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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.03.2009
Aktenzeichen: 10 U 148/08
Rechtsgebiete: GmbHG, InsO


Vorschriften:

GmbHG § 64 Abs 2
InsO § 19 Abs 2
Zur Erstattungspflicht des Geschäftsführers nach § 64 II GmbHG.
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen, das auch über die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz mit zu entscheiden haben wird.

Gerichtskosten werden für den zweiten Rechtszug nicht erhoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Der Kläger nimmt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter betreffend das Vermögen der A Handelsgesellschaft mbH die beiden Beklagten als deren frühere Geschäftsführer auf Ersatz geleisteter Zahlungen in Anspruch.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (S. 1 - 8 des angefochtenen Urteils, Bl. 357 - 363 d. A.) Bezug genommen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Beklagten bereits im ersten Rechtszug unter Beweisantritt (Zeugen, Sachverständigengutachten) vorgetragen haben, dass die Gesellschafter zu den weiteren in der Sanierungsphase erforderlichen finanziellen Investitionen bereit und in der Lage gewesen seien und diese zugesagt gehabt hätten. Seitens der Gesellschafter hätten in Bezug auf erhebliche zusätzliche Forderungen Rangrücktrittserklärungen vorgelegen oder seien zumindest verbindlich zugesagt gewesen. Die B AG sei in der Sanierungsphase zu erheblichen Forderungsverzichten bereit gewesen, die C AG habe ihre Forderungen sogar bis Ende September 2003 gestundet gehabt. Dies habe schließlich zu einer Vergleichsvereinbarung vom 08.10.2003 geführt, die erhebliche Forderungsverzichte der C AG und der B AG beinhaltet habe und bezüglich deren die für die B AG erforderlichen Rangrücktrittserklärungen der Gesellschafter vorgelegen hätten. Das spätere Scheitern der Durchführung des Sanierungskonzepts sei nur darin begründet gewesen, dass aufgrund eines Vorstandswechsels bei der B AG diese sich aufgrund einer dortigen Änderung in der Bewertung des Engagements (nicht etwa aufgrund eines angeblichen Fehlens von Rangrücktrittserklärungen) von der Vereinbarung losgesagt habe und sodann durch Verhaltensweisen und Planungsmaßnahmen der Stadt O2 im Dezember 2003 der weiteren Investitionsbereitschaft der Gesellschafter die Grundlage entzogen worden sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich ein Begehren auf gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 6.387.336,75 € nebst Zinsen, hilfsweise von 6.066.212,29 € nebst Zinsen verfolgt. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.922.824,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.09.2007 zu zahlen, der Beklagte zu 1) darüber hinaus Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom 07.09. - 12.09.2007. Es hat den Beklagten vorbehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse ihre Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen deckten, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass grundsätzlich eine Zahlungspflicht der Beklagten bestehe, weil die Gesellschaft aufgrund eines diesbezüglich zugrunde zu legenden Überschuldungsstatus auf der Grundlage von Liquidationswerten zum Stichtag 30.06.2003 überschuldet gewesen sei. Eine positive Fortbestehungsprognose hätten die Beklagten nicht hinreichend dargetan, insbesondere hätten sie diesbezüglich einen belastbaren Finanzplan nicht vorgelegt. Eine derartige positive Fortbestehungsprognose sei wegen vorhandenen Kapitalbedarfs auch nicht anzunehmen. Der geschlossene Vergleich habe mit einer positiven Fortführung nichts zu tun gehabt. Ein Forderungsverzicht der C AG auf dessen Grundlage habe nicht festgestanden, und ein Verzicht der B AG sei nach deren Angaben gegenüber dem Kläger mangels des Vorliegens von Rangrücktrittserklärungen nicht zustande gekommen. Hinsichtlich vorhandener Gesellschafterdarlehen in Höhe von rund 702.000,- € sei ein erfolgter Rangrücktritt nicht belegt worden. Vor diesem Hintergrund könne von einer positiven Fortführungsprognose nicht ausgegangen werden. Für die Beklagten sei die Überschuldung der Insolvenzschuldnerin auch erkennbar gewesen; soweit sie sich insofern auf die Einholung des Rats Dritter berufen hätten, sei dies ohne Bedeutung, weil die Beklagten hierzu nicht hinreichend vorgetragen hätten und es sich bei dem eingeschalteten Betriebswirt SV1, der das strategische Überlebenskonzept entwickelt habe, nicht um einen unabhängigen Berater gehandelt habe. Hinsichtlich des Umfangs der seitens der Beklagten bestehenden Zahlungspflicht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass diese nur in Höhe des ausgeurteilten Betrages bestehe. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der landgerichtlichen Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (S. 8 - 17, Bl. 363 - 372 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagten, denen das angefochtene Urteil am 26.05.2008 und in berichtigter Form am 25.06.2008 zugestellt worden ist, haben hiergegen am 23.06.2008 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich zum 27.08.2008 mit Eingang von diesem Tage begründet. Der Kläger, dem das erstinstanzliche Urteil am 11.06.2008 und in berichtigter Form am 08.07.2008 zugestellt worden ist, hat am 10.07.2008 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit Eingang vom 11.08.2008 begründet.

Die Beklagten machen mit ihrer Berufung geltend, dass das Landgericht bei seiner ohne Durchführung einer Beweisaufnahme erfolgten Entscheidung erhebliches Parteivorbringen der Beklagten zur Frage des Vorliegens einer positiven Fortführungsprognose sowie zur Frage einer diesbezüglichen Erkennbarkeit für die Beklagten übergangen habe. Der Kläger macht mit seiner Berufung die Erstattungsfähigkeit weiterer Zahlungen geltend.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des am 14.05.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Wiesbaden, Az: 11 O 59/07, die Klage abzuweisen;

hilfsweise gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO das Verfahren unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Landgericht Wiesbaden zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zu seiner Berufung beantragt er unter teilweiser Abänderung des am 14.05.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Wiesbaden (Az: 11 O 59/07) die Beklagten nach dem Hauptantrag als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger weitere 3.091.975,25 € nebst Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen hierzu,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die im Senatstermin am 20.02.2009 abgegebenen Erklärungen der Parteien Bezug genommen.

