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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 12.05.2003
Aktenzeichen: 1 U 87/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 240
ZPO § 301
Wird ein Rechtsstreit durch Insolvenz eines einfachen Streitgenossen in Bezug auf diesen unterbrochen, darf in Bezug auf die übrigen Streitgenossen Teilurteil ergehen, selbst wenn die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nach einer evtuellen Aufnahme des Verfahrens besteht.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES Teil-URTEIL

1 U 87/02

Verkündet am 12. Mai 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) und 3) wird das am 8.4.2002 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert. Die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 3) wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 3) zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 1) und 3) Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen. Gründe:

I. Anstelle eines Tatbestandes wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage durch am 8.4.2002 verkündetes Urteil stattgegeben (Bl. 289 - 298 d.A.). Nach Einlegung der Berufung durch alle drei Beklagten wurde am 1.6.2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 2) eröffnet.

Die Beklagten zu 1) und 3) beantragen die Abänderung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage. Sie rügen mit ihrer Berufung, dass das Landgericht zivilprozessuale Grundsätze verletzt habe, indem es einen der ZPO fremden Amtsermittlungsgrundsatz angewendet habe, den Schriftsatz der Klägerin vom 8.3.2002 und den der Beklagten vom 4.4.2002 nicht berücksichtigt habe, wesentliche Teile des Streitstoffes nicht behandelt und das Beweisergebnis unzutreffend gewürdigt habe. Auch habe das Landgericht die Ausführung weiterer Leistungen durch die Klägerin im Umfang der Werklohnforderung von 31.364,- DM unzutreffend als unstreitig behandelt. Im übrigen wiederholen die Beklagten zu 1) und 3) ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Mit am 25.4.2003 eingegangenem Schriftsatz legt sie eine Schlussrechnung vom 12.3.1997 vor, die ihr am 24.4.2003 von dem Insolvenzverwalter zugeleitet worden sei und beantragt Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) und zu 3) hat Erfolg.

Die Unterbrechung des Rechtsstreits gegenüber der Beklagten zu 2), die infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen nach § 240 ZPO eingetreten ist, wirkt nicht auch für den Rechtsstreit gegen die Beklagten zu 1) und 3). Die Beklagten sind nicht notwendige Streitgenossen, da sie als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden. In einem solchen Fall geht die Rechtsprechung davon aus, dass zwischen der (parteifähigen) BGB-Gesellschaft (hier: der Beklagten zu 1) und den neben ihr in Anspruch genommenen Gesellschaftern (hier: die Beklagten zu 2) und zu 3)) - anders als im Falle einer Gesamthandsschuldklage - nicht eine aus Gründen des materiellen Rechts bestehende notwendige Streitgenossenschaft vorliegt (BGH NJW 2001, 1056, 1061; NJW 1999, 3483). Wird -wie hier- über das Vermögen eines einfachen Streitgenossen das Insolvenzverfahren eröffnet, so tritt Unterbrechung nur in Bezug auf diesen ein.

Da der Rechtsstreit gegen die Beklagten zu 1) und zu 3) zur Entscheidung reif ist, kann insoweit Teilurteil ergehen. Der Zulässigkeit des Teilurteils steht nicht entgegen, dass bei Aufnahme des durch die Insolvenz der Beklagten zu 2) unterbrochenen Verfahrens eine abweichende Entscheidung ergehen könnte. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Grundsatz, dass ein Teilurteil nur dann ergehen darf, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht, nicht anzuwenden ist im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch Konkurs oder Insolvenz eines einfachen Streitgenossen, weil die Unterbrechung zu einer faktischen Trennung der Verfahren führt. Es wäre mit dem Anspruch der übrigen Prozessbeteiligten auf einen effektiven Rechtschutz nicht vereinbar, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die abstrakte Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer evtl. Aufnahme des Verfahrens besteht (BGH ZIP2003, 594, 595 m.w.N.).

Die Klägerin kann von der Beklagten zu 1) aus abgetretenem Recht der Firma B. Werklohn nicht beanspruchen.

