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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 15.07.2003
Aktenzeichen: 11 U 22/03
Rechtsgebiete: StPO, UrhG, ZPO


Vorschriften:

StPO § 404 II
UrhG § 111 a
UrhG § 126
ZPO § 926
Die Stellung eines Adhäsionsantrages im Ermittlungsverfahren schon bei der Staatsanwaltschaft kann der Erhebung einer Hauptsacheklage im Sinne des § 926 Abs. 1 ZPO gleichstehen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 22/03

Verkündet am 15.07.2003

In dem Rechtsstreit

...

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 22.01.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main ­ 6. Zivilkammer (Az.: 2/6 O 115/02) wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe:

I. Mit Beschluss vom 18.03.2002 hat das Landgericht Frankfurt am Main ­ 6. Zivilkammer ­ gegen den Antragsgegner eine einstweilige Verfügung nach §§ 111 a, 126 UrhG erlassen, mit der die Beschlagnahme von Tonträgern durch den Zoll aufrecht erhalten worden ist (vgl. Bl. 23 d. A.). Entsprechend dem Antrag des Antragsgegners setzte der Rechtspfleger bei dem Landgericht Frankfurt am Main der Antragstellerin zunächst eine dreiwöchige Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage. Diese Frist wurde auf Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 02.10.2002 um sechs Wochen verlängert. Am 12.11.2002 stellte die Antragstellerin bei der zuständigen Staatsanwaltschaft im Rahmen des dort geführten Ermittlungsverfahrens gegen den Antragsgegner einen Adhäsionsantrag (vgl. Bl. 50 ff. d. A.).

Die Parteien streiten danach über die Frage, ob die Stellung eines derartigen Adhäsionsantrages im Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft mit der Erhebung der Hauptsacheklage vor dem zuständigen Zivilgericht gleichzusetzen ist und den Erfordernissen des § 926 Abs. 1 ZPO entspricht.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 22.01.2003 hat das Landgericht Frankfurt am Main den Aufhebungsantrag des Antragsgegners gemäß § 926 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Auf die Urteilsgründe (Bl. 72 ­ 75 d. A.) wird Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 07.02.2003 zugestellte Urteil hat der Antragsgegner am 06.03.2003 Berufung eingelegt und diese am 02.04.2003 begründet.

Er macht hauptsächlich geltend, ein Adhäsionsverfahren sei einerseits nicht billiger, andererseits könne der Antrag bei der Staatsanwaltschaft nicht ausreichend sein. Denn es hänge dann nicht vom Willen der Parteien ab, ob ein rechtskräftiger Titel erlangt werde, sondern letztlich zum einen von der Entschließung der Staatsanwaltschaft, überhaupt Anklage zu erheben, und zum anderen von dem Gericht, inwieweit es den Adhäsionsantrag als sachdienlich und zulässig erachte. Darüber hinaus würde die Zulassung eines Adhäsionsantrages zumindest beim derzeitigen Verfahrensstand des Strafverfahrens im vorliegenden Fall gegen den Antragsgegner dem Sinn und Zweck des § 926 ZPO zuwiderlaufen. Die Vorschrift solle dem Schuldner gerade die Möglichkeit bewahren, immer eine Entscheidung zur Hauptsache herbeizuführen. Es solle verhindert werden, dass der Gläubiger mit dem Arrest oder der einstweiligen Verfügung Missbrauch treibe, indem er den Titel als Druckmittel ohne eine ernsthafte Absicht weiterer Rechtsverfolgung beliebig lange aufrechterhalte. Gerade diese Möglichkeit werde dem Gläubiger aber zumindest in der Praxis eröffnet, wenn die Stellung eines Adhäsionsantrages im Ermittlungsverfahren ausreichend sei.

Der Antragsgegner beantragt, die einstweilige Verfügung vom 18.03.2002 in Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22.01.2003 aufzuheben.

Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen des Antragsgegners im Einzelnen entgegen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II. Die Berufung des Antragsgegners ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Landgericht den Antrag des Antragsgegners gemäß § 926 Abs. 2 ZPO auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, weil die Antragstellerin innerhalb der ihr gesetzten und verlängerten Frist ein Adhäsionsverfahren eingeleitet hat. Denn auch dieses Verfahren wird den Anforderungen einer Hauptsacheklage im Sinne des § 926 Abs. 1 ZPO gerecht. Die Vorschrift des § 926 ZPO verlangt, dass auf Antrag eines Antragsgegners Klage erhoben wird. Dabei ist lediglich von Klageerhebung die Rede, nicht aber von einer Klageerhebung vor dem Zivilgericht. Darüber hinaus ist für die Definition der "Anhängigkeit der Hauptsache" der Streitgegenstandsbegriff maßgeblich, wonach die Hauptsache anhängig ist, sofern die gleichen Parteien um die gleichen Ansprüche streiten. Damit genügt zunächst aber jede vollwertige Klage, die zu einer Sachentscheidung führen kann (vgl. Stein-Jonas, ZPO, § 926 Rz. 5), wozu auch die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrages oder die Einleitung eines Schiedsverfahrens zählen, wenn deren Verfahrensvoraussetzungen im einzelnen gewahrt sind (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Auflage, § 926 Rn. 32 m.w.N.). Dabei müssen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung über den Aufhebungsantrag die Prozessvoraussetzungen soweit vorliegen, dass es zu einem abschließenden Sachurteil kommen kann (vgl. Teplitzki, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kapitel 56, Rn. 20 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt aber grundsätzlich auch ein in seinen Wirkungen mit einer Klage gleichzusetzender Adhäsionsantrag im Strafverfahren. Denn gem. § 404 Abs. 2 StPO hat die Antragstellung im Adhäsionsverfahren aber dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit und nach § 406 Abs. 3 Satz 1 StPO steht die Entscheidung über den Adhäsionsantrag einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich.

Die Voraussetzungen einer Gleichstellung sind auch im Streitfall gegeben. Denn die Antragstellerin hat mit Einreichung des Adhäsionsantrages die maßgeblichen Prozessvoraussetzungen für dieses Verfahren erfüllt. Die von ihr im Strafverfahren gestellten Anträge auf Aufrechterhaltung der Beschlagnahme, auf Unterlassung und auf Vernichtung ­ im Übrigen nicht zugleich auch auf Schadenersatz ­ stellen vermögensrechtliche Ansprüche dar, die ein Verletzter gemäß § 403 Abs. 1 StPO im Adhäsionsverfahren geltend machen kann (vgl. Hilger, in Loewe/Rosenberg, StPO Großkommentar, 25. Auflage, § 403, Rn. 12). Die Zulässigkeit dieser Anträge, insbesondere auch des Vernichtungsanspruches aus § 98 Abs. 1 UrhG, ergibt sich im Übrigen auch aus § 110 Satz 3 UrhG, der insoweit den Vorrang des Adhäsionsverfahrens festlegt (vgl. Schricker/Haß, Urheberrecht, 2. Auflage, § 110, Rn. 1 f.).

Darüber hinaus ist nach überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, die Antragstellung auch bei der Staatsanwaltschaft zulässig (vgl. u.a. KMR-Stockl, StPO, § 404, Rn. 4; Kleinknecht/Meyer, StPO, § 404, Rn. 6), wobei nach § 404 Abs. 2 StPO ­ wie erwähnt ­ mit Antragstellung dessen wesentliche Rechtsfolgen bereits eintreten: Der Anspruch wird rechtshängig und die Verjährung wird unterbrochen. Vereinzelt wird in der Kommentarliteratur unter Verweis auf Nr. 174 Abs. 2 RiStBV zwar vertreten, der bei der Staatsanwaltschaft gestellte Antrag werde erst mit Eingang bei Gericht "wirksam". Der Senat hält dies nicht für überzeugend. Darüber hinaus sind sich auch diese Autoren darüber einig, dass § 404 Abs. 2 StPO die Vorschrift des § 253 Abs. 1 ZPO modifiziert und der Anspruch mit der Antragstellung bereits rechtshängig wird (vgl. KMR/Stockl. a.a.O).

