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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 30.06.2000
Aktenzeichen: 10 U 217/99
Rechtsgebiete: ZPO, HGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 287 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 515 Abs. 3
ZPO § 708 Ziff. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
HGB § 89 b Abs. 1
HGB § 89 b Abs. 5
HGB § 89 b Abs. 1 Nrn. 1-3
HGB § 89 b
BGB § 284 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 U 217/99 2 O 235/97 Landgericht Wiesbaden

Verkündet lt. Protokoll am 30.06.00

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 29.07.1999 durch Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzenden, Richter am Oberlandesgericht und Richterin am Oberlandesgerichtes aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 16.590,52 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.10.1998 zu zahlen.

Von den bis zur Zurücknahme der Berufung hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstandes angefallenen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 3/4 die Beklagten 1/4 zu tragen.

Die weitergehenden Kostender Berufung fallen den Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 16.590,52 DM.

Entscheidungsgründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Der Kläger kann von den Beklagten nach § 89b Abs. 1, Abs. 5 HGB Ausgleich in Höhe von 16.590,52 DM beanspruchen.

Der Kläger war Grund des Vertrages vom 10./15.02.1994 von den Beklagten mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen betraut.

Das Vertragsverhältnis wurde durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.9.1996 zum 31.12.1996 beendet.

Bemessungsgrundlagen für den Ausgleich sind die Vorschriften des § 89b Abs. 1 Nrn. 1-3 HGB, wobei in Abs. 5 abweichend von Abs. 1 Ziff. 1 festgelegt ist, daß es nicht darauf ankommt, daß der Kläger neue (Stamm-) Kunden geworben, sondern nur, daß er neue Versicherungsverträge vermittelt hat.

Neue Versicherungsverträge liegen auch vor, soweit der Kläger die Umstellung bisheriger Monopolversicherungen im Gebäude-Feuerversicherungsbereich auf die Beklagten vermittelte. Es handelt sich um neue Geschäfte zwischen den Beklagten und Dritten, die auf die Vermittlungsleistungen des Klägers zurückzuführen sind. Der Umstand, daß der Kläger von den Brandversicherungsanstalten insoweit die nötigen Kundendaten erhielt, steht dem nicht entgegen. Seine Tätigkeit wurde hierdurch erleichtert; der Kläger erbrachte aber dennoch Vermittlungsleistungen.

Der Kläger hat durch Vorlage von 24 Aktenordnern, worin die Durchschriften der Anträge der Versicherungsnehmer für sämtliche von ihm vermittelten Versicherungsverträge abgeheftet seien, in Verbindung mit der chronologischen Auflistung in 5 "Antragsbüchern" hinreichend vorgetragen, welche neuen Versicherungsverträge er für die Beklagten vermittelt habe. Die Beklagten, die selbst Kenntnis der vermittelten Verträge haben und Einsicht in die von dem Kläger vorgelegten Urkunden hätten nehmen können (vgl. §§ 131 Abs. 3, 134 ZPO), haben die Behauptung des Klägers nicht substantiiert bestritten. Sie sind nicht auf einzelne Verträge eingegangen, sondern haben lediglich von dem Kläger mit 1.186.590,-- DM errechnete Jahresprämien bestritten und auf übertragene Altversicherungsbestände verwiesen. Um welche Verträge es sich dabei handeln soll, haben sie nicht dargelegt.

Die Beklagten haben nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Kläger aus den von diesem vermittelten Versicherungsverträgen erhebliche Vorteile. Die Erheblichkeit richtet sich nach dem Umfang und der erwarteten Beständigkeit des vermittelten Neugeschäfts. Die Beklagten haben das Beitragsaufkommen aus der Vermittlung der Umstellung der früheren Monopolversicherungsverträge in ihrem Schreiben vom 27.06.1996 für die Zeit vom 01.04.1994 bis zum 05.01.1996 mit 1.030.000,-- DM beziffert. Der Kläger hat ferner vorgetragen, es handele sich um langfristige Verträge. Davon ist auszugehen, denn die mit Verlängerungsklauseln versehenen Verträge enden üblicherweise nicht mit dem Ablauf der festen Bindung des Versicherungsnehmers sondern werden mehrmals verlängert. Die Beklagten, die auf Grund von Erfahrungssätzen in der Lage sind, die durchschnittliche Restlaufzeit der Einzelverträge des von dem Kläger vermittelten Bestandes abzuschätzen, haben hierzu keinerlei Angaben gemacht. Von der Entstehung erheblicher Unternehmervorteile ist daher auszugehen.

Der Ausgleichsanspruch setzt neben Vorteilen für den Unternehmer voraus, daß der Vertreter durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provisionen verliert, die er aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande kommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte.

