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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 03.03.2003
Aktenzeichen: 1 UF 334/00
Rechtsgebiete: BGB, VAHRG


Vorschriften:

BGB § 1587 b Abs. 3
VAHRG § 1 Abs. 2
Die Realteilung ist nicht schon deshalb unbillig (und damit durch eine andere Ausgleichsform zu ersetzen), weil die Satzung des Versorgungsträgers kein sogenanntes "Rentnerprovileg" enthält, so daß die Rechtskraft der Entscheidung schon eine Kürzung der bereits bezogenen Versorgung bewirkt, bevor der Berechtigte Leistungen aus dem Versorgungsausgleich bezieht (Abgrenzung zu BGH FamRZ 97, 1470).
1 UF 334/00

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die befristete Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Schwalbach vom 03.07.2000 am 03.03.03 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Die Anwartschaften des Antragstellers bei der Pensionskasse werden in der Weise real geteilt, dass zugunsten der Antragsgegnerin bei diesemVersorgungsträger Rentenansprüche auf eine betriebliche Rente mit denselben vertraglichen Bedingungen wie beim Ehepartner in Höhe von monatlich 752,69 EUR zuzüglich Sonderzuwendungen zum 01.06. und 01.12. eines jeden Jahres in Höhe von jeweils 501,81 EUR begründet werden, bezogen auf einen Realteilungsstichtag zum 01.10.2002. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beschwerdewert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die am 13.08.1980 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den am 19.10.1994 zugestellten Scheidungsantrag durch - inzwischen rechtskräftiges - Verbundurteil des Amtsgerichts vom 16.09.1996 geschieden. Die zugleich abgetrennte Folgesache Versorgungsausgleich hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss dahin geregelt, dass es zugunsten der Antragsgegnerin die Realteilung bei der Pensionskasse durchgeführt hat. Auf den genannten Beschluss wird Bezug genommen.

Die Parteien hatten zuvor mit notarieller Ehescheidungsfolgenvereinbarung vom 13.09.1996 ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten geregelt und Kindesunterhalt vereinbart. Der Versorgungsausgleich solle durchgeführt werden; Ehegattenunterhalt blieb vorbehalten. In der Folgezeit ist ein solcher nicht verlangt oder bezahlt worden.

Nach den - unbeanstandeten - Feststellungen des Amtsgerichts hat der Antragsteller betriebliche Anwartschaften bei der Pensionskasse in Höhe von - ehezeitbezogen - 3.629,24 DM, die Antragsgegnerin Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von - ebenfalls ehezeitbezogen - 81,61 DM erworben. Die Satzung der Pensionskasse sieht die Realteilung vor. Diese hat das Amtsgericht in Anlehnung an die Berechnungen des von der Pensionskasse beauftragten Büros Dr. H. vom 13.04.2000 (Bl. 78 f. der Unterakte VA) durchgeführt, bezogen auf einen Stichtag zum 01.06.2000.

Hiergegen richtet sich die alle Form- und Fristerfordernisse wahrende befristete Beschwerde des Antragstellers, der anstelle der Realteilung den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich erstrebt. Er erstützt sich auf das Urteil des BGH vom 10.09.1997 (XII ZP 31/96 = FamRZ 1997, 1470) und vertritt die Ansicht, dass die Realteilung in seinem Falle unbillig sei, da sie zu einer Kürzung seiner bereits bezogenen Rentenansprüche führe, ohne dass derzeit die ausgleichsberechtigte Antragsgegnerin Leistungen aus dem Versorgungsausgleich beziehe.

Die beteiligte Pensionskasse tritt dem Rechtsmittel entgegen. Sie ist der Auffassung, der vorliegende Fall sei mit dem vom BGH in der zitierten Entscheidung entschiedenen Fall nicht vergleichbar.