Die Zulässigkeit des Vorgehens der Antragstellerin belegt auch die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft dem Antragsgegner die Adhäsionsanträge alsbald zugestellt hat. Die Antragstellerin hat das Ermittlungsverfahren mit ihrer frühzeitig gestellten Strafanzeige auch nicht aus Gründen des Rechtsmissbrauchs veranlasst. Vielmehr hat sie ihr Möglichstes getan, um unter Nachweis ihrer Rechte die baldige Anklage und Verurteilung des Antragsgegners wegen Verletzung von Urheberschutzrechten zu erreichen. Dadurch wird der im vorläufigen Rechtsschutz erlangte Titel nicht beliebig lange aufrechterhalten. Sollte die Staatsanwaltschaft mangels ausreichenden Nachweises einer Rechtsverletzung von einer Anklageerhebung absehen oder sollte das Ermittlungsverfahren eingestellt oder der Antragsgegner freigesprochen werden, so ist noch immer eine Hauptsacheklage vor dem Zivilgericht erforderlich und möglich, um entsprechend der Vorschrift des § 926 ZPO zu verfahren.

Mit Recht hat das Landgericht auch darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit, wonach das Strafgericht nach Zulassung der Anklage entsprechend § 405 Satz 2 StPO jederzeit im Rahmen des ihr eingeräumten Beurteilungsspielraums von der Entscheidung über das Adhäsionsverfahren absehen kann, nicht gegen die Zulassung dieses Verfahrens im Rahmen des § 926 ZPO spricht. Denn das Adhäsionsverfahren ist vom Gesetzgeber ersichtlich als vollwertiges Zivilverfahren ausgestaltet und dient der Prozessökonomie. Außerdem ist folgendes zu berücksichtigen: Tritt mit Stellung der Adhäsionsanträge nach überwiegender Auffassung Rechtshängigkeit im Sinne des § 261 ZPO ein (vgl. auch Zöller/Greger, a.a.O., § 261 Rn. 3 a) und würde die Antragstellerin gleichwohl verpflichtet, Klage vor der Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main neben den gestellten Adhäsionsanträgen einzureichen, wäre diese Klage wegen wohl entgegenstehender Rechtshängigkeit als unzulässig abzuweisen.

Letztlich kann sich der Antragsgegner auch nicht darauf berufen, er werde durch die Gleichstellung einer zivilrechtlichen Klage mit der Stellung eines Adhäsionsantrages ­ auch bereits bei der Staatsanwaltschaft ­ schlechter gestellt. Abgesehen davon, dass die Beschlagnahme auch im Strafprozess perpetuiert werden könnte, bleiben ihm bei Nichtbescheidung des Adhäsionsantrages noch immer die Möglichkeiten des § 926 ZPO und darüber hinaus der Schadensersatzklage nach § 945 ZPO. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände wird die grundsätzliche Anerkennung von Adhäsionsanträgen im Rahmen des § 926 ZPO der gesetzgeberischen Intention gerecht. Dieser wollte mit dem zivilrechtlichen Annex zum Strafverfahren neben prozessökonomischer Vorgehensweise eine kostengünstige Alternative zum Zivilprozess im Sinne des Opferschutzes bereitstellen und durch das Adhäsionsverfahren einen vollstreckbaren zivilrechtlichen Titel schaffen, ohne ein weiteres Hauptverfahren mit erneuter Beweisaufnahme vor dem Zivilgericht anstrengen zu müssen. Mit Recht verweist die Antragstellerin deshalb darauf, dass auch die Erleichterung in der Kostenfolge gerade in den Fällen bedeutsam wird, in denen der mögliche Verletzer von Urheberschutzrechten vermögenslos ist. Die Antragstellerin müsste selbst bei Obsiegen in einem Zivilverfahren die Kosten dieses Rechtsstreits tragen, weil sie gegen den Verletzer nicht mit Erfolg vollstrecken könnte.

Bei dieser Sachlage kann die Stellung eines Adhäsionsantrages auch bereits bei der Staatsanwaltschaft im Streitfall nicht als Umgehung des § 926 ZPO angesehen werden, so dass die Berufung des Antragsgegners mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen war.

Ende der Entscheidung

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