Die von der Beklagten zu 1) beauftragte Firma B. hat ihren Werklohnanspruch gegen die Beklagte zu 1) gemäß handschriftlichem Zusatz zu Punkt 8 des Nachunternehmervertrages in Höhe eines Teiles von 70.000,-- DM und wegen einer weiteren (angeblichen) Forderung von 31.364,-- DM gemäß Freigabeerklärung des Konkursverwalters der Firma B. vom 20.10.1998 an die Klägerin abgetreten. Diese Abtretung ist auch wirksam. Bedenken gegen das Bestimmtheitserfordernis der Abtretung bestehen nicht. Die Teilabtretung bezieht sich nicht auf Einzelposten aus einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern auf einen dem Betrag nach genau bestimmten Teil des einheitlichen Werklohnanspruchs.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Abtretung auch nicht durch die allgemeinen Vertragsbedingungen ausgeschlossen. Vielmehr sah Nr. 16.4 der Vertragsbedingungen vor, dass eine Abtretung der Zustimmung der Beklagten zu 1) bedürfe. Hier wurde zwar eine Zustimmung zur Abtretung durch die Beklagte zu 1) nicht erklärt. Diese war jedoch entbehrlich. Wenn -wie hier- die Wirksamkeit der Abtretung unter einem Zustimmungsvorbehalt steht, darf die Zustimmung nicht unbillig verweigert werden (BGH NJW-RR2000, 1120). Eine unbillig verweigerte Zustimmung steht der Wirksamkeit der Abtretung nicht entgegen. So liegt es hier. Die Verweigerung der Zustimmung der Beklagten zu 1) zur Teilabtretung des Werklohnanspruchs ist unbillig, da die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei den Vorgesprächen mit dem Zeugen St. aufgefordert worden war, sich im Umfang ihres Werklohnanspruchs gegen die Firma B. deren Forderung gegen die Beklagte zu 1) abtreten zu lassen. Unter diesen Umständen erscheint die nachträgliche Verweigerung der Zustimmung als treuwidriges widersprüchliches Verhalten.

Die danach im Umfang der Abtretung auf die Klägerin übergegangene Werklohnforderung der Firma B. gegen die Beklagte zu 1) ist aber jedenfalls derzeit unbegründet, weil sie noch nicht fällig ist. Im Verhältnis zwischen der Beklagten zu 1) und der Firma B. ist die Geltung der VOB/B vereinbart. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 VOB/B setzt die Fälligkeit die Erteilung einer prüfbaren Schlussrechnung voraus. Daran fehlt es hier. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass eine Schlussrechnung seitens der Firma B. nicht erteilt wurde. Die Abschlagsrechnungen, auf welche sich die Klägerin bezieht, machen die Erteilung einer Schlussrechnung nicht entbehrlich.

Den Einwand mangelnder Fälligkeit kann die Beklagte zu 1) der Klägerin gem. § 404 BGB entgegenhalten. Die Anwendbarkeit dieser Norm setzt nicht voraus, dass im Zeitpunkt der Abtretung bereits alle Tatbestandsvoraussetzungen der Einrede vorliegen. Es genügt, dass sie ihrem Rechtsgrund nach im Schuldverhältnis angelegt waren.