Die Antragsgegnerin hat zwar Bedenken gegen die Ausgestaltung der Realteilung entsprechend der Satzung der Pensionskasse im einzelnen, die dazu führe, dass sich mit zunehmenden zeitlichen Abstand zu der Rechtskraft der Entscheidung die ihr zustehenden Anwartschaften ständig verminderten. Dies rühre daher, dass die Versorgung aus einem Deckungskapital erfolge, das durch die seitherige ungekürzte Leistung an den Antragsteller vermindert werde, so dass nur der dann noch verbleibende Deckungsstock real geteilt werde. Gleichwohl beantragt sie, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Senat hat von dem inzwischen hiermit von der Pensionskasse beauftragten Diplom-Mathematiker N. eine neue Berechnung zu einem zeitnäheren Stichtag eingeholt (Bl. 176 ff. der Unterakte VA), auf die - ebenso wie die in den Akten befindlichen Berechnungen im übrigen - Bezug genommen wird.

Das Rechtsmittel hat nur insoweit - geringfügig - Erfolg, als es zu einer Änderung des Betrages der durchzuführenden Realteilung durch Aktualisierung des Ausgleichsstichtags führt. Im übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg.

Nach § 1 Abs. 2 VAHRG ist der Versorgungsausgleich im Wege der Realteilung durchzuführen, da die Satzung der Pensionskasse als des Trägers der auszugleichenden Versorgung des Antragstellers dies vorsieht. Die - für die Ausgestaltung im einzelnen maßgebende - Satzung sieht zwar eine Härteregelung entsprechend § 4 VAHRG vor (keine Kürzung, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte vor Eintritt des Versorgungsfalls oder in den ersten 2 Jahren nach Eintritt des Versorgungsfalls stirbt), jedoch keine dem § 5 VAHRG entsprechende Härteregelung (keine Kürzung für die Dauer von Unterhaltsleistungen an den ausgleichsberechtigten Ehegatten) und auch nicht das sogenannten "Rentnerprivileg" (§ 101 Abs. 3 SGB VI). Nach letzterem findet eine Kürzung der Rentenanwartschaften aufgrund des Versorgungsausgleichs nicht statt, wenn der Verpflichtete zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ausgleichsentscheidung bereits eine Versorgung bezieht. Entsprechendes gilt gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 Beamtenversorgungsgesetz auch für die Versorgung eines Beamten.

Nach der vom Antragsteller angezogenen Entscheidung des BGH (FamRZ 1997, 1470 ff.) ist das Fehlen derartiger Härteregelungen kein Grund, deswegen von der satzungsgemäßen Realteilung abzusehen und die Versorgung in anderer Weise durchzuführen. Dies gilt vor allem dann, wenn Härtefälle zum Zeitpunkt der Entscheidung lediglich eine abstrakte Möglichkeit darstellen. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob im konkreten Einzelfall das Fehlen solcher Härtegründe zu einer unangemessenen Benachteiligung führen würde. Dies ist vom BGH in dem von ihm zu entscheidenden Fall bejaht worden, da der ausgleichspflichtige und zugleich unterhaltspflichtige Ehemann auf der Grundlage vermuteter ungekürzter Versorgung sich durch Prozessvergleich zur Zahlung von beträchtlichen Ehegattenunterhalt verpflichtet hatte, weshalb die Kürzung seiner bereits bezogenen Versorgung durch die Realteilung bei gleichzeitig bestehender Unterhaltsverpflichtung wegen des Fehlens einer den § 5 VAHRG entsprechenden Härteregelung für ihn zu einer unzumutbaren Belastung geworden wäre.