B.

Die Berufungen der Parteien sind statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache führen sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO).

I.

Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass die Beklagten eine positive Fortführungsprognose nicht hinreichend dargelegt hätten, und es hat dies damit begründet, dass ein belastbarer Finanzplan nicht existiere, auch nach den Berechnungen der Beklagten ein ungedeckter Kapitalbedarf verblieben sei und die mit der C AG und der B herbeigeführten Regelungen nicht zu einer Sanierung der Insolvenzschuldnerin geführt hätten. Dem kann nicht zugestimmt werden; das Landgericht hätte vielmehr hinsichtlich des diesbezüglichen Parteivorbringens Beweis erheben müssen.

1. Die Erstattungspflicht des Geschäftsführers nach § 64 II GmbHG setzt voraus, dass nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Eintritt ihrer Überschuldung Zahlungen geleistet wurden. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners/der Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt; bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners/der Gesellschaft ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist (§ 19 II InsO).

Nach diesem Überschuldungsbegriff des § 19 II InsO kann eine positive Fortführungsprognose für sich allein eine Insolvenzreife des Schuldners nicht ausräumen, sondern ist lediglich für die Bewertung seines Vermögens nach Fortführungs- oder Liquidationswerten von Bedeutung. Aus dem Aufbau der Norm des § 19 II InsO folgt, dass die Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten in Satz 1 den Regelfall und die nach Fortführungswerten in Satz 2, der eine positive Fortbestehensprognose voraussetzt, den Ausnahmefall darstellt (BGH ZIP 2006, 2171; BGH ZIP 2007, 676 ff., 679; OLG Frankfurt NZG 2001, 173 f.; OLG Naumburg GmbHR 2004, 361 ff., 361).

Eine günstige Fortführungsprognose setzt sowohl den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe als auch die objektive Überlebensfähigkeit des Unternehmens voraus (BGH ZIP 2006, 2171). Dies ist dann der Fall, wenn der in Anspruch genommene Geschäftsführer dartun kann, dass mittelfristig nicht mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu rechnen war (OLG Frankfurt NZG 2001, 173 f., 174). Die Prognose ist dann positiv, wenn sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Gesellschaft mittelfristig (in einem betriebswirtschaftlich überschaubaren Zeitraum) Einnahmenüberschüsse erzielen werde, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können (OLG Naumburg GmbHR 2004, 361 ff., 362).

Bei dieser positiven Fortbestehensprognose ist dem Geschäftsführer ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen (BGHZ 126, 181 ff., 199; OLG Naumburg NZG 2001, 136 f., 137; OLG Koblenz NJW-RR 2003, 1198 f., 1199; OLG Naumburg GmbHR 2004, 361 ff., 363). Insofern reichen bereits begründete Anhaltspunkte für das Bestehen einer solchen Prognose aus, um zulässigerweise den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten (OLG Frankfurt NZG 2001, 173 f., 174). Daher kommt es nicht auf nachträgliche Erkenntnisse (ex post), sondern auf die damalige Sicht (ex ante) eines ordentlichen Geschäftsmanns an (BGHZ 126, 181 ff., 199; OLG Koblenz NJW-RR 2003, 1198 f., 1199; OLG Naumburg GmbHR 2004, 361 ff., 363).

Hinsichtlich der diesbezüglichen Beweislast wird davon auszugehen sein, dass im Haftungsprozess nach § 64 II GmbHG die Geschäftsleitung die Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen hat, aus denen sich eine günstige Prognose für den fraglichen Zeitraum ergibt (BGH ZIP 2006, 2171; OLG Koblenz NJW-RR 2003, 1198 f., 1198; OLG Naumburg GmbHR 2004, 361 ff., 362; a.A. OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 718; offen: BGHZ 126, 181 ff., 200).

2. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil die Auffassung vertreten, die Annahme einer positiven Fortführungsprognose scheitere bereits daran, dass die Beklagten einen belastbaren Finanzplan nicht vorgelegt hätten. Diese Überlegung kann aber jedenfalls nicht ausreichen, um den Beklagten den Beweis einer günstigen Prognose zu verwehren. Zwar wird man davon ausgehen können, dass die Prognose der Überlebensfähigkeit des Unternehmens grundsätzlich aus einem aussagekräftigen Unternehmenskonzept (Ertrags- und Finanzplan) herzuleiten ist (BGH ZIP 2006, 2171; OLG Naumburg GmbHR 2004, 361 ff., 362). Die Berechtigung der Annahme eines Geschäftsführers, eine positive Fortbestehensprognose sei für die Gesellschaft gegeben, setzt aber nicht voraus, dass diese Einschätzung aufgrund eines Ergebnis- und Finanzplans als Bestandteil eines Sanierungskonzepts getroffen worden ist (OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 718). Ihre Bejahung kann sich vielmehr auch aus weniger formellen Planungen und Beratungen ergeben, wenn diese sich über einen betriebswirtschaftlich überschaubaren Zeitraum erstrecken und die Planung betriebswirtschaftliche Maßnahmen betrifft, die eine Besserung der Situation erwarten ließen (vgl. OLG Naumburg GmbHR 2004, 361 ff., 362).

