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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 09.10.2001
Aktenzeichen: 1 U 70/00
Rechtsgebiete: AGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

AGB § 11 Nr. 10 b
BGB § 480 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 711
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Bei dem Kauf eines Neufahrzeuges handelt es sich trotz aufgelisteter Sonderausstattungen um einen Gattungskauf, bei dem Wandelung geltend gemacht werden kann. Diese kann aber wirksam ausgeschlossen werden.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 70/00

Verkündet am 09.10.2001

In dem Rechtsstreit ...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06. August 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 04.04.2000 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 10.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer wird auf 74.483,60 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatzlieferung eines Pkw.

Am 25.11.1998 bestellte der Kläger durch Vermittlung der Fa. T-A-V-GmbH bei der Beklagten einen Pkw der Marke Mercedes-Benz Typ E 220 CDI T mit einer näher bezeichneten (serienmäßig angebotenen) Sonderausstattung zum Gesamtpreis von 74.483,60 DM (Bl. 7 ­ 9 d.A.). Die Parteien vereinbarten die Geltung der Neufahrzeug- Verkaufsbedingungen der Beklagten (Bl. 46 ­ 48 d.A.). Gemäß VII 1 dieser AGB leistet der Verkäufer Gewähr für die Fehlerfreiheit während eines Jahres seit Auslieferung des Kaufgegenstandes. Dem Käufer wird ein Anspruch auf Nachbesserung eingeräumt. VII 4 der AGB lautet: Schlägt ... Nachbesserung fehl, insbesondere wenn der Fehler nicht beseitigt werden kann oder für den Käufer weitere Nachbesserungsversuche unzumutbar sind, kann der Käufer vom Verkäufer Wandlung (Rückgängigmachung des Kaufvertrages) oder Minderung (Herabsetzung der Vergütung) verlangen. Ein Anspruch auf Ersatzlieferung besteht nicht.

Das Fahrzeug wurde vom Kläger am 05.02.1999 bei der Beklagten in Stuttgart abgeholt. Es wurde seitdem als Taxi benutzt.

Das Fahrzeug befand sich am 24.02.1999, 27.07.1999, 04.10.1999, 07. bis 08.10.1999, 14.12.1999, 16. bis 17.12.1999, 25. bis 27.01.2000, 03.02.2000 und 22.02.2000 in der Werkstatt der T-A-V-GmbH. Anlass für die Werkstattaufenthalte waren neben turnusmäßigen Inspektionen zahlreiche Mängelrügen des Klägers, insbesondere weil der Motor schlecht anspringe und die Leistung des Motors auch auf der Autobahn zu einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 130 km/h führe.

Der Kläger verlangt Ersatzlieferung für das bestellte Fahrzeug. Er hat behauptet, die von ihm gerügten Mängel (Motor springt schlecht an, unzureichende Leistung des Fahrzeuges) seien weiterhin vorhanden. Im März 1999 habe er das Fahrzeug insgesamt 9 mal zu weiteren Untersuchungen in der ihm von der Beklagten angegebenen Werkstatt der Fa. T-A-V-GmbH gegeben. Alle Untersuchungen und Nachbesserungsarbeiten hätten die Mängel nicht beseitigt. Ihm seien weitere Nachbesserungsversuche der Beklagten nicht zuzumuten. Da der Kaufvertrag als Gattungskaufvertrag anzusehen sei, könne er dem gemäß Ersatzlieferung von der Beklagten beanspruchen. Der Ausschluss dieses Rechts in VII 4 der AGB sei unwirksam und stehe dem erhobenen Klageanspruch deshalb nicht entgegen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein Fahrzeug der Marke Mercedes-Benz, Typ E 220 CDI T-Modell, der Farbe schwarz mit Tex- Lederpolsterung, Farbe schwarz und mit den Sonderausstattungen Parktronic (PTS), Kindersitze, Taxi-Dachzeichenanschluss, Antenne für Taxifunk, 5- Gang-Getriebe Automatik, Taxi-International, Lautsprecher, Winterreifen 4- fach M + S, Sitzheizung Vordersitze, Taxi-Notalarmanlage Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs der Marke Mercedes-Benz, Typ E 220 CDI T- Modell, Fahrzeug-Ident-Nr.:..., zu übergeben.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem vereinbarten Kaufgegenstand um eine Stückschuld handele, so dass der Kläger keine Ersatzlieferung beanspruchen könne. Selbst wenn nach dem Inhalt des Lieferauftrages ein Gattungskauf zustande gekommen sein sollte, scheitere der geltend gemachte Nachlieferungsanspruch an seinem wirksamen Ausschluss in VII 4 der AGB.

