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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 31.01.2002
Aktenzeichen: 1 W 20/01
Rechtsgebiete: HGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 87c Abs. 4
HGB § 87c Abs. 2
ZPO § 887
ZPO § 888
ZPO § 887 Abs. 1
ZPO § 888 Abs. 1
ZPO § 888 S. 1
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 574 Abs. 2 n.F.
Erklärt der zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilte Schuldner, die dem Gläubiger überreichten Unterlagen seien vollständig und läßt sich die Unvollständigkeit nicht feststellen, ist die Anordnung eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO nicht gerechtfertigt.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

1 W 20/01

Verkündet am 31.01.2002

In der Zwangsvollstreckungssache ...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 31. Januar 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluß der 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19.3.2001 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 5.112,92 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf wiederholte Anordnung eines Zwangsgeldes, um die Schuldnerin zur Erteilung des im Teilversäumnisurteil vom 5.5.1998 näher bezeichneten Buchauszuges und zur Mitteilung über alle Umstände, die für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlich sind, anzuhalten, zu Recht zurückgewiesen.

Allerdings kommt hier grundsätzlich eine Zwangsvollstreckung durch Anordnung eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO in Betracht, sofern der Schuldner die ihm durch das Teilversäumnisurteil vom 5.5.1998 aufgegebenen Handlungen nicht vorgenommen hat. Das gilt ohne weiteres für den titulierten Anspruch auf Mitteilung der für den Provisionsanspruch wesentlichen Umstände. Insoweit handelt es sich um die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft, die sich insbesondere auf solche Umstände zu erstrecken hat, die sich nicht aus den schriftlichen Geschäftsunterlagen des Unternehmers ergeben und aus diesem tatsächlichen Grund nicht Gegenstand des Buchauszugs sein können (BGH NJW 2001, 2333, 2334 m.w.N.). Diese Handlung kann durch einen Dritten nicht vorgenommen werden. Soweit die Erteilung eines Buchauszuges Gegenstand der Verurteilung ist, handelt es sich zwar grundsätzlich um eine vertretbare Handlung, weil der Buchauszug nicht nur von dem Schuldner, sondern von jedem Buchsachverständigen, der die Bücher und die dazugehörigen Urkunden einsieht, erteilt werden kann. Gleichwohl ist die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszuges nicht nach § 887 ZPO zu vollstrecken. Vielmehr ist hier ausnahmsweise eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO statthaft, weil die Schuldnerin ihren Sitz im Ausland hat und somit bei einer Ersatzvornahme gemäß § 887 Abs. 1 ZPO die Hinzuziehung eines Gerichtsvollziehers, die im Falle des Widerstandes des Schuldners erforderlich werden kann (§ 892 ZPO), nicht möglich wäre. Der 1. Zivilsenat schließt sich der vom 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Beschluß vom 14.12.2000 (OLGR 2001, 72, 73) vertretenen Auffassung an, wonach ein Schuldner mit Sitz im Ausland zur Erteilung eines Buchauszuges ausnahmsweise durch Zwangsgeld gemäß § 888 Abs. 1 ZPO anzuhalten ist, auch wenn die Fruchtlosigkeit einer Ersatzvornahme ohne Hinzuziehung eines Gerichtsvollziehers nicht feststeht. Danach steht dem Antrag des Gläubigers nicht schon die fehlende Statthaftigkeit einer Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO entgegen.

Der Antrag auf Anordnung eines weiteren Zwangsgeldes ist jedoch unbegründet. Der Gläubiger stützt seinen Antrag darauf, daß die von der Schuldnerin übergebenen Schriftstücke deshalb nicht als Buchauszug angesehen werden könnten, weil die Schuldnerin entgegen ihren Angaben weitere Folgegeschäfte abgeschlossen habe, über deren Inhalt auch bisher nicht vorgelegte schriftliche Geschäftsunterlagen vorhanden seien. Die Richtigkeit dieser Behauptung läßt sich jedoch nicht feststellen. Die Anordnung eines Zwangsgeldes scheidet deshalb aus.

Ein Zwangsgeld nach § 888 ZPO kann nur festgesetzt werden, wenn feststeht, daß der Schuldner die ihm im Urteil aufgegebene Handlung im Zeitpunkt der Verhängung des Zwangsgeldes noch vornehmen kann. Nur in diesem Fall ist die Handlung - wie von § 888 S. 1 ZPO vorausgesetzt - ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängig. Steht die Unmöglichkeit der Erfüllung der geschuldeten Leistung fest oder aber ist ihre Möglichkeit zweifelhaft, darf keine staatliche Zwangsmaßnahme in Form eines Zwangsgeldes oder der Zwangshaft gegen den Schuldner verhängt werden (OLG Celle, OLGR 1999, 214; OLG Köln, OLGR 1999, 97, jeweils m.w.N.; Zöller/Stöber, 21. Aufl., ZPO § 888 Rn. 2). Die Möglichkeit der Handlungsvornahme ist im Zwangsvollstreckungsverfahren ebenso wie alle übrigen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vom Gläubiger zu beweisen. Dieser Beweis ist hier nicht erbracht.

