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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 16.04.2008
Aktenzeichen: 1 U 136/05
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 43 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die klagende GmbH nimmt die Beklagte, ihre frühere Geschäftsführerin, wegen Barabhebungen vom Gesellschaftskonto auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin wurde 1993 gegründet. Im Jahr 1996 veräußerte sie ihren Geschäftsbetrieb an die - inzwischen wegen Insolvenz aufgelöste - A-AG; außerdem trat der geschäftsführende Gesellschafter Herr B seine Anteile an der Klägerin für einen Euro an die Mitgesellschafterin Frau B, seine Mutter, ab; diese ist seither Alleingesellschafterin der Klägerin. Im Zuge der Umstrukturierung wurde Herr B als Geschäftsführer der Klägerin abberufen. An seiner Stelle wurde die später mit ihm verheiratete Beklagte, die als geschäftsführende Alleingesellschafterin die C-GmbH betrieb, unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zur Geschäftsführerin der Klägerin bestellt; dies wurde am 7. Januar 1997 im Handelsregister eingetragen (Anlagen K 1 und B 1).

Nach § 3 Abs. 1 des Geschäftsführervertrages der Parteien vom 25. Februar 1997 (Anlage B 3) sollte die Tätigkeit der Beklagten unentgeltlich sein; gemäß § 3 Abs. 2 hatte sie Anspruch auf Gestellung eines PKW, den sie auch zu privaten Zwecken nutzen durfte.

In ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin der Klägerin erteilte die Beklagte Herr B mit notarieller Urkunde vom 30. Dezember 2002 (Anlage B 17) eine Generalvollmacht, sie in allen Angelegenheiten der Klägerin zu vertreten; mit weiterer notarieller Urkunde vom 26. Februar 2003 (Anlage B 18) erneuerte sie diese Generalvollmacht.

Mit notariellen Verträgen vom 2. April 2003 (Anlagen B 19 und B 20) veräußerte die Klägerin, vertreten durch die Beklagte, diese vertreten durch Herr B, Geschäftsanteile an der D-GmbH für einen Kaufpreis von insgesamt 65.000,00 € an zwei Erwerber; der Kaufpreis sollte auf das Konto der Klägerin unter Angabe des Empfängers Herr B gezahlt werden. Die vereinbarten Beträge gingen im Mai 2003 auf dem Konto der Klägerin ein (Anlage B 14).

In der Zeit vom 12. Mai bis zum 8. August 2003 hob die Beklagte von dem Konto der Klägerin bei der E-Bank mit der Nr. ... insgesamt 107.060,00 € ab, nämlich

13.000,00 € am 12. Mai 2003 (Anlage K 3),

18.000,00 € am 21. Mai 2003 (Anlage K 4),

46.060,00 € am 2. Juli 2003 (Anlage K 5) und

30.000,00 € am 8. August 2003 (Anlage K 6, K 7 und K 8).

Die Abhebungen vom 12. Mai 2003 in Höhe von 13.000,00 € und vom 21. Mai 2003 in Höhe von 18.000,00 € wurden bei der Klägerin als "Gesellschafterauszahlung" verbucht.

Nachdem sich die Eheleute B im September 2003 getrennt hatten, wurde die Beklagte als Geschäftsführerin der Klägerin abberufen und Herr B zu ihrem Prokuristen ernannt (Anlage K 11).

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2003 verlangte die Klägerin von der Beklagten Rückzahlung der abgehobenen Geldbeträge und setze ihr hierfür eine Frist bis zum 1. Oktober 2003. Am 20. November 2003 fasste die Klägerin gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG den Beschluss, die Beklagte gerichtlich auf Rückzahlung der abgehobenen Bargeldbeträge in Anspruch zu nehmen (Anlage K 10).

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe das abgehobene Geld für eigene Zwecke verwendet.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Rückzahlungsverlangen der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich. Hierzu hat sie behauptet, sie sei als Geschäftsführerin der Klägerin lediglich Strohfrau für ihren damaligen Ehemann gewesen; dieser sei faktisch Geschäftsführer der Klägerin geblieben. Herr B sei auch "faktischer Alleingesellschafter" und "spiritus rector" der Klägerin, während seine Mutter nur formal Alleingesellschafterin sei. Faktisch handele es sich bei der Klägerin um eine Einmann-GmbH des Herr B, für die er sich seiner Familie bedient habe. Die streitgegenständlichen Konto-Abhebungen habe sie, die Beklagte, auf Geheiß ihres damaligen Ehemannes vorgenommen. Das abgehobene Geld habe sie an ihn weitergegeben mit Ausnahme eines Betrages von 20.000,00 €, den sie in Absprache mit ihm wegen einer zuvor in Höhe von 19.200,00 € an die Klägerin geleisteten Zahlung für sich behalten habe.

Hilfsweise hat die Beklagte die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Vergütung ihrer Geschäftsführertätigkeit erklärt. Sie hat gemeint, ihr stehe insoweit - unter Zugrundelegung der früheren Geschäftsführervergütung ihres Ehemannes - ein Gesamtbetrag von 319.046,52 € zu.

Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen abgewiesen:

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Ehemann der Beklagten faktischer Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin sei. Er habe diese für eigene Geschäfte sowie zur Steuervermeidung genutzt, während die Beklagte - auch bei den streitgegenständlichen Barabhebungen - lediglich als Strohfrau nach seinen Weisungen tätig geworden sei. Die abgehobenen Gelder seien von der Beklagten ebenfalls in Absprache mit ihrem Ehemann verteilt worden.

Hinsichtlich des am 8. August 2003 abgehobenen Betrages von 30.000,00 €, den die Firma F-GmbH & Co. KG - unstreitig - zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber Herr B auf das Konto der Klägerin eingezahlt gehabt habe, sei diese nicht Anspruchsinhaberin gewesen. Schon deshalb könne sie wegen der betreffenden Abhebung keine Ansprüche gegen die Beklagte geltend machen; insoweit sei die Beklagte auch nicht auf Kosten der Klägerin ungerechtfertigt bereichert. Hinsichtlich des von ihr auf das Konto der Klägerin überwiesenen Betrages von 19.200,00 € sei sie dieser gegenüber forderungsberechtigt gewesen; denn die Klägerin habe insoweit - trotz richterlichen Hinweises - keinen Behaltensgrund dargetan.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe und wegen weiterer tatsächlicher Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag in vollem Umfang weiterverfolgt.

Sie rügt fehlerhafte und unvollständige Tatsachenfeststellungen sowie eine fehlerhafte Anwendung formellen und materiellen Rechts.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei nicht erwiesen, dass Herr B zur Zeit der streitgegenständlichen Kontoabhebungen faktischer Geschäftsführer der Klägerin und die Beklagte insoweit nur seine Strohfrau gewesen sei; dasselbe gelte für die von der Beklagten behaupteten Weisungen des Herr B zur Abhebung der Geldbeträge und für die angebliche Aushändigung der Gelder an diesen. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung verstoße gegen § 286 ZPO.

Auch habe es zu Unrecht eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG verneint. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift seien selbst dann erfüllt, wenn man Herr B als faktischen Geschäftsführer der Klägerin und die Beklagte als seine Strohfrau ansehen wollte und beide gemeinsam "kollusiv" das Klägervermögen verkürzt hätten. Die Rechtsfigur eines "faktischen Gesellschafters" kenne das Recht nicht. Auch seien die Ausführungen des Landgerichts zu den Überweisungen der Firma F-GmbH & Co. KG nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich des von der Beklagten auf das Konto der Klägerin eingezahlten Betrages von 19.200,00 € habe diese einen Rückzahlungsanspruch nicht dargelegt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen, an sie 107.060,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 13.000,00 € vom 12. Mai bis zum 7. August 2003, aus 31.000,00 € vom 21. Mai bis zum 7. August 2003, aus 77.060,00 € vom 2. Juli bis zum 7. August 2003 und aus 107.060,00 € seit dem 8. August 2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Sie meint, ihr könne schon deshalb keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden, weil sie die Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin aus Gefälligkeit übernommen habe. In einem Gefälligkeitsverhältnis gebe es keine Haftung. Eine bloß formal mit der Geschäftsführung betraute Person könne sich nicht pflichtwidrig verhalten, wenn sie nach Weisung der tatsächlichen Geschäftsführung handele.

Auch fehle es an einem Schaden der Klägerin, da eine ihren Zwecken entsprechende Verwendung der abgehobenen Beträge durch Herr B anzunehmen sei. Mit Schriftsatz vom 31. August 2007 trägt die Beklagte vor, ausweislich der Verbuchung seien die von ihr abgehobenen Geldbeträge an die Gesellschafterin ausgezahlt worden.

Schließlich sei es treuwidrig, wenn die Klägerin, also letztlich Herr B, sie in Anspruch nehme, obwohl er ihr als damaliger faktischer Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin die Weisung zu den streitgegenständlichen Barabhebungen erteilt habe. Herr B wolle mit der vorliegenden Klage die "formale Situation" dazu ausnutzen, sich Gelder zuzueignen, die er schon einmal erhalten habe.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf unrichtigen Tatsachenfeststellungen und auf einer fehlerhaften Anwendung des Rechts.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG in Höhe von 107.060,00 € zu. Als formgültig bestellte und ins Handelsregister eingetragene Geschäftsführerin unterlag die Beklagte den Sorgfaltspflichten des § 43 Abs. 1 GmbHG. Diese Sorgfaltspflichten hat sie verletzt, indem sie in der Zeit vom 12. Mai bis zum 8. August 2003 insgesamt 107.060,00 € vom Konto der Klägerin abgehoben und dieses Geld entweder für sich verwendet oder es dem früheren Geschäftsführer der Klägerin Herr B gegeben hat, und der Klägerin in entsprechender Höhe einen Vermögensschaden zugefügt (a.). Das Rückzahlungsverlangen der Klägerin ist nicht deshalb arglistig, weil die Beklagte nur eine Strohfrau-Geschäftsführerin war (b.) oder weil sie von Herr B als "faktischem Gesellschafter" der Klägerin zu den Barabhebungen angewiesen wurde (c.). Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist auch nicht durch die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung erloschen (d.).

a. Gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG haftet ein GmbH-Geschäftsführer, der die ihm nach Absatz 1 der Vorschrift in den Angelegenheiten der Gesellschaft obliegende Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verletzt, der Gesellschaft für den entstandenen Schaden.

aa. (1) Die Beklagte war zur Zeit der streitgegenständlichen Konto-Abhebungen formgültig zur Geschäftsführerin der Klägerin bestellt und auch als solche im Handelsregister eingetragen.