3. Die Beklagten haben vorgetragen, das weitgehend fertig gestellte Sanierungskonzept sei tragfähig und zur Überlebensfähigkeit der Gesellschaft geeignet gewesen (Beweis: Sachverständigengutachten); es sei vom Sanierungswillen der Beteiligten und den tatsächlichen Möglichkeiten der Umsetzung getragen gewesen, so dass die Geschäftsleitung von der Fortsetzbarkeit des Unternehmens, also auch von der Maßgeblichkeit von Fortführungswerten, habe ausgehen dürfen (Beweis: Sachverständigengutachten). Auch im zweiten Rechtszug tragen die Beklagten vor, es sei nach dem Sanierungskonzept überwiegend wahrscheinlich gewesen, dass die Gesellschaft dauerhaft fortgeführt werden könne (Beweis: Sachverständigengutachten). Dies folge aus einer Vielzahl im einzelnen dargestellter Kosteneinsparungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen (Beweis: Zeuge SV1 und SV2, Sachverständigengutachten), von denen nur eine darin bestanden habe, dass durch die Schließung der Filiale O1 pro Jahr 360.000,-- € eingespart worden wären (Beweis: sachverständiger Zeuge SV3, Sachverständigengutachten). Weiter haben die Beklagten vorgetragen, die aufgrund der positiven Fortführungsprognose zugrunde zu legenden Fortführungswerte führten zu einer Berechtigung eines Überschuldungsstatus dahin, dass ein Eigenkapital von 361.000,-- € verbleibe (Beweis: Sachverständigengutachten). Dies ergebe sich auch aus einer Eröffnungsbilanz zum 30. 6. 2003 (Beweis: sachverständiges Zeugnis SV3, Sachverständigenggutachten).

Diesem Vorbringen der Beklagten hätte das Landgericht nachgehen müssen. Die Beklagten haben hinreichend vorgetragen, und die Frage der Prüfung der Richtigkeit ihres Vortrages setzt die Einbeziehung schriftlichen Sachverstandes voraus, über den ein Gericht im Normalfall nicht in hinreichendem Umfang verfügt. Wenn ein Gericht diesbezüglich hinreichende Fachkunde ausdrücklich für sich in Anspruch nehmen will (das Landgericht hat dies nicht getan), muss es dies konkret begründen. Andernfalls muss es die maßgeblichen Tatsachen aufklären und die betriebswirtschaftliche Bewertung nach Einholung eines Sachverständigengutachtens vornehmen. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, dass der Senat die insgesamt erfolgte Einschätzung des Landgerichts nicht für fern liegend hält. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob ein Gericht eine Verurteilung (zumal in der hier streitgegenständlichen Höhe) auf eine Plausibilitätsprüfung ohne hinreichend präzise betriebswirtschaftliche Begutachtung stützen kann. Dies ist nicht der Fall.

4. Das Landgericht hat die Verneinung des Vorliegens einer positiven Fortführungsprognose ohne Durchführung einer Beweisaufnahme u.a. damit begründet, dass auch nach dem Sanierungskonzept der Beklagten ein zusätzlicher Kapitalbedarf von einer Million Euro bestanden habe (Bl. 364 f. d.A.). Damit hat es wesentliches Parteivorbringen der Beklagten übergangen.

Die Beklagten haben in beiden Rechtszügen vorgetragen, dass die Gesellschafter das Unternehmen nicht nur in der Vergangenheit deutlich über ihre Einlageverpflichtungen hinaus finanziert und ihm weiteres Kapital von insgesamt 5.456.681,51 Euro, davon noch unter dem 30. 5. 2003 einen Betrag von 1,5 Millionen Euro zugeführt hätten. Der Gesellschafter D sei vielmehr auch zu den weiteren für die Sanierung erforderlichen Investitionen bereit gewesen (Beweis: Zeugen Z1, Z4), diesbezüglich er eine feste Zusage gegeben gehabt habe (Beweis: Zeugen Z1, Z2 und Z3). Die Gesellschafter seien zur Deckung etwaig in der Sanierungsphase notwendigen Liquiditätsbedarfs bereit und in der Lage gewesen (Beweis: Zeuge Z1). Die beabsichtigten Investitionen seien in der Folgezeit nur deshalb nicht vorgenommen worden, weil die Stadt O2 im Dezember 2003 weitere Verkaufsflächen für Discounter im Elektronikbereich (E) freigegeben habe und damit die Wirtschaftlichkeit aufgrund des Mengenangebotes nicht mehr hinreichend gewährleistet gewesen sei, der Einsatz weiteren Kapitals in dieser geänderten Wettbewerbssituation somit nicht mehr die erforderliche Rendite habe sichern können. Erst aufgrund dieser Umentscheidung sei dann unmittelbar Insolvenzantrag gestellt worden (Beweis: Zeugen Z1. Z4).

Über diese Behauptung der Beklagten hätte das Landgericht Beweis erheben müssen. Insofern kann es keine entscheidende Rolle spielen, dass es letztlich nicht zu weiteren finanziellen Zuschüssen der Gesellschafter gekommen ist. Entscheidend ist vielmehr ausschließlich, ob im Sinne einer ex-ante-Betrachtung zum entscheidenden Zeitpunkt die Erbringung der benötigten Leistung durch die Gesellschafter überwiegend wahrscheinlich war. Diese Frage konnte ohne Erhebung der angebotenen Beweise nicht entschieden werden.

5. Mit Vertrag vom 30. 5. 2003 war eine (atypisch) stille Gesellschaft zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Z3 und Z2 GbR vereinbart worden. Bezüglich der mit Wirkung vom 1. 6. 2003 geleisteten Einlage in das Gesellschaftsvermögen hatten die (atypisch) stillen Gesellschafter hinsichtlich ihrer Forderung aus der stillen Gesellschaft einen Rangrücktritt erklärt. Der Rückforderungsanspruch der atypischen stillen Gesellschafter in Höhe von 1.171.309,29 € wurde daraufhin auf der Passivseite des Überschuldungsstatus der Gesellschaft zum 30. 6. 2003 - ungeachtet möglicherweise bestehen könnender Bedenken dahin, ob es sich um einen qualifizierten Rangrücktritt handelte - eliminiert.