Die Schuldnerin hat vorgebracht, daß über die in den überreichten Unterlagen aufgeführten Geschäfte hinaus keine weiteren Geschäfte getätigt worden seien, die aus den Messen Premier Vision" und Idea Como" im Jahre 1996 herrührten, daß keine weiteren Unterlagen oder Aufzeichnungen über die fraglichen Geschäfte vorhanden seien und daß auch keine mündlichen Aufträge erteilt worden seien. Dieses Vorbringen genügt dem Erfordernis, die Unmöglichkeit der Handlungen einer für den Gläubiger überprüfbaren und substantiierten Weise (OLG Celle, OLGR 1999, 214, 215; OLG Köln, OLGR 1999, 97) darzulegen. Wird geltend gemacht, daß über die belegten Bestellungen hinaus weitere Aufträge nicht erteilt worden seien und daß es demgemäß keine weiteren relevanten Geschäftsunterlagen gebe, ist eine weitere Substantiierung nicht möglich. Das Bestreiten der Vollständigkeit des Buchauszuges durch den Gläubiger ermöglicht nicht die positive Feststellung von dessen Unvollständigkeit, ohne die ein (weiteres) Zwangsgeld nicht angeordnet werden kann. Hat ein Gläubiger begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit eines Buchauszuges, steht es ihm frei, den Anspruch aus § 87c Abs. 4 HGB auf Einsicht in die Geschäftsbücher geltend zu machen. Danach ist die Behauptung des Gläubigers, die von der Schuldnerin bisher vorgelegten Geschäftsunterlagen seien unvollständig, zur Rechtfertigung eines weiteren Zwangsgeldes nicht geeignet.

Die Anordnung eines weiteren Zwangsgeldes läßt sich auch nicht damit begründen, daß die bisher vorgelegten Geschäftsunterlagen den an einen Buchauszug zu stellenden Anforderungen nicht genügten. Nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, denen der Senat folgt, ist der Antrag nach § 888 ZPO insoweit rechtsmißbräuchlich und deshalb unbegründet. Auch wenn die Schuldnerin nur einzelne Rechnungen, nicht aber eine klare und übersichtliche Darstellung der für die Provisionen relevanten Geschäftsverhältnisse vorgelegt hat, war der Gläubiger in der Lage, seine Provisionsansprüche anhand dieser Unterlagen zu berechnen. Die von ihm insoweit geltend gemachten Ansprüche hat die Schuldnerin anerkannt und erfüllt. Da es sich bei dem Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges nach § 87c Abs. 2 HGB lediglich um ein Nebenrecht handelt, das der Vorbereitung und Durchsetzung des Provisionsanspruchs dient, fehlt es nach Erfüllung aller Provisionsansprüche aus den mitgeteilten Geschäften an einem schützenswerten Interesse des Gläubigers, von der Schuldnerin eine geordnete und übersichtliche Zusammenstellung zu verlangen. Danach ist der Antrag auf Anordnung eines Zwangsgeldes rechtsmißbräuchlich, soweit er darauf gestützt wird, die vorgelegten Geschäftsunterlagen seien mangels geordneter und übersichtlicher Darstellung nicht als Buchauszug anzusehen.

Soweit der Gläubiger geltend macht, die Schuldnerin habe die ihr in dem Versäumnisurteil auferlegte Verpflichtung nicht erfüllt, Mitteilung über alle Umstände zu machen, die für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlich sind, ist der Antrag auf Anordnung eines Zwangsgeldes ebenfalls unbegründet. Diese Handlung hat der Geschäftsführer der Schuldnerin dadurch vorgenommen, daß er erklärte, daß weitere schriftliche Unterlagen über Geschäfte, die der Gläubiger vermittelte, nicht vorhanden seien und daß auch keine mündlichen Aufträge erteilt worden seien. Ob die erteilte Auskunft wahrheitsgemäß und vollständig ist, unterliegt in aller Regel nicht der weiteren Nachprüfung im Zwangsvollstreckungsverfahren. Mit der Erteilung der Auskunft ist der dem Urteil zugrundeliegende Auskunftsanspruch erfüllt. Eine Zwangsvollstrekkung nach § 888 ZPO kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Pflichtige die Auskunft verweigert oder wenn die erteilte Auskunft erkennen läßt, daß er von der Auskunftspflicht umfaßte Informationen zurückhält. Erklärt er dagegen, nicht mehr als das Mitgeteilte zu wissen und in Erfahrung bringen zu können, so hat er seiner Auskunftspflicht genügt, mag auch die erteilte Auskunft unrichtig oder unvollständig sein. In einem solchen Fall ist für Vollstreckungsmaßnahmen kein Raum; vielmehr trägt das Gesetz dem Interesse des Auskunftsberechtigten, eine wahrheitsgemäße und vollständige Auskunft zu erhalten, dadurch Rechnung, daß es ihm gegen den Pflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gewährt (BGH, Urteil vom 14.6.1993, III ZR 48/92, BGHR BGB § 260 Auskunftsanspruch 2).

Danach ist der Antrag des Gläubigers auf Anordnung eines (weiteren) Zwangsgeldes insgesamt unbegründet.

Der Gläubiger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Beschwerdewert richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Gläubigers an der Durchführung der Zwangsvollstreckung. Dieses bemißt der Senat mit 20 % des Wertes der Hauptsache, den das Landgericht durch Beschluß vom 6.8.1999 mit 50.000.-- DM (25.564,59 Euro) festgesetzt hat.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO n.F. besteht kein Anlass. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung erforderlich.

Ende der Entscheidung

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