(2) Soweit sie einwendet, sie sei nur formell, als Strohfrau, nicht aber tatsächlich Geschäftsführerin der Klägerin gewesen, schließt dies eine Haftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG nicht aus. Im Hinblick auf § 6 Abs. 1 GmbHG, wonach eine GmbH mindestens einen Geschäftsführer haben muss, ist die Bestellung eines Strohmann-Geschäftsführers grundsätzlich - als Auftrags- und Treuhandgeschäft - ernstlich gewollt und daher nicht gemäß § 117 BGB unwirksam (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Oktober 1956, BGHZ 21, S. 378 ff., juris Rn. 5 ff.; Siegmann/Vogel, ZIP 1994, S. 1821; Michalski/Haas, GmbHG, Band II 2002, § 43 Rn. 23; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, 18. Auflage, § 43 Rn. 2; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Auflage, § 117 Rn. 6). Um die "Strohmann-Eigenschaft" zu erwerben, muss die vorgeschobene Person die Bestellung zum Geschäftsführer und die damit für sie selbst verbundenen Pflichten ernstlich wollen (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Oktober 1956, BGHZ 21, S. 378 ff., juris Rn. 8).

Nach dem Vortrag der Beklagten wurde sie deswegen zur Geschäftsführerin der Klägerin bestellt, weil der frühere Geschäftsführer Herr B diese Tätigkeit nach Gründung der A-AG aus Rechtsgründen nicht mehr habe wahrnehmen können. Um wirksam vertreten zu sein, habe die Klägerin eine neue - rechtsgültig bestellte - Geschäftsführerin benötigt. Demnach wollten die Parteien die Beklagte nicht nur zum Schein, sondern ernstlich als Geschäftsführerin bestellen; dies wird auch durch den schriftlichen Abschluss eines Geschäftsführervertrages zwischen den Parteien bestätigt. Daher unterlag die Beklagte, selbst wenn sie nur eine "Strohfrau"-Geschäftsführerin gewesen sein sollte, zivilrechtlich denselben Pflichten und auch der Haftung eines "wahren" Geschäftsführers (vgl. Siegmann/Vogel und Michalski/Haas, jeweils a. a. O. sowie Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14. September 1999, BFH/NV 2000, S. 303 f., juris Rn. 6 ff.; zur vollen Rechts- und Pflichtenstellung eines Strohmanngesellschafters vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. April 1992, BGHZ 118, S. 107 ff., juris Rn. 7; Urteil vom 14. Dezember 1959, BGHZ 31, S. 258 ff., juris Rn. 12).

(3) Einer Haftung der Beklagten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG steht es auch nicht entgegen, dass sie ihre Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin gemäß § 3 Abs. 1 des Geschäftsführervertrages der Parteien vom 25. Februar 1997 unentgeltlich ausüben sollte. § 43 Abs. 2 GmbHG knüpft die Haftung des Geschäftsführers allein an dessen Organstellung (vgl. Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 4. Auflage, § 43 Rn. 3). Die Vorschrift gilt daher für alle, nicht nur für entgeltlich tätige GmbH-Geschäftsführer. Als bloße Gefälligkeit ohne Rechtsbindungswillen (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Auflage, Einl v § 241 Rn. 7 ff.) kann die Übernahme der Geschäftsführerstellung durch die Beklagte aus den unter (2) ausgeführten Gründen nicht angesehen werden.

bb. (1) Gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG hatte die Beklagte die Interessen der Klägerin wahrzunehmen. Die zu ihrer Verfügung stehenden Gelder hatte sie stets nachprüfbar und nachvollziehbar zu verwenden; sie durfte nicht in einer Weise über Kontoguthaben der Klägerin verfügen, die gegen kaufmännische Grundsätze verstieß und geeignet war, dieser Betriebsmittel zu entziehen und ihre Liquidität zu gefährden. Insbesondere war es der Beklagten aufgrund ihrer Treuepflicht verboten, ihre Organstellung und die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB dazu auszunutzen, sich oder einem Dritten Vermögenswerte der Klägerin zuzuschieben (vgl. Scholz/ Schneider, GmbHG, 9. Auflage I. Band, § 43 Rn. 142; Michalski/Haas, GmbHG, Band II 2002, § 43 Rn. 110 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, 18. Auflage, § 43 Rn. 17 mit § 35 Rn. 39).

