waren die durch den Nachprüfungsantrag aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen demnach nicht nur einfach gelagerter, auftragsbezogener Natur. Denn es waren nicht nur Vorschriften der einschlägigen Verdingungsordnung (der VOL/A) anzuwenden und in diesem Kontext zudem nicht nur einfache Rechtsfragen zu beantworten (Gleichbehandlungsgebot und mögliche Aufhebung des Vergabeverfahrens). Sondern die sich stellenden Rechtsfragen betrafen überdies mindestens zwei verschiedene Rechtsebenen des Vergaberechts (Verfahrensrecht nach § 107 Abs. 3 GWB und Anwendung der Verdingungsordnung VOL/A). Was die personellen Ressourcen der Antragsgegnerin anbelangt, das Vergabenachprüfungsverfahren gegebenenfalls in eigener Regie zu bearbeiten, hat der Senat der Entscheidung den unbestrittenen Vortrag der Antragsgegnerin zugrundezulegen, dass im Geschäftsbereich des Bundespresseamtes nur wenige Vergabeverfahren anfallen und dementsprechend geringe Erfahrungen mit den darin sowie in Nachprüfungsverfahren auftretenden Rechtsfragen vorlagen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist der Antragsgegnerin auch unter dem Gebot der Waffengleichheit zuzubilligen, sich zur Verteidigung gegen den Nachprüfungsantrag - und zwar auch mit Rücksicht auf die Eilbedürftigkeit der Sachbearbeitung - anwaltlichen Beistands versichert zu haben. Denn die Antragstellerin war im Verfahren vor der Vergabekammer anwaltlich vertreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von § 91 ZPO.

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