Da die Klage gegen die Beklagte zu 1) aus abgetretenem Recht der Firma B. schon wegen fehlender Fälligkeit als derzeit unbegründet abzuweisen ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die von den Beklagten behaupteten Mängel der Werkleistung und die sich daraus ergebenden Gewährleistungsansprüche bestehen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) auch kein vertraglicher Zahlungsanspruch aus eigenem Recht zu.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte zu 1) wegen und in Höhe einer Werklohnforderung von 70.000,-- DM aus dem Leistungsumfang des Vertrages mit der Firma B. eine eigene Zahlungsverpflichtung gegenüber der Klägerin übernommen hat. Der Mitarbeiter der Klägerin Be. hat eine entsprechende Erklärung des Herrn St., mit dem er verhandelte, bei seiner Zeugenaussage gerade nicht bestätigt. Im Gegenteil hat der Zeuge Be. bei seiner Vernehmung wiederholt angegeben, die Klägerin sei aufgefordert worden, sich eine Abtretungserklärung der Firma B. zu verschaffen. Die Abtretung des Teils der Werklohnforderung der Firma B. an die Klägerin macht jedoch nur dann einen Sinn, wenn gerade kein unmittelbarer Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) besteht. Danach war die Begründung eines unmittelbaren Zahlungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) gerade nicht gewollt. Die Zeugen St. und H. haben in diesem Punkt nichts anderes als der Zeuge Be. ausgesagt. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund scheidet auch die konkludente Übernahme einer unmittelbaren Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu 1) gegenüber der Klägerin aus. Soweit die rechtliche Würdigung des angefochtenen Urteils auf anderen Tatsachen als den genannten beruht, ist das Berufungsgericht daran nicht gebunden. Aus den genannten Gründen bestehen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen und gebieten eine erneute Feststellung wie geschehen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Ein eigener vertraglicher Anspruch steht der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) auch nicht wegen zusätzlich ausgeführter Leistungen in Höhe von 31.364,- DM zu. Zwar hat der Zeuge Be. bei seiner Zeugenaussage einen entsprechenden Auftrag bestätigt, der ihm von Herrn St. erteilt worden sein soll. An der Richtigkeit dieser Aussage bestehen jedoch durchgreifende Zweifel. So hat der Zeuge St. einen Zusatzauftrag an die Klägerin ausdrücklich verneint. Der Zeuge H. hat nach seiner Aussage ebenfalls keinen Zusatzauftrag erteilt. Vor allem ging die Klägerin selbst davon aus, die Forderung von 31.364,-- DM allein aufgrund einer Abtretung seitens der Firma B. geltend machen zu können. Das ergibt sich aus der Klagebegründung vom 28.12.2000 sowie aus der vorgelegten Freigabeerklärung des Konkursverwalters der Firma B. in dessen Schreiben vom 20.10.1998. Danach ging selbst die Klägerin ursprünglich davon aus, dass ihr ein eigener vertraglicher Anspruch gegen die Beklagte zu 1) insoweit nicht zustehe. Soweit das angefochtene Urteil auf anderweitigen Tatsachenfeststellungen beruht, ist es der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zugrunde zu legen. Auch insoweit ergeben die genannten Gesichtspunkte konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an die Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen und gebieten eine erneute Feststellung wie geschehen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Einer erneuten Vernehmung der vom Landgericht vernommenen Zeugen bedurfte es nicht. Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann unterbleiben, wenn sich das Berufungsgericht für seine von der Vorinstanz abweichende Würdigung der Aussage auf Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (BGH, Urteil vom 10.3.1998 -VI ZR 30/97, BGHR ZPO, § 398 Abs. 1 Ermessen 29 m.w.N.). Von einer erneuten Vernehmung kann demge-mäss abgesehen werden, soweit das Berufungsgericht die persönliche Glaubwürdigkeit der Zeugen, denen das Landgericht gefolgt ist, nicht in Zweifel zieht und es nur darum geht, ob der Inhalt der protokollierten Aussagen objektiv für die Beweiswürdigung ergiebig ist oder nicht (BGH, Urteil vom 3.11.1987, VI ZR 95/87, BGHR ZPO § 398 Abs. 1 Ermessen 3). So liegt es hier. Soweit die Beweiswürdigung von der des Landgerichts abweicht, beruht das nicht auf einer unterschiedlichen Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen, sondern auf der nur unvollständigen Berücksichtigung der protokollierten Aussagen der Zeugen durch das Landgericht. Danach ist die Klage gegen die Beklagte zu 1) (jedenfalls derzeit) nicht begründet.

Nichts anderes gilt für die Klage gegen die Beklagte zu 3). Die Haftung der Beklagten zu 3) als Gesellschafterin der Beklagten zu 1) ist akzessorisch für Gesellschaftsverbindlichkeiten (BGH NJW2001, 1056, 1061). Danach folgt aus der Unbegründetheit der Klage gegen die Beklagte zu 1) auch die Unbegründetheit der Klage gegen die Beklagte zu 3).

Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und zu 3) zu tragen, da die Klage insoweit keinen Erfolg hat (§ 91 Abs. 1 ZPO). Im übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der am 25.04.2003 bei Gericht eingegangene Schriftsatz der Klägerin konnte keine Berücksichtigung finden, weil er nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen ist (§ 296 a ZPO). Er bietet auch keinen Anlass zur Widereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO). Der Sachvortrag zur Schlussrechnung vom 12.03.1997 ist neu. Er müsste nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen bleiben, weil es auf einer Nachlässigkeit der Klägerin beruht, dass sie trotz der von den Beklagten bereits im 1. Rechtszug erhobenen Einrede der mangelnden Fälligkeit der Werklohnforderung sich die Schlussrechnung nicht bereits in l. Instanz von der Zedentin beschaffte. Es ist nicht ersichtlich, wieso die Schlussrechnung nicht bereits in ersten Rechtszug von dem Insolvenzverwalter der Firma B. erlangt werden konnte. Auch kann die Prüffähigkeit der Schlussrechnung nicht festgestellt werden.

Ende der Entscheidung

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