Für den Versicherungsvertreter kann sich mit der Vertragsbeendigung ein Provisionsverlust nur dann ergeben, wenn auf Grund einer Provisionsverzichtsklausel bereits verdiente, aber noch nicht fällig gewordene Abschlußprovisionen entfallen (vgl. Küstner/v. Manteufel/Evers, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, 6. Aufl., Band II, Rdnr. 27). § 15 Abs. 5 des Vertrages der Parteien enthält eine Provisionsverzichtsklausel.

Ausgleichsfähige Provisionsverluste könnten nicht entstehen, wenn in den Folgeprovisionen Vermittlungsprovisionen nicht enthalten wären (vgl. BGHZ 30, 98ff; BGH VersR 71, 265 ff; OLG München, BB 93, 1754 ff). Nach § 5 des Vertrages werden Folgeprovisionen für die Pflege des Bestandes und auch für Inkassotätigkeiten, also für Verwaltungstätigkeiten, gezahlt. Es mag dahinstehen, ob in den an den Kläger gezahlten Folgeprovisionen dennoch Teile einer Vergütung für die Vermittlungs- und Abschlußtätigkeit enthalten sind (vgl. BGHZ 30, 98ff, 105). Auf eine Unterscheidung zwischen Vermittlungs- oder Abschlußprovisionen einerseits und Verwaltungsprovisionen andererseits und auf die Darlegungslast des Klägers hinsichtlich der Frage, aus welchen Bestandteilen sich die Folgeprovisionen zusammensetzen, kommt es nicht an, weil für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs die zwischen dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft, dem Bundesverband der Geschäftsstellenleiter der Assekuranz und dem Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute erarbeiteten und vereinbarten "Grundsätze" maßgeblich sind (vgl. Küstner, v. Manteufel/Evers a.a.O., Rdnr. 687, 1564, 1633), die dazu dienen, eine rechtlich unumgängliche, in der Praxis aber nahezu undurchführbare Aufteilung der Folgeprovisionen in ausgleichsfähige Abschluß- und nicht zu berücksichtigende Verwaltungsprovisionen zu vermeiden.

Der Charakter dieser "Grundsätze" als empfehlende Vereinbarungen (Küstner, a.a.O., Rdnr. 1644) ist nicht entscheidungserheblich, denn die Parteien sind sich darüber einig, daß diese "Grundsätze" in ihrer Vertragsbeziehung gelten. So hat der Kläger bereits in der Klageschrift die Auffassung vertreten, die dort von ihm vorgenommene Berechnung entspreche diesen "Grundsätzen". Er hat diese Meinung in der Berufungsbegründung wiederholt. Auch die Beklagte hab sich auf die "Grundsätze" - wenn auch mit anderem Ergebnis als der Kläger - bezogen.

Es kommt hinzu, daß die Vorschrift des § 287 Abs. 2 ZPO auf den Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB anzuwenden ist (BGH NJW 2000, 1413 ff). In diesem Rahmen sind die "Grundsätze" als Erfahrungswerte der in Betracht kommenden Wirtschaftskreise auch ohne besondere Vereinbarung zwischen den Parteien zu berücksichtigen (Küstner, a.a.O., Rdnr. 1648).

Nach den "Grundsätzen - Sach" (abgedruckt bei Küstner, a.a.O., Rdnr. 1859) ist für die Errechnung des Ausgleichsanspruchs des Klägers, der für die Beklagten weniger als 5 Jahre tätig war, die nach dem Durchschnitt der gesamten Dauer seiner Tätigkeit zu berechnende Bruttojahresprovision des von ihm aufgebauten Versicherungsbestandes festzustellen, wobei Abschlußprovisionen, Provisionen für Versicherungsverträge mit unterjähriger Laufzeit, an Untervertreter abzugebende Provisionen und Überweisungs- und Führungsprovisionen unberücksichtigt zu lassen sind.

Der Kläger hat eine solche Berechnung nicht dargelegt. Es fehlt insbesondere jeder Anhalt, er habe während der Vertragszeit Folgeprovisionen in Höhe von 285.656,-- DM verdient. So können im Jahre 1994 schlechterdings keine Folgeprovisionen in Höhe von 52.883,-- DM angefallen sein. Der Kläger hat auch auf ein Formblatt "Grundsatz der Provisionsberechung" Bezug genommen, woraus sich ergibt, daß eine Folgeprovision erst nach Ablauf des ersten Versicherungsjahres zu zahlen ist. Folgeprovisionen aus einem im Jahre 1994 vermittelten Bestand können daher erstmals 1995, Folgeprovisionen aus dem Jahre 1995 können erstmals im Jahre 1996 angefallen sein und zwar nicht pauschal aus dem Jahresprämienaufkommen, sondern einzelvertragsbezogen ratierlich.

