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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 13.09.2007
Aktenzeichen: 1 U 224/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 253
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

A. Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall vom 20.10.2005 auf restlichen Schadensersatz in Anspruch. Der Beklagte zu 1. hatte das geparkte Wohnmobil des Klägers bei einem missglückten Rangiermanöver beschädigt. Die Ersatzpflicht der Beklagten, die bereits 6.182 € gezahlt haben, ist dem Grunde nach außer Streit. Streitig ist diese Ersatzpflicht lediglich noch hinsichtlich folgender Schadensposten:

- Nutzungsausfallentschädigung für das Wohnmobil in Höhe von 5.250 € (21.10.-24.11.2005, 150 €/Tag),

- Kosten für die Fahrt mit dem Wohnmobil zur in O1 gelegenen Werkstatt und zurück, 811,80 € (2*110 km*3,69 €/km),

- Kosten für zwei Fahrten eines Begleitfahrzeuges zur Werkstatt und zurück, 198 € (4*110 km*0,45 €/km),

- restliche Anwaltskosten in Höhe von 227,71 € (dem Kläger berechnete 816,41 € abzüglich während des Rechtsstreits gezahlter 588,70 €). Zur Darstellung der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug. Das Landgericht hat der Klage nur in Höhe von 440 € stattgegeben; auf diesen Betrag hat es die Kosten für die Fahrt mit dem Wohnmobil zur Werkstatt und zurück geschätzt. Eine Nutzungsausfallentschädigung sei dem Kläger nicht zuzusprechen, weil er seinen konkreten Nutzungswillen für den Ausfallzeitraum unsubstantiiert dargelegt habe. Mit der Berufung verfolgt der Kläger den abgewiesenen Klageteil weiter. Er meint insbesondere, das Landgericht habe die Substantiierungsanforderungen bezüglich seines Nutzungswillens überspannt, er habe hierzu ausreichend vorgetragen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung weiterer 6.047,51 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.1.2006 zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil.

B. Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nur zu einem geringen Teil begründet.

I.

Das Rechtsmittel ist unbegründet, soweit es sich auf die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung bezieht. Der Kläger kann von den Beklagten für den Nutzungsausfall seines Wohnmobils keine abstrakt berechnete Entschädigung verlangen, denn es handelt sich hierbei um einen immateriellen Schaden i. S. d. § 253 Abs. 1 BGB, für den eine Ersatzpflicht gesetzlich nicht bestimmt ist. Das Landgericht hat die Klage insoweit im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Seit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs - Großer Senat für Zivilsachen - vom 9.7.1986 (GSZ 1/86, BGHZ 98, 212, 222 f.) ist in der Rechtsprechung zu Recht anerkannt, dass eine abstrakt, nicht anhand konkret messbarer Vermögenseinbußen berechnete Nutzungsausfallentschädigung nur bei Sachen in Betracht kommt, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist; die Funktionsstörung muss sich typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirken. Diese Voraussetzungen sind bei einem Wohnmobil, das - seiner typischen Bestimmung gemäß - ausschließlich als Mittel der Freizeitgestaltung dient, nicht gegeben; eine abstrakt berechnete Nutzungsausfallentschädigung kommt nur dann und nur insoweit in Betracht, als der Geschädigte das Wohnmobil atypisch auch wie einen PKW nutzt, beispielsweise für Fahrten zur Arbeitsstätte oder für alltägliche Besorgungen, weil ihm hierfür kein weiterer PKW zur Verfügung steht (vgl. OLG Hamm VersR 1990, 864; OLG Celle NJW-RR 2004, 598; LG Kiel VersR 1988, 47; AG Sinzig NZV 1989, 77; für einen Wohnwagen BGHZ 86, 128, 133). Der gegenteiligen Ansicht des OLG Düsseldorf (VersR 2001, 208 ff.; Urteil v. 26.04.2004, I-1 U 177/03, in juris dokumentiert), das generell einen Anspruch auf eine abstrakt berechnete Nutzungsausfallentschädigung für Wohnmobile unabhängig von deren Benutzung zu freizeitlichen oder alltäglichen Transportzwecken annimmt, vermag der Senat nicht zu folgen. Jedenfalls Wohnmobile der streitgegenständlichen, größeren Art zeichnen sich im Gegensatz zu Vans oder Jeeps durch ihre eingeschränkte Tauglichkeit zu alltäglichen Transportzwecken aus. Der Kommerzialisierungsgedanke, d. h. der Umstand, dass Wohnmobile auf dem Markt zur Vermietung angeboten und als jederzeit zur Verfügung stehende Übernachtungsmöglichkeit auch wirtschaftlich als wertvoll angesehen werden, begründet die Ersatzfähigkeit einer pauschal berechneten Nutzungsausfallentschädigung allein nicht (vgl. BGHZ 86, 128, 131; 89, 60, 64). Es kann keine Rede davon sein, dass der Eigentümer eines Wohnmobils, der über einen seine alltägliche Mobilität gewährleistenden weiteren PKW verfügt, auf sein Freizeitgefährt für die eigenwirtschaftliche Lebensführung typischerweise angewiesen ist und dass sich dessen vorübergehender Entzug typischerweise auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt. Die Auswirkungen der zeitweiligen Gebrauchsentziehung beschränken sich in solchen Fällen - ähnlich wie bei einem Sportboot (BGHZ 89, 60, 64) oder einem Wohnwagen (BGHZ 86, 128, 133) - auf Einbußen in der Wahlfreiheit, die Freizeit zu gestalten. Hierin allein liegt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Teile der Bevölkerung seit 1986 mehr Freizeit haben mögen, kein ersatzfähiger Vermögensschaden.

