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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 18.01.2006
Aktenzeichen: 1 U 194/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139
Gerichtliche Maßnahmen nach § 139 ZPO sind nicht geboten, wenn das prozessuale Verhalten der Partei den Schluss darauf zulässt, sie könne oder wolle nicht weiter vortragen. Dieser Schluss liegt nahe, wenn sich die Notwendigkeit weiteren Vortrages aufdrängt und der Prozessgegner hierauf zutreffend hingewiesen hat.
Gründe:

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf der Grundlage eines Vertrages vom 12.3.1999 (Bl. 56 d. A.) als Gewährleistungsbürgin in Anspruch. Die Bürgschaft diente der Ablösung eines in einem Generalunternehmervertrag (Bl. 28 ff. d. A.) vereinbarten Gewährleistungseinbehalts. Nach der Bürgschaftsurkunde setzte die Bürgschaft voraus, dass das Werk "in Übereinstimmung mit den vertraglichen Bestimmungen fertiggestellt und unbeanstandet und vorbehaltlos abgenommen" worden war. In Nrn. 10.3 ff. des Generalunternehmervertrages war eine förmliche Abnahme und eine "Nachabnahme" zu im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängeln und Restarbeiten vereinbart. Der dem Generalunternehmer - der Streithelferin der Beklagten - zustehende Werklohn wurde beglichen.

Zur Darstellung der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung rügt die Klägerin, das Landgericht habe ihren Vortrag zu Abnahmen vom 15.12.1998 und vom 21.1.1999 sowie dazu übergangen, dass die im Abnahmeprotokoll vom 21.1.1999 vorbehaltenen Schönheitsreparaturen bis zum 30.1.1999 erledigt gewesen seien. Sie sei davon ausgegangen, mit diesem Protokoll eine vorbehaltlose Abnahme bewiesen zu haben. Das Landgericht habe es versäumt, auf seine gegenteilige Ansicht hinzuweisen; wenn es dies pflichtgemäß getan hätte, hätte sie bereits erstinstanzlich die nunmehr (Bl. 289 d. A.) benannten drei Zeugen dafür benannt, dass am 21.1.1999 eine vorbehaltlose Abnahme erfolgt, bis zum 30.1.1999 die "Schönheitsreparaturen" erledigt und die Fliesenspiegel angebracht worden seien und dass das Bauvorhaben "nochmals" und vorbehaltlos abgenommen worden sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 53.913,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 51.807,67 € seit dem 13.2.2004, aus 1.900,91 € seit dem 21.5.2004 und aus 204,51 € seit dem 12.2.2005 zu zahlen,

hilfsweise,

unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die im Bürgschaftsvertrag vereinbarten Voraussetzungen für die Haftung der Beklagten waren nicht festzustellen.

1. Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts zur Auslegung des Bürgschaftsvertrages. Aus der Vertragsurkunde ergibt sich, dass die Bürgschaftsverpflichtung von zwei Voraussetzungen abhängen sollte, der vertragsgemäßen Fertigstellung und der Abnahme, die ohne Beanstandungen und Vorbehalte erklärt worden sein musste. Der Wortlaut der Vertragsurkunde ist klar. Gründe für eine davon abweichende Auslegung sind weder dargelegt noch ersichtlich. Die Klausel bezweckte erkennbar eine Begrenzung des Risikos der Beklagten dergestalt, dass bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages kein Streit über die Vollständigkeit und die Qualität der erbrachten Bauleistung bestehen und dass dies dokumentiert sein sollte. Angesichts dieses Zwecks wäre einer vorbehaltlosen Abnahme allenfalls der Fall gleichzustellen, dass bei der Abnahme zwar Vorbehalte erklärt wurden, die Zedentin aber nach Erledigung der "vorbehaltenen" Rest- und Mängelbeseitigungsarbeiten gegenüber der Streithelferin schriftlich erklärte, nun seien die Vorbehalte hinfällig geworden. Der Ansicht der Klägerin, der angesprochene Vertragspassus stelle lediglich eine rechtlich unerhebliche Einleitungsbemerkung dar, vermag der Senat nicht zu folgen.

2. Mangels einer Überrumpelung der Zedentin scheitert eine Einbeziehung der Voraussetzungsklausel nicht an § 3 AGBG; dies ist im landgerichtlichen Urteil der Sache nach zutreffend ausgeführt.

3. Am 21.1.1999 fehlten sowohl die vertragsgemäße Fertigstellung als auch die vorbehaltlose Abnahme. Dies ergibt sich eindeutig und offensichtlich aus dem Abnahmeprotokoll gleichen Datums (Bl. 55 d. A.), dessen Unrichtigkeit die Klägerin nicht behauptet. Die Zedentin nahm zwar als mangelfrei ab, erklärte aber Vorbehalte hinsichtlich anzubringender Fliesenspiegel und noch zu erledigender Schönheitsreparaturen. Dabei handelte es sich auch nach der Darstellung der Klägerin nicht um Geschenke der Streithelferin, sondern um noch ausstehende Restarbeiten.

