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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.04.2008
Aktenzeichen: 1 W 47/06 (1)
Rechtsgebiete: BGB, GG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
ZPO § 114
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Amtshaftungsklage auf Schadensersatz bzw. Geldentschädigung in Höhe von mehr als 10.000 € wegen Vorkommnissen in Zusammenhang mit seiner Festnahme und den polizeilichen Ermittlungen am 30.09. und 01.10.2002 unter dem Vorwurf, einen 12-jährigen Sohn aus einer bekannten O1er Familie mit dem Ziel entführt zu haben, Lösegeld zu erpressen. Ferner beabsichtigt er eine Feststellungsklage, wonach das beklagte Land verpflichtet sei, ihm allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Androhung bestimmter, nicht zulässiger Verhörmethoden noch entstehen werde mit Blick auf infolge der Traumatisierung gebotenen psychologischen und anderen medizinischen Behandlungsmaßnahmen. Er sieht Amtspflichtverletzungen der beteiligten Polizeibeamten unter mehreren Gesichtspunkten:

Anlässlich der Festnahme durch ein Mobiles Einsatzkommando sei er aufgrund massiver Gewaltanwendung verletzt worden. Die auf Anordnung des damaligen Polizeivizepräsidenten A als des amtierenden Behördenleiters von dem Kriminalbeamten KHK B ausgesprochene Drohung, es sei angeordnet und in die Wege geleitet, ihm von einem Spezialisten, der bereits mit dem Hubschrauber unterwegs sei, Schmerzen zufügen zu lassen, damit er Einzelheiten zum Aufenthaltsort des Kindes nenne, habe gegen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) und das Folterverbot des Grundgesetzes (Art. 104 Abs. 1 Satz 2 GG) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 3 EMRK) verstoßen; es sei dabei auch das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) dadurch verletzt worden, dass er zugleich konventionswidrig dazu veranlasst worden sei, sich selbst zu belasten. In diesem Zusammenhang behauptet der Antragsteller, KHK B habe ihn außerdem an den Schultern gepackt und geschüttelt, wodurch er schmerzhaft mit dem Hinterkopf einmal gegen die Wand gestoßen sei; auch habe der Polizeibeamte ihn einmal mit der flachen Hand gegen den Brustkorb geschlagen. Ferner habe der Beamte ihm damit gedroht, dass er "mit zwei großen Negern" in eine Zelle gesperrt würde, die sich sexuell an ihm vergehen könnten. Insgesamt werde er sich wünschen, nie geboren zu sein. Aufgrund dessen habe er Angst vor dem Beamten gehabt. Es komme als Amtspflichtverletzung der Polizeibeamten dazu, dass ihm in der Zeit von vor 18.00 Uhr am 30.09.2002 bis zum frühen Nachmittag des 01.10.2002 die Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger bzw. dem von ihm als Verteidiger gewünschten Rechtsanwalt vorenthalten worden sei, bevor die polizeilichen Vernehmungen fortgesetzt wurden. Die geschilderten Ereignisse hätten bei ihm zu einer schweren Traumatisierung geführt, die eine lange psychotherapeutische Behandlung erforderlich mache. Schließlich sieht er eine Amtspflichtverletzung darin, dass er 1 1/2 Tage habe ohne Schuhe laufen müssen, insbesondere auf dem Feldweg in O2 auf dem Weg zum Fundort der Leiche; dies habe Verletzungen an den Füßen zur Folge gehabt und sei Ausdruck einer menschenunwürdigen Behandlung. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf seine Schriftsätze vom 28.12.2005 sowie vom 06.01. und 17.07.2006 verwiesen. Das beklagte Land ist dem Gesuch mit Schriftsätzen vom 27.03. und 04.08.2006 entgegengetreten.

Das Landgericht hat den Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 28.08.2006, zugestellt am 01.09.2006, abgelehnt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 29.09.2006 eingelegten und mit Schriftsatz vom 13.01.2007 ergänzend begründeten sofortigen Beschwerde, der das beklagte Land mit Schriftsatz vom 16.11.2006 entgegengetreten ist. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Senat hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 28.02.2007 zurückgewiesen. Auf seine Verfassungsbeschwerde hin hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - diesen Beschluss aufgehoben und das Verfahren an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen. Der Antragsteller hat seine Beschwerde mit Schriftsatz v. 11.04.2008 ergänzend begründet.

Die Akten des Strafverfahrens gegen die Polizeibeamten A und B 5/27 Kls 7570 Js 203814/03 StA Frankfurt am Main - Duplo B Bd. I - V - sowie ein Exemplar des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28.07.2003 - 5/22 Ks 3490 Js 230118/02 -, mit welchem der Antragsteller u.a. wegen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge verurteilt worden ist, haben vorgelegen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Aus den Gründen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts v. 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 -, Seite 8 ff, ist Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte, auf Amtspflichtverletzungen der Polizeibeamten (Art. 34 GG/§ 839 BGB) gestützte Klage nicht wegen mangelnder Erfolgsaussicht zu versagen; denn entsprechend den dortigen Erwägungen, auf die Bezug genommen wird, bietet die beabsichtigte Klage im Sinne des Gesetzes hinreichende Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO), da es bei summarischer Prüfung zumindest möglich ist, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird (vgl. zum Maßstab Zöller-Philippi, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 114 Rn. 19).

2. Einer abschließenden Entscheidung durch den Senat steht entgegen, dass die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers auf dem amtlichen Formular (§ 117 Abs. 4 ZPO) inzwischen mehr als zwei Jahre alt ist und daher die Frage zu beantworten ist, ob und inwieweit sich die Vermögensverhältnisse des Antragstellers inzwischen verändert haben. Die Sache war daher zur endgültigen Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe an das Landgericht zurückzuverweisen, zumal mit der Zurückverweisung eine Zeitverzögerung nicht verbunden ist, wobei das Landgericht in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 2 ZPO (Zöller-Gummer, a.a.O., § 572 Rn. 29) seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Beschwerdegerichts zur Gewährung von Prozesskostenhilfe zugrunde zu legen hat.

Ende der Entscheidung

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