2. Danach kann der Kläger ungeachtet dessen, dass er seinen Willen zur Nutzung des Wohnmobils entgegen der Ansicht des Landgerichts substantiiert dargelegt hat, keine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung verlangen. Er nutzt das Wohnmobil unstreitig ausschließlich zur Gestaltung seiner Freizeit, während ihm für die alltäglichen Transportaufgaben ein anderer PKW zur Verfügung steht. Dass er als Rentner mehr Freizeit als ein Erwerbstätiger hat und deshalb den zeitweiligen Verlust seines Wohnmobils als besonders beeinträchtigend empfunden haben mag, ist unerheblich, weil es auf die typischen Auswirkungen des Nutzungsausfalls ankommt.

II.

Auch hinsichtlich der Kosten für die Fahrt mit dem Wohnmobil zur Werkstatt in O1 und zurück nach O2 ist die Berufung unbegründet. Diese Kosten hat das Landgericht eher großzügig auf 440 € geschätzt, wobei es zu Recht davon ausgegangen ist, dass nur die durch die Fahrt selbst verursachten Kosten ersatzfähig sind. Der Kläger hat mit der Berufung unzureichend begründet, warum diese Schätzung zu seinen Ungunsten unrichtig sein soll.

III.

Hinsichtlich der Kosten für ein Begleitfahrzeug ist die Berufung im ausgesprochenen Umfang begründet. Es liegt auf der Hand, dass der Kläger, nachdem er das Wohnmobil in die O1 Werkstatt gebracht hatte, wieder nach Hause fahren, ebenso, dass er zur Abholung des Wohnmobils nach O1 reisen musste. Der Aufwand durch den doppelten Einsatz eines Begleitfahrzeugs sprengte allerdings deutlich den Rahmen des Erforderlichen und damit Ersatzfähigen (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB). Ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Geschädigter anstelle des Klägers hätte beide Reisen mithilfe der Deutschen Bahn unternommen, wodurch - was allgemeinkundig ist - Fahrtkosten in Höhe von jeweils unter 30 € entstanden wären. Unter Berücksichtigung der Kosten für einen Transfer zum und vom jeweiligen Bahnhof schätzt der Senat die ersatzfähigen Reisekosten des Klägers auf 100 € (§ 287 ZPO).

IV.

Hinsichtlich der vorgerichtlich angefallenen Anwaltskosten ist der Kläger eine rechnerisch nachvollziehbare Begründung für den von ihm geforderten Restbetrag auch in der Berufungsinstanz schuldig geblieben.

V.

Der Ausspruch zur Verzinsung folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt für die erste Instanz aus §§ 91a Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 ZPO, für die Berufungsinstanz aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen; die Frage der Nutzungsausfallentschädigung für ausschließlich zu Freizeitzwecken genutzte Wohnmobile hat grundsätzliche Bedeutung und wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte unterschiedlich beantwortet.

Ende der Entscheidung

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