Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 18.01.2001
Aktenzeichen: 1 UF 251/00
Rechtsgebiete: EGBGB


Vorschriften:

EGBGB § 17
EGBGB § 14
EGBGB § 6
Die mit der Anwendung jordanischen Scheidungsrechts verbundene Ungleichbehandlung von Mann und Frau ist mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 UF 251/00

18.01.2001

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschweiler, die Richterin am Oberlandesgericht Michalik und den Richter am Oberlandesgericht Carl aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Langen vom 29. August 2000 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Langen zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden haben wird.

Tatbestand:

Die Parteien, die beide die jordanische Staatsangehörigkeit besitzen, haben am 09.01.1992 die Ehe geschlossen. Seit dem Januar 1999 leben sie getrennt. Über die Gründe, die zur Trennung führten, besteht zwischen ihnen Streit.

Das Familiengericht hat mit dem angefochtenen Urteil den Scheidungsantrag der Antragstellerin abgewiesen. Zur Begründung wird in dem Urteil ausgeführt, die Scheidungsvoraussetzungen nach jordanischem Recht lägen nicht vor. Eine Scheidung nach deutschem Recht wird in dem Urteil abgelehnt, weil eine Zerrüttung der Ehe nicht habe festgestellt werden können.

Gegen dieses Urteil hat die Antragstellerin Berufung eingelegt, mit der sie weiter ihr Ziel verfolgt, die Ehe zu scheiden. Zur Begründung trägt sie vor, die Ehe der Parteien sei gescheitert. Der Antragsteller habe sie am 01.11.1999 geschlagen und sei danach für 3 Monate einfach untergetaucht. Sie sei nicht bereit, mit ihm wieder zusammenzuleben.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Langen vom 29.08.2000 die am 09.01.1992 vor dem Standesbeamten in Irbid, Jordanien, unter der Urkundennummer XXX geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden, ihr das Sorgerecht über die 3 minderjährigen Kinder A., geb. am 06.11.1993, B., geb. am 29.07.1995, und C., geb. am 22.09.1999, zu übertragen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bestreitet, die Antragstellerin geschlagen zu haben und erklärt, dass er der Scheidung nicht zustimme.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg. Für die Prüfung des Scheidungsbegehrens der Antragstellerin ist zunächst jordanisches Recht maßgeblich, weil beide Eheleute jordanische Staatsangehörige sind (Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB). Nach den danach maßgeblichen Vorschriften des jordanischen Familienrechts kann die Antragstellerin die Scheidung aber nicht verlangen. Die von ihr behauptete Misshandlung durch den Ehemann, die der Ehefrau ein Scheidungsrecht nach Art. 132 des jordanischen Familiengesetzbuchs einräumt, kann sie nicht beweisen. Andere Scheidungsgründe des jordanischen Rechts (Unterhaltsverletzung, Abwesenheit des Ehemannes, besondere gesundheitliche Einschränkungen des Ehemannes, Art. 127 f., 123 f. und Art. 115 des jordanischen Familiengesetzbuches) sind vorliegend nicht gegeben. Die Ehefrau wird damit im jordanischen Familienrecht anders behandelt als der Ehemann, der neben ähnlichen Gründen, die auch eine Scheidung durch die Frau begründen können (gesundheitliche Einschränkung der Ehefrau), die Scheidung auch jederzeit durch einseitige Erklärung und Registrierung bewirken kann (Art. 83 f. jordanisches Familiengesetzbuch). Die damit verbundene Ungleichbehandlung der Eheleute stellt einen Verstoß gegen ein elementares Grundrecht der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland dar. Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz gebietet zwingend die gleiche Behandlung von Mann und Frau. Eine Anwendung der jordanischen Vorschriften über die Ehescheidung würde daher zu einem Ergebnis führen, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (Art. 6 EGBGB). Dies hat zur Folge, dass die einschlägigen Vorschriften des jordanischen Rechts nicht anzuwenden sind (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf FamRZ 1998, S. 1113 f.). Durch die Nicht-Anwendung der Vorschriften des jordanischen Scheidungsrechts entsteht eine regelungsbedürftige Lücke, die vorliegend nicht aus dem grundsätzlich anzuwendenden jordanischen Recht geschlossen werden kann. In einem solchen Fall ist hilfsweise deutsches Recht als Ersatzrecht anzuwenden (vgl. Palandt/Heldrich, 60. Aufl., Anm. 13 zu § 6 EGBGB).

Nach deutschem Scheidungsrecht ist der Scheidungsantrag der Antragstellerin begründet. Die Parteien leben seit fast 2 Jahren voneinander getrennt. Die Antragstellerin hat nachdrücklich erklärt, dass sie mit dem Antragsgegner nicht weiter zusammenleben will. Dieser deutlichen Abkehr von der Ehe hat der Antragsgegner keine Fakten entgegengehalten, die Zweifel an der Zerrüttung der Ehe begründen.

Eine abschließende Entscheidung über den Scheidungsantrag kann in der Rechtsmittelinstanz aber nicht erfolgen, da noch das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder der Parteien zu regeln ist (§ 629 b ZPO). Das Familiengericht wird bei seiner Endentscheidung auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

Zurück