Die Beklagten haben im hiesigen Rechtsstreit aber von Anfang an geltend gemacht, dass darüber hinaus auch bezüglich weiterer Forderungen i.H.v. 702.216,23 € Rangrücktrittserklärungen der Gesellschafter vorgelegen hätten, so dass auch diese Forderungen hätten nicht mehr passiviert werden können, sondern vielmehr hätten unberücksichtigt bleiben müssen. Soweit der Kläger das Fehlen entsprechender Rangrücktrittserklärungen in den schriftlich vorliegenden Unterlagen beanstandet hat, haben sie ausgeführt, dass es darauf nicht entscheidend ankomme. Denn ungeachtet der Unauffindbarkeit eines entsprechenden Dokuments seien formlose Rangrücktrittserklärungen erfolgt, jedenfalls seien diesbezüglich verbindliche Zusagen abgegeben worden (Beweis: Zeugen Z1, Z2, Z3, SV3, SV1, SV2).

Die Erklärung eines Rangrücktritts ist anzunehmen, wenn der betreffende Gesellschafter sinngemäß erklärt hat, er wolle wegen der genannten Forderung erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und - bis zur Abwendung der Krise - auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt werden. Eine solche Rangrücktrittserklärung (§ 39 II InsO), durch die Gesellschafter häufig die Insolvenzreife verhindern und einen Sanierungsbeitrag leisten wollen, führt dazu, dass die mit Rangrücktritt versehene Forderung in einer Überschuldungsbilanz und im Überschuldungsstatus nicht zu berücksichtigen ist (BGHZ 146, 264 ff., 271 = NJW 2001, 1280 ff., 2181 = NZI 2001, 196 ff.; BGH NJW 2007, 2118 ff., 2119; BGH ZIP 2007, 676 ff., 679; OLG Frankfurt NZG 2001, 173 f., 173; Andres/Leithaus, InsO, 1. Aufl. 2006, § 39 Rdn. 9; Braun, InsO, 3. Aufl. 2007, § 39 Rdn. 19 ff.).

Dieser Behauptung der Beklagten hätte das Landgericht nachgehen müssen. Die Tatsache, dass nach dem Vorbringen des Klägers in der Folge sämtliche Forderungen der Gläubiger Z3, F.A.C.H. GmbH & Co. KG und Z2 von diesen im Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldet wurden, steht dem nicht entscheidend entgegen. Denn dies besagt zum einen nichts über die Berechtigung der diesbezüglichen Anmeldung, zum anderen aber würde auch die Änderung der von den Gesellschaftern eingenommenen Position in der Folgezeit aufgrund der weiteren Entwicklung einer Einschätzung dahin, dass zum damaligen Zeitpunkt Rangrücktrittserklärungen abgegeben oder zumindest verbindlich zugesagt worden sind, nicht entgegenstehen. Entscheidend ist insofern, wie bereits angesprochen, eine Betrachtung unter Zugrundelegung der damals verfügbaren Erkenntnisse (ex ante).

Das Landgericht ist auf das dargestellte, unter Beweis gestellte Vorbringen der Beklagten nicht eingegangen, es hat sich vielmehr auf die Formulierung beschränkt, die Beklagten hätten einen Rangrücktritt nicht belegt. Mit dieser Begründung konnte aber die erforderliche Beweiserhebung nicht unterlassen werden. Ergänzend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass hinsichtlich seitens der Beklagten vorgelegter Erklärungen gegenüber der B AG zu berücksichtigen sei, dass nach Auffassung der B AG eine entsprechende Vereinbarung über einen Forderungsverzicht nicht wirksam geworden sei und der Vorgang im Übrigen nur das Verhältnis der Gesellschafter gegenüber der B, also nur einer einzigen Gläubigerin, betreffe. Dies ist nicht hinreichend tragfähig. Abgesehen davon, dass für die Frage der Beurteilung der Wirksamkeit eines Forderungsverzichts nicht die Einschätzung einer diesbezüglich beteiligten Vertragspartei maßgeblich sein kann, kann auch einem nicht eindeutigen Schriftwechsel der Gesellschafter mit einer Gläubigerin nichts Entscheidendes entnommen werden, was der unter Beweis gestellten Behauptung einer Partei, es seien uneingeschränkt Rangrücktrittserklärungen abgegeben oder jedenfalls verbindlich zugesagt worden, entgegen gesetzt werden könnte.

6. Die Beklagten haben in beiden Rechtszügen vorgetragen, dass die B AG das Sanierungskonzept der Insolvenzschuldnerin uneingeschränkt mitgetragen habe (Beweis: Zeugnis SV1, SV2, Mitarbeiter der C AG). Die B AG habe sich insofern zu einem Forderungsverzicht i.H.v. 500.000,-- € (Beweis: Zeugen SV1, SV2), schließlich sogar zu einem Forderungsverzicht i.H.v. rd. 1, 5 Millionen € (Beweis: Zeugen Z5, Z6) bereit erklärt. Dies hätte ausgereicht, um eine Überschuldung der Gesellschaft zu vermeiden (Beweis: Sachverständigengutachten).

Im September 2003 sei es zu einer Ablehnung des Sanierungskonzepts durch den Aufsichtsrat der C AG gekommen, die dem bisherigen Verhalten des Vorstandes der C AG widersprochen habe und wobei die C AG noch Mitte September einen erheblichen Forderungsverzicht als vorstellbar bezeichnet gehabt habe. Aufgrund dieser Ablehnung, durch die es erstmals zu einer Fälligstellung der bestehenden Forderungen (zum 26. 9. 2003) gekommen sei (Beweis: Zeugnis Mitarbeiter C AG), sei es dann zum Abschluss der Vergleichsvereinbarung gekommen, wie sie schriftlich unter dem Datum v. 8./10. 10. 2003 - ergänzt durch die Verlängerungsvereinbarung vom 28. 11. 2003 - niedergelegt worden sei. Diese bilanzfeste Vereinbarung habe den Eintritt einer Überschuldung ausgeschlossen (Beweis: Sachverständigengutachten). Sogar noch Ende September 2003 sei danach die Fortführung der Gesellschaft überwiegend wahrscheinlich gewesen (Beweis: Sachverständigengutachten).