Bei Anlegung dieser Maßstäbe, die der Senat in Anlehnung an die genannte BGH-Entscheidung übernimmt, stellt sich vorliegend die regelrechte Durchführung der Realteilung nicht als unbillig dar. Es geht hier überhaupt nicht um das Fehlen der Härtegründe der §§ 4 f. VAHRG in der Satzung der Pensionskasse, da der Antragsteller der Antragsgegnerin keinen Unterhalt zahlt. Was den Antragsteller hier trifft, ist das Fehlen des sogenannten Rentnerprivilegs in der Satzung der Pensionskasse, wonach eine bereits bezogene Altersversorgung durch den Versorgungsausgleich bis zum Eintritt des Leistungsfalls des Berechtigten nicht gekürzt wird. Das Fehlen dieses Privilegs ist der in der Entscheidung des BGH zum entscheidenden Gesichtspunkt seiner Billigkeitsprüfung gemachten doppelten Beanspruchung des Ausgleichspflichtigen durch Kürzung seiner Versorgung und Unterhaltslasten nicht vergleichbar. Die Kürzung der eigenen Versorgungsanwartschaften durch den Versorgungsausgleich auch vor Leistungsbezug des Empfängers dieser Anwartschaften im Wege des Versorgungsausgleichs ist vielmehr der versicherungstechnische Normalfall der Versorgungsausgleichsregelung, die auf der Teilung und Verselbständigung der ehezeitbezogenen Anwartschaften beruht. Dementsprechend muß der ausgleichspflichtige Ehegatte aufgrund rechtskräftiger Versorgungsausgleichsregelung vor Eintritt des Versorgungsfalls - außerhalb des Anwendungsbereichs des § 5 VAHRG - bei Eintritt des Versorgungsfalles eine Kürzung seiner Versorgung durch den Ausgleich hinnehmen, auch wenn der Berechtigte noch keine Leistungen erhält. Dass dies in den Fällen, in denen er bereits Bezieher einer Versorgung ist, nicht der Fall ist, ist eine Begünstigung der Bezieher gesetzlicher Renten und Pensionsbezüge und stellt nicht den zu vergleichenden Normalfall für andere Versorgungssysteme dar.

Dass etwa hier der Antragsteller durch die Kürzung seiner Bezüge unbillig und existenzbedrohend belastet wäre, ist nicht der Fall. Auch seine nach Kürzung verbleibenden Bezüge sind für eine auskömmliche Existenz ausreichend.

Der Senat verkennt nicht, dass für den Antragsteller selbst die Ersetzung der Realteilung durch den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich erheblich vorteilhafter wäre, während umgekehrt die Antragsgegnerin durch einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich mit der Möglichkeit des verlängerten Ausgleichs nach dem Tode des Verpflichteten nach § 3 VAHRG nicht benachteiligt wäre. Den Nachteil hätte jedoch die Pensionskasse, die dann dem Antragsteller die volle Versorgung zu gewähren hätte und zusätzlich zu gegebener Zeit dann noch aus dem verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich in Anspruch genommen würde. Nach dem Willen des Gesetzes ist jedoch die Möglichkeit der Einführung der Realteilung gerade zu Gunsten der Versorgungsträger zur Abwendung einer solchen zusätzlichen Inanspruchnahme aus dem Versorgungsausgleich geschaffen worden. Dies folgt daraus, dass nach § 3 a Abs. 2 VAHRG ein verlängerter schuldrechtlicher Versorgungsausgleich dann nicht eintritt, wenn der Versorgungsträger des Ausgleichspflichtigen die Realteilung vorsieht mit der Folge, dass ein solcher nicht mit dieser Wirkung durch Vereinbarung begründet werden kann. Die satzungsgemäße Realteilung hat vielmehr nur dann zu unterbleiben, wenn dies, wie eingangs ausgeführt, für die Beteiligten mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre, die sie auch unter Berücksichtigung der schützenswerten Belange des Versicherungsträgers nicht hinzunehmen brauchen. Dies ist hier, wie dargestellt, nicht der Fall.

Der Senat hat jedoch die Rechtsbeschwerde zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung der Abgrenzung oder Erweiterung der genannten Entscheidung des BGH zu ermöglichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Der Beschwerdewert ist auf die Hälfte des Ausgleichsvolumens festgesetzt worden, da die Beschwerde nicht den Ausgleichsbetrag, sondern lediglich die Form des Ausgleichs betrifft. Zu bewerten war demnach das Interesse des Beschwerdeführers an der erstrebten Änderung.



Ende der Entscheidung

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