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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.04.2007
Aktenzeichen: VII-Verg 7/07 (1)
Rechtsgebiete: HGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 429
BGB §§ 249 ff.
BGB § 252
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 254 Abs. 2
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.04.2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach (10 O 187/01) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.298,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.02.2001 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits sämtlicher Instanzen tragen die Parteien je zu Hälfte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Für den Verlust des am 07.12.2000 zwecks Transport zum Zeugen A..... übernommenen Paketes schuldet die Beklagte dem Kläger nur den zugesprochenen Betrag.

I.

Die unbeschränkte Haftung der Beklagten, die nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.06.2006 in Höhe des vollen Paketwertes besteht, vorbehaltlich nur eines Mitverschuldens des Klägers an dem Paketverlust, ist infolge eines eben solchen Mitverschuldens auf 4.809,89 € vermindert, von denen nach den vorprozessual gezahlten 511,29 € (1.000 DM) noch 4.298,60 € offen stehen.

1.

Die Berufung wendet sich ohne Erfolg gegen die Feststellung des Landgerichts, derzufolge die in dem Paket enthaltenen Schmuckstücke einen Gesamtwert von 9.316,76 € (18.222 DM) hatten.

In ihrer Berufungsbegründung hatte die Beklagte zu diesem Thema lediglich die Auffassung geäußert, dass nur der Einkaufs- bzw. Herstellungsaufwand des Zeugen A..... zu ersetzen sei, nicht aber dessen entgangener Gewinn durch eine Veräußerung der Schmuckstücke, welchen sie (insoweit unbestritten) mit 40 % der vom Kläger und ihm folgend dem Landgericht angesetzten Beträge bezifferte. Diese Überlegung geht aber fehl. Angesichts des der Beklagten anzulastenden qualifizierten Verschuldens ist der Kläger nicht auf die Berechnungsmethode des § 429 HGB beschränkt, sondern kann Schadensersatz nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB verlangen (§ 435 HGB), darunter diejenige des § 252 BGB (entgangener Gewinn).

Erstmals nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits durch den Bundesgerichtshof greift die Beklagte darüber hinaus die Feststellung des Veräußerungswertes durch das Landgericht an und meint, das Anbringen von Preisschildern durch einen Goldschmied bedeute nicht, dass sich die so ausgedrückte Preisvorstellung anschließend auch realisieren lasse. Das ist kein konkreter Anhaltspunkt i.S.d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, nachdem das Landgericht dem Zeugen A..... insoweit eine realistische Einschätzung zugetraut hat. In diesem Zusammenhang trifft es auch nicht zu, dass dem Kläger selbst die Preise zu hoch gewesen wären. Vielmehr hat er angegeben, und die Zeugin G..... hat dies zur Überzeugung des Landgerichts bestätigt, dass wegen unerwarteter Ausgaben (Dachreparatur) überhaupt kein Schmuckkauf mehr in Frage kam.

2.

Der Kläger hat nicht durch ein Mitverschulden i.S.d. § 254 Abs. 1 BGB in der Weise zu der Schadensentstehung beigetragen, dass er den Wert des Paketes nicht förmlich deklarierte und die Beklagte so davon abgehalten hätte, ihm eine besondere "Wertpaketbehandlung" mit verschärften Sicherheitsvorkehrungen angedeihen zu lassen. Weder das dem Kläger zur Verfügung gestellte elektronische Auftragsformular (Bl. 13/14 GA) noch die damaligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Bl. 15/16 GA) sahen die Möglichkeit vor, durch eine Wertdeklaration oder in sonstiger Weise eine Beförderung unter erhöhten Sicherheitsmaßnahmen in Auftrag zu geben. Die Beklagte behauptet dementsprechend selbst nicht, dass sie bei Aufklärung über den Wert der Sendung diese anders als tatsächlich geschehen befördert hätte, sondern vielmehr, dass sie den Vertragsschluss abgelehnt hätte.

3.