Die genannte Vereinbarung war so konzipiert, dass die Vertragsbeteiligten davon ausgingen, dass nach Durchführung der dort vereinbarten Maßnahmen der Insolvenzschuldnerin noch ein Warenlager verbleibe und sich die gegenüber der C AG bestehenden Verbindlichkeiten auf nicht mehr als 1,345 Millionen € verminderten. Vor diesem Hintergrund enthielt die Regelung einen Forderungsverzicht sowohl der B AG als auch der C AG. Die Beklagten haben diesbezüglich vorgetragen, dass sie aufgrund der sich aus der Vereinbarung ergebenden Stundung und im Hinblick auf den vereinbarten Forderungsverzicht von der Vermeidbarkeit einer Insolvenz der Gesellschaft hätten ausgehen können, eine positive Fortführungsprognose folglich bestanden habe. Sie haben zutreffend darauf hingewiesen, dass für die diesbezügliche Einschätzung nicht die tatsächlich in der Folgezeit eingetretene weitere Entwicklung, sondern eine Betrachtung im Lichte der damals bekannten Gegebenheiten maßgeblich sei.

Die Beklagten haben sogar unter Beweisantritt (sachverständiges Zeugnis SV3, Sachverständigengutachten) vorgetragen, dass es aufgrund der getroffenen Vereinbarung zu einer Vollentschuldung auf Lieferantenseite und einer fast völligen Entschuldung gegenüber dem Kreditinstitut gekommen sei.

Die Ausführungen des Landgerichts, mit denen dieses die Erhebung der seitens der Beklagten angebotenen Beweise unterlassen hat, sind nicht haltbar. Das Landgericht hat zum einen darauf abgestellt, dass der abgeschlossene Vergleich sich letztendlich lediglich als der Versuch der geordneten Abwicklung der Insolvenzschuldnerin erweise, diese Wertung aber getroffen, ohne sich damit zu befassen, dass ein Teil der Verkaufserlöse der Gesellschaft verbleiben sollte, von einem Verbleib von Ware bei ihr ausgegangen wurde, nach dem Beklagtenvorbringen ein weiterer kontinuierlicher Warenbezug durch Intensivierung bereits bestehender Lieferbeziehungen mit Dritten gewährleistet war und die Beklagten unter Beweisantritt (Sachverständigengutachten) vorgetragen haben, dass die getroffene Vereinbarung eine positive Fortbestehensprognose gerechtfertigt habe. Dass das Sanierungskonzept der Beklagten mit einer Rückführung geschäftlicher Aktivitäten ("Gesundschrumpfen") verbunden war, steht der Annahme einer positiven Fortbestehensprognose nicht entgegen.

Des Weiteren hat das Landgericht seine Entscheidung damit begründet, der Forderungsverzicht der C AG und derjenige der B AG hätten nicht festgestanden, letzterer sei nach den vom Kläger eingereichten Unterlagen offensichtlich überhaupt nicht zustande gekommen. Das Landgericht hat dabei zunächst nicht berücksichtigt, dass es bei der insofern maßgeblichen Einschätzung nicht um die Betrachtung der tatsächlichen Entwicklung in der Folge geht, sondern um die Beurteilung im Lichte der damals bestanden habenden Erkenntnisse. Der Forderungsverzicht war aber in der Vergleichsvereinbarung erklärt, und nach Eintritt der dort formulierten Voraussetzungen wäre er wirksam geworden. Die Annahme des Landgerichts, der Forderungsverzicht der B sei "offensichtlich" nicht zustande gekommen, ist nicht haltbar, sie übergeht das dem entgegen stehende und unter Beweis gestellt Vorbringen der Beklagten. Nach Ziff. 8 der schriftlich am 8./10. 10.2003 festgehaltenen Vergleichsvereinbarung sollten die Bedingungen des Verzichts der B gegenüber der Gesellschaft separat geregelt werden. Diese Bedingungen wurden in Ziff. 4 der Vereinbarung über Forderungsverzicht mit Besserungsschein zwischen der B AG und der Insolvenzschuldnerin v. 26. 11. / 8. 12. 2003 dahin geregelt, dass diesbezüglich Rangrücktrittserklärungen der Gesellschafter der Beklagten zu erfolgen hatten. Wie bereits ausgeführt (oben Ziff. 5), haben die Beklagten unter Beweisantritt vorgetragen, dass die diesbezüglichen Rangrücktrittserklärungen abgegeben worden seien; diesen Beweisantritt hätte das Landgericht nicht übergehen dürfen. Im Übrigen kam es auch hier hinsichtlich der Berechtigung einer positiven Fortführungsprognose nicht darauf an, ob letztlich entsprechende Rangrücktrittserklärungen abgegeben wurden (oder schriftliche Rangrücktrittserklärungen vorgelegt werden können), sondern darauf, ob im maßgeblichen Zeitpunkt realistisch von der Erfüllung dieser Bedingung ausgegangen werden konnte.

Wie wiederholt angesprochen, ist für die hier maßgebliche Beurteilung die spätere Entwicklung nicht entscheidend. Hinsichtlich dieser haben die Beklagten vorgetragen, dass es im Ergebnis nur deshalb nicht zur Durchführung des Sanierungskonzepts gekommen sei, weil ein Wechsel im Vorstand der B stattgefunden und der neue Vorstand sich aus den Beklagten unbekannten Gründen von der Vereinbarung losgesagt habe, worauf sie unverzüglich Eigensolvenz angemeldet hätten; der Wirksamkeit des erklärten Forderungsverzichts der B AG habe jedenfalls nicht ein angebliches Fehlen von Rangrücktrittserklärungen entgegen gestanden (Beweis: Zeuge Z5).

Abschließend war somit auch insoweit festzustellen, dass die Auffassung der Beklagten, wonach das Landgericht über das Ausreichen der getroffenen Sicherungsmaßnahmen hätte Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erheben müssen, zutrifft.