Das Landgericht hat die Klage durch am 04.04.2000 verkündetes Urteil abgewiesen mit der Begründung, dass ein Anspruch des Klägers auf Ersatzlieferung durch die AGB der Beklagten wirksam abgedungen sei (Bl. 76 ­ 82 d.A.). Der Kläger hat gegen das ihm am 10.04.2000 zugestellte Urteil des Landgerichts am 09.05.2000 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 06.06.2000 begründet.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch weiter mit der Begründung, dass das Landgericht zu Unrecht den Nachlieferungsanspruch als durch die AGB der Beklagten ausgeschlossen angesehen habe. Wie das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem vergleichbaren Fall (NJW-RR 1992, 824) erkannt habe, sei die Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 11 Nr. 10 b AGB unwirksam. Danach sei erforderlich, dass in einer dem durchschnittlichen Kunden verständlichen Weise der Vorbehalt der gesetzlichen Gewährleistungsrechte ausdrücklich erklärt werde. Das sei hier nicht der Fall. Durch die Fassung der Klausel könne sich der Kunde in den nicht ausdrücklich erwähnten Fällen des Fehlschlagens einer Nachbesserung an der Durchsetzung seiner Rechte auf Wandlung oder Minderung gehindert sehen. Wegen der Unwirksamkeit der Klausel sei der Kläger nicht auf Nachbesserung beschränkt, sondern könne Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeuges verlangen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils entsprechend seinem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Bei der vereinbarten Lieferung handele es sich um eine Stückschuld. Selbst dann, wenn man die Vereinbarung zwischen den Parteien als Gattungskauf betrachte, sei ein Ersatzlieferungsanspruch wirksam ausgeschlossen worden. Anders als in der Klausel, die das Oberlandesgericht Düsseldorf in der vom Kläger zitierten Entscheidung beurteilt habe, werde in VII 4 der AGB der Beklagten der gesetzliche Begriff des Fehlschlagens verwendet. Aus diesem Grunde sei es nicht erforderlich, die wesentlichen in Betracht kommenden Fallgestaltungen des Fehlschlagens der Nachbesserung in die Klausel aufzunehmen.

Der Kläger habe auch nur unsubstantiiert Mängel behauptet. Vorsorglich bestreitet die Beklagte das Vorliegen nicht beseitigter Mängel mit Nichtwissen. Hilfsweise macht sie ein Zurückbehaltungsrecht geltend wegen der Gebrauchsvorteile, die der Kläger aus der Nutzung des Fahrzeuges erlangte. Den Gebrauchsvorteil berechnet die Beklagte mit 0,67 % des Neuwagenpreises pro gefahrener 1.000 km, so dass sich mit Rücksicht auf den Kaufpreis von 74.483,60 DM und eine Fahrleistung von (unstreitig) 116.000 km bis zum 22.02.2000 ein Betrag von 57.888,66 DM ergebe.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Ersatzlieferung zu.

