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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 23.07.2004
Aktenzeichen: 1 W 48/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 204 I Nr. 7
BGB § 204 III
ZPO § 411 IV
ZPO § 492 I
1. Wird im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens der geforderte Kostenvorschuss nicht fristgemäß gezahlt, liegt ein Nichtbetreiben des Verfahrens vor.

2. Ein derartiges Nichtbetreiben des Verfahrens führt zu einem Ende der durch die Verfahrenseinleitung ausgelösten Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB) gemäß den in § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB genannten letzten Verfahrenshandlungen. Die Nichteinzahlung eines Kostenvorschusses ist daher nicht aus Gründen der Rechtssicherheit anderen Tatbeständen einer "Beendigung" des selbstständigen Beweisverfahrens - Übersendung des Gutachtens an die Parteien, Fristsetzung gemäß § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO durch das Gericht oder Mitteilung von Einwänden, Anträgen oder Ergänzungsfragen innerhalb angemessener Frist - gleichzustellen.

3. Jedenfalls dann, wenn in zeitlich überschaubarem Zusammenhang nach Ablauf der Fristsetzung für die Zahlung des Vorschusses eine Zahlung noch erfolgt, steht es dem Zweck des selbstständigen Beweisverfahrens nicht entgegen, diesem Fortgang zu geben.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

1 W 48/04

Entscheidung vom 23.07.2004

In der Beschwerdesache

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ... am 23.07.2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des Landgerichts Wiesbaden vom 23.06.2004 und der Nichtabhilfebeschluss vom 15.07.2004 aufgehoben.

Das Verfahren ist in Ausführung des Beschlusses vom 20.11.2003 durch Einholung der dort genannten ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen fortzusetzen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragsgegnerin.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Beschwerdewert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller begehrt Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens durch Einholung eines Ergänzungsgutachtens, wie dies das Landgericht mit Beschluss vom 20.11.2003 angeordnet hat. Der vom Landgericht in diesem Beschluss geforderte Auslagenvorschuss von 2.000 € ist gezahlt worden. Bei der Vorbereitung des Ergänzungsgutachtens stellte sich heraus, dass die Kosten den gezahlten Vorschuss übersteigen. Das Landgericht hat daher mit Beschluss vom 23.03.2004 einen weiteren Kostenvorschuss in Höhe von 2.200 € angefordert und hierzu eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Dieser Beschluss ist dem Antragsteller am 25.03.2004 zugestellt worden. Die Zwei-Wochen-Frist lief damit am 08.04.2004 ab. Der weitere Vorschuss ist aber - nach Angaben des Antragstellers aufgrund eines Versehens - erst am 10.05.2004 gezahlt worden. Das Landgericht hat mit Schreiben vom 29.04.2004 den Antragsteller darauf hingewiesen, dass der weitere Vorschuss nicht gezahlt worden sei und daher das Ergänzungsgutachten nicht eingeholt werden könne. Den Antrag des Antragsteller auf Fortsetzung des Verfahrens hat das Landgericht mit Beschluss vom 23.06.2004, dem Antragsteller zugestellt am 29.06.2004, zurückgewiesen, da das Verfahren infolge nicht fristgemäßer Zahlung des weiteren Auslagenvorschusses seitens des Antragstellers beendet sei. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 12.07.2004 eingelegten sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Das Verfahren ist durch Einholung des gemäß Beschluss vom 20.11.2003 in Auftrag gegebenen Ergänzungsgutachtens fortzusetzen. Denn das Verfahren ist nicht in einer Weise beendet, welche der Fortsetzung des Verfahrens nach Zahlung des angeforderten weiteren Kostenvorschusses für den Sachverständigen entgegenstünde.

Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein selbständiges Beweisverfahren wie das vorliegende mit dem Zugang des Sachverständigengutachtens an die Parteien endet, sofern weder das Gericht in Ausübung des ihm nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO eingeräumten Ermessens eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat, noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Erhalt des Gutachtens Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitgeteilt haben (BGH, Urt. v. 20.02.2002 - VII ZR 228/00 -, BGHZ 150, 55 unter II.1.b der Gründe). Denn der Zeitpunkt der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens ist von maßgeblicher Bedeutung für das Ende der Verjährungshemmung gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB, welche gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB durch den Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens erfolgt ist. Ein solcher Fall der Beendigung liegt hier aber nicht vor. Denn der Antragsteller hat in angemessenem Zeitraum nach Erhalt des Gutachtens die ihm erforderlich erscheinende ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen begehrt, und das Landgericht hat diesem Begehren mit seinem Beschluss vom 20.11.2003 auf Einholung eines Ergänzungsgutachtens entsprochen. Vielmehr ist in der nicht rechtzeitigen Zahlung eines weiteren Kostenvorschusses nachdem der ursprünglich angeforderte, sich als nicht kostendeckend erweisende gezahlt worden war - ein Nicht-Weiterbetreiben des Verfahrens zu sehen (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 23.10.2001 - 14 W 33/01 -, OLGR 2001, 335 unter II. der Gründe). Für einen derartigen Fall knüpft § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB für das Ende der Hemmung der Verjährung nicht an die Beendigung des Verfahrens, sondern an die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder einer sonst mit dem Verfahren befassten Stelle an. Zugleich bestimmt § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB, dass die Hemmung erneut beginne, wenn eine Partei das Verfahren weiter betreibt. Aus der letztgenannten Vorschrift folgt aber zugleich, dass es sich bei einem Nichtbetreiben des Verfahrens nicht um den Fall einer "Beendigung" des Verfahrens als Anknüpfungspunkt für das Ende der Verjährungshemmung handelt, sondern die rechtliche Möglichkeit eröffnet ist, das Verfahren weiter zu betreiben. Dies kann durch jede Prozesshandlung geschehen, die unmittelbar auf das Verfahren einwirkt und dazu bestimmt und geeignet ist, dieses wieder in Gang zu setzen (BGH, Urt. v. 18.10.2000 - XII ZR 85/98 -, NJW 2001, 218 unter II.4. der Gründe). Dies ist hier jedenfalls durch den Schriftsatz des Antragstellers vom 28.05.2004 geschehen, mit dem er auf die bereits am 10.05.2004 erfolgte Zahlung des weiteren Auslagenvorschusses hingewiesen und die Fortsetzung des Verfahrens durch die Einholung des bereits beschlossenen Ergänzungsgutachtens erbeten hat. Diesem Antrag war zu entsprechen.

Einer solchen Handhabung stehen rechtliche Bedenken nicht entgegen. Die oben angeführte Rechtsprechung zur Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens folgt aus dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit für die Frage des Laufs einer Verjährungshemmung. Da für den - hier gegebenen - Fall des Nichtbetreibens des Verfahrens § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB eine spezielle, detaillierte Regelung darüber enthält, an welche tatsächlichen Gegebenheiten in einem derartigen Fall anzuknüpfen ist, ist der Rechtssicherheit Genüge getan, ohne dass es einer Gleichstellung der Nichtzahlung eines Kostenvorschusses mit den dargestellten Beendigungsgesichtspunkten nach Erstattung des Sachverständigengutachtens bedarf (a.A. OLG Frankfurt, 16. ZivSen., Beschl. v. 12.07.2000 - 16 W 20/00 -, OLGR 2001, 103 auf der Grundlage des bis zum 31.12.2001 geltenden Verjährungsrechts).

Eine solche Handhabung auf der Grundlage des § 204 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB entspricht auch der Interessenlage der Parteien des selbständigen Beweisverfahrens. Denn auf diese Weise wird durch eine Ergänzung des bereits vorhandenen Gutachtens zusätzliche Klarheit über das Beweisthema geschaffen, ohne dass es einen neuen selbständigen Beweisverfahrens oder der weiteren Begutachtung in einem späteren Hauptsacheverfahren bedarf. Inwieweit es mit dem Charakter des selbständigen Beweisverfahrens als eines auf ein schnelles Ergebnis gerichteten Verfahrens unvereinbar und daher rechtsmissbräuchlich sein könnte, wenn ein selbständiges Beweisverfahren erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums - etwa durch Zahlung des bereits früher geforderten Vorschusses - weiter betrieben werden soll, kann hier dahinstehen; denn die durch die verspätete Zahlung des weiteres Kostenvorschusses eingetretene zeitliche Verzögerung fiel nicht wesentlich ins Gewicht, nachdem sich die ergänzende Begutachtung dadurch verzögert hatte, dass der Sachverständige aufgrund der winterlichen Witterung die erforderliche Dachöffnung für untunlich hielt und für die Vorbereitung der Begutachtung neben einem Dachdecker weitere Hilfskräfte herangezogen werden mussten. Es braucht daher auch nicht entschieden zu werden, bis zu welchem Zeitpunkt dem Verfahren Fortgang zu geben gewesen wäre, wenn die Streithelferin X GmbH den von ihr gemäß Beschluss vom 03.11.2003 geforderten Kostenvorschuss für die Ergänzung des Sachverständigengutachtens entsprechend den vom ihr im Schriftsatz vom 04.09.2003 aufgeworfenen Fragestellungen gezahlt hätte, was bisher nicht geschehen ist.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO für eine Zulassung nicht erfüllt sind. Insbesondere ergab sich hierfür keine Veranlassung aufgrund des genannten Beschlusses des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt, da dieser auf der Grundlage des nur bis zum 31.12.2001 geltenden früheren Verjährungsrechts ergangen war.

Der Beschwerdewert war gemäß § 3 ZPO entsprechend dem Interesse des Antragstellers an der Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens durch Einholung des von ihm beantragten Ergänzungsgutachtens festzusetzen. Dieses Interesse bemisst der Senat mit 5.000 €.

Ende der Entscheidung

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