7. Hinsichtlich der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen haben die Beklagten vorgetragen, dass diese zu mindestens 94 % von der C AG repräsentiert worden seien (Beweis: Zeugen SV1, SV2). Die Erstellung einer Unternehmensanalyse und die Sanierung und Gewährleistung der Fortsetzung des Unternehmens sei zusammen mit der C AG intensiv betrieben worden, deren Geschäftsleitung von einer Sanierungsfähigkeit und Fortsetzungsfähigkeit des Unternehmens ausgegangen sei (Beweis: Zeugen SV1, SV2). Dies habe sich u.a. aus für die C AG erstellten Rentabilitätsberechnungen v. 12., 19. und 21. 6. 2003 ergeben (Beweis: Zeuge SV1, Sachverständigengutachten). Die C AG habe die diesbezüglich erforderliche Unterstützung zugesagt (Beweis: Zeugen SV1, SV2), da sie an der Sanierung der Gesellschaft sehr interessiert gewesen sei (Beweis: Zeuge Z9).

Vor diesem Hintergrund habe zwischen der Gesellschaft und der C AG eine Vereinbarung dahingehend bestanden, dass im Rahmen der Restrukturierung des Unternehmens Forderungen, die nicht aktuell bezahlt würden, gestundet seien (Beweis: Zeugen SV1, SV2, Z7, Z8). Die bestehenden Forderungen der C AG seien daher nicht fällig gewesen (Beweis: Zeugen SV1, SV2, Z7, Z8).

In der Zeit von März 2003 bis zum 20. 9. 2003 sei eine Vielzahl von Besprechungen mit der C AG über das Sanierungskonzept geführt worden, als deren Ergebnis die Geschäftsführung der C AG das Konzept am 20. 6. 2003 bestätigt habe (Beweis: Zeugen SV1, SV2). Über das gemeinsam von der Gesellschaft und der Geschäftsleitung der C AG verhandelte Fortführungskonzept habe noch der Aufsichtsrat der C AG entscheiden sollen; bis zu dieser Entscheidung habe die Stundung der Forderungen Bestand haben sollen, so dass aufgrund der umfassenden Stillhalte- und Stundungsabsprachen eine fällige Forderung der C AG bis Ende Juni 2003 nicht bestanden habe (Beweis; Zeugen SV1, Z9, Z7, Z8).

Am 11. 9. 2003 sei seitens des Vorstands der C AG telefonisch mitgeteilt worden, dass das Sanierungskonzept keine Zustimmung des Aufsichtsrats der C AG finde und daher bis Ende Oktober 2003 zu zahlen sei, allerdings in einem diesbezüglichen Schreiben eine weitere Stundungsregelung angeboten werden werde (Beweis: Zeugen Z7, Z9). Über diese - bereits angesprochene (oben Ziff. I 6 Abs. 2) - Ablehnung des Sanierungskonzepts durch den Aufsichtsrat der C AG sei diese schriftlich durch ein Schreiben v. 12. 9. 2003 informiert worden, in dem ebenfalls das Zustandekommen einer mit einer weiteren Stundung verbundenen Rückführungsabrede in Aussicht gestellt worden sei. Nach den begleitenden Absprachen sei das Schreiben nicht etwa so zu verstehen gewesen, dass hinsichtlich der offenen Forderungen vom Vorliegen von Verzug ausgegangen worden sei; nach diesen Absprachen seien vielmehr bis zum 26. 9. 2003 die Forderungen nicht fällig geworden (Beweis: Zeugen SV1, Z9. Z7, Z8).

Aufgrund dieser Situation sei in der unmittelbaren Folgezeit die Möglichkeit des Zustandekommens einer vergleichsweisen Lösung sondiert worden, wobei seitens der C AG - wie im Schreiben des Beklagten zu 1) vom 16. 9. 2003 bestätigt - ein erheblicher Forderungsverzicht seitens der C AG als vorstellbar bezeichnet worden sei.

Dies habe schließlich zu der - bereits angesprochenen (oben Ziff. I 6 Abs. 2) - Vergleichsvereinbarung vom 8. 10. 2003 geführt, in der festgehalten worden sei, dass die C AG die Forderungen grundsätzlich zum 26. 9. 2003 fällig gestellt, aber unter bestimmten, tatsächlich eingetretenen Bedingungen bis zum 8. 10. 2003 gestundet habe. Diese Vereinbarung hätte zu einem erheblichen Forderungsverzicht der C AG geführt, so dass Überschuldung nicht eingetreten sei. Dass das Sanierungskonzept auf Dauer nicht gegriffen habe, sei ausschließlich darauf zurückzuführen gewesen, dass zunächst in der Folgezeit der neue Vorstand der B AG sich von der Vereinbarung losgesagt habe und in der weiteren Folgezeit die Gesellschafter zur Deckung in der Sanierungsphase notwendigen Liquiditätsbedarfs schließlich nicht mehr bereit gewesen wären, nachdem im Dezember 2003 aufgrund der Zulassung weiterer Verkaufsflächen für Discounter im Elektronikbereich durch die Stadt O2 die Wirtschaftlichkeit nicht mehr hinreichend gewährleistet gewesen sei.

Da es für die Frage einer positiven Fortführungsprognose auf die Sicht unter Zugrundelegung der im maßgeblichen Zeitpunkt (und nicht aus retrospektiver Betrachtung) vorhandenen Erkenntnisse ankommt, hätte das Landgericht diesem Vorbringen der Beklagten, wovon diese zutreffend ausgehen, nachgehen und die angebotenen Beweise erheben müssen.