Allerdings handelt es sich bei dem zustande gekommenen Vertrag um einen Gattungskauf, bei dem der Käufer nach § 480 Abs. 1 Satz 1 BGB statt der Wandelung oder der Minderung verlangen kann, dass ihm anstelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird. Für die Beurteilung des zustande gekommenen Vertrages als Gattungskauf ist maßgeblich, dass das von der Beklagten zu liefernde Neufahrzeug nicht individuell, sondern nur nach generellen Merkmalen und damit nur der Gattung nach bestimmt wurde. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte sich verpflichtete, ein Fahrzeug zu liefern, das zusätzlich zur Grundausstattung des näher bezeichneten Fahrzeug- Modells auch die aufgelisteten Sonderausstattungen aufweist. Die Liste der Sonderausstattungen bezeichnet die besonderen Eigenschaften, die das Fahrzeug nach der Vereinbarung der Parteien haben sollte. Sie werden nicht nach Maß produziert, sondern sind ihrerseits lediglich Ausstattungsvarianten eines Serienmodells. Eine derartige Sonderausstattung beinhaltet nicht eine individuelle Festlegung des geschuldeten Kaufgegenstandes und rechtfertigt dem gemäß nicht die Annahme, bei dem zu liefernden Fahrzeug handele es sich um eine sogenannte Stückschuld (OLG Düsseldorf, ZfS 1995, 335, 336; Reinking/Eggert, 7. Aufl., Rn. 405, 406).

Obwohl Ersatzlieferung beim Gattungskauf nicht Gewährleistung, sondern der ursprüngliche Erfüllungsanspruch ist (BGH NJW 1999, 2884, 2885), kann der Nachlieferungsanspruch auch beim Gattungskauf durch AGB ausgeschlossen werden (Ulmer/Hensen, AGBG § 11 Rn. 10 b Rn. 54; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl. § 11 Rn. 10 b Rn. 5, 16).

So liegt es hier. Der Ausschluss des Ersatzlieferungsanspruches ergibt sich aus VII 4 der Neufahrzeug-Verkaufsbedingungen der Beklagten. Diese Klausel beschränkt den Käufer bei einem Fehler der Kaufsache (zunächst) auf Nachbesserung. Sie ist wirksam, weil sie dem Käufer entsprechend § 11 Nr. 10 b AGB das Recht auf Wandlung und Minderung für den Fall des Fehlschlagens der Nachbesserung ausdrücklich vorbehält. Die Klausel gibt den Inhalt von § 11 Nr. 10 b AGB richtig und vollständig wieder. Sie ist nicht deshalb irreführend, weil sie nicht alle in Betracht kommenden Anwendungsfälle des Fehlschlagens der Nachbesserung aufzählt. Der Vorbehalt der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche des Käufers wird dann in einer dem § 11 Nr. 10 b AGBG entsprechenden Weise zum Ausdruck gebracht, wenn der gesetzliche Oberbegriff des Fehlschlagens der Nachbesserung verwendet wird. Nur wenn das nicht geschieht, müssen sämtliche Fälle des Fehlschlagens aufgezählt werden (BGH NJW 1998, 679, 680; NJW 1994, 1004, 1005 jeweils mit weiteren Nachweisen). VII 4 der Neufahrzeug- Verkaufsbedingungen der Beklagten verwendet den gesetzlichen Oberbegriff des Fehlschlagens der Nachbesserung. Dadurch unterscheidet sich die Klausel von derjenigen, die der Entscheidung des OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 824 zugrunde lag. In VII 4 der Neufahrzeug-Verkaufsbedingungen der Beklagten wird zwar außer dem gesetzlichen Oberbegriff des Fehlschlagens zwar hinzugefügt, "insbesondere, wenn der Fehler nicht beseitigt werden kann oder für den Käufer weitere Nachbesserungsversuche unzumutbar sind . Hierbei handelt es sich aber ­ für den Durchschnittskunden ohne weiteres erkennbar ­ nur um eine beispielhafte Erläuterung, nicht aber eine objektiv als abschließende Aufzählung der Anwendungsfälle des Fehlschlagens zu verstehende Formulierung. Eine Irreführung des Klauselgegners, welche die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge haben würde, kann hierin nicht gesehen werden.

Danach ist die Berufung des Klägers nicht begründet.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Festsetzung der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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