Der Berechnung zugrunde zu legende Folgeprovisionen ergeben sich vielmehr aus den tatsächlich in der Vertragszeit geleisteten Zahlungen zuzüglich weiter vereinbarter 3.021,30 DM. Denn die Parteien haben im Termin des Landgerichts am 31.07.1997 einen Vergleich des Inhalts geschlossen, zur Abgeltung aller Provisionsansprüche des Klägers und aller Provisionsrückzahlungsansprüche der Beklagten zahlten diese an den Kläger 25.000,-- DM. Die Parteien waren sich also - auch - einig, daß über diesen Betrag, der einen Anteil an Folgeprovisionen enthält, und bereits geleistete Zahlungen hinaus kein Anspruch des Klägers auf Folgeprovisionen gegeben ist. Der Betrag von 25.000,-- DM umfaßt einen Anteil von 56,65 % der vom Kläger seinerzeit noch mit 5.333,28 DM geltend gemachten rückständigen Folgeprovisionen. Eine sich daraus ergebende Folgeprovision von 3.021,30 DM ist dem von den Beklagten aufgelisteten, tatsächlich geleisteten Zahlungen an Folgeprovisionen von 132.826,13 DM für Neuabschlüsse in der Haftpflicht, Unfall- und Sachversicherung, von 1.824,85 DM in der Kraftfahrt- und 99,93 DM in der Rechtsschutzversicherung hinzuzurechnen.

Den Darlegungen der Beklagten zu den Basisdaten der Ausgleichsanspruchsberechnung ist zu folgen. Der Kläger, der die Darlegungs- und Beweislast für den geltend gemachten Ausgleichsanspruch hat, hat nicht vorgetragen, daß er während der Vertragszeit höhere Folgeprovisionen erhalten habe. Seine Darstellung, die Beklagte habe im Jahre 1996 Folgeprovisionen von 112.113,26 DM gezahlt, weicht von der Berechnung der Beklagten nicht erkennbar ab. Denn es handelt sich bei den im Jahre 1996 geleisteten Zahlungen um den wesentlichen Anteil an während der gesamten Vertragszeit gezahlten Folgeprovisionen. Hinzu kommen lediglich noch Folgeprovisionen, die die Beklagten im Jahre 1995 ratierlich für im Jahre 1994 getätigte Neuabschlüsse zahlten, die der Kläger nicht dargelegt hat.

Es spielt bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs keine Rolle, daß für die Vermittlung von Lebens- und Krankenversicherungsverträgen nur einmalig bei Abschluß des Versicherungsvertrages Abschlußprovisionen, sogenannte Einmalprovisionen, gezahlt werden und daß Versicherungsverträge mit unterjähriger Laufzeit und übertragene Altversicherungsbestände unberücksichtigt zu lassen sind. Denn es ist davon auszugehen, daß die Beklagten sich bei der Darstellung der Basisdaten für den Ausgleichsanspruch hieran gehalten haben.

Der Ausgleichsanspruch des Klägers ist auf dieser Grundlage wie folgt zu errechnen:

Folgeprovisionen während der Vertragszeit:

3.021,30 DM

132.826,13 DM

1.824,85 DM

99,93 DM

137.772,21 DM : 33 = 4.174,92 x 12 = 50.098,98 DM durchschnittliche Brutto-Jahresprovision. Davon sind nach den "Grundsätzen - Sach" 50 % als Ausgleichswert in Ansatz zu bringen, also 25.049,49 DM. Der Multiplikator beträgt nach der Dauer der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte von weniger als 4 Jahren 1, nicht 1,5. Auf der Grundlage des Schreibens der Beklagten vom 12.02.1997 sind dem Ausgleichsanspruch nach den "Grundsätzen Leben" und "Grundsätzen Kranken" noch Beträge von 18,21 DM und 53,42 DM hinzuzusetzen.

Der daraus zu errechnende Betrag von 25.121,12 DM ist nicht unter Billigkeitsgesichtspunkten herabzusetzen (§ 89b Abs. 1 Ziff. 3 HGB). Dem Umstand, daß der Kläger zur Vermittlung von Monopolversicherungen aus dem Bestand der Brandversicherungsanstalten von diesen die Kundendaten erhielt, ist bereits dadurch Rechnung getragen, daß die zwischen den Parteien vereinbarten Umstellungsprovisionen im Gebäude-Feuer-Versicherungsbereich niedriger sind als die Abschlußprovisionen.

Die Beklagten haben auf den Anspruch des Klägers bereits 8.530,60 DM gezahlt, so daß noch ein restlicher Ausgleichsanspruch von 16.590,52 DM offen steht.

Der Anspruch des Klägers ist mit 4 % seit dem 01.10.1997 zu verzinsen, §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in den §§ 91 Abs. 1, 515 Abs. 3 ZPO.

Das Urteil war nach §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO ohne Abwendungsbefugnis für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Der Wert der Beschwer war nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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