8. Wie im Einzelnen dargestellt wurde, haben die Beklagten jeweils unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Gesellschafter zu den weiteren in der Sanierungsphase erforderlichen finanziellen Investitionen bereit und in der Lage gewesen seien und diese zugesagt gehabt hätten, von ihnen in Bezug auf erhebliche zusätzliche Forderungen Rangrücktrittserklärungen vorgelegen hätten oder zumindest verbindlich zugesagt gewesen seien, die B in der Sanierungsphase zu erheblichen Forderungsverzichten bereit gewesen sei und die C AG ihre Forderungen sogar bis Ende September 2003 gestundet gehabt habe, was schließlich zu der Vergleichsvereinbarung vom 8. 10. 2003 geführt habe, die erhebliche Forderungsverzichte der C AG und der B AG beinhaltet habe und bezüglich deren die für die B AG erforderlichen Rangrücktrittserklärungen der Gesellschafter vorgelegen hätten, und das spätere Scheitern der Durchführung des Sanierungskonzepts nur darin begründet gewesen sei, dass aufgrund eines Vorstandswechsels bei der B AG diese sich aufgrund einer dortigen Änderung in der Bewertung des Engagements (nicht etwa aufgrund eines angeblichen Fehlens von Rangrücktrittserklärungen) von der Vereinbarung losgesagt habe und sodann durch Verhaltensweisen und Planungsmaßnahmen der Stadt O2 im Dezember 2003 der weiteren Investitionsbereitschaft der Gesellschafter die Grundlage entzogen worden sei. Das Landgericht hätte diesem Parteivorbringen nachgehen und durch Vernehmung der diesbezüglich umfangreich angebotenen Zeugen Beweis erheben müssen. Da es dies unter Übergehen des diesbezüglichen Parteivorbringens der Beklagten nicht getan hat, ist die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO).

Nach Nachholung der erforderlichen Aufklärungen hinsichtlich der damaligen tatsächlichen Abläufe wird das Landgericht dann ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen haben, ob auf dieser Grundlage die unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten zutrifft, dass - jedenfalls unter Berücksichtigung des diesbezüglich bestehenden Beurteilungsspielraums der Geschäftsführer - zu den maßgeblichen Zeitpunkten eine positive Fortführungsprognose begründet gewesen sei. Das Landgericht wird in diese Bewertung die unter Beweis gestellten Behauptungen der Beklagten einzubeziehen haben, dass die umfangreich vorgetragenen geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen sich insgesamt als ein Sanierungskonzept dargestellt hätten, bei dem - jedenfalls unter Berücksichtigung der zunächst bestanden habenden Stundungen der C AG und der Verzichtsbereitschaft der B AG sowie des später wirksam vereinbarten Forderungsverzichts beider Unternehmen in der Vergleichsvereinbarung vom 8. 10. 2003 - eine dauerhafte positive Fortführung der Gesellschaft überwiegend wahrscheinlich gewesen sei, und zwar nicht nur bis zu dem vom Landgericht als für den Eintritt der Überschuldung als maßgeblich angesehen Zeitpunkt, sondern darüber hinaus bis unmittelbar vor Stellung des Insolvenzantrags.

Für den Fall der Verifizierung des diesbezüglichen Beklagtenvorbringens wird das Landgericht sodann ein Sachverständigengutachten über die Beurteilung der Frage der Überschuldung auf der Grundlage von Fortführungswerten einzuholen haben.

II.

Selbst wenn nach Durchführung der erforderlichen Aufklärungen nicht davon auszugehen wäre, dass eine positive Fortführungsprognose bestand und auf der Grundlage von Fortführungswerten keine Überschuldung vorlag, könnte dennoch das Ergebnis der durchzuführenden Beweisaufnahme dahin ausfallen, dass eine Zahlungspflicht der Beklagten nicht besteht, weil die Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar waren (§ 64 II 2 GmbHG).

1. Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 GmbHG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen leistet, wird allerdings vermutet, dass er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat. Nach § 64 II 2 GmbHG kann er diese Vermutung allerdings durch den Nachweis widerlegen, dass die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar war. Der hierfür anzulegende Maßstab bestimmt sich nicht allein nach den allgemeinen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers, der bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren hat; er ist vielmehr an dem besonderen Zweck des § 64 II GmbHG auszurichten, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil geltende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern. Soweit durch Leistungen des Geschäftsführers im Einzelfall größere Nachteile für die Masse abgewendet werden, kann deswegen ein Verschulden nach § 64 II 2 GmbHG zu verneinen sein. Sachvortrag eines beklagten Geschäftsführers, aus dem dieser herleiten will, dass er sich ordnungsgemäß verhalten hat, muss daher vollständig geprüft werden (BGHZ 143, 184 ff., 185; BGHZ 146, 264 ff., 274 f.; BGH NJW 2007, 2118 ff., 2120). Es kommt also darauf an, von welcher Einschätzung der Geschäftsführer ausgehen durfte (vgl. BGH ZIP 2007, 676 ff., 677).

Ungeachtet der Frage der Beweislast ist die Frage, ob der Geschäftsführer bei der Vornahme oder beim Unterlassen einer ihm obliegenden Leitungsaufgabe mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt hat, gerichtlich nur eingeschränkt, nämlich auf die Einhaltung der normativen Vorgaben sowie der Grundregeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung überprüfbar, während die Frage der Zweckmäßigkeit der Maßnahme in den nicht überprüfbaren Ermessensspielraum des Geschäftsführers fällt (OLG Naumburg NZG 2001, 136 f., 137 m. w. Nachw.). Da dem Geschäftsführer bei der Aufstellung der Fortführungsprognose ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist, reichen bereits begründete Anhaltspunkte für das Bestehen einer solchen Prognose aus, zulässigerweise den Geschäftsbetrieb fortzuführen; wenn der Geschäftsführer - bei Zugrundelegung nicht nachträglicher Erkenntnisse, sondern der damaligen Sicht eines ordentlichen Geschäftsmanns - hinreichende Anhaltspunkte dafür hatte, davon auszugehen, die Gesellschaft sei mittelfristig in der Lage, die Gewinnzone zu erreichen und die erwirtschafteten Verluste überzukompensieren (OLG Frankfurt NZG 2001, 173 f., 174; OLG Naumburg GmbHR 2004, 361 ff., 362 f.).

2. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten in beiden Rechtszügen unter Beweisantritt (Sachverständigengutachten) vorgetragen, dass angesichts des erarbeiteten Sanierungskonzepts und dessen Umsetzungswahrscheinlichkeit durch die Kooperationsbereitschaft der Gesellschafter, der B AG und der C AG zum damaligen Zeitpunkt das Verhalten der Beklagten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar gewesen sei. Die Beklagten hätten angesichts der damals gegebenen Situation jedenfalls davon ausgehen können, dass eine hinreichende Erfolgsprognose existierte und bei Zugrundelegung der dann maßgeblichen going-concern-Werte eine Überschuldung schon rechnerisch nicht vorgelegen habe. Die Annahme einer positiven Fortführungsprognose sei im Hinblick auf die geplanten Maßnahmen zur Umsatzsteigerung und Kostenreduzierung jedenfalls kaufmännisch vertretbar gewesen (Bl. 498 d.A.).

Diesem Vorbringen hätte das Landgericht für den Fall, dass die aus den dargestellten Gründen erforderliche Beweisaufnahme hinsichtlich der bei der Frage einer positiven Fortführungsprognose zugrunde zu legenden Tatsachen (Zeugenbeweis), deren Bewertung im Sinne einer positiven Fortführungsprognose sowie die Frage der Annahme einer Überschuldung bei der Zugrundelegung von Fortführungswerten (jeweils: Sachverständigenbeweis) zu Lasten der Beklagten zu beantworten gewesen wäre, unter Einschaltung sachverständiger Hilfe nachgehen müssen. Das Landgericht hat dies nicht getan, sondern sich auf die Bemerkung beschränkt, die Beklagten hätten die Vermutung vorhandenen Verschuldens nicht widerlegt. Das konnten sie aber nicht, wenn über ihr erhebliches, unter Beweis gestelltes Vorbringen nicht Beweis erhoben wurde. Das Landgericht wird daher, falls es für die Entscheidung auf diesen Punkt ankommen (also nicht schon die Klage aus den vorrangig aufzuklärenden objektiven Gesichtspunkten abzuweisen sein) sollte, diese Aufklärung nachzuholen haben.

3. Für den Fall, dass die nachzuholenden Aufklärungen bis zu diesem Punkt fortzuführen sein werden, wird dann auch die Frage erneut zu prüfen sein, inwieweit die Beklagten sich auf eingeholte fachliche Beratung verlassen durften.

Nach der Rechtsprechung kann in derartigen Fällen der Annahme einer Haftung entgegenstehen, wenn der Geschäftsführer sich bei der Befassung mit der Frage einer positiven Fortbestehensprognose hat fachkundig beraten lassen (BGHZ 126, 181 ff., 199; OLG Naumburg GmbHR 2004, 361 ff., 363). Dafür reicht allerdings selbstverständlich eine schlichte Anfrage bei einer für fachkundig gehaltenen Person nicht aus, erforderlich ist vielmehr, dass die Beratung unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen durch einen unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträger erfolgt (BGH NJW 2007, 2118 ff., 2120).

Die Beklagten haben hierzu bereits im ersten Rechtszug unter Beweisantritt vorgetragen, dass die positive Fortführungsprognose von dem Dipl. Betriebswirt SV1, einem Sanierungsspezialisten, auf der Grundlage der Zurverfügungstellung sämtlicher Daten getragen worden sei, der zwar von der C AG in diesem Fall eingesetzt worden sei, bei dem es sich aber um einen selbständigen Berater gehandelt habe. In gleicher Weise hätten die Beklagten sich auf entsprechende Einschätzungen des Beraters Dipl.Oec. SV2, eines Unternehmensberaters für Restrukturierungsmaßnahmen bei mittelständischen Unternehmen, des Steuerberaters SV3 sowie der fachkundigen Mitarbeiter der B AG und der C AG stützen können, wobei sie zudem in insolvenzrechtlicher Hinsicht von Rechtsanwalt und Notar F, Kanzlei G & Partner, O3, beraten worden seien. Das Landgericht hat das diesbezügliche Beklagtenvorbringen mit der Begründung nicht für erheblich gehalten, dass der Betriebswirt SV1 Mitarbeiter der C AG gewesen und hinsichtlich der weiter namhaft gemachten Personen nicht vorgetragen sei, zu welchem Ergebnis diese aufgrund welcher Darstellung gekommen seien. Es hat dabei aber das Beklagtenvorbringen nicht berücksichtigt, dass es sich bei SV1 um einen selbständigen, in diesem Falle von der C AG eingesetzten Berater gehandelt habe (Bl. 118 d.A.) und die übrigen genannten Personen auf der Grundlage umfassender Datenkenntnis von einer positiven Fortführungsprognose ausgegangen seien. Im zweiten Rechtszug haben die Beklagten diesbezüglich ergänzend darauf hingewiesen, dass SV1 zwar von der C AG eingesetzt worden, diese aber keineswegs an einer risikobehafteten Fortführung des Unternehmens interessiert gewesen sei. Im Hinblick darauf, dass es insofern ausschließlich darauf ankommt, ob die Beklagten aus damaliger Sicht hinreichend Veranlassung hatten, sich auf ihnen gegenüber von fachlicher Seite geäußerte positive Prognosen zu verlassen, dürfte auch diese Frage kaum ohne Durchführung einer Beweisaufnahme abschließend zu beantworten sein.

III.

Insgesamt war somit die Sache auf den gestellten Antrag der Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen, das nunmehr die unterlassenen Aufklärungen nachzuholen haben wird. Im Rahmen seiner abschließend zu treffenden Entscheidung wird das Landgericht auch über die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz mit zu entscheiden haben. Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten für den zweiten Rechtszug beruht auf § 21 GKG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die diesbezüglichen Voraussetzungen (§ 543 II ZPO) nicht vorliegen. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Ende der Entscheidung

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