Dem Kläger ist jedoch als Mitverschulden anzulasten, dass er der Beklagten die Möglichkeit nahm, den Vertragsschluss abzulehnen, indem er ihr das Paket ungeachtet des Wertes "unterschob". Damit versäumte er es zugleich, die Beklagte auf das Drohen eines ungewöhnlich hohen Schadens i.S.d. § 254 Abs. 2 BGB aufmerksam zu machen.

a)

Der Paketwert und damit der drohende Schaden ist im Rahmen des Vertragsverhältnisses der Parteien als "ungewöhnlich hoch" im Sinne der Vorschrift anzusehen. Mit 9.316,76 € beträgt er mehr als das Achtzehnfache der Wertgrenze von 511,29 € (1.000 DM), bis zu der die Beklagte nach ihren in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen Pakete überhaupt nur zur Beförderung annehmen und bis zu der sie zugleich unbeschränkt haften wollte.

Sein Vorgehen ist dem Kläger vorwerfbar. Er hätte sich ohne weiteres anders verhalten können. Zum einen hätte er von vorn herein davon absehen können, der Beklagten ein bedingungswidriges Paket anzudienen. Zum anderen hätte er die Beklagte über den enthaltenen Wert aufklären und ihr so die Möglichkeit geben können, ihrerseits abzulehnen. Einer entsprechenden Kategorie in dem elektronischen Auftragsformular bedurfte es dafür nicht. Es hätte genügt, wenn der Kläger den abholenden Mitarbeiter der Beklagten mündlich aufmerksam gemacht hätte.

Das unterbliebene Aufmerksammachen hat auch zur Schadensentstehung beigetragen. Angesichts der Bestimmung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass Pakete nur bis zu einem Höchstwert von 1.000 DM angenommen werden, kann der Beklagten ohne weiteres geglaubt werden, dass sie bei Hinweis auf den wirklichen Wert des hier interessierenden Pakets dieses abgelehnt hätte. Der Kläger macht hiergegen auch nichts Greifbares geltend.

b)

Der Senat gewichtet das Mitverschulden mit einem Betrag von 4.506,87 €.

aa)

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger die vereinbarte Wertgrenze von 511,29 € fahrlässig missachtete, indem er die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht zur Kenntnis nahm. Ein vorsätzliches Handeln lässt sich nicht feststellen. Derartiges ergibt sich insbesondere nicht aus dem letzten Absatz des Schriftsatzes vom 22.08.2001 (Bl. 61 GA).

bb)

Das fahrlässige Unterschieben eines nicht bedingungsgerechten, weil die mit dem Frachtführer vereinbarte Wertgrenze überschreitenden Paketes rechtfertigt ein Mitverschulden von mindestens einem Drittel (Senat 14.02.2007 - I-18 U 137/06 -; vgl. auch BGH 13.07.2006 - I ZR 245/03 -).

Dieser Anteil von einem Drittel ist auf der anderen Seite regelmäßig ausreichend, wenn der Paketwert die vereinbarte Grenze nicht allzu krass, nämlich um nicht mehr als das Zehnfache, übersteigt.

Liegt der Paketwert dagegen noch höher, dann muss auch das Mitverschulden des Absenders höher bewertet werden. Je höher der tatsächliche Wert der Sendung ist, desto gewichtiger ist der in der fehlenden Aufklärung des Frachtführers hierüber liegende Schadensbeitrag (vgl. BGH 01.12.2005 - I ZR 4/04 -, Rz. 33). Der Senat hält es unter diesen Voraussetzungen und in Abwesenheit besonderer Fallumstände, die hier nicht vorliegen, alles in allem für angemessen, den die zehnfache Wertgrenze übersteigenden Betrag um zwei Drittel zu kürzen. Das gilt jedenfalls für Paketwerte bis zum Zwanzigfachen des vereinbarten Grenzbetrages; ob darüber ein noch größer Mitverschuldensbeitrag anzunehmen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden.

cc)

In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich hier ein Mitverschuldensanteil des Klägers von 4.506,87 €. Die ersten 5.112,90 € (Wertgrenze 511,29 € multipliziert mit 10) des Gesamtpaketwertes von 9.316,76 € werden um ein Drittel gekürzt, d.h. um 1.704,30 € auf 3.408,60 €. Die übersteigenden 4.203,86 € werden um zwei Drittel gekürzt, d.h. um 2.802,57 € auf 1.401,29 €. Von dem verbleibenden Anspruch des Klägers in Höhe von 4.809,89 € sind 511,29 € bereits beglichen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine nochmalige Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Es handelt sich um die Feststellung von Tatsachen sowie die Gewichtung eines Mitverschuldens im konkreten Fall.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 8.805,47 €

Ende der Entscheidung

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