(2) Gegen dieses Verbot hat die Beklagte verstoßen, indem sie von dem Konto der Klägerin bei der E-Bank in der Zeit vom 12. Mai bis zum 8. August 2003 insgesamt 107.060,00 € abhob und dieses Geld entweder für sich verwendete oder es dem früheren Geschäftsführer der Klägerin Herr B gab.

(a) Die Beklagte räumt ein, dass sie einen Teilbetrag des abgehobenen Geldes in Höhe von 20.000,00 € für sich behalten hat. Dieser Einbehalt war selbst dann im Sinne des § 43 Abs. 1 GmbHG pflichtwidrig, wenn die Beklagte wegen einer von ihr zuvor an die Klägerin geleisteten Zahlung von 19.200,00 € dieser gegenüber in entsprechender Höhe forderungsberechtigt gewesen sein sollte. Denn der Beklagten war es verboten, ihre Organstellung und ihre Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB dazu ausnutzen, sich durch einen Zugriff auf das Kontoguthaben der Gesellschaft wegen eigener Forderungen selbst zu befriedigen.

(b) Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe das übrige in der fraglichen Zeit vom Konto der Klägerin abgehobene Bargeld nicht selbst vereinnahmt, sondern an Herr B weitergegeben, hat sie auch durch dieses Verhalten gegen ihre Geschäftsführerpflichten verstoßen. Denn Herr B war bereits im Jahr 1996 als geschäftsführungsbefugter Mitgesellschafter der Klägerin ausgeschieden und daher rechtlich gesehen ein gesellschaftsfremder Dritter. Als verantwortliche Geschäftsführerin hatte die Beklagte eine zweckentsprechende Verwendung der Kontoguthaben der Klägerin sicherzustellen. Ein Grund, der es hätte rechtfertigen können, die abgehobenen Geldbeträge einer dritten, von der Beklagten mit umfassenden Vollmachten ausgestatteten Person "ins Blaue hinein" zur beliebigen Verwendung zu überlassen, ist nicht ersichtlich; er kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass die Beklagte mit der Aushändigung des Geldes ihrem Ehemann "zu Willen" sein wollte.

(3) Es entlastete die Beklagte insoweit auch nicht, wenn sie das Geld - wie sie behauptet - "auf Anweisung" des Herr B als "faktischem Geschäftsführer und Gesellschafter" abgehoben und "verteilt" hätte. Zwar kann es an der Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführerverhaltens fehlen, wenn dieser damit einer rechtlich zulässigen Weisung des zuständigen Gesellschaftsorgans folgt (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. März 1983, NJW 1983, S. 1856 f., juris Rn. 7; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 4. Auflage, § 43 Rn. 28). Eine Befugnis zur Erteilung haftungsentlastender Weisungen kommt jedoch nur den Gesellschaftern zu (vgl. Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 4. Auflage, § 43 Rn. 107; Michalski/Haas, GmbHG, Band II 2002, § 43 Rn. 57 f., 182). Alleingesellschafterin der Klägerin war zur Zeit der streitgegenständlichen Kontoabhebungen Frau B. Dass diese sie zu den Abhebungen vom Gesellschaftskonto angewiesen oder ihr Handeln nachträglich gebilligt habe, behauptet die Beklagte nicht. Ihr Einwand, Frau B sei nur formal, Herr B dagegen "faktischer Gesellschafter" der Klägerin gewesen, ist in diesem Zusammenhang (siehe aber unten c.) unerheblich. Selbst wenn Frau B nur treuhänderisch für ihren Sohn Alleingesellschafterin der Klägerin geworden sein sollte, war doch allein sie als Trägerin der Gesellschafterrechte in der Lage, der Beklagten haftungsentlastende Handlungsanweisungen zu erteilen (vgl. Michalski/Haas, GmbHG, Band II 2002, § 43 Rn. 58; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 4. Auflage, § 43 Rn. 28 ff.; siehe auch Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Dezember 1959, BGHZ 31, S. 258 ff., juris Rn. 12).

cc. Aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten ist der Klägerin ein Schaden in Höhe der streitgegenständlichen Barabhebungen entstanden.

(1) Schaden im Sinne des § 43 Abs. 2 GmbHG ist jede Minderung des geldwerten Gesellschaftsvermögens (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, 18. Auflage, § 43 Rn. 15; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 4. Auflage, § 43 Rn. 22). Nach der sogenannten Differenzhypothese liegt eine Vermögensminderung dann vor, wenn der tatsächliche Wert des Gesellschaftsvermögens geringer ist als der Wert, den dieses Vermögen ohne das haftungsbegründende Ereignis haben würde (ebenda).