4. Die Berufungsrügen der Klägerin gehen zunächst insoweit fehl, als sie allenfalls eine Fertigstellung und eine vorbehaltlose Abnahme bzw. ein ausdrückliches Fallenlassen von bei der Abnahme erklärten Vorbehalten für die Zeit nach dem 21.1.1999 begründen könnten. Insoweit gilt:

a) Das Landgericht hat den Klagevortrag auf S. 3 f. des Schriftsatzes vom 7.4.2005 (Bl. 180 f. d. A.) nicht übergangen. Es hat nicht die Abnahme ignoriert, sondern zutreffend auf die erklärten Vorbehalte hingewiesen.

b) Die klägerischen Behauptungen zur Ausführung der "Schönheitsreparaturen" (Bl. 181 d. A.) und der Anbringung der Fliesenspiegel (S. 2 des Schriftsatzes vom 19.12.2005, Bl. 329 d. A.) bis zum 30.1.1999 waren nicht geeignet, die Klage zu begründen, denn es fehlte jeglicher Klagevortrag zur nach dem Bürgschaftsvertrag notwendigen Anerkennungserklärung hinsichtlich der vollständigen Fertigstellung und der Mangelfreiheit. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, dass sie bereits in der Klageschrift einen vorbehaltlosen Ausgleich der Schlusszahlung und damit eine konkludente Abnahme behauptet habe. Im Generalunternehmervertrag, auf den der Bürgschaftsvertrag einleitend Bezug nimmt, war eine förmliche Abnahme vereinbart. Das Fallenlassen bei der Abnahme erklärter Vorbehalte hätte einer vorbehaltlosen Abnahme allenfalls in schriftlicher Form gleich geachtet werden können. Hinzu kommt, dass die Klageschrift offen ließ, ob die Schlusszahlung vor Abschluss des Bürgschaftsvertrages geleistet wurde (Bl. 4 d. A.).

c) Die neue Behauptung der Klägerin, nach dem 30.1.1999 sei "nochmals" vorbehaltlos abgenommen worden, sowie das zugehörige Beweisangebot (Zeugen Z1, Z2, Z3, Bl. 289 d. A.) sind nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen. Die Klägerin rügt zu Unrecht einen Verfahrensfehler des Landgerichts im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Das Landgericht hat seine Pflichten aus § 139 ZPO nicht verletzt. Das Abnahmeprotokoll vom 21.1.1999 war nach seinem eindeutigen Wortlaut ganz offensichtlich nicht dazu geeignet, eine vorbehaltlose Abnahme zu belegen. Die Beklagte hatte hierauf zutreffend hingewiesen (S. 5 f. des Klageerwiderungsschriftsatzes vom 4.3.2005, Bl. 116 f. d. A.). Das Landgericht hatte keinen Grund anzunehmen, dass die Klägerin diesen Hinweis der Beklagten nicht verstanden, die Notwendigkeit anderweitigen Beweises übersehen und deshalb Vortrag unterlassen hatte; vielmehr ließ das Schweigen der Klägerin hierzu darauf schließen, dass sie über keine alternativen Beweismittel verfügte, also nichts vortragen konnte (vgl. BGH NJW 2003, 3626, 3628; Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., § 139 Rn. 3 a. E.). Die von der Klägerin angesprochene Frage, ob jeder gegnerische Hinweis das Gericht von seiner Hinweispflicht enthebt, stellt sich im Streitfall nicht, weil die Notwendigkeit anderer Beweisangebote hier auch unabhängig vom Beklagtenvortrag auf der Hand lag. Im Übrigen wird insoweit zu differenzieren sein: Soweit Substantiierungsmängel in Frage stehen (vgl. BGH NJW 2005, 2624 f. [juris-Rn. 9]; Urteil vom 22.9.2005 - VII ZR 34/04, juris-Rn. 29; KG KGR 2004, 369, 371) oder die Darlegungs- und Beweislast zweifelhaft ist (vgl. KG a. a. O.), wird das Gericht auch dann einen Hinweis erteilen müssen, wenn dies der Gegner bereits getan hat, denn die Partei kann nicht ohne Weiteres erkennen, wie das Gericht die Substantiierungsanforderungen oder die Zweifelsfrage einschätzt. Wenn derartige Zweifelsfragen - wie hier - nicht bestehen, kann die Schweigsamkeit der Partei auf einen eindeutigen, zutreffenden Hinweis des Gegners den Schluss nahe legen, dass jene nicht weiter vortragen kann oder will.

5. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr.10, 711 ZPO.

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