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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.05.2009
Aktenzeichen: VII-Verg 6/09 (1)
Rechtsgebiete: VOL/A


Vorschriften:

VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 28. Januar 2009 (VK VOL 37/2008) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 30.000 Euro

Gründe:

I. Der Antragsgegner führte ab August 2008 ein Verhandlungsverfahren zur Vergabe des Transports und der Entsorgung von Rechengut, Sandfanggut sowie von Rechengut/Sandfanggut-Gemisch aus seinen Abwasserreinigungsanlagen in mehreren Losen durch. Das Vergabenachprüfungsverfahren betrifft das Los 2 (Übernahme, Transport und thermische Entsorgung von 3.300 t Rechengut und Rechengut/Sandfanggut-Gemisch), bei dem die Beigeladene den Zuschlag erhalten soll. Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurück. Auf die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt.

Im Beschwerdeverfahren streiten die Verfahrensbeteiligten insbesondere darüber, ob der Antragsgegner - vor einer Beseitigung - nicht einer von der Antragstellerin angebotenen Verwertung den Vorzug hätte geben müssen, und ob die Beigeladene die ausgeschriebene Leistung zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis angeboten hat und ihr Angebot deswegen auszuschließen war. Die Antragstellerin geht davon aus, dass der Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen sei.

Die Antragstellerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, die für das Los 2 abgegeben Angebote neu zu werten.

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen verwiesen.

II. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.

1. Was die Beanstandung der Antragstellerin anbelangt, der Antragsgegner habe ihrem Angebot - rechtsfehlerhaft - nicht den Vorzug vor dem der Beigeladenen gegeben, obwohl sie, die Antragstellerin, eine höherwertige Art der Entsorgung, nämlich eine Verwertung (anstelle einer bloßen Beseitigung - so das Angebot der Beigeladenen) angeboten habe, ist auf die Gründe des eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels ablehnenden Senatsbeschlusses vom 25.2.2009 zu verweisen. Darin ist jene Beanstandung der Antragstellerin mit der Begründung abschlägig beschieden worden, der Antragsgegner habe in den Vergabeunterlagen eine nach dem KrW-/AbfG höherrangige Entsorgungsart (und zwar eine Verwertung statt einer Beseitigung) zu keinem Zuschlagskriterium erklärt. Alleiniges Zuschlagskriterium war im Streitfall - zulässigerweise - der Angebotspreis (vgl. zu den Voraussetzungen OLG Naumburg, Beschl. v. 5.12.2008 - 1 Verg 9/08; Senat, Beschl. 9.2.2009 - VII-Verg 66/08). Daran ist der Antragsgegner bei der Angebotswertung gebunden. Der Antragsgegner war vergaberechtlich ebenso wenig verpflichtet, die Art der Entsorgung (Verwertung oder Beseitigung) neben dem Angebotspreis zu einem Zuschlagskriterium zu erheben und auf diesem Weg einer Verwertung den Vorrang vor einer bloßen Beseitigung zuzuschreiben. Welche Leistung ausgeschrieben wird (hier Entsorgung durch Verwertung oder durch Beseitigung), unterliegt dem Bestimmungsrecht des (öffentlichen) Auftraggebers. An der Ausübung des Bestimmungsrechts haben Bieter, so im Streitfall ebenso wenig die Antragstellerin, im Vergabenachprüfungsverfahren grundsätzlich nichts auszusetzen. Bieter können dem Auftraggeber - abweichend von den Verdingungsunterlagen - nicht mit Erfolg die Beschaffung einer bestimmten anderen als der ausgeschriebenen Leistung aufzwingen.

2. Die Behauptung eines Unterkostenangebots rechtfertigt keinen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen und eine Bevorzugung des Angebots der Antragstellerin. Die Beigeladene konnte den Preis mit der in Betracht kommenden Entsorgungsanlage frei vereinbaren. Sie war dabei nicht an Satzungspreise gebunden. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im Schriftsatz des Antragsgegners vom 19.3.2009 (S. 6 = GA 87) verwiesen. Danach hat die Beigeladene tatsächlich kein Unterkostenangebot abgegeben. Auf die Entscheidung der Rechtsfrage, ob und unter welchen Gegebenheiten die Vorschrift des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A einen Bieterschutz gewähren kann, kommt es demzufolge nicht an.

3. Der Umstand, dass der Antragsgegner mit der Antragstellerin im Verhandlungsverfahren über den angebotenen Preis tatsächlich nicht weiter verhandelt hat, gebietet ebenso wenig einen Eingriff in das Vergabeverfahren. Eine Verletzung der Rügeobliegenheit ist insofern zwar nicht anzunehmen, da nicht festgestellt werden kann, die Antragstellerin habe insoweit einen Vergaberechtsverstoß vor Beginn des Nachprüfungsverfahrens positiv erkannt (§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB).

