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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.05.2004
Aktenzeichen: 1 U 49/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
1. Die Versäumung der an einem Fastnachtsdienstag ablaufenden Berufungsfrist beruht auf einem Verschulden des Berufungsklägers, wenn er erst am Nachmittag dieses Tages Kontakt zu seinem Prozessbevollmächtigten sucht, um ihm den Auftrag zur Einlegung der Berufung zu erteilen.

2. Die Partei darf nicht darauf vertrauen, dass das Faxgerät ihres bisherigen Prozessbevollmächtigten funktioniert. Die Grundsätze zur zu gewährleistenden Funktionsfähigkeit gerichtlicher Faxgeräte sind auf die Geräte von Rechtsanwälten nicht zu übertragen.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

1 U 49/04

Entscheidung vom 05.05.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ... am 05.05.2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das am 21.1.2004 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird abgelehnt.

Die Berufung der Beklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Vergütung für auf ein Bauvorhaben in A bezogene Projektentwicklungs-, Vermittlungs- und Beratungsleistungen in Anspruch. Das Landgericht hat ein der Klage stattgebendes Vorbehaltsurteil mit Schlussurteil vom 21.1.2004 für vorbehaltlos erklärt.

Dieses Urteil ist der Beklagten über ihren Prozessbevollmächtigten am 24.1.2004 zugestellt worden. Die einen Wiedereinsetzungsantrag enthaltende Berufungsschrift vom 25.2.2004 ist am 26.2.2004 eingegangen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatte diese unter dem 2.2.2004 auf den Ablauf der Berufungsfrist am 24.2.2004 hingewiesen. Der Geschäftsführer der Beklagten traf an diesem Tag - dem Fastnachtsdienstag - die Entscheidung, dass Berufung eingelegt werden solle. Er versuchte zwischen 14.30 h und 18.00 erfolglos, seinem Prozessbevollmächtigten telefonisch oder per Telefax den Auftrag zur Einlegung der Berufung zu erteilen. Das Büro des Prozessbevollmächtigten war an diesem Nachmittag nicht besetzt. Das Faxgerät der Kanzlei funktionierte trotz verschiedener Reparaturversuche nicht. Die Beklagte bemerkte, dass die Faxübertragung scheiterte. Dementsprechend fand der am Abend des 24.2.2004 die Kanzleiräume noch einmal aufsuchende Prozessbevollmächtigte der Beklagten von dieser keine Nachricht vor. Am Morgen des 25.2.2004 erteilte die Beklagte ihrem Prozessbevollmächtigten telefonisch den Auftrag, die Berufung einzulegen.

II. Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der am 24.2.2004 ablaufenden Frist des § 517 ZPO eingelegt worden ist. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unbegründet, weil die Fristversäumnis auf einem Verschulden der Beklagten beruht.

Die Beklagte durfte die Berufungsfrist zwar bis zum letzten Tag und bis 24.00 h ausnutzen. Hieraus ergaben sich aber in den Grenzen der Zumutbarkeit besondere Sorgfaltspflichten (vgl. BVerfG AP Nr. 20 zu § 233 ZPO 1977; BGH NJW 1998, 2677 f. [unter II der Gründe]; 1992, 244 f. [unter 1 b) der Entscheidungsgründe]; 1989, 2393 [unter II der Gründe]; BGHZ 9, 118, 121; BAG NJW 1995, 743 f. [unter II 1 der Entscheidungsgründe]); es war ihre Aufgabe sicher zu stellen, dass ihr Prozessbevollmächtigter die Berufungsfrist noch wahren konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 19.9.1995 - VI ZB 10 + 11/95, in juris dokumentiert [unter II 2 a) der Gründe]). Insbesondere lag es in ihrem Verantwortungsbereich, den Berufungsauftrag rechtzeitig zu erteilen.

Es muss als fahrlässig bezeichnet werden, dass die Beklagte erstmals am Nachmittag des Fastnachtsdienstages Kontakt zu ihrem Prozessbevollmächtigten suchte, als erfahrungsgemäß mit dessen Abwesenheit und der seines Büropersonals zu rechnen war. Auf das Funktionieren des Faxgeräts ihres Prozessbevollmächtigten durfte die Beklagte sich nicht verlassen. Die besondere Störanfälligkeit der Übertragung von Dokumenten per Telefax ist allgemein bekannt.

Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Verpflichtung der Gerichte, die Funktionsfähigkeit ihrer Faxgeräte zu gewährleisten, und zum berechtigten diesbezüglichen Vertrauen der Parteien (vgl. etwa BVerfG NJW 2001, 3473 f. [unter II 1 a) der Gründe]; NJW 1996, 2857 f. [unter II 2 der Gründe]; BGH NJW 1992, 244 f. [unter 2 c) der Entscheidungsgründe]) ist auf die Faxgeräte von Rechtsanwälten nicht zu übertragen. Dass die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittelauftrags in den Verantwortungsbereich des Rechtsmittelführers fällt, erhellt auch aus der Tatsache, dass der den Rechtsmittelanwalt beauftragende bisherige Prozessbevollmächtigte nach der Rechtsprechung grundsätzlich verpflichtet ist, die Annahme des Rechtsmittelauftrags zu überprüfen und erforderlichenfalls beim Rechtsmittelanwalt nachzufragen (vgl. BGH VersR 1987, 589 f. [unter II der Gründe]).

Außerdem durfte die Beklagte ihre Bemühungen um einen zur Einlegung der Berufung bereiten Rechtsanwalt nicht um 18.00 h einstellen. Es hätte vielmehr nahe gelegen, weiter telefonischen Kontakt zu ihrem Prozessbevollmächtigten - dessen private Telefonnummer ihrem Geschäftsführer bekannt war - zu suchen.

Eine weitere Möglichkeit zur Fristwahrung hätte darin bestanden, sich rechtzeitig um einen anderen Berufungsanwalt zu bemühen, nachdem sich die andauernden Schwierigkeiten, den bisherigen Prozessbevollmächtigten zu erreichen, herausgestellt hatten.

Die Beklagte macht selbst nicht geltend, dass sie durch einen Urlaub ihres Geschäftsführers daran gehindert war, den Berufungsauftrag rechtzeitig zu erteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



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