(2) Hätte die Beklagte den Betrag von 20.000,00 € nicht vom Konto der Klägerin abgehoben und für sich behalten, so wäre er dort noch als Vermögen der Klägerin vorhanden. Der unzulässige Einbehalt der Beklagten führte somit zu einer Minderung des Klägervermögens. Diese Vermögensminderung wurde auch nicht durch einen entsprechenden Vorteil der Klägerin, nämlich deren Befreiung von einer Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten in Höhe von 19.200,00 €, ausgeglichen. Der Vortrag der Beklagten bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ihr wegen des am 25. Juni 2003 auf das Konto der Klägerin überwiesenen Betrages dieser gegenüber ein Rückzahlungsanspruch zustand. Das von der Klägerin bestrittene Vorbringen der Beklagten, Herr B habe sie "darum gebeten, diesen Betrag vorübergehend auf das Konto der Klägerin zu überweisen", lässt nicht erkennen, ob sie insoweit Herr B oder der Klägerin ein Darlehen gewährt hat, zumal ihrer Darstellung zufolge Herr B fast ausschließlich Privatgeschäfte über das Konto der Klägerin abwickelte. Erfolgte die Überweisung der Beklagten darlehensweise an Herr B, so war dieser zur Rückzahlung der 19.200,00 € verpflichtet und nicht - auch nicht wegen einer rechtsgrundlosen Leistung - die Klägerin. In diesem Falle wurde die Klägerin durch den streitgegenständlichen Einbehalt der Beklagten nicht von einer Verbindlichkeit befreit.

(3) Auch die weiteren Bargeldbeträge, welche die Beklagte zwischen dem 12. Mai und dem 8. August 2003 vom Konto der Klägerin abgehoben und ihrem Vortrag zufolge an Herr B weitergegeben hat, würden sich ohne dieses pflichtwidrige Verhalten der Beklagten noch im Vermögen der Klägerin befinden. Jeweils in dem Moment, als die Beklagte die abgehobenen Bargeldbeträge - ohne jede Maßgabe - Herr B aushändigte, verlor sie die unmittelbare Kontrolle über die Verwendung der Gelder. Bereits hierdurch wurde das Vermögen der Klägerin konkret gefährdet und damit im Sinne des § 43 Abs. 2 GmbHG geschädigt.

(4) Daher ist es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erforderlich, dass die Klägerin einen Vermögensfehlbestand anhand ihrer Geschäftsbücher gesondert darlegt und beweist. Der vorliegende Fall ist schon deshalb nicht mit demjenigen vergleichbar, über den der Bundesgerichtshof in dem von der Beklagten herangezogenen Urteil vom 8. Juli 1985 (NJW 1986, S. 54 f.) zu entscheiden hatte, weil die Klägerin in dem fraglichen Zeitraum unstreitig nicht mehr werbend am Markt tätig war und - jedenfalls nach dem Vortrag der Beklagten - von Herr B überwiegend für Privatgeschäfte missbraucht wurde.

(5) Der der Klägerin insoweit entstandene Vermögensschaden ist nicht dadurch nachträglich ausgeglichen worden, dass Herr B die von der Beklagten abgehobenen, angeblich an ihn ausgehändigten Bargeldbeträge seinerseits an Frau B weitergab. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht einmal erwiesen, dass die Beklagte von ihr abgehobene Bargeldbeträge an Herr B ausgehändigt hat. Zwar hat sie bei ihrer persönlichen Anhörung in den Terminen zur mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2007 und vom 16. April 2008 angegeben, sie habe die abgehobenen Geldbeträge jeweils an Herr B weitergegeben. Demgegenüber hat jedoch der Zeuge Herr B ausgesagt, er habe die streitgegenständlichen Geldbeträge nicht, auch nicht über den Zeugen Z1, von der Beklagten erhalten. Auch der Zeuge Z1, der viele Jahre für die Beklagte tätig gewesen war und im streitgegenständlichen Zeitraum die bei der Klägerin anfallenden Buchhaltungs- und Verwaltungstätigkeiten mit erledigte, hat die Behauptung der Beklagten, sie habe Herr B die vom Konto der Klägerin abgehobenen Bargeldbeträge ausgehändigt, nicht bestätigt. Nach seinen Bekundungen hat er nur einmal mitbekommen, wie die Eheleute B Bargeld untereinander verteilten, ohne jedoch zu wissen, woher das verteilte Geld stammte; auch habe er nicht sehen können, welchen Betrag Herr B bei dieser Gelegenheit erhalten habe. Aus der Aussage des Zeugen Z1 ergibt sich daher nicht, dass die Beklagte die vom Konto der Klägerin abgehobene Geldbeträge an Herr B übergeben hat.

Aufgrund der Aussage des Zeugen Herr B und unter Berücksichtigung aller Umstände behält das Gericht Zweifel an der von der Beklagten behaupteten Weitergabe des Geldes an ihren Ehemann. Die Angaben des Zeugen B sind in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Dass er sich an die im Jahr 2003 mit der Beklagten geführten Gespräche nicht mehr in allen Einzelheiten erinnert hat, stellt die Glaubhaftigkeit seiner Angaben nicht in Frage, auch nicht, dass er eingeräumt hat, im fraglichen Zeitraum mit der Beklagten auch über Geldfragen gesprochen zu haben. Entgegen der Auffassung der Beklagten werden die Angaben des Zeugen B auch nicht teilweise durch die Bekundungen des Zeugen Z1 widerlegt. Soweit der Zeuge die Verteilung eines Bargeldbetrages unter den Eheleuten B bestätigt hat, wusste er weder, ob es sich dabei um Geld vom Konto der Klägerin handelte, noch, welchen Betrag Herr B hiervon erhalten hatte. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge Herr B die von der Beklagten behauptete Aushändigung der streitgegenständlichen Bargeldbeträge wahrheitswidrig geleugnet haben könnte, sind nicht ersichtlich. Der Zeuge B erscheint auch nicht unglaubwürdig. Zwar hat er als Sohn der Alleingesellschafterin der Klägerin ein persönliches und möglicherweise auch ein mittelbares wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits; zudem ist der Prozess durch die persönliche eheliche Auseinandersetzung des Zeugen B mit der Beklagten geprägt. Diese Umstände schließen die Glaubwürdigkeit des Zeugen B aber nicht von vornherein aus. Dass der Zeuge B eingeräumt hat, er habe den Teil eines Grundstückskaufpreises - als Beratungshonorar deklariert - auf das Konto der Klägerin überweisen lassen, spricht nicht zwingend gegen, sondern möglicherweise sogar für seine Glaubwürdigkeit. Sein Auftreten und Aussageverhalten waren sachlich und boten keinen Anhalt dafür, dass er seine Ehefrau zu Unrecht belastet haben könnte. Der Zeuge B wäre auch zu einer Beeidigung seiner Aussage bereit gewesen; seine Vereidigung ist unterblieben, weil beide Parteien hierauf verzichtet haben.

Demgegenüber hat sich die Beklagte, die ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2007 in einer Weise aufgebracht und teilweise ausfällig über ihren Ehemann geäußert, die geeignet ist, gewisse Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit zu begründen. Nach den Bekundungen des Zeugen Z1 hat sie diesen - etwa im Oktober 2003 - zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung "über die ganzen Gelder" zu ihren Gunsten gedrängt. Da die Angaben des Zeugen Z1 insgesamt glaubhaft erscheinen und es - auch unter Berücksichtigung seiner jetzigen Stellung als Arbeitnehmer der Klägerin - an konkreten Anhaltspunkten für Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit fehlt, muss von einer versuchten Einflussnahme der Beklagten auf den Zeugen Z1 ausgegangen werden. Dies spricht ebenfalls eher gegen ihre Glaubwürdigkeit. Nach allem kann nicht angenommen werden, dass allein die Beklagte die Wahrheit, der Zeuge Herr B dagegen die Unwahrheit gesagt hat.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, ein Teil der abgehobenen Beträge sei von dem Zeugen Z1 als "Gesellschafterauszahlung" verbucht worden, hat dieser bei seiner Vernehmung klargestellt, er habe diese Verbuchung seinerzeit ohne entsprechende Information nur für Zwecke der Steuererklärung vorgenommen gehabt. Die von der Beklagten behauptete Aushändigung eines Teils der vom Konto der Klägerin abgehobenen Geldbeträge an die Gesellschafterin Frau B hat der Zeuge Z1 nicht bestätigt.

Die hiernach verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten der Beklagten, da sie die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen eines nachträglichen Schadensausgleichs trägt.

Eine weitere Beweisaufnahme durch Parteivernehmung der Beklagten kam insoweit nicht in Betracht, da es sowohl an einem Einverständnis der Klägerin als auch an einem Anfangsbeweis im Sinne des § 448 ZPO fehlte. Die prozessuale Waffengleichheit der Parteien wurde durch die persönliche Anhörung der Beklagten gewahrt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, § 448 Rn. 2 a mit weiteren Nachweisen).

(6) Der Einwand der Beklagten, der von ihr am 8. August 2003 abgehobene Betrag von 30.000,00 € sei von der Firma F-GmbH & Co. KG zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber Herr B auf das Konto der Klägerin eingezahlt worden, ändert nichts daran, dass sie insoweit auf ein vorhandenes Kontoguthaben, d. h. auf einen Vermögenswert der Klägerin, zugegriffen hat. Dass sie die hierdurch bei der Klägerin eingetretene Vermögensminderung nachträglich ausgeglichen hat, indem sie die Klägerin - durch Weitergabe des Geldes an Herr B - von einer Auszahlungsverpflichtung diesem gegenüber befreite, hat die Beklagte - wie vorstehend ausgeführt - nicht bewiesen.

dd. Die Beklagte hat ihre Geschäftsführerpflichten vorsätzlich verletzt. Den von ihr behaupteten Anweisungen ihres Ehemannes ist sie nach eigenem Vortrag nicht etwa unter Druck, sondern freiwillig nachgekommen, obwohl sie wusste, dass dieser als Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin ausgeschieden war. Damit hat sie einen Verstoß gegen die Sorgfalt einer ordentlichen Kauffrau zumindest billigend in Kauf genommen (zu diesem Maßstab vgl. Scholz/Schneider, GmbHG, 9. Auflage I. Band, § 43 Rn. 165).

ee. Einen gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG erforderlichen Beschluss, die streitgegenständlichen Forderungen gerichtlich gegen die Beklagte geltend zu machen, hat die Klägerin am 20. November 2003 gefasst.

b. Ob ein Geschäftsführer seiner Inanspruchnahme gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG eine Arglisteinrede entgegenhalten kann, wenn die Gesellschaft, nur, um sich formell einen nach außen in Erscheinung tretenden Geschäftsführer zu geben, bewusst jemanden beruft, der dieser Aufgabe offensichtlich nicht gewachsen ist (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. März 1983, WM 1983, S. 725, 726; Urteil vom 16. Februar 1981, WM 1982, S. 440 ff., juris Rn. 13; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, 18. Auflage, § 43 Rn. 2; Michalski/Haas, GmbHG, Band II 2002, § 43 Rn. 234), bedarf keiner Entscheidung. Zum einen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte, die schon vor ihrer Bestellung zur Geschäftsführerin der Klägerin jahrelang erfolgreich als alleingeschäftsführende GmbH-Gesellschafterin einer Werbeagentur tätig gewesen war, mit den wenigen bei der Klägerin noch anfallenden, regelmäßig von dem Zeugen Z1 erledigten Geschäftsführungsaufgaben fachlich überfordert gewesen sein könnte. Zum anderen nimmt die Klägerin die Beklagte nicht wegen eines fachlichen Versagens, sondern wegen der bewussten Verschiebung von Gesellschaftsvermögen in Anspruch.

Schließlich steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte die Geschäftsführertätigkeit nur als Strohfrau der Klägerin und deren "faktischem Geschäftsführer" Herr B übernommen hat:

aa. Soweit sie geltend macht, der Zeuge Herr B habe nach seiner Abberufung als Geschäftsführer der Klägerin deren Geschäfte faktisch weitergeführt, bietet ihr Tatsachenvortrag hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte. Sie hat selbst bereits in ihrer Klageerwiderung vom 5. Mai 2004 dargelegt, Herr B sei nach seinem Ausscheiden als alleingeschäftsführungsbefugter Gesellschafter der Klägerin nach außen hin nicht mehr als deren Geschäftsführer aufgetreten, sondern habe in der Folgezeit - insbesondere bei der Veräußerung der Anteile der Klägerin an der D-GmbH aufgrund der ihm erteilten Generalvollmachten (Anlagen B 17 und B 18) ausdrücklich als ihr (der Beklagten) Vertreter gehandelt. Die als Anlagen B 19 und B 20 in Kopie vorgelegten notariellen Verträge vom 2. April 2003 bestätigen dies. Eine materielle Betrachtung aufgrund einer Gesamtschau aller von der Beklagten dargelegten Umstände lässt daher nicht den Schluss zu, Herr B habe nach der Geschäftsführerbestellung der Beklagten die Geschicke der Klägerin - und zwar nicht nur durch eine Einwirkung auf die Beklagte, sondern durch eigenes, nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln - maßgeblich in die Hand genommen (zu den Voraussetzungen einer tatsächlichen Geschäftsführung vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Februar 2002, BGHZ 150, S. 61 ff., juris Rn. 25 f.; Urteil vom 21. März 1988, BGHZ 104, S. 44 ff., juris Rn. 6). Soweit Herr B im Mai 2003 ein - durch die "Kooperations- und Honorarvereinbarung" mit der F-GmbH & Co. KG (Anlage B 9) getarntes - privates Grundstücksgeschäft über das Konto der Klägerin abwickelte, führte er kein Geschäft der Gesellschaft. Auch ein von der Beklagten behauptetes bestimmendes Auftreten des Herr B ihr gegenüber machte ihn nicht zum faktischen Geschäftsführer der Klägerin. Denn eine solche interne Einwirkung auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer genügte - wie der der Bundesgerichtshof in den zitierten Entscheidungen betont hat - nicht für die Annahme einer tatsächlichen Geschäftsführung. Nach außen hervortretende, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnende Maßnahmen fielen bei der Klägerin in der fraglichen Zeit - abgesehen von der erwähnten Anteilsübertragung und den streitgegenständlichen Barabhebungen - nicht an. Daher ist nicht ersichtlich, inwieweit Herr B in dieser Zeit die Geschicke der Klägerin durch eigenes nach außen hervortretendes Geschäftsführerhandeln maßgeblich in die Hand genommen haben könnte. Soweit er aufgrund der ihm von der Beklagten erteilten Vollmachten in ihrem Namen für die Klägerin im Rechtsverkehr aufgetreten ist, muss sich die Beklagte sein Handeln als eigenes Geschäftsführerhandeln zurechnen lassen und es daher auch gemäß § 43 Abs. 1 und 2 GmbHG verantworten.

bb. Im Übrigen folgte aus einer faktischen Geschäftsführertätigkeit des Herr B für die Klägerin nicht, dass die Beklagte insoweit seine "Strohfrau" war. Denn für die Annahme einer tatsächlichen Geschäftsführung ist es nicht erforderlich, dass der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdängt (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Februar 2002, und Urteil vom 21. März 1988, jeweils a. a. O.). Da eine GmbH mehrere Geschäftsführer haben kann, kommt auch eine gemeinschaftliche Geschäftsführung von faktischem und gesetzlichem Geschäftsführer in Betracht.

cc. Ihre Behauptung, sie sei nur formal, jedoch ohne eigene Entschließungsfreiheit Geschäftsführerin der Klägerin gewesen, hat die Beklagte nicht bewiesen.