Jedoch ist in der Sache auch dann, wenn man den öffentlichen Auftraggeber für grundsätzlich (d.h. sofern keine andere Verfahrensweise bekannt gemacht worden ist) verpflichtet hält, in Verhandlungsverfahren mit den Bietern wenigstens e i n e Verhandlungsrunde über die Angebote durchzuführen (vgl. Senat, Beschl. v. 5.7.2006 - VII-Verg 21/06), keine Rechtsverletzung der Antragstellerin dadurch eingetreten, dass der Antragsgegner mit ihr nicht verhandelt hat. Die Preisangebote der Antragstellerin und der Beigeladenen lagen, worauf schon die Vergabekammer im angefochtenen Beschluss hingewiesen hat, sowohl betragsmäßig als auch prozentual betrachtet weit auseinander (und zwar um ca. 47.000 Euro oder etwa 7 % bei einer Bruttoauftragssumme um 550.000 Euro). In dieser Situation ist kein Rechtsverstoß zu erkennen, wenn der Antragsgegner die Antragstellerin nicht zu Verhandlungen zuließ. Denn der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, um ihrer selbst willen Verhandlungen über die Angebote, insbesondere über die Preise, mit allen Bietern aufzunehmen. Er muss vielmehr nur über solche Angebote verhandeln, denen unter Berücksichtigung alsdann aufzunehmender Verhandlungen und ihrer voraussichtlichen Ergebnisse eine echte Chance eingeräumt werden kann, aus den Verhandlungen als das annehmbarste (oder wie im Streitfall: das preisgünstigste) Angebot hervorzugehen (vgl. zum Begriff der echten Chance Scharen in Willenbruch/Bischoff, Kompaktkommentar Vergaberecht, § 126 GWB Rn. 15 - 18). Dabei weist die Beurteilung, welchen Angeboten eine dahingehende echte Chance zuzuerkennen ist, jedenfalls sofern eine solche Chance nicht aus anderen, im Angebot oder in der Ausschreibung liegenden Gründen auszuschließen ist, (vgl. dazu Scharen a.a.O. Rn. 18), auch gewisse prognostische Elemente auf, die sich insbesondere auf die den Preis betreffenden Verhandlungsspielräume der Bieter beziehen. Deswegen ist dem Auftraggeber bei dieser Beurteilung ein nur beschränkt kontrollierbarer Entscheidungsspielraum zuzubilligen, der lediglich einer Überprüfung darauf zugänglich ist, ob von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und der anzuwendende Beurteilungsmaßstab nicht verkannt worden ist. Dagegen ist bei der Entscheidung, dass mit der Antragstellerin über den Angebotspreis nicht verhandelt werden sollte, vom Antragsgegner nicht verstoßen worden. Der Angebotspreis der Antragstellerin lag beträchtlich über dem der Beigeladenen. Die Antragstellerin hätte schon erhebliche Abstriche an ihren Preisvorstellungen vornehmen müssen, um überhaupt in die Nähe des von der Beigeladenen angebotenen Preises zu gelangen. Mit Rücksicht darauf, dass die Antragstellerin bisheriger Auftragnehmer war, musste der Antragsgegner für die Verhandlungen auch nicht unterstellen, dass die Antragstellerin dazu willens und/oder auch in der Lage war. Die Parameter der von Antragstellerin angebotenen Leistung (insbesondere die Einschaltung eines in Ostdeutschland gelegenen Entsorgungsunternehmens einschließlich des kostenaufwendigen Transports dorthin) lagen fest. Der Antragsgegner durfte seiner Entscheidung infolgedessen zugrunde legen, dass die Antragstellerin das Preisangebot der Beigeladenen allenfalls um einen geringen Betrag unterbieten konnte, dass es auf Seiten der Beigeladenen dann freilich nur noch eines geringen (und erfahrungsgemäß auch vorhandenen) Verhandlungsspielraums bedurfte, um abermals preisgünstiger zu sein als die Antragstellerin. Wenn der Antragsgegner es bei dieser besonderen Sachlage für ausgeschlossen hielt, dass sich die Aussichten der Antragstellerin auf einen Zuschlag durch Verhandlungen über den Preis entscheidend verbessern konnten, ist gegen die Entschließung, von Verhandlungen abzusehen, im Ergebnis nichts einzuwenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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