Zwar hat sie bei ihrer persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16. April 2008 angegeben, sie habe ihre Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin ausschließlich auf Anweisung des Herr B ausgeübt. Demgegenüber hat jedoch der Zeuge Herr B ausgesagt, es sei die Beklagte gewesen, die die Geschäfte der Klägerin geführt und die hierzu erforderlichen Entscheidungen getroffen habe; er selbst habe ihr insoweit keine Anweisungen gegeben, sondern nur beratend zur Seite gestanden. Der Zeuge Z1 hat bekundet, die Beklagte habe ihm seinerzeit erklärt, sie wolle über alle die Klägerin betreffenden Dinge informiert werden; auch habe sie zusammen mit Herr B an einer Bilanzbesprechung mit dem Steuerberater teilgenommen. Die Behauptung der Beklagten, Herr B habe ihr Anweisungen für die Geschäftsführung der Klägerin, insbesondere zur Abhebung und Verwendung der streitgegenständlichen Geldbeträge, erteilt, hat der Zeuge Z1 nicht bestätigt. Nach eigenem Bekunden hat er gar keine Auseinandersetzungen der Eheleute B über Geschäftsführungsangelegenheiten der Klägerin wahrgenommen. Der Aussage des Zeugen Z1 ist daher nicht zu entnehmen, dass die Beklagte die Geschäfte der Klägerin nur als Strohfrau auf Anweisung des Herr B geführt hat.

Demgegenüber deutet der von der Klägerin als Anlage K 13 (Bd. II Bl. 375 d. A.) vorgelegte handschriftliche Vermerk der Beklagten vom 23. Februar 2001, in dem sie unter anderem ihre "Überlegung" festhält, nach einer steuersenkenden Gewinnausschüttung zugunsten der Gesellschafterin Frau B deren Anteile für einen Euro auf sich selbst zu übertragen, um die GmbH "unabhängiger" zu machen, eher darauf hin, dass die Beklagte aktiv an der Geschäftsführung der Klägerin beteiligt war. Zudem konnte sie - wie die streitgegenständlichen Barabhebungen zeigen - über die Konto-Guthaben der Klägerin verfügen.

Aufgrund der Aussage des Zeugen Herr B und unter Berücksichtigung aller Umstände behält das Gericht Zweifel daran, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Geldabhebungen lediglich als "Strohfrau"-Geschäftsführerin der Klägerin ohne eigene Entschließungsfreiheit auf Anweisung des Herr B vorgenommen hat. Diese Beweislosigkeit geht zu Lasten der Bekagten, weil sie die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der von ihr geltend gemachten Arglisteinrede trägt.

Eine weitere Beweisaufnahme durch Parteivernehmung der Beklagten war auch insoweit nicht geboten, da es sowohl an einem entsprechenden Einverständnis der Klägerin als auch an einem Anfangsbeweis im Sinne des § 448 ZPO fehlte.

c. Das Schadensersatzbegehren der Klägerin ist auch nicht deshalb treuwidrig, weil hinter ihr als "faktischer Gesellschafter" Herr B steht und dieser die Beklagte zu den streitgegenständlichen Barabhebungen angewiesen hat.

Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte einen nur treuhänderischen Erwerb des zuvor von Herr B gehaltenen Gesellschaftsanteils an der Klägerin durch Frau B hinreichend dargelegt hat, obwohl sie nicht vorträgt, die behauptete Treuhandabrede sei gemäß § 15 Abs. 4 GmbHG in notarieller Form getroffen worden (zu diesem Formerfordernis vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. April 1999, BGHZ 141, S. 208 ff., juris Rn. 20 ff.).

Denn die Beklagte hat - wie unter b. ausgeführt - nicht bewiesen, dass sie von Herr B zu den streitgegenständlichen Barabhebungen angewiesen wurde.

d. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nicht durch die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen. Der Beklagten steht kein aufrechenbarer Anspruch auf Vergütung ihrer Geschäftsführertätigkeit in Höhe der Klageforderung zu. Denn sie hat mit der Klägerin in § 3 Abs. 1 des Geschäftsführervertrages der Parteien vom 25. Februar 1997 vereinbart, dass ihre Geschäftsführertätigkeit unentgeltlich sein sollte.

e. Auf die vorstehenden rechtlichen Gesichtspunkte ist die Beklagte im Rahmen mehrstündiger Erörterungen im Einzelnen hingewiesen worden.

2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 812 Abs. 1, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291 Satz 1 und 2, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Juli 1986, NJW-RR 1987, s. 181 ff., juris Rn. 45 zu § 19 Abs. 3 